1 Untersuchungsgegenstand

In vielen öffentlichen Gebäuden besteht ein hohes wirtschaftliches Einsparpotenzial bei den Energieträgern Wärme und Strom. Die Energiepreise steigen in Deutschland stetig an und damit auch die Kosten der Energieversorgung. Neben nicht-investiven Optimierungsmaßnahmen (z. B. betriebliche Einstellungen, Nutzerverhalten) können energetische Optimierungen mittel- und langfristig zu deutlichen Einsparungen führen. Der Spielraum für Investitionen ist allerdings stark eingeschränkt. Schon heute verfügen die Kommunen mehrheitlich nicht über die erforderlichen Finanzmittel für eine kontinuierliche Instandhaltung und Modernisierung ihrer Bestandsgebäude. U. a. ist dies ein Resultat einer auf das Bauen ausgerichteten Handlungsweise, bei der die Gesamtkosten über den Gebäudelebenszyklus nur unzureichend berücksichtigt wurden.

Der dringende Handlungsbedarf wird zunehmend erkannt. Neben den Kostenaspekten und gesetzlichen Vorgaben tragen auch ökologische Ziele zu einem Umdenken bei. Immer mehr Städte und Gemeinden streben im Rahmen von Klimaschutzkonzepten eine Reduzierung der CO2-Emmissionen an, gerade auch bezogen auf den eigenen Immobilienbestand. Hinzu kommt insbesondere auf Landes- und Bundesebene der Anspruch, dass öffentliche Gebäude dem ihnen zugedachten Vorbildcharakter auch energetisch gerecht werden.

Die vorliegende Studie widmet sich komplexen Immobilienbeständen der öffentlichen Hand und untersucht in einer Fallstudie exemplarisch das Portfolio des Bundeslandes Thüringen. Als besondere Restriktion sind die nur begrenzt zur Verfügung stehenden öffentlichen Haushaltsmittel zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich der Anspruch, die verfügbaren finanziellen Mittel so einzusetzen, dass Einspareffekte maximiert werden. Hier setzen die vorliegenden Untersuchungen mit dem Ziel an, methodische Ansätze zur Prognose des Potenzials und zur Entscheidung von Prioritäten vorzustellen.

2 Bisherige Forschung

Es existieren zahlreiche einzelfallbezogene bzw. lokale Studien zum Energieverbrauch bzw. entsprechenden Einsparpotenzialen. So zeigt Albert (2012) in einer Studie für die New York State Energy Research and Development Authority detailliert die Erfolge des Energy Benchmarking von Schulen und Gewerbeimmobilien im Zeitraum 2007–2009. Die Better City and Meister Consultants Group, Inc (2012) wertet im Auftrag der City of Boston Benchmarks von nordamerikanischen Großstädten aus, die zur Implementierung eines Gebäudeenergiebenchmarking genutzt werden.

Institutionell beschäftigt sich in den USA das State and Local Energy Efficiency Action Network (SEE Action 2012) mit dem landesweiten und lokalen Verbesserung der Energieeffizienz insbesondere öffentlicher Immobilienportfolios. Ein wesentlicher Ansatzpunkt dabei ist das Energiebenchmarking. Mercer und Ceres (2009) zeigen verschiedene Case Studies zu Fonds, die Energy Benchmarking zur Performance-Steigerung ihres Portfolios nutzen. O’Keeffe et al. (2015) beschäftigen sich mit der Benchmarking von Energiekennwerten in Abhängigkeit von Marktentwicklungen, wobei festgestellt wird, dass insbesondere neue privatwirtschaftliche Dienstleister Innovationen bewirken.

Im deutschsprachigen Raum zeigte beispielsweise der sächsische Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement – SIB (2014) ausgewählte Daten in einem Energieeffizienzbericht, der seinen Schwerpunkt auf realisierte Optimierungsprojekte legt. Dagegen widmete sich Knissel (1999) der zielgerichteten Maßnahmenplanung im Sinne einer primärenergetischen und wirtschaftlichen Optimierung zur Erreichung energieeffizienter Büro- und Verwaltungsgebäude. Des Weiteren untersucht beispielsweise Junghans (2009) die möglichen Vorgehensweisen zur Bewertung und Steigerung der Energieeffizienz kommunaler Bestandsgebäude.

In analytischer Hinsicht präsentierten Metzner und Erndt (2002) im Rahmen der Entwicklung von Controllinglösungen für Wohnimmobilienportfolios tief strukturierte Kennzahlensysteme als Basis eines edv-gestützten Benchmarkings zur Optimierung von Betriebskosten. Diese dienten zu einer automatisierten Portfolioanalyse und Priorisierung von Modernisierungsprojekten unter der Annahme von komplexen Datenbeständen. Die Methodik ist grundsätzlich auf den Untersuchungsgegenstand übertragbar, bezog sich jedoch zum Entwicklungszeitpunkt spezifisch auf die Nutzungsart Wohnen.

3 Verwendete Methodik

Zur Reduzierung des Analyseaufwands kann gerade bei Großbeständen ein mehrstufiger Ansatz gewählt werden, welcher durch vorgelagerte Filter bzw. Grobanalysen zu einer Verringerung der Komplexität beiträgt. Eine schrittweise Vorgehensweise mit zunehmendem Detailierungsgrad kann nach Abb. 1 erfolgen. Auf diese Weise lässt sich der zeitliche und kostenmäßige Aufwand steuern. Je detaillierter die Untersuchung gewählt wird, desto geringer ist die betrachtete Anzahl an Gebäuden zu wählen (Muhmann 2009, S. 42; IWU 2010, S. 13).

Abb. 1
figure 1

Idealtypisches Vorgehen zur energetischen Analyse eines Immobilienportfolios. (Quelle: Muhmann 2009, S. 42; IWU 2010, S. 13.)

Das Modell zielt zu Beginn im Rahmen einer Voranalyse auf eine ordinale Skalierung hinsichtlich des absoluten Optimierungspotenzials pro Gebäude bzw. Projekt ab. Aufgrund des vergleichsweise geringen Erstellungsaufwandes sind Untersuchungen dieser Art besonders für Auswertungen auf übergeordneter Portfolioebene geeignet, von denen Hinweise zur Kanalisierung folgender Untersuchungen erwartet werden können. Im Rahmen der Grob- und Feinanalyse soll darüber hinaus auch eine kardinale Bewertung des Potenzials erfolgen (z. B. mittels Verfahren der Investitionsrechnung).

Im Mittelpunkt einer energetischen Potenzialanalyse steht die Untersuchung des Energieverbrauchs von Gebäuden. Die konkreten baulichen und technischen Merkmale der Gebäude (wie Baujahr, U‑Werte, Heizungsanlage, etc.) bleiben dabei im Gegensatz zum bedarfsorientierten Ansatz zunächst unberücksichtigt. Es wird mit konkreten Messdaten in Form der Verbrauchswerte gearbeitet, in denen alle vorliegenden Randbedingungen des Gebäudes (z. B. Nutzerverhalten, Nutzungshäufigkeit, Einstellung der Heizungsanlage etc.) abgebildet sind (BMVBS 2009b, S. 36 ff.). Genutzt werden Erkenntnisse aus dem Ressortforschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS, Bezeichnung bis 12/2013, danach Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, BMVI).

Untersuchungen zeigen immer wieder große Abweichungen zwischen berechnetem Bedarf und gemessenem Verbrauch. Gerade beim Strom sind die in Forschungsprojekten ermittelten Unterschiede teilweise sehr hoch. Begründet wird dies unter anderem damit, dass der Alltagsbetrieb von Gebäuden sich oftmals deutlich von dem geplanten unterscheidet. Es wird zudem festgestellt, dass dieses Phänomen mit zunehmender Komplexität eines Gebäudes verstärkt auftritt (BMVBS 2009b, S. 36 ff.). Durch die Messung von Verbrauchswerten entfällt die rechnerische Ermittlung von theoretischen Erwartungswerten (sogenannten Bedarfswerten).

