1 Ausgangslage

Ob Erwachsenenbildung als Profession gilt, steht seit mehr als 40 Jahren zur Diskussion. Nichtsdestotrotz konzentriert sich empirische Professionsforschung auf verschiedene Professionalisierungsverläufe und die Entwicklung von Professionalität von Lehrenden in der Erwachsenenbildung. Neben Beschreibungen von Motiven für die Berufswahl in der Erwachsenenbildung (vgl. Scherer 1987; Kade 1989a; Nittel 2005; Harmeier 2009; Lenk 2010) wurde bisher thematisiert, welche subjektiven Kategorien der beruflichen Selbstbeschreibung zugrunde liegen (vgl. Hartig 2009) und auf welche Quellen des Wissens sich Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner in ihrem professionellen Handeln beziehen (vgl. Hof 2001a).

In einem großangelegten Forschungsprojekt wurden die Erzähldaten aus 100 biografischen Interviews mit Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern gesammelt, um sie auf ein eventuelles „Wir-Gefühl“ innerhalb des Bereichs der Erwachsenenbildung zu untersuchen (vgl. Nittel 2001, S. 74). Nittel beschreibt anhand zweier Kursleitungs-Fälle, wie die verschiedenen Biografien pädagogisches Engagement katalysieren und welche „Symptome“ von Erwachsenenbildungsprofessionalität identifiziert werden können (vgl. Nittel 2002a, S. 255 ff.). Bezogen auf die berufsbiografische Entwicklung von Professionalität schreibt Nittel, wie Professionalität unter den Bedingungen einer „Nicht-Profession“ erzeugt und aufrechterhalten wird: Er identifiziert eine Art intuitive Professionalität, die sich durch den Einfluss persönlicher moralischer Haltungen in Bezug zu legitimem Wissen auf das pädagogische Handeln gestaltet. Dabei fehlen ihm zufolge jedoch ein Theorie-Praxis-Bezug als Erkenntnisressource sowie eine bestimmte reflexive Professionalität (vgl. Nittel 2002a, S. 284 f.).

Der Anspruch an Lehrende, das eigene berufliche Handeln kontinuierlich zu reflektieren, ist keinesfalls neu, allerdings wurde bisher selten untersucht, wie didaktische Reflexion bzw. Selbstreflexion konkret gerahmt und begrifflich gefasst werden kann. Als Strukturierungshilfe wird der Begriff „Toleranzkorridor“ herangezogen (im Orginial „corridor of tolerance“, vgl. McAlpine und Weston 2002), in dem Informationen aus Lehr-Lernsituationen auf ihre Relevanz für künftige Handlungen überprüft werden. Ein wichtiges Element des Toleranzkorridors besteht in dem subjektiven Erfolgsverständnis von Lehren und Lernen (vgl. Abschn. 3).

Der vorliegende Artikel befasst sich somit mit der Frage, wie Erfolg als subjektive Einschätzung gelungener Lehr-Lernprozesse den Reflexions-Rahmen von Lehrenden in der Erwachsenenbildung beeinflusst. Um dieser Fragestellung nachzugehen werden folgende Leitfragen beantwortet:

  • Welchen Beitrag leistet die Fähigkeit zur Selbstreflexion von Lehrenden in der Erwachsenenbildung für eine Professionalitätsdiskussion?

  • Wie lässt sich didaktische Reflexion begrifflich eingrenzen und differenzieren?

  • Welche Erfolgsmaßstäbe lassen sich bei Praktikerinnen und Praktikern identifizieren und wie können diese eingeteilt werden?

  • Welchen Einfluss hat das subjektive Erfolgsverständnis von Lehren und Lernen auf didaktische Selbstreflexion von Kursleiterinnen und Kursleitern?

2 Professionalität von Lehrenden in der Erwachsenenbildung

Um den Zusammenhang von Professionalität und Reflexion herauszuarbeiten, muss zu Beginn der Begriff „Professionalität“ geschärft werden. Während die bisherigen Diskussionen meist den Prozess der „Verberuflichung“ untersuchen, stehen derzeit berufsbiografische Entwicklungen und damit die „Erwachsenenbildungsprofessionalität“ im Fokus (vgl. Helsper und Tippelt 2011; Nittel 2011; Schütze 2000). Dabei geht es um „gekonnte Beruflichkeit“ (Nittel 2002a, S. 256), die in Bezug zum „harten Kern der Anforderungen an das Berufshandeln“ steht (Tietgens 1988, S. 37).

