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Recht, Rhetorik und kulturelle Evolution

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Gerechtigkeit als Zufall
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Auszug

Die Topographie der Rhetorik entfaltet sich mit Zufällen.1 Manche Engländer übersetzen bloßer Zufall mit mere coincidence. Das ist zwar ein schöner Begriff, weil man mit ihm nicht nur — wie beim Zufall — Äußerlichkeit, sondern auch Interferenz assoziieren kann. Übersetzer bringt aber gerade diese Kombination aus Äußerlichkeit und Interferenz manchmal in die Bredouille: Wenn ein Eigenname besonders gut passt, dann sagt der Deutsche: „Das ist kein Zufall!“ Der mutige Übersetzer sagt: „That is coincidence!“ Der Gesprächspartner, der ein paar Monate in Deutschland Philosophie studiert hat und die deutsche Sprache ansatzweise beherrscht, ist irritiert und sagt zum Übersetzer: „But he said, it wasn’t!?“ Der Deutsche möchte nun wissen, was sein Gesprächspartner einzuwenden hatte. Wie soll man den Einwand gegen die Übersetzung übersetzen? Man steht an einer quasi englisch-deutschen Grenze, an der sich auch das Meer der Fälle und die Landschaft des Gesetzes trennen, Passen und Nichtpassen aber zusammenfallen. An dieser Grenze entfaltet sich auch unser Thema: Gerechtigkeit als Zufall - eine seltsame Verstrickung von Äußerlichkeiten und Interferenzen.

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Literatur

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(2007). Recht, Rhetorik und kulturelle Evolution. In: Gerechtigkeit als Zufall. TRACE Transmission in Rhetorics, Arts and Cultural Evolution. Springer, Vienna. https://doi.org/10.1007/978-3-211-71689-2_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-211-71689-2_1

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