Der vorliegende Beitrag widmet sich speziell dem Arbeitsschritt „Voranalyse“. Die verwendetet Daten resultieren aus einem Forschungsprojekt der Bauhaus-Universität Weimar und des Freistaates Thüringen unter dem Titel „Nachwuchsförderung Gebäude-Energieeffizienz in Thüringen – NaGET“ (Daube 2013). Die Analysen und Ergebnisse wurden verknüpft mit dem parallelen Forschungsprojekt „Techniken und Strukturen zur Realisation von Energieeffizienz in der Stadt – Test Real“, dessen Ziel die Entwicklung eines Stadtplanungsinstrumentes zur Optimierung der Energieeffizienz auf Quartiers- bzw. Gesamtstadtebene darstellte (TestReal 2015).Footnote 1

4 Entwicklung einer Datenbasis

Die Untersuchung widmet sich Immobilienbeständen der öffentlichen Hand im Allgemeinen. Als spezifisches Referenzportfolio werden landeseigene Gebäude des Freistaats Thüringen analysiert. Die Datengrundlage resultiert aus einem umfangreicheren Forschungsprojekt, in dem die energetische Qualität der Landesgebäude des Freistaats Thüringen untersucht wurde. Die gezeigten Analysen und Darstellungen sind als Beispiel zu verstehen. Dieses ist als übertragbar auf ähnliche Immobilienportfolios und Entscheidungssituationen anderer öffentlicher Bestandshalter angelegt.

Der Freistaat Thüringen verfügt insgesamt über rund 1700 landeseigene Gebäude, wovon die 938 energetisch relevanten eine Netto-Grundfläche (NGF) von rd. 1,7 Mio. m2 aufweisen. Der Gebäudebestand umfasst u. a. Hochschulgebäude, Polizeigebäude, Finanzämter, Gerichtsgebäude sowie ministeriale Verwaltungsgebäude. Davon wurde in Abhängigkeit der Datenverfügbarkeit ein Ausschnitt an 270 Gebäuden ausgewählt, der hauptsächlich Hochschulgebäude umfasst.

4.1 Erhebung von Primärdaten

In Vorbereitung der Untersuchung waren entsprechend den Auswertungszielen Mindestanforderungen an die Datenqualität zu formulieren und geeignete Datenquellen zu erschließen. Zur Unterstützung der späteren Auswertung wurden die Daten durch mehrere Bearbeitungsschritte (Extraktion, Aggregation, Plausibilitätskontrollen, Korrekturen und Ergänzungen) in einheitliche Kennwerte überführt. Leerstehende Gebäude ohne bzw. mit stark reduziertem Energieverbrauch sowie Kleinstbauwerke (Flächen unter 10 m2, Garagen, Trafostationen) wurden aussortiert. Die Untersuchung erstreckt sich zudem nur auf die Liegenschaften, die bebaut sind und bei deren Nutzung Energie verbraucht wird. Einen Überblick über die Verteilung der Gebäudearten in dieser Grundgesamtheit der Untersuchung gibt die nachstehende Tab. 1. Darin wird auf den Bauwerkszuordnungskatalog (BWZK) Bezug genommen, der eine anerkannte Kategorisierung von Nichtwohngebäuden bereitstellt. Entwickelt wurde dieser von der Fachkommission Bau- und Kostenplanung im Rahmen der Bauministerkonferenz.

Tab. 1 Portfoliostrukturierung gemäß BWZK-Typisierung

Als Voraussetzung für alle weiteren Analyseschritte ist es erforderlich die grundlegenden Gebäudedaten zu erheben. In Kommunen sind diesbezüglich u. a. das Hochbauamt, das Liegenschaftsamt und das Schulverwaltungsamt als Ansprechpartner einzubeziehen. Die gegebenenfalls in mehreren Institutionen verteilt vorgehaltenen Daten sind entsprechend zusammenzuführen. Bei Datenlücken können zudem auch Gebäudeverwalter vor Ort einen Anlaufpunkt für Gebäudeinformationen darstellen, die für die Bewirtschaftung zuständig sind und die von ihnen betreuten Objekte i. d. R. am besten kennen.

Auch in der betrachteten Fallstudie ist die immobilienbezogene Datenlage über die unterschiedlichen Teilportfolios und Ämter hinweg als umfangreich und heterogen zu bezeichnen. Die benötigten Gebäudedaten wurden aus unterschiedlichen Datenbanken zur Verfügung gestellt und für die Untersuchung zusammengeführt. Plausibilitätstests und Korrekturen erfolgten zur Absicherung der Konsistenz der Daten. In der Fallstudie konnten im Wesentlichen Daten der folgenden Institutionen einbezogen werden:

  • Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV), insbesondere Informationen im Zusammenhang mit der Ausstellung von Energieausweisen,

  • Thüringer Liegenschaftsmanagement (THÜLIMA), insbesondere Informationen zur Betriebsphase der Gebäude (EMIS-Datenbank),

  • Thüringer Landesamt für Bauen und Verkehr (TLBV), insbesondere Informationen zur Planungs- und Bauphase der Gebäude.

4.2 Strukturierung der Datenbasis

Zur Unterstützung der späteren Auswertung empfiehlt sich eine einheitliche Strukturierung der Gebäudeinformationen. Beispielsweise kann eine Unterteilung in vier Merkmalsbereiche vorgenommen werden. In Tab. 2 sind wichtige Merkmale, die möglichst vollständig erhoben werden sollten, nach diesem Schema strukturiert.

Tab. 2 Basisdaten

4.3 Sicherung der Datenqualität

Eine für die Einschätzung des energetischen Zustands eines Gebäudes zentrale Eingangsgröße stellen die Verbrauchsdaten dar. Eine hohe Belastbarkeit der Daten ist daher besonders geboten. Um Rückschlüsse zur Aussagekraft der Angaben zu ziehen und die verwendeten Informationen auch für spätere Untersuchungen nachvollziehbar zu gestalten, stellt es einen Vorteil dar, die Art der Verbrauchsdatenermittlung zu dokumentieren.

Den Idealfall stellen gebäudegenau erhobene, ggf. aus mehreren Einzelmessungen aggregierte Verbrauchswerte dar. Besonders wichtig sind gebäudegenaue Daten bei Erfassung des Wärmeverbrauchs, da dieser Wert stark von der Gebäudenutzung abhängt. Grundsätzlich kann die Art der Verbrauchserfassung für die Medien Wärme und Strom für ein einzelnes Gebäude unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Zur Vereinfachung kann es sinnvoll sein zur Einschätzung der Datenbelastbarkeit die Art der Wärmeverbrauchserfassung in den Mittelpunkt zu stellen.

Zur Unterscheidung der Art der Verbrauchszählung kann z. B. eine Systematik entsprechend Tab. 3 verwendet werden, die eine Einordnung der Datenerfassung in fünf Kategorien von Verbrauchszählern (VZ) vorsieht. Während die Kategorie VZ 1 (gebäudegenaue Verbrauchszähler) für eine sehr gute Datenqualität steht, signalisieren höhere Nummern eine eingeschränkte (VZ 2, VZ 3) bzw. nicht gegebene (VZ 4, VZ 5) Verwendbarkeit der Daten, da notwendige Informationen fehlen.

Tab. 3 Kategorien der Belastbarkeit der Verbrauchsdaten

Jedes der untersuchten Gebäude wurde in eine der Kategorien eingeordnet. In einzelnen Gebäuden waren Verbrauchszähler eingebaut (VZ 1). Lag diesbezüglich keine Information vor, konnten bei mehreren Objekten die Liegenschaftsverwaltungen vor Ort eine entsprechende Auskunft erteilen. Waren keine genauere Information verfügbar, wurde die VZ 5 angegeben. Auch Datensätze, deren Herkunft unbekannt und nicht nachprüfbar war, wurden dieser Kategorie zugewiesen. Erst diese strenge Einschränkung ermöglicht es, bei den entsprechend ausgewählten Datensätzen (VZ 1 bis VZ 3) von belastbaren Informationen zu sprechen.