2.1 Professionalität als Differenztheorie

Der Begriff „Professionalität“ kann dabei aus zwei Perspektiven betrachtet werden: dem kompetenztheoretischen Ansatz und dem differenztheoretischen Ansatz. Beim kompetenztheoretischen Ansatz wird eine konkrete Anforderungsstruktur herausgearbeitet, aufgrund derer basale Fähigkeiten formuliert werden, die für hochwertige pädagogische Arbeit notwendig sind. Aus differenztheoretischer Perspektive stehen die Widersprüchlichkeit und Fragilität der professionellen Handlungssituationen im Vordergrund (vgl. Nittel 2002a, 255 f.): „Sowohl auf der Beziehungsebene als auch auf der Wissens- und Handlungsebene gibt es vielfältige Widersprüche, Dilemmata und Paradoxien“ (Nittel 2011, S. 498). Dementsprechend lässt sich „Professionalität“ folgendermaßen definieren:

Professionalität stützt sich auf wissenschaftliches Grundlagenwissen, das durch Erfahrungen ausgewertet wird. Sie geht nicht von einem durchgeplanten Ablauf aus, sondern von speziellen Aufgabenlösungen, Deutungen, Interpretationen, Diagnosen, die in individueller Verantwortung zu treffen sind und Handlungen nach sich ziehen (Gieseke 2010, S. 243).

Professionalität kann somit beschrieben werden als Herausbildung von situativer Kompetenz im Sinne einer Fähigkeit der Mobilisierung von Wissen und dessen antizipative und situationsgerechte Anwendung (vgl. Tietgens 1992, S. 9 f.) Dazu müssen professionell Handelnde sich

von technologischen Vorstellungen der Machbarkeit und Beherrschbarkeit von Bildung und Kompetenzentwicklung lösen und nach den Eigenlogiken, der sich in solchen Prozessen Ausdruck verschaffenden subjektiven Potenzialen fragen (Arnold und Gómez Tutor 2007, S. 161).

Zusätzlich ist zwischen einem Alltagsverständnis und einem wissenschaftlichen Konzept von Professionalitätsbegriff zu unterscheiden: „Denn alles, was glatt, schnell und stromlinienförmig läuft, wird in Alltagskontexten als professionell betrachtet“ (Gieseke und Dietel 2012, S. 253). Daraus entstehen häufig normative Handlungsvorgaben, die zwar, wie bei Hof (2001a) beschrieben, als subjektive Theorien ihre Gültigkeit beinhalten, jedoch nicht als allgemein-gültige oder gar wissenschaftliche Theorien in die erwachsenenbildnerische Praxis Einzug halten können: „Grundlegend ist dafür die paradoxe Maßgabe, dass man dem ‚Rezept zur Vermeidung von Rezepten‘ verpflichtet bleiben muss“ (Arnold 2007, S. 116). Tietgens (1992) Idee einer situativen Kompetenz in Kombination mit einer reflexiven Haltung gegenüber der eigenen Lehrtätigkeit und der Interdependenz von Planung und Situation lassen sich als eine mögliche Lösung des Umgangs mit „offenen, labilen und zudem höchst widersprüchlichen Situationen“ heranziehen (Combe und Helsper 2002, S. 40).

