Auszug
Für die Evaluation wissenschaftlicher Einrichtungen sind die Beobachtungen und Gespräche mit den Wissenschaftlern vor Ort, der Austausch über die Eindrücke innerhalb der Begehungsgruppe und die gemeinsame Verständigung über die Bewertung von zentraler Bedeutung.2 Diese Tätigkeiten werden üblicherweise unter dem Begriff Peer Review zusammengefasst, womit das Verfahren der Bewertung bezeichnet wird. Hirschauer charakterisiert das Peer Review als „eine Praxis, die sich qualitativer Methoden bedient“, und ordnet es den qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung zu (Hirschauer 2006: 421). Damit geht er davon aus, dass es sich um eine planmäßig und reflektiert eingesetzte Arbeitsweise handelt. Ob die oben aufgezählten Evaluationstätigkeiten tatsächlich auf einer wissenschaftlich ausgearbeiteten Methodik basieren, die ein reflektiertes, planmäßiges und folgerichtiges Vorgehen garantiert und die vor allem personenungebunden durchgeführt werden kann, ist jedoch fraglich. Um diesen Zweifel deutlich zu machen, spreche ich von qualitativen Praktiken, weil es sich um Fähigkeiten handelt, die von Wissenschaftlern erwartet werden, aber nicht zu einem Methodenkompendium verdichtet sind, wie dies für die quantitativen Methoden der Fall ist. Erstaunlich ist, dass die Resultate der Evaluationen trotzdem mit ausgeprägter Urteilsgewissheit vorgetragen, begründet und durchgesetzt werden.3
Ich danke Silviana Galassi für ihre hilfreiche Kommentierung und Friedrich Tegelbekkers für seine kritische Durchsicht.
Genau auf solche Evaluationen beschränke ich mich hier: “By evaluation, I shall mean the situation where visiting experts come from outside your organisation or system and say what they think about it” (Richard Brook, zit. nach Frey/Osterloh 2006: 2).
Ob sie den wissenschaftlichen Ansprüchen der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit genügen, müsste eigens überprüft werden.
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Literatur
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Barlösius, E. (2008). Urteilsgewissheit und wissenschaftliches Kapital. In: Matthies, H., Simon, D. (eds) Wissenschaft unter Beobachtung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90863-2_15
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Online ISBN: 978-3-531-90863-2
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