Für die Gebäudedatensätze der Fallstudie ergibt sich das Bild der Tab. 3. Bei 65 % der insgesamt 270 Gebäude sind Verbrauchszähler im Gebäude installiert. Bei diesen Gebäuden ist von einer entsprechend hohen Belastbarkeit der Verbrauchsdaten auszugehen. Die ebenfalls noch den belastbaren Daten zugerechneten Kategorien VZ 2 und VZ 3 liegen mit je 8 % in geringerem Umfang vor. In die Kategorien VZ 4 mit wenig belastbaren Daten und VZ 5 mit nicht vorhandenen Daten sind zusammen 19 % der Datensätze einzuordnen.

In der Zusammenfassung sind demnach für 218 Gebäude bzw. 81 % aller untersuchten Gebäude belastbare Verbrauchsdaten (VZ 1–3) verfügbar. Nur diese werden in die weiteren Betrachtungen einbezogen. Prinzipiell ist davon auszugehen, dass durch weitere detaillierte Nachforschungen die Anzahl der Datensätze mit belastbaren Verbrauchsdaten noch weiter erhöht werden könnte. Auch der laufende Einbau neuer Zähler wird die Quote in Zukunft stetig weiter verbessern.

Neben der Art der Verbrauchszählung können auch weitere Informationen über die Qualität der Eingangsdaten für die Auswertung nutzbar gemacht werden. Es bietet sich an ein Mindestmaß an Datenqualität zu definieren, dass Datensätze als Voraussetzung der Weiterverarbeitung aufweisen sollten. Unter diesem Aspekt ist beispielsweise zusätzlich die Prüfung der folgenden Kriterien sinnvoll, die für die späteren Auswertungen und Berechnungen zwingend erforderlich sind:

  • Lage/Adresse: Ist bekannt in welchem Postleitzahl-Gebiet das Gebäude liegt, um die Witterungsbereinigung der Heizenergieverbräuche durchführen zu können?

  • Flächenangabe: Sind verwertbare Flächenangaben gegeben, um die Energiebezugsfläche ermitteln zu können?

  • Verbrauch: Liegen für mindestens drei zusammenhängende Jahre Daten zum Heizenergie- und Stromverbrauch vor?

4.4 Bereinigung der Datenbasis um Klima- und Zeiteffekte

Durch den starken Einfluss von außentemperaturbedingten Einflüssen, ist deren Bereinigung zur Herstellung der Vergleichbarkeit der Heizenergieverbrauchswerte notwendig. Beim Stromverbrauch ist hingegen keine derartige Bereinigung erforderlich. Durch eine Witterungsbereinigung werden die Heizenergieverbrauchswerte verschiedener Jahre und in verschiedenen Regionen vergleichbar. Die Witterungsbereinigung der Heizenergieverbrauchswerte wird entsprechend der Bekanntmachung des BMVBS gezeigt.

Witterungsbereinigter Energieverbrauchskennwert für Heizung für einen Zeitabschnitt. (Quelle: BMVBS 2009a, S. 8.)

$$\, \, e_{Vhb,12mth,i}=\, \frac{E_{Vh,12mth,i}\, \cdot \, f_{Klima,\, 12mth,i}}{A_{NGF}}$$
(1)

Legende:

e Vhb,12mth,i :

Witterungsbereinigter Energieverbrauchskennwert für Heizung für einen Zeitabschnitt i in kWh/(m2*a)

E Vh,12mth,i :

Energieverbrauchsanteil für Heizung im maßgeblichen Zeitabschnitt i in kWh/a

f Klima,12mth,i :

Klimafaktor im maßgeblichen Zeitabschnitt i in kWh/a

A NGF :

Energiebezugsfläche in m2

Die Umrechnung nach Gl. 1 sowie das weitere Vorgehen sind Voraussetzung für die Nutzung der vom BMVBS herausgegebenen Vergleichswerte. Zu berücksichtigen ist, dass neben der hier durchgeführten Analyse der Verbrauchskennwertes der Heizung auch eine Analyse des Wärmebedarfs der zentralen Warmwasseraufbereitung erfolgen sollte.

In die Formel fließen die Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ein. Der DWD stellt sog. Klimafaktoren bereit, die auch zur Erstellung von Energieausweisen Verwendung finden (DWD 2015). Zur Ermittlung der jeweiligen Klimafaktoren für die einzelnen Objekte sind die folgenden Eingangsgrößen zu berücksichtigen:

  • Postleitzahl: zur Bestimmung des Ortes bzw. der Region und Zuordnung der dort von Wetterstationen gemessenen Witterungsbedingungen,

  • Jahr: um dem Verbrauch in den einzelnen Jahren die jeweils in diesem Jahr herrschenden Klimabedingungen zuordnen zu können,

  • Bezugszeitraum: um die Verbrauchsdaten für alle Objekte für den gleichen Zeitraum, i. d. R. für das Kalenderjahr angeben zu können.

Entsprechend den jeweiligen Eingangsdaten kann jedem einzelnen Objekt der zugehörige Klimafaktor zugewiesen werden und daraus der „Heizenergieverbrauch nach Klimabereinigung“ ermittelt werden.

Die Verbrauchsdaten sind jeweils jahresweise anzugeben. Um den Vergleich zwischen mehreren Objekten zu ermöglichen, ist darauf zu achten, dass die Verbrauchserfassung an einem einheitlichen Stichtag erfolgt. Zu empfehlen ist die Betrachtung pro Kalenderjahr oder pro Heizperiode.

4.5 Ermittlung einheitlicher Energiebezugsflächen

Eine weitere Voraussetzung für aussagekräftige Untersuchungsergebnisse ist die Verwendung einer einheitlichen Bezugsfläche. Als Bezugsfläche empfiehlt sich die Summe der Brutto-Grundfläche (BGF; VDI 3807 Blatt 1 2007, S. 16) bzw. Netto-Grundfläche (NGF) eines Gebäudes unter der Annahme, dass diese vollständig beheizbar ist (ggf. Herausrechnung nicht beheizbarer Teilflächen). Aufgrund der größeren Verbreitung und der Empfehlung des BMVBS wird im Weiteren die NGF als Bezugsfläche verwendet (BMVBS 2009a, S. 20).

Liegen Werte nur als Brutto-Grundfläche, Nutzfläche oder Hauptnutzfläche vor, kann entsprechend den Vorgaben des BMVBS eine Umrechnung vorgenommen werden. In der nachstehenden Tabelle wird in einem Ausschnitt die Ermittlung der Energiebezugsfläche mittels definierter Umrechnungsfaktoren in Abhängigkeit der vorliegenden BWZK-Gruppe gezeigt (Tab. 4).

Tab. 4 Flächenumrechnungsfaktoren zur Berechnung zur Energiebezugsfläche (Ausschnitt). (Quelle: Eigene Darstellung unter Verwendung von BMVBS 2009a, S. 20 ff.)

5 Objektbezogene Potenzialschätzung

Die objektbezogene Potenzialschätzung erfolgt in der Voranalyse über eine statische Betrachtung der Differenz von Status Quo (aktueller Verbrauch) und Benchmark (Referenzwert). Die entsprechenden Gap-Analysen müssen jedoch auch die Umsetzbarkeit des vorerst rein rechnerisch ermittelten Einsparpotenzials berücksichtigen (technische, rechtliche, finanzielle und organisatorische Einschränkungen). Da sich gerade investive Maßnahmen meist erst mittelfristig amortisieren, ist zudem eine dynamische Betrachtung über den Lebenszyklus zu empfehlen.

5.1 Aktuelle Verbrauchskennwerte als Status Quo

Der Status Quo wird als Energieverbrauch pro Flächeneinheit im Jahr [kWh/(m2*a)] gemessen. Es werden Verbrauchskennwerte für die Heizenergie (Wärme) und die elektrische Energie (Strom) eines Jahres unterschieden. Den Verbrauchskennwerten gemeinsam ist der Flächenbezug. Als Bezugsgröße dient die Energiebezugsfläche, die auf die NGF zurückgeht.