2.2 Professionalität und Reflexion

Eingebettet in diese Professionalitätsdiskurse wird der Bedarf an selbstreflexiven Fähigkeiten von Lehrenden auch mikro-didaktisch begründet, indem die Unplanbarkeit pädagogischer Erfolge hervorgehoben wird (vgl. Combe und Helsper 2002; Gieske 2010; Nittel 2011). Professionalität didaktischen Handelns lässt sich so als Vermeidung von Rezepten und Vernachlässigung von Machbarkeits- und Beherrschbarkeitsphantasien verstehen. Ein Mehr an Professionalität auf Seiten der Kursleiterinnen und Kursleitern kann über den Aufbau antizipativer, situativer und reflexiver Kompetenz erfolgen und zu einer individuellen Professionalitätsentwicklung beitragen. Da Kursleitende in Lebensläufe intervenieren, bedarf es professionellen erwachsenenpädagogischen Handelns (vgl. Tietgens 1992, S. 10). Dementsprechend wird Selbstreflexion zu einer unabdingbaren Kompetenz von Kursleiterinnen und Kursleitern, um „nicht in ihrem berufspraktischen Erfahrungswissen zu verharren, sondern immer wieder situationsangemessenes, innovatives Lehrverhalten zu zeigen – umso mehr, wenn es darum geht, offene, divergente Situationen zu bewältigen“ (Pachner 2013, S. 7). Dies erfordere, „sich der eigenen Lehrerfahrungen, des eigenen pädagogischen Wissens sowie der eigenen Lehrhandlungen bewusst zu sein“ (Felbinger 2012, S. 214). Dabei erfolge die Reflexion des eigenen didaktische Handelns im Nachdenken über eigene Haltungen, Rahmenbedingungen, Motive und Lehrfähigkeiten innerhalb eines didaktischen Handlungsrepertoires und trage zu einer erhöhten Bewusstwerdung für gelungene Lehr-Lernprozesse bei (vgl. ebd. S. 214 f.).

3 Didaktische Reflexion

Mit „Reflexion“ ist zunächst das Nachdenken über die eigene Handlungspraxis in Abgleich mit wissenschaftlichen Ergebnissen unter Einbezug der jeweiligen Kontexte und strukturellen Bedingungen gemeint. Die Handlungspraxis von Kursleiterinnen und Kursleitern besteht in der Planung, Durchführung und Evaluation bzw. Nachbereitung von Bildungsveranstaltungen. Mit anderen Worten: Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner

planen, initiieren und gestalten in extra dafür geschaffenen didaktischen Arrangements und Settings die Neujustierung des Verhältnisses zwischen dem Subjekt und seiner Welt. Damit ermöglichen sie etwas, was wir empathisch „Bildung“ nennen (Nittel und Völzke 2002, S. 501).

Die Bildungswissenschaftler Korthagen und Vasalos entwickelten im Rahmen ihrer Lehrkompetenzforschung das ALACT-Modell, das die didaktische Handlungsreflexion in 5 Phasen einteilt:

  • Aktivität bzw. Handlung (action),

  • der retrospektive Blick auf die Handlung mit Fokus auf den Bezug von Zielvorhaben und Zielerreichung sowie auf die Lernprozesse der Lernenden. Dabei werden auch die emotionalen Empfindungen mitbetrachtet (looking back on the action),

  • das Bewusstsein über wesentliche Gesichtspunkte (awareness of essential aspects),

  • der Entwurf von alternativen Handlungswegen (creating alternative methods of action),

  • der Versuch einer Umsetzung dieser alternativen Handlungswege in die Praxis (trial) (vgl. Korthagen und Vasalos 2005, S. 49).

Laut McAlpine und Weston verläuft der Blick auf eine Handlung und die Bewusstwerdung wesentlicher Gesichtspunkte stets durch eine Art Filter, den sie als „Toleranzkorridor“ (im Original: „corridor of tolerance“) bezeichnen. Dabei werden gewonnene Informationen als akzeptabel oder eben als irritierend bewertet (vgl. McAlpine und Weston 2002, S. 65). So ist der Toleranzkorridor dafür maßgebend, ob Informationen bzw. Erkenntnisse, die aus dem Blick auf die Handlung gewonnen werden, als entscheidungsrelevantes Wissen für potentiell veränderte Handlungen gelten (vgl. ebd., S. 62). Angelehnt an das ALACT Modell und an McAlpines und Westons Modell des metakognitiven Reflexionsprozesses dient das Schema in Abb. 1 als Grundlage für die vorliegende Untersuchung.