Speziell für die Ermittlung des Verbrauchskennwertes für die Heizenergie ist zwischen der Heizung und der zentralen Warmwasseraufbereitung zu unterscheiden. Vereinfachend kann für den Anteil des Wärmeverbrauchs für Warmwasser ein Pauschalwert von 5 % des gemessenen jährlichen Energieverbrauchs für Heizung und zentrale Warmwasseraufbereitung eines Gebäudes angesetzt werden. Für einen einzelnen Zeitabschnitt (i. d. R. pro Jahr) ergibt sich der Heizenergieverbrauchskennwert wie folgt:

Witterungsbereinigter Heizenergieverbrauchskennwert für Heizung und Warmwasser für einen Zeitabschnitt. (Quelle: BMVBS 2009a, S. 8.)

$$\, e_{Vb,12mth,i}=e_{Vhb,12mth,i}+\, \frac{E_{VWW,12mth,i}\, }{A_{NGF}}$$
(2)

Legende:

e Vb,12mth,i :

Witterungsbereinigter Heizenergieverbrauchskennwert für Heizung und zentrale Warmwasserbereitung in dem maßgebenden Zeitabschnitt i in kWh/(m2*a)

e Vhb,12mth,i :

Witterungsbereinigter Energieverbrauchskennwert für Heizung ohne Warmwasserbereitung in dem maßgeblichen Zeitabschnitt i in kWh/(m2*a)

E VWW,12mth,i :

Energieverbrauchsanteil für zentrale Warmwasserbereitung in dem maßgeblichen Zeitabschnitt i in kWh/a

ANGF :

Energiebezugsfläche in m2

i :

Zählindex untersuchtes Gebäude (1 bis n)

Die Verbrauchswerte eines Gebäudes unterliegen verschiedenen Einflüssen. Nicht alle Spezifika können im Sinne einer Umrechnung bzw. Bereinigung erfasst werden. Bei einigen typischen Faktoren ist dies jedoch möglich.

Regionaltypische Witterungseinflüsse können durch Klimafaktoren berücksichtigt werden. Weiterhin ist im Rahmen der relativen Bewertung von Verbrauchskennwerten die Verwendung von Durchschnittswerten sinnvoll. Um mehr oder weniger zufällige jährliche Schwankungen auszugleichen, geht der Verbrauchswert in den Verbrauchskennwert als Durchschnittswert der letzten drei Jahre in die Bewertung ein. Dies gilt für alle verwendeten Verbrauchskomponenten, sofern eine Zeitreihe jeweils vorliegt. Die Bereinigung um regionale Witterungsverhältnisse i. e. S. bezieht sich auf den Heizenergieverbrauchskennwert. Sie ergibt sich aus nachfolgender Formel.

Witterungsbereinigter Heizenergieverbrauchskennwert. (Quelle: BMVBS 2009a, S. 9.)

$$e_{Vb}=\, \frac{\sum \limits_{i=1}^{n}\, e_{Vb,12mth,i}\, }{n}$$
(3)

Legende:

e Vb :

Witterungsbereinigter Heizenergieverbrauchskennwert in kWh/(m2*a)

e Vb,12mth,i :

Witterungsbereinigter Heizenergieverbrauchskennwert für Heizung und zentrale Warmwasseraufbereitung in dem maßgeblichen Zeitabschnitt i in kWh/(m2*a)

n :

Anzahl der Zeitabschnitte; mit n ≥ 3

i :

Zählindex Zeitabschnitte (1 bis n)

Zur Ermittlung des Stromkennwertes wird gleichermaßen vorgegangen, wobei auf die Witterungsbereinigung mit dem Klimafaktor zu verzichten ist. Generell umfasst eine solche Bereinigung nur besonders wichtige bzw. typische Einflussfaktoren. Eine weitere, ggf. dominierende Anzahl weiterer Einflussfaktoren kann dagegen nicht auf diese einfache statistische Weise berücksichtigt werden. Zu nennen wären z. B. das Nutzerverhalten, die Nutzungsintensität, die technische Ausstattung oder der bauliche Wärmeschutz. Vom tatsächlichen Optimierungspotenzial unabhängige Abweichungen der Verbrauchswerte vom Optimalwert sind daher generell anzunehmen.

5.2 Benchmarking des Energieverbrauchs

Im Hinblick auf die Bewertung der Optimierungspotenziale sowie begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen öffentlicher Gebietskörperschaften sind im Bereich der energetische Optimierung, insbesondere der mit Investitionen verbundenen Modernisierung der baulichen und technischen Gebäudesubstanz, Prioritäten zu bestimmen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es sinnvoll die Energieeisparinvestitionen zu bevorzugen, die sich durch hohe Energiekostenreduzierungen in kurzer Zeit amortisieren.

Dies setzt zunächst ein hohes Energieeinsparpotenzial voraus. Methodisch kommen hierbei Gap-Analysen und Benchmarking-Projekte zum Einsatz. Diese benötigen geeignete Vergleichskennzahlen (Benchmarks). Eine entscheidende Komponente der Bewertung und Potenzialschätzung ist somit die Gegenüberstellung des Status Quo mit vorgegebenen bzw. empirisch zu ermittelnden Kenngrößen (Durchschnitts-, Normal, Bestwerte o. ä.). Darüber hinaus sind mögliche Umsetzungsszenarien zu prüfen (Integration des Kennzahlenvergleichs in ein Gesamtprojekt bzw. einen Regelkreis).

Vergleichswerte stehen sowohl für den Heizenergie-, als auch für den Stromverbrauch zur Verfügung. Für öffentliche Gebäude aufgrund von Gliederung und Datenbasis gut anwendbar sind die Vorgaben des BMVBS (BMVBS 2009a, S. 22) und auch die VDI-Richtlinie 3807 (VDI 3807, Blatt 1, 2007; VDI 3807, Blatt 2, 1998). So beinhaltet die Quelle BMVBS 2009a die „Bekanntmachung der Regeln für Energieverbrauchswerte und der Vergleichswerte im Nichtwohngebäudebestand“ des BMVBS (Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung). Im Bereich der öffentlichen Verwaltung werden solche inhaltlich zutreffenden und auf einer übergeordneten Ebene auch formal beschlossenen Quellen bevorzugt verwendet.

Des Weiteren bilden die empirisch abgeleiteten Energieeffizienzklassen des Institutes für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken (Deutscher Städtetag 2007, Stadt Frankfurt a. M.) sowie die Untersuchungen des Arbeitskreises Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV 2010, S. 19) und der ages GmbH (Junghans 2009, S. 35) weitere Vergleichsmöglichkeiten.

5.3 Überschlägige Ermittlung der Einsparpotenziale

Ausgangspunkt der Potenzialschätzung ist die Gegenüberstellung des Status Quo (Ist-Daten) und der dafür gültigen Benchmarks (Durchschnitts-, Normal, Bestwerte o. ä.). Dazu ist zu prüfen, ob die errechneten Differenzen tatsächlich das Einsparpotenzial bilden. Ggf. sind diese (z. B. durch Lern- oder Skaleneffekte) größer oder (z. B. durch Ineffizienzen, besondere Rahmenbedingungen) kleiner einzuschätzen.

Das Energieeinsparpotenzial errechnet sich zunächst aus der Differenz des gemessenen Verbrauchskennwertes des Bezugsjahres bzw. des Durchschnittswertes über mehrere Jahre und dem für das konkrete Gebäude geltenden Vergleichswert. Multipliziert man diese Differenz mit der Bezugsfläche des Gebäudes erhält man die für den jeweiligen Gebäudetyp zu erwartende Energieeinsparung. Die Berechnung erfolgt für die Medien Wärme und Strom in gleicher Weise. Die nachfolgende Formelzeigt die Ermittlung am Beispiel des Heizenergieverbrauchs.