Abb. 1
figure 1

Didaktische Reflexion und der Toleranzkorridor (eigene Darstellung)

Verschiedene implizite aber auch explizite subjektive Tatsachen beeinflussen das Nachdenken über die eigene Lehrtätigkeit. Das Monitoring besteht aus dem (Rück-)Blick auf die Handlung. Dadurch werden Informationen darüber gesammelt, ob die Handlung den eigenen Vorstellungen entspricht und die Handlung wird evaluiert. Eine solche Handlungsevaluierung orientiert sich an bestimmten Parametern bzw. an konkreten Maßstäben. Diese lassen sich wiederum im Toleranzkorridor verorten. Ob nun eine didaktische Entscheidung im Sinne optionaler Handlungsentwürfe stattfindet, hängt davon ab, ob die Evaluation die Handlung als angemessen bewertet oder nicht. Dies lässt sich am Beispiel der Lernverweigerung einer Teilnehmerin verdeutlichen, die während einer Lehr-Lernsituation sichtbar wird. Welche Handlung der Lehrende setzt, hängt davon ab, ob die Lehrperson ihre Verantwortung darin sieht, die Teilnehmerin zum Lernen zu ermutigen oder ob sie dies der Teilnehmerin selbst überlässt. Eine solche Positionierung ist innerhalb des Toleranzkorridors festgelegt und kann als teaching belief – als subjektive Tatsache und damit als Gewissheit – der Lehrperson eingeordnet werden. Der Toleranzkorridor muss dementsprechend auf die darin enthaltenen Gewissheiten überprüft werden:

Denn die „bevorzugte Reaktionsweise“ ist die, welche einem Vertrautheit, Wiedererkennen und Sicherheit suggeriert, aber es ist nicht in jedem Fall diejenige, die der Komplexität einer Situation wirklich angemessen Rechnung zu tragen vermag (Arnold 2007, S. 155).

Zusammenfassend lassen sich zwei verschiedene Reflexionsebenen identifizieren:

  • Reflexion der Handlung, die in einem Monitoring und in einer Evaluation eben dieser besteht und somit zu optionalen Handlungsentwürfen führt und

  • Reflexion des Toleranzkorridors, der die Evaluationsparameter bestimmt und somit aus subjektiven Tatsachen (teaching beliefs) besteht.

Um den eigenen Toleranzkorridor auf seine Gewissheiten und Geprägtheiten zu untersuchen, muss dieser zuerst als subjektiver Filter anerkannt und akzeptiert werden. Dies ist nicht selbstverständlich: So werden zum Beispiel positive Rückmeldungen und Evaluationen von Teilnehmenden sowie reibungslose Abläufe als Erfolgskriterien herangezogen. Indem Lehrende ihre Lehr-Lernsituationen angelehnt an die eigenen Erfolgsparameter gestalten und beeinflussen, steigen die Chancen, dass diese Erfolgskriterien erfüllt werden. Dadurch bedarf es weniger Entwürfe optionaler Handlungsstrategien. Aus diesem Grund lohnt es, einen Blick auf die Maßstäbe zu werfen, die den subjektiven Erfolg einer Lehr-Lernveranstaltung für Lehrende bestimmen.

4 Das Forschungsdesign

In den vorigen Ausführungen ist deutlich geworden, dass didaktische Reflexion einerseits als Nachdenken über das geplante, aktuelle aber auch vergangene Handeln verstanden werden kann. Andererseits bedarf es im Rahmen eines Professionalitätsdiskurses einer Reflexion der Maßstäbe, an denen diese Handlungen gemessen werden. Diese können als Elemente des Toleranzkorridors verstanden werden, der regelmäßig auf seine Geprägtheiten und auf die darin enthaltenen Gewissheiten überprüft werden muss. Im Fokus meiner Dissertation zum Thema Didaktische Selbstreflexion als Professionalitätsmerkmal steht die Rekonstruktion der Wirklichkeitsdarlegung von Lehrenden in der Erwachsenenbildung mit dem Ziel, die Kriterien herauszufiltern, aufgrund derer die Kursleitenden ihr didaktisches Handeln reflektieren. Daraus werden Elemente des Toleranzkorridors herausgearbeitet. Methodische Basis der Untersuchung bilden die Grounded Theory (Strauss und Glaser) und narrative, biographische Interviews nach Schütze (1987).

Die Zielgruppe besteht aus freiberuflich tätigen Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern, die mehr als zwei Tage im Monat organisierte Lehr-Lernprozesse durchführen. Zehn Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen sind mittels theoriegeleiteter Fallauswahl ausgesucht worden, wobei kontrastierende Merkmale die Auswahl bestimmt haben: Männer und Frauen; eine weite Alterspanne (26 bis 67 Jahre); mit Universitätsabschluss – ohne Universitätsabschluss; erziehungs- und bildungswissenschaftliches Studium – ohne pädagogische Ausbildung; unterschiedliche Fachrichtungen und verschiedene Themenfokusse; viel Lehr-Erfahrung – wenig Lehr-Erfahrung. Die neuen Fälle haben demnach einer Überprüfung des bisherigen Wissensstandes und dem Auf- bzw. Ausbau der (Sub-)Kategorien gedient.

Um den Fokus auf die praxisbezogene Reflexionen von Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern zu legen, sind nach der Eingangsfrage nach der berufsbiographischen Entwicklung weitere erzählgenerierende Fragen entwickelt worden. So ist zum Beispiel nach dem persönlichen Befinden in Lehr-Lernsituationen gefragt worden und nach gelungenen Lehr-Lernsituationen, Freuden bzw. Ärgernissen in der Lehrendenrolle. Die Auswertung der narrativ-fokussierenden Interviews hat im Rahmen einer Forschungsgruppe mittels offenen, axialen und selektiven Kodierens stattgefunden.

5 Ergebnisse: Subjektive Erfolgskriterien für Lehr-Lernsituationen

Aus dem Datenmaterial lassen sich verschiedene Erfolgsinterpretationen von Lehrenden herausarbeiten. Alle befragten Kursleitenden geben an, im Sinne von Reflexionsabsichten, einen retrospektiven Blick auf Lehr-Lernsituationen zu werfen. Manche Lehrenden stellen dabei das Gelingen ihrer didaktischen Handlungen auf den Prüfstand, während andere zuerst über die eigenen Empfindungen und Wirkungen nachdenken. Alle Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen heben hervor, dass ihre didaktische Vorgehensweise mehrheitlich erfolgreich ist:

Weil dass es gut läuft, das ist für mich an und für sich die Regel oder … zumindest meine Wahrnehmung sagt mir das, und dann bin ich froh und denke an und für sich weniger drüber nach oder ich denke nicht unbedingt dann drüber nach was hab ich da gut gemacht … oder warum ist es gut gelaufen weil das ist an und für sich der Normalzustand ist (I6, Z. 21–26, S. 1 f.).

Wenn die Veranstaltung gut gelaufen ist, schließt der zitierte Kursleiter seine Reflexion ab. Viele Kursleitende gehen kaum über den Maßstab der Zufriedenheit von Lernenden bzw. glatter Verläufe als Evaluationskriterium hinaus. Das heißt konkret, dass die befragten Kursleiterinnen und Kursleiter sehr wohl überprüfen, ob die Lehr-Lernsituation erfolgreich gewesen ist. Als Erfolgsparameter werden diese im Rahmen der Gespräche deutlich. Sie beziehen sich nicht nur auf die Lernerfolge der Teilnehmenden, sondern auf viele andere Ansprüche an das beruflich-professionelle Handeln. Solche Parameter sind Teil des Toleranzkorridors und werden anhand der Darstellung in Abb. 2 beschrieben.

Abb. 2
figure 2

Die Parameter als Teil des Toleranzkorridors (eigene Darstellung)

5.1 Das didaktische Handeln

Das didaktische Handeln – sowohl im Verlauf als auch während der Vorbereitung der Lehr-Lernveranstaltung – unterliegt bestimmten Maßstäben, um als erfolgreich eingestuft werden zu können. In diese Kategorie fallen didaktische Elemente wie Inhalte, Lehr-Lernziele, Methoden sowie deren Bezug zu einer zeitlichen Einteilung.