Ermittlung des Energieeinsparpotenzials (Quelle: In Anlehnung an VDI 3807, Blatt 1, 2007, S. 32.)

$$E_{eP}=\, A_{NGF}\, \cdot \left (e_{Vb}-e_{Vbm}\right )$$
(4)

Legende:

E eP :

Energieeinsparpotenzial in kWh/a

A NGF :

Energiebezugsfläche in m2

e Vb :

Energieverbrauchskennwert des Bezugsjahres in KWh/(m2*a)

e Vbm :

Vergleichswert in kWh/(m2*a) (gemäß BMVBS (2009a))

Die Berechnung kann in weiteren Ausbaustufen um realistische Einspareffekte ergänzt werden. Referenzprojekte und weitergehende empirische Erhebungen könnten beispielsweise spezifische Multiplikatoren in Abhängigkeit von Objekttyp, Objektalter, Projektkomplexität o. ä. hervorbringen und diese für eine realitätsnahe Potenzialschätzung nutzbar machen. Auf dieser Basis können die Energieeisparpotenziale einzelner Gebäude eines Portfolios der Höhe nach absteigend sortiert werden.

Die statische Betrachtung im Sinne einer Energieeinsparung pro Jahr ist zur Ermittlung von Gesamteffekten nicht ausreichend. Erforderliche Investitionen können damit kaum auf ihre Wirtschaftlichkeit bewertet werden. Wichtig ist eine Einbeziehung der mittel- bis langfristigen Auswirkungen auf die Kostenbelastung.

Dabei bietet es sich an, die zu erwartende Gesamteinsparung über die Nutzungsdauer der Gebäude zu ermitteln. Hierbei sind dynamische Wirkungen ebenso zu berücksichtigen wie Preisveränderungen. Überschlägig ermittelt sich das Gesamtpotenzial durch die Multiplikation prognostizierter durchschnittlicher Einsparungen mit dem prognostizierten durchschnittlichen Energiepreis über die Nutzungsdauer.

Ermittlung des Kosteneinsparpotenzials. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an VDI 3807, Blatt 1, 2007, S. 35.)

$$K_{eP}=\, E_{eP}\, \cdot P_{e}$$
(5)

Legende:

K eP :

Kosteneinsparpotenzial in EUR/a

E eP :

Energieeinsparpotenzial in kWh/a

P e :

Energiepreis in EUR/kWh

5.4 Dynamische Betrachtung als Planungsaufgabe

Die ausgewerteten Verbrauchskennwerte stellen die Ist-Situation dar. Unter Annahme konstanter Rahmenbedingungen wurde mit Hilfe von Benchmarks das Einsparpotenzial abgeleitet. Detaillierter – und ggf. für dynamische Verläufe in Technik und Wirtschaft sachgerechter – lässt sich das Einsparpotenzial über Prognosen ausweisen. Auf Basis dieser Potenzialschätzungen lassen sich Energieeisparinvestitionen hinsichtlich ihrer Amortisation bzw. Rentabilität bewerten. Die entsprechenden Baukosten wären entsprechend zusätzlich zu schätzen. Mit jahresbezogenen Prognosen von Verbrauchswerten und Preisen wäre die Erweiterung zu einer Zeitreihen- bzw. Barwertbetrachtung (DCF, Kapitalwert) denkbar.

In der weiteren Modellierung der Kostenprognose und der Auswirkungen von Modernisierungsmaßnahmen bieten sich Gap-Analysen an. Identifizieret werden dabei nicht nur statische Differenzen zwischen Ist- und Sollgrößen, sondern auch deren dynamische Entwicklung. Durch Technologie- und Marktentwicklungen können sich die Gaps (Lücken, Rückstände) im Zeitverlauf vergrößern (Eggers und Eickhoff 1996, S. 21). Je größer die aktuelle oder zukünftige Lücke ist, desto dringlicher ist eine Maßnahme. Die Gap-Analyse untersucht, wie und wann solche Lücken geschlossen werden können. Dabei werden zwei Phasen unterschieden. Zuerst ist der erkannte Rückstand durch Implementierung geeigneter Methoden und Strategien aufzuholen. Danach ist das neue System so weiterzuentwickeln, dass sich das Untersuchungsobjekt nachhaltig erfolgreicher entwickelt als der Vergleichspartner. Die Gap-Analyse beinhaltet damit nicht nur die Übernahme von erfolgreicheren Lösungen, sondern fordert daneben ausdrücklich auch eigene Innovationen. Parameter der Gap-Analyse sind insbesondere

  • den derzeitigen Stand der Beobachtungsgröße beim Untersuchungsobjekt und beim Vergleichspartner (hier: Energieverbrauch, Energiekosten),

  • die erwarteten Entwicklungen ohne Umsetzung besonderer Maßnahmen beim Untersuchungsobjekt und beim Vergleichspartner (hier als Gerade mit leichtem Anstieg),

  • den Zeitraum bis zur Umsetzung einer Verbesserungsmaßnahme (z. B. Planung und Durchführung von Baumaßnahmen),

  • die kurzfristige Wirkung der Maßnahme (z. B. geringere Energiekosten) und

  • die langfristig erfolgreichere Entwicklung insbesondere infolge von Lerneffekten (z. B. kontinuierliches Kostenmanagement, bessere Controllinginstrumente, hier schematisch dargestellt als stärkerer Anstieg der Gerade) (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Elemente der Gap-Analyse. (Quelle: Vgl. auch Sänger 1996, S. 58.)

Mit Hilfe der Gap-Analyse lassen sich Maßnahmen differenzierter, insbesondere ergänzt um die Faktoren Zeit und Marktentwicklung, planen und bewerten. Die Gap-Analyse verbindet somit Prognosetechniken mit Bewertung von Handlungsalternativen.

Die kurz- bis mittelfristig eingestellte Gap-Analyse lässt sich im Langfristbereich mit Parametern der Lebenszyklus-Analyse ergänzen. Der Lebenszyklusansatz unterteilt einen längeren Nutzungszeitraum in abgegrenzte Phasen mit jeweils typischen Eigenschaften (z. B. modernes/mittleres/überaltertes Gebäude). Aus energetischer Sicht ließen sich beispielsweise Alterungseffekte, Nutzungswerte oder Marktwertentwicklungen in einem erweiterten deterministischen Modell abbilden.

Generell führen Maßnahmen der energetischen Modernisierung zu typischen Sprungeffekten. Durch die Implementierung höherer energetischer Standards wird der wirtschaftliche Betrieb des Gebäudes langfristig gesichert. Negative Effekte aus der technischen und wirtschaftlichen Überalterung von Objekten lassen sich damit reduzieren oder ausgleichen. Durch die Maßnahme wird das Objekt technisch zumindest auf, bestenfalls auch über den allgemeinen Marktstandard gehoben. Dies spiegelt sich auch in den wirtschaftlichen Ergebnissen wieder.

Zur Entscheidungsfindung sind oft mehrere Umsetzungsszenarien zu prüfen und zu bewerten. Empfehlenswert ist eine Automatisierung der Vorschau und des Kennzahlenvergleichs über geeignete Softwarelösungen des Controllings und Reporting. Kennzahlenvergleiche und Potenzialberechnungen sind nicht losgelöst zu sehen, sondern möglichst in ein Gesamtprojekt der Bestandsoptimierung bzw. einen permanenten Regelkreis des Bestandscontrollings zu integrieren. In diesem Bereich besteht – ausgehend von der hier vorgenommenen Ist-Analyse – weiterer Forschungsbedarf.

6 Portfoliobezogene Potenzialschätzung

Ausgehend von der objektbezogenen Datenaufbereitung und Potenzialanalyse soll nun das Gesamtportfolio betrachtet werden. Dazu werden die Gebäudeinformationen sowie die daraus errechneten Kennzahlen in einer Datenbank erfasst und mittels verschiedener Filter und Sortierkriterien ausgewertet. Für die Auswertung, Priorisierung und Kommunikation bei Portfolios dieser Größenordnung spielen nicht zuletzt auch grafische Darstellungen eine entscheidende Rolle. Diese sollten im Rahmen der Integrationsprozesse auch Bestandteil der operativ eingesetzten Portfoliomanagementsoftware werden. Damit erhält das Management auch eigene, vom Einzelprojekt unabhängige Auswertungsmöglichkeiten je nach Entscheidungssituation und Analyseziel.

6.1 Relativer Energieverbrauch pro Flächeneinheit (eindimensional)

Die Basis der Portfolioanalyse bildet der relative Energieverbrauch pro Flächeneinheit im Jahr [kWh/(m2*a)]. Dies ermöglicht die Verwendung vorhandener Benchmarks und Klassifizierungen, die als Bezugsgröße eine marktgängige Grundlage für die Schätzung des (relativen) Optimierungspotenzials sein können. Volumen- bzw. Größeneffekte werden vorerst ausgeblendet. Diese werden auf einen zweiten Prüfungsschritt verlagert, welcher beispielsweise zwar ineffiziente, jedoch sehr kleine Objekte aus der weiteren Betrachtung ausschließen kann (niedrige Priorität).

Die Einteilung nach Energieeffizienz-Klassen ermöglicht einen Überblick zur Energieeffizienz eines Immobilienportfolios. Beispielhaft ergeben sich für die untersuchten öffentlichen Gebäude des Freistaates Thüringen die Darstellungen entsprechend Abb. 3. Die Klasseneinteilung von A bis G basiert auf der Systematik des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. (IEMB) (Deutscher Städtetag 2007; Stadt Frankfurt a. M. 2010).

Abb. 3
figure 3

Verteilung der Energieeffizienz-Klassen für den untersuchten Gebäudebestand

Die Besteffizienz A ist dabei farblich mit dunkelgrün gekennzeichnet.

Aus der Übersicht zum Heizwärmeverbrauch ist eine sehr hohe Anzahl an Objekten in den guten bis sehr guten Klassen erkennbar. Die drei höchsten Energieeffizienz-Klassen A bis C werden von zusammen 62 % (136) der Gebäude erreicht. Auf die untersten drei Kategorien E bis G entfallen lediglich 29 % (63) der Gebäude. Trotz einiger Gebäude mit deutlichem Verbesserungspotenzial, wird auf einen Blick deutlich, dass der Heizwärmeverbrauch bei der überwiegenden Zahl der Gebäude als gut bis sehr gut einzuschätzen ist. Damit können Optimierungsmaßnahmen auf wenige Gebäude konzentriert werden.

Beim Stromverbrauch zeigt sich ein anderes Bild. Die Klassen A bis C werden nur bei 27 % der Objekte erreicht. Hingegen weisen mit 59 % über die Hälfte der Gebäude einen hohen bis sehr hohen Stromverbrauch der Klassen E bis G auf. Es lassen sich somit bei der überwiegenden Anzahl hohe Optimierungspotenziale vermuten.

Die Auswertung mit Hilfe der Energie-Effizienzklassen kann somit zur Filterung besonders auffälliger Gebäude genutzt werden. Zu vermuten ist, dass insbesondere Maßnahmen effizient sind, wenn in beiden Kategorien (Wärmeverbrauch, Stromverbrauch) hohe Werte auffällig sind. Geeignete bauliche Maßnahmen ermöglichen aus technischer und organisatorischer Sicht häufig Kopplungseffekte mit entsprechend vertretbaren Investitionskosten. Dies ist in der weiteren Feinanalyse entsprechend zu prüfen.

Für weitere Rückschlüsse kann ein Vergleich der Einzelobjekte unter Einbeziehung des absoluten Energieverbrauchs als zusätzliches Unterscheidungsmerkmal hilfreich sein. Damit wird zusätzlich die Einschätzung zum Einfluss von Einzelgebäuden auf den Energieverbrauch des Gesamtbestands möglich.

6.2 Relativer und absoluter Energieverbrauch (zweidimensional)

Eine mittels Grobanalyse selektierte Objektgruppe kann hinsichtlich ihres Wärme- und/oder Stromverbrauchs detaillierter untersucht werden. Wichtig ist hierbei die Einbeziehung des absoluten Energieverbrauchs. Eine Darstellung anhand der Merkmale relativer Wärmeenergieverbrauch pro Flächeneinheit im Jahr [kWh/(m2*a)] und absoluter Energieverbrauch pro Jahr [kWh/a] führt für die Fallstudie zu folgendem Ergebnis (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Portfolio-Auswertung für den Wärmeverbrauch

Jeder Datenpunkt repräsentiert ein Gebäude. Die Darstellung gibt einen Überblick zur Verteilung innerhalb des Portfolios. Interessant sind insbesondere einzelne, d. h. außerhalb von Clustern liegende Punkte (positive bzw. negative Ausreißer).

Aufgrund ihrer flächenmäßigen Größe verbrauchen einigen der untersuchten Gebäude über 1000 MWh/a (Spitzenwert 2000 MWh/a). Die Gebäude mit hohem relativen (y-Achse), wie auch absolutem Verbrauchswert (x-Achse) sollten als erstes einer vertieften energetischen Untersuchung unterzogen werden, da bei Ihnen ein besonders großes Effizienzsteigerungs- und Einsparpotenzial zu vermuten ist. Anschließend empfiehlt es sich die weiteren Gebäude mit hohen Verbrauchskennwerten prioritär zu analysieren. Im vorliegenden Fall der Landesgebäude des Freistaats Thüringen ist ein Objekt besonders auffällig, dass sich am weitesten der Diagrammecke rechts oben genähert hat. Hierfür sowie auch für die nachfolgenden Objekte empfehlen sich zeitnahe Detailanalysen.

Da die Vergleichswerte je nach Gebäudeart unterschiedlich sind, werden im Diagramm keine Normwerte bzw. qualitativen Markierungen angegeben. Ergänzend könnten aber Benchmarks bestimmter Referenzgebäude eingezeichnet werden. Rechnerisch ergibt sich der Mittelwert des Portfolios für den relativen Verbrauch mit 122 kWh/(m2*a) und für den absoluten Verbrauch mit 421 MWh/a.

Mit der Darstellung lassen sich Ausreißer mit schlechter Energieeffizienz und hohem absolutem Energieverbrauch identifizieren. Darüber hinaus ist die Aussagekraft begrenzt. Die Ausreißer werden für jeweils ein Untersuchungskriterium erfasst – die Energieeffizienz in anderen Kategorien ist nicht ersichtlich. Die Besonderheiten der einzelnen Gebäudearten sind erst in einer erweiterten Darstellung zu berücksichtigen.

6.3 Relativer Energieverbrauch zur Benchmark (einfache Matrix)

Eine geeignete Erweiterung der Analyse bietet eine Matrix-Darstellung. Das spezifische Energieeffizienz-Potenzial eines jeden Gebäudes – zusammengesetzt aus Wärmeverbrauch und Stromerbrauch – lässt sich damit zweidimensional abbilden.

Die Einordnung in vier Bereiche ermöglicht eine grobe Unterscheidung der jeweiligen Werte. Damit kann eine für die Grobanalyse hinreichende Klassifizierung des Wärme- und Stromverbrauchs erzielt werden. Möglich ist ein Eintrag der bereits zuvor dargestellten relativen Verbrauchswerte [kWh/(m2*a)] sowie entsprechender Mittelwerte und Benchmarks oder es erfolgt eine weitergehende Umrechnung bzw. Relativierung bezogen auf die jeweiligen Benchmarks der gültigen BWZK-Gruppe. Damit lassen sich auch technisch und strukturell unterschiedliche Gebäude vergleichend abbilden.

Die Grafik ist somit in vier Quadranten unterteilt, wobei die Achsen in der horizontalen bzw. vertikalen Richtung den jeweiligen Benchmark der BWZK-Gruppe repräsentieren. Die Skalen zeigen den relativen Unterschied dazu, d. h. den Mehr- oder Minderverbrauch [%].