Ein Kursleiter beschreibt zwei solcher Maßstäbe in einem Zusammenhang: „Wo ich meinen Inhalt durchbekomme zeitlich, wo ich mich wohl fühle auch, ja“ (I6, Z. 223–227). Ein weiteres Beispiel aus einem Nachqualifizierungskurs für weibliche Bürofachkräfte zeigt, dass nicht nur der situative Verlauf, sondern auch die didaktische Planung als Element erfolgreicher Lehr-Lernveranstaltungen herangezogen wird. So stellt sich die Kursleiterin folgende Frage: „Was ist eigentlich notwendig, dass sie wissen, und ist das, was wir ihnen weitergegeben haben in der Form, wie wir es weitergeben haben, auch annehmbar gewesen“ (I1, Z. 98 f.). Hier werden die Inhalte auf ihre Relevanz für die Zielgruppe und auf die Adäquatheit der Vermittlungsform überprüft. Dabei stellt sie die Möglichkeit in den Vordergrund, dass die Teilnehmenden sich Inhalte aneignen. Als weiteres Erfolgskriterium wird die Passung der didaktischen Inszenierung mit den Vorstellungen der Teilnehmenden genannt (vgl. I2, Z. 183).

5.2 Die lernenden Gegenüber

Während der Gespräche wird deutlich, dass die Reaktionen der Teilnehmenden als maßgebliches Kriterium für den Erfolg einer Veranstaltung betrachtet werden. So werden konkrete Ansprüche an das Verhalten der Lernenden formuliert.

Ein Kursleiter erwartet von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass sie beginnen, sich und ihre Lernprozesse selbst zu organisieren: „Das sehe ich so, also ich finde Lernende sollten autonom werden, nicht von mir abhängig bleiben“ (I4, Z. 381 f.). Eine Kursleiterin erwartet die Bereitschaft zur Mitarbeit:

Wenn die selbst tun wollen, dann gebe ich ein paar Dinge vor, sie tun mit und das wird ein Prozess den ich entwickle, dass sie sich gegenseitig Feedback geben, miteinander auch arbeiten, kommt ja viel mehr raus als wenn nur ich als Trainerin was sag (I3, Z. 340 ff.).

Andererseits wird hier auch deutlich, dass die Teilnehmenden sich nach Möglichkeit auf den Prozess einlassen und die von ihr geplante didaktisch-methodische Vorgehensweise annehmen sollen. Ein anderer Kursleiter hebt hervor, dass er sich wenig sichtbare Widerstände von Lernenden wünscht. Auch ist ihm wichtig, dass die vorgeschlagenen Inhalte anerkannt werden und seine Kompetenz sowie seine Führungsrolle nicht in Frage gestellt werden (vgl. I6, Z. 248 ff., S. 9).

5.3 Die Lehr-Lern-Beziehung

Die Lehr-Lern-Beziehung wird in der Interaktion mit den Lernenden als Gruppe sichtbar. Ansprüche an die Interaktion werden von allen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern genannt.

Wie beim Wunsch nach wenig Widerständen werden glatte, störfreie Verläufe als optimal benannt: dass es „rund lauft, das ist dann irgendwie die Atmosphäre“ (I6, Z. 244 f.). Eine Steigerung beschreibt ein anderer Kursleiter: „Und man hat gemeinsam Spaß und es ist auch so eine Entwicklung im Raum“ (I2, Z. 860). Über die Störfreiheit hinaus geht es ihm um den Lernprozess. Ein anderer Kursleiter beschreibt eine Interaktion als gelungen, wenn seine Wahrnehmung des Lehr-Lernprozesses und der Lernergebnisse mit den Wahrnehmungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer übereinstimmt: „Ja das Gefühl, wir reden vom Selben, wir haben ein ähnliches Bild, wir schätzen es ähnlich ein“ (I4, 504 f.). Hier wird eine offene Ebene des Austauschs angedeutet, wobei der Gegenstand nicht unbedingt positiv sein muss. Neben dem Vergnügen an den Lernprozessen und der aktiven Mitarbeit werden gegenseitige Akzeptanz und inhaltliche Offenheit als Voraussetzungen für den Rahmen von Lehr-Lernprozessen genannt (vgl. I7, Z. 989 ff.).

5.4 Die pädagogische Aufgabe: Lehrziele und Lehrabsichten

Das Aufgabenverständnis von Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern ergebe sich Tietgens zufolge „aus der Funktion und der Bedeutung, die man der E[rwachsenen]B[ildung] beimisst und der Rolle, in der man sich dabei selber sieht“ (1974, S. 118). Es ist bereits angesprochen worden, dass die Erreichung von Lehrzielen und Lehrabsichten häufig mittels Zufriedenheitsabfragen von Teilnehmenden überprüft wird.

Ein Kursleiter legt seine Maßstäbe konkret über Schulnoten fest: „Mein eigener Anspruch ist 1,2 ja. Wo ich sag das ist alles was schlechter ist als 1,2 ein Grund was zu ändern, ja? Oder zu reflektieren oder zu überlegen, warum?“ (I6, Z. 212 ff.). Er entscheidet anhand der Evaluationsergebnisse, ob ein Reflexionsanlass bzw. Handlungsanlass besteht. Ein anderer Lehrender sieht seine Verantwortung darin, Veränderungsprozesse bei den Lernenden anzustoßen: „Das ist auch schon ein Punkt immer wieder, in der Erwachsenenbildung für mich, die Absicht ist ja Menschen zu einer Verhaltensveränderung anzuleiten“ (I7, Z. 721–726.). Zusätzlich sieht er seine Aufgabe als Erwachsenenbildner darin, die Teilnehmenden darin zu unterstützen, sich ausdrücken zu lernen, konfliktfähiger zu werden und einen eigenen Standpunkt ausarbeiten zu können (vgl. I7, Z. 514 ff.). Solche übergeordneten Ziele lassen sich auf einen Bildungsauftrag beziehen, der erhöhte Mündigkeit zum Ziel hat.

Eine andere Kursleiterin beabsichtigt vorrangig umsetzbare Lernergebnisse anzustreben: „Das ist meistens überraschend viel weniger, was letztlich dann ankommt, was aufgenommen wird als dass es an theoretischem Wissen gäbe […] irgendwie ein paar ganz einfache Dinge die man mitnehmen kann und die man umsetzen kann“ (I3, Z. 74 ff.). Der Fokus liegt sehr stark auf dem tatsächlichen Lerntransfer und auf der Anwendbarkeit der Lernergebnisse: „Ich höre Rückmeldungen, das eine ist ja im Training der Effekt … aber auch nachher dass sie sagen ‚das haben wir gemacht, das hat geholfen und vielen Dank‘. … aber auch wirklich in Organisationen die dann besser arbeiten“ (I3, Z. 405 ff.). Die Informationen über die Umsetzung der Lernergebnisse sowie der Mehrwert, der für die Personen und die Unternehmen entsteht, sind Parameter für eine gelungene Aufgabe.

Neben diesen konkreten Beispielen sind weitere Absichten und Lehrziele in den Gesprächen identifiziert worden. Um einen Überblick zu ermöglichen, dient Abb. 3 in Form einer Eingliederung in unterschiedliche Kategorien.

Abb. 3
figure 3

Absichten und Lehrziele (eigene Darstellung)

Daraus lässt sich in der Folge auch die Bedeutung herausfiltern, die der Erwachsenenbildung von den jeweiligen Lehrenden beigemessen wird.

5.5 Das berufliche Selbst

Mit beruflichem Selbst sind einerseits die eigenen Ansprüche an den Beruf gemeint, andererseits aber auch Eigenschaften und Kompetenzen, die für das eigene Selbstverständnis unabdingbar sind. Hier wird die Dualität im Lehrberuf deutlich. Es entsteht das Bild eines Gebens und eines Nehmens seitens der Lehrenden; Lehrende stellen bestimmte Erwartungen an den Beruf, der für sie wiederum eine Bereicherung darstellen soll. Dafür bedarf es bestimmter Voraussetzungen, die es für die Ausübung des Berufs zu erfüllen gilt. Den Teilnehmenden wird dabei ein Anteil dafür zugeschrieben, dass der Beruf eine Bereicherung darstellt.