Die im I. Quadranten enthaltenen Objekte zeichnen sich dadurch aus, dass Sie sowohl beim Heizwärme- als auch beim Stromverbrauch besser abschneiden als der Vergleichswert. In dieser Kategorie sind 14 % (30) der untersuchten 218 Gebäude einzuordnen. Ein weitaus größerer Teil der Gebäude liegt im III. Quadranten. Diese 44 % (95) der untersuchten Gebäude erreichen bei Heizwärme- und Stromverbrauch den Vergleichswert nicht. Bei 41 % der Gebäude wird zumindest einer der beiden Vorgaben erfüllt. Je nachdem ob die Benchmark beim Strom- oder beim Heizwärmeverbrauch erreicht wird, liegen die Gebäude im II. bzw. IV. Quadranten (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Potenzialanalyse-Matrix (Wärme- und Stromverbrauch auf Portfolioebene)

Die grafische Auswertung eignet sich zur Filterung von Objekten, die beim Wärme- und Stromverbrauch in Summe das größte Einsparpotenzial aufweisen. Je näher ein Objekt der Diagrammecke links unten kommt, desto höher ist die Abweichung zu den Vergleichswerten. Aufgrund der hohen Abweichung lässt sich die Erwartung ableiten, dass bei diesen Objekten besonders hohe Gesamteinsparungen erzielt werden können.

In der Darstellung ist zu erkennen, dass bei den Gebäuden in den Quadranten II bis IV ein mehr oder weniger großes Optimierungspotenzial besteht. Allein bei den Gebäuden im I. Quadranten entsprechen die Verbrauchsdaten bereits heute den anzustrebenden Richtwerten, sodass hier kurzfristig keine Maßnahmen zur energetischen Sanierungen notwendig erscheinen. Diese können ggf. als Referenzobjekte dienen (portfoliointernes Benchmarking). Eine vertiefende Untersuchung der Gebäude ist in der Reihenfolge III. → IV. → II. Quadrant vorzunehmen (unter der Annahme, dass hoher Wärmeverbrauch aufgrund der absoluten Kosten kritischer als hoher Stromverbrauch ist).

Soll in der 4‑Quadranten-Darstellung zusätzlich der Einfluss eines Einzelobjektes auf das Gesamtportfolio dargestellt werden, bietet sich die Größe der Objektpunkte dafür an.

6.4 Einbeziehung der Gebäudeflächen (erweiterte Matrix)

Soll in der Matrix-Darstellung zusätzlich die absolute Größe eines Einzelobjektes und damit auch der relative Einfluss auf das Gesamtportfolio dargestellt werden, so kann ausgehend von der bisherigen Matrix der jeweilige Objektpunkt genutzt werden. Zusätzliche Informationen lassen sich beispielsweise über Flächen (z. B. Radius eines Kreises), Symbole (z. B. Quadrat, Raute, Kreis) oder Farben (z. B. grau, rot, gelb, grün) darstellen. Die Information „Gebäudefläche“ wird im Folgenden über entsprechend unterschiedlich große Kreisflächen im Diagramm berücksichtig. Die Datenbasis bildet die jeweilige Energiebezugsfläche.

Der Durchmesser eines Datenpunktes gibt Auskunft über die Energiebezugsfläche des zugehörigen Gebäudes. Gebäude mit einer großen Gebäudefläche werden auf einen Blick ersichtlich. Bei diesen Gebäuden ist davon auszugehen, dass sie einen großen Einfluss auf den Gesamtenergieverbrauch des betrachteten Gebäudebestandes haben. Energetische Sanierungsmaßnahmen an diesen Gebäuden können zu deutlichen Effekten auf Ebene des Gesamtportfolios führen. Besteht die Absicht den Gebäudebestand energetisch zu verbessern und sich dabei auf Einzelobjekte zu konzentrieren, bietet es sich an mit flächenmäßig großen Objekten des III. Quadranten (unten links im Diagramm) zu beginnen.

In dem aufgezeigten Beispiel ist zunächst festzustellen, dass keines der flächenmäßig großen Objekte in beiden untersuchten Kategorien zu den Hochverbrauchern zählt. Eine auffällige Ansammlung von vier großflächigen Objekten ist im Bereich der x‑Achse festzustellen (siehe Abb. 6). Während der Wärmeverbrauch bei diesen Gebäuden in der Nähe des Richtwertes liegt, weist der Stromverbrauch das 1,5 bis 2‑fache des Vergleichswertes auf. Hier wird deutlich, dass sich insbesondere Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs aufgrund der umfangreichen Gebäudefläche stark auf der Portfolioebene auswirken.

Die Ansammlung von Objekten kann des Weiteren Ausgangspunkt für die Überprüfung hinsichtlich systematischer Ursachen dienen. Nicht immer sind die baulichen Voraussetzungen ausschlaggebend. Beispielsweise könnte eine spezifische Nutzungsart oder eine spezifische Nutzergruppe ursächlich für einen erhöhten Energieverbrauchs sein. Je nach Situation wären die Werte dann entweder als begründet zu akzeptieren oder aber die gemeinsame Ursache bietet Ansatzpunkte für eine parallele Optimierung gleich mehrerer Objekte.

Mit der Matrix-Darstellung kann eine optische Einschätzung zur Priorisierung auffälliger Objekte innerhalb des Portfolios erreicht werden. Im Vordergrund stehen flächenmäßig große Objekte in bestimmten Quadranten (insbesondere III).

6.5 Einbeziehung der Energiepreise

Sind die Energiebezugspreise für die untersuchten Gebäude bekannt, lassen sich die einsparbaren Energiekosten ableiten. Dazu wird die Differenz zwischen dem Energieverbrauchskennwert und dem jeweiligen Vergleichswert gebildet und mit dem Energiebezugspreis multipliziert. Es wird erwartet, dass im Zuge einer energetischen Optimierung und ggf. Sanierung die Energiekosten um diesen Betrag gesenkt werden können. Durch die Gegenüberstellung mit den jeweiligen Vergleichswerten als Benchmark wird auf diese Weise das theoretisch mögliche Kosteneinsparpotenzial ermittelt.

Der hohe Einfluss der vier flächenmäßig größten Gebäude auf den Gesamtverbrauch des Portfolios an Wärme und Strom (vgl. Abb. 6) bestätigt sich bei der Analyse der Energiekosten. Dementsprechend würde eine Reduzierung des Wärmeverbrauchs auf den zugehörigen Vergleichswert der jeweiligen Gebäude eine jährliche Einsparung i.H.v. rund 500 kWh/a bedeuten (vgl. Tab. 5). Viel entscheidender ist aber die mögliche Einsparung beim Stromverbrauch i.H.v. rund 5,0 MWh/a. Bei Annahme der angegebenen Wärme- und Strompreise entspricht dies überschlägig einer jährlichen Kostenersparnis i.H.v. rund 800.000 Euro. Ob diese Erwartungswerte realisiert werden können, ist in einer vertiefenden (Fein-)Analyse zu prüfen (Vgl. zu den Untersuchungsebenen Abb. 1). Die hohe potenzielle Einsparsumme ist zudem zur Größe der Objekte (jeweils >17.000 m2 NGF) ins Verhältnis zu stellen. Gleichwohl zeigt das Beispiel die Dimension der möglichen Einsparungen auf.

Abb. 6
figure 6

Potenzialanalyse-Matrix mit Größenkriterium Energiebezugsfläche (NGF)

Tab. 5 Kosteneinsparpotenziale für vier ausgewählte Objekte

Ist eine Priorisierung der Objekte nach den einsparbaren Kosten für Wärme und Strom gefragt, wäre Gebäude Nr. 64 vor Nr. 11 für weitere Untersuchungen auszuwählen, wobei allerdings der geringe Abstand zwischen den vier Objekten zu beachten ist. Die vier größten Gebäude im untersuchten Portfolio befinden sich gleichzeitig in der Gruppe von Objekten mit den höchsten einsparbaren Gesamtkosten (TOP 7). Sie bieten sich somit sowohl aufgrund der Fläche als auch aufgrund des Potenzials für eine vertiefende Analyse an. Dies gilt insbesondere für die Zielstellung, dass möglichst wenige Objekte mit großem Einfluss auf den Gesamtenergieverbrauch des Gebäudeportfolios ausgewählt und hinsichtlich energetischer Optimierungsmöglichkeiten geprüft werden sollen.

Die für die einzelnen Objekte als realisierbar eingeschätzten Energiekosteneinsparungen geben Hinweise auf das finanzielle Budget, dass für eine wirtschaftliche Durchführung energetischer Sanierungsmaßnahem zur Verfügung steht. Liegen konkrete Kostenansätze für Energieeinsparmaßnahmen vor, lassen sich aus der Gegenüberstellung Schlussfolgerungen zur Wirtschaftlichkeit der energetischen Sanierungsplanungen ableiten (Bidlingmaier et al. 2011).

6.6 Verteilung der Kosteneinsparpotenziale im Portfolio

Neben der einfachen Filterung bzw. Sortierung der Ergebnisse ist zur Entscheidungsunterstützung auch die Verteilung der Kosteneinsparpotenziale im Portfolio interessant.

Insgesamt ist verteilt um den Mittelwert von 25.674 € eine starke Rechtschiefe der Verteilung festzustellen. Der Median der 218 Objekte liegt bei 9085 €. Damit ergibt sich eine Standardabweichung von 47.370 € und eine Schiefe von 3,49 (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

Konzentration der Einsparpotenziale im Portfolio (absolute Häufigkeit)

Die Verteilung der Kosteneinsparpotenziale im Portfolio ist nicht gleichverteilt. Vielmehr erfolgt, wie die Lorenzkurve zeigt, eine starke Konzentration auf wenige Merkmalsträger (Abb. 8).

Abb. 8
figure 8

Konzentration der Einsparpotenziale im Portfolio (Lorenzkurve)

Demnach stehen 50 % des Portfolios – aufsteigend sortiert nach dem Potenzial – für gerade einmal ein Einsparpotenzial für ca. 7 % des Portfoliopotenzial und können aus Aufwandsgründen quasi vernachlässigt werden. Dagegen repräsentieren die oberen 20 % der Objekte bereits 73 % des Einsparpotenzials im Portfolio insgesamt. Konzentriert man sich auf die potenzialreichsten 10 % der Objekte, so können damit immerhin bereits 54 % des Einsparpotenzials gehoben werden. Eine weitere Einschränkung auf nur die oberen 5 % des Portfolios könnten schon 37 % des Gesamteffekts bringen. Die Konzentration ist insgesamt durch einen Gini-Koeffizient von 0,70 zu charakterisieren.

7 Ergebnis

Energetische Potenzialanalysen bilden einen ersten Schritt zur Einschätzung der energetischen Qualität der Objekte eines heterogenen Immobilienportfolios. Nachfolgende Detailuntersuchungen werden damit nicht ersetzt, sondern vielmehr priorisiert. Durch das interne und externe Benchmarking der Gebäude können mit begrenztem Aufwand zumindest überschlägig Potenzialschätzungen durchgeführt werden (im Beispielfall: Einsparpotenzial ca. 800 T€ pro Jahr). Mit der Analyse des Energieverbrauchs können Hochverbraucher identifiziert und vertiefenden Analyseschritten zugeführt werden (im Beispielfall: starke Rechtsschiefe der Verteilung, 20 % der Objekte beinhalten 73 % des Einsparpotenzials).

Im Weiteren bildete die Voranalyse des Portfolios die notwendige Grundlage zur Ursachenforschung und daraufhin ggf. vorzusehender Verbesserungen. Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um investive Maßnahmen handeln. Auch die Notwendigkeit zur Änderung des Nutzerverhaltens oder die Feststellung von Havarien können am Ende der Untersuchungen stehen und wertvolle Hilfen darstellen.

Für die Entscheidungsträger der öffentlichen Hand steht mit der energetischen Potenzialanalyse ein Instrument zur Verfügung, dass diese bei der Vorauswahl von energetisch zu sanierenden Objekten unterstützt. Da detaillierte Untersuchungen zur energetischen Qualität eines Gebäudes kostenintensiv sind, sind sie i. d. R. nur für eine begrenzte Anzahl an Objekten vertretbar. Durch die Eingrenzung der Objekte wird eine gezielte Beauftragung von detaillierten Gebäudeanalysen möglich, was letztendlich zu einer Haushaltsentlastung beiträgt.

Über die aufgezeigten Analyseschritte hinaus, können Auswertungen für Gebäude der gleichen BWZK-Gruppe oder auch eine standortspezifische Auswertung (z. B. Schulzentrum mit mehreren Gebäuden, Hochschulstandort, etc.) zu zusätzlichen Erkenntnissen führen. Darüber hinaus kann das gezeigte Vorgehen auch die Grundlage für den Aufbau eines energetischen Portfoliomanagements darstellen. Die eruierten Energieverbräuche und entsprechenden Rückschlüsse auf die energetische Qualität der Gebäude würden dann zur Ableitung von Investitions- und Desinvestitionsstrategien genutzt (Schäfer et al. 2010, S. 193).

Validität und Exaktheit der Potenzialschätzung sind insbesondere in Immobilienportfolios der öffentlichen Hand von mehreren Faktoren abhängig:

  • Spezifische Immobilientypen, Nutzungen und/oder Standorte führen zu fehlenden oder nicht ausreichend vergleichbaren Benchmarks.

  • Heterogene Immobilienportfolios bedingen eine tiefe Clusterung der Analysemenge bis hin zur differenzierten Betrachtung von Einzelobjekten oder Teilflächen. Damit steigt der Aufwand und die statistisch auswertbaren Datensätze reduzieren sich (bei Messgrößen und Vergleichsmenge/Benchmark).

  • Lücken und Ungenauigkeiten in der technischen oder kaufmännischen Erfassung von Verbrauchs- und Kostendaten erhöhen die Fehlerquote und müssen durch Korrekturfaktoren oder Pauschalwerte ausgeglichen werden.

  • Fallweise können Informationsdefizite bei Objektdaten und/oder Benchmarks nur durch Interpolation oder Analogien bearbeitet werden.

Der Umsetzungsgrad als Relation von (tatsächlichem) Performancegewinn und (vorläufiger) Potenzialschätzung kann variieren. Auch hierfür sind typische Faktoren zu nennen:

  • Fehlerhafte Potenzialschätzungen bedingen Abweichungen im real möglichen Performancegewinn. Übertragen gilt dies auch für Fehler aufgrund von geänderten Rahmenbedingungen zwischen Datenerhebung und Umsetzung.

  • Politische Vorgaben, fixierte Abläufe und zu restriktive Budgets führen zu suboptimalen Umsetzungsvarianten.

  • Ein fehlender individueller Nutzen und/oder ein erhöhter Arbeitsaufwand der Prozessbeteiligten (z. B. Entscheidungsträger, Flächennutzer, Baukoordinator) führen häufig zu einer verzögerten oder minderwertigen Lösung.

  • Eine hohe Konzentration des Potenzials auf wenige Objekte bzw. eine geringe Bedeutung weiterer Objekte (hoher Gini-Koeffizient) führt tendenziell zur Vernachlässigung scheinbar unbedeutender Objekte.

  • Veraltete oder intransparente Bewertungen führen zur Ergebnisablehnung und Umsetzungsvermeidung.

Bedeutendstes Hemmnis für energetische Potenzialanalysen öffentlicher Immobilienbestände stellen i. d. R. nicht vollständige oder nicht gepflegte Daten dar. Liegen z. B. keine verwertbaren Flächen- und Verbrauchsinformationen vor, ist auch diese vereinfachte Form der energetischen Analyse nicht durchführbar. In diesem Zusammenhang ist auch die Schnittstellenproblematik zu beachten. Werden die benötigten Daten verteilt auf mehrere öffentliche Institutionen vorgehalten, ist ausreichend Zeit für deren Zusammenführung und Abstimmung einzuplanen. Die Möglichkeit, Einsparpotenziale bei der Energieversorgung zu identifizieren und daraus Einspareffekte zu generieren, macht einmal mehr die große Bedeutung eines hochwertigen Datenmanagements für öffentliche Immobilienbestände deutlich. Die Qualität von Daten und Kennzahlen stellt somit den wesentlichen Erfolgsfaktor in der Planung und Steuerung der Energieperformance heterogener Immobilienportfolios dar.