Folgende Selbstbeschreibungen beschreiben diesen Kreislauf klar:

Ich bin besonders stolz glaube ich drauf, in dem was ich tue methodisch sehr reflektiert zu sein. Ich meine aber jetzt nicht nur didaktisch, sondern auch fachlich. Ich weiß ziemlich genau wieso ich etwas mache und wie ich etwas einsetze und (3) auch auf das, dass ich einfach versuche viel Kompetenz mitzubringen, viel Wissen mitzubringen, viel analytische Kompetenz auch mitzubringen. Und stolz bin ich natürlich auch über die empathische Seite, die Atmosphäre schafft für die Gruppe … Wohlbefinden auch schafft (I2, Z. 972).

Hier werden die Zutaten zu einer professionellen Lehrendenrolle angesprochen. Dazu gehört eine konkrete Begründungsleistung für Entscheidungen, Fachexpertise sowie soziale Kompetenz und Gruppenkompetenz. Es werden zusätzlich auch emotionale Zustände genannt, die es zu erreichen gilt: „[Mein Chef] hat immer gesagt ‚wenn du erschöpft bist nach einer Veranstaltung, dann war sie nicht gut. Dann hast du sie nicht gut gemacht. Du musst dich auch besser fühlen nachher, die Teilnehmer und du‘“ (I3, Z. 334 ff.). Neben solch affektiven Zielen besteht ein weiterer Anspruch an den Beruf als Erwachsenenbildnerin und Erwachsenenbildner in dem Erhalten von Anerkennung der Lehrtätigkeit und/oder der Person (z. B. I4, Z. 521 f.).

5.6 Zwischenfazit

Während der Erzählungen geben die Kursleitenden somit einige ihrer subjektiven Erfolgsparameter preis. Damit kann ein Einblick in verschiedene Arten von teaching beliefs gewonnen werden und es können Elemente identifiziert werden, welche die Einschätzung des erfolgreichen Tuns in der Erwachsenenbildung beeinflussen. Durch die Gespräche konnte festgestellt werden, dass die Reflexion der genannten Ansprüche und Absichten vorrangig mittels der Einschätzungen erfüllt oder nicht erfüllt vorgenommen wird. Wie bereits erwähnt, stufen die Kursleitenden ihr professionelles Handeln vornehmlich als erfolgreich ein. Ihr Handeln orientiert sich an Ansprüchen und Absichten, die sich als subjektive Tatsachen identifizieren lassen. Im Rahmen didaktischer Reflexion gestalten diese den Toleranzkorridor, in dem entschieden wird, ob Beobachtungen und gewonnenes Wissen als akzeptabel oder irritierend bewertet werden. Neben diesen subjektiven Tatsachen sind während der Gespräche auch verschiedene Arten des Wissens identifiziert worden, die den Toleranzkorridor mitgestalten. Als Beispiel lässt sich das Bewusstsein eines Gesprächspartners darüber nennen, dass das Feedback am Schluss einer Veranstaltung nicht immer hochwertig für ihn ist, sondern häufig der Regel sozialer Gefälligkeit unterliegt (vgl. I4, Z. 533). Diese subjektive Tatsache wäre als konkretes Professionswissen einzustufen. Auch didaktische Prinzipien werden von den Kursleiterinnen und Kursleitern benannt. Daneben prägen situative Einflussgrößen die didaktischen Tätigkeiten, wie beispielsweise die emotionale Verfasstheit und das Verhalten der Teilnehmenden, aber auch die aktuelle freiberufliche LageFootnote 1.

6 Einflussfaktoren auf didaktische Selbstreflexion

Während der Gespräche machen alle Interviewten deutlich, dass ihre didaktische Vorgehensweise mehrheitlich erfolgreich sei. Aus den Ausführungen weiter oben zusammengefasst bedeutet Erfolg die Erfüllung des aus dem Aufgabenverständnis abgeleiteten Auftrags, die Erreichung von Lehrzielen sowie die Erfüllung subjektiver Ansprüche an sich selbst und die Teilnehmenden und Absichten an die eigene berufliche Rolle. Das subjektive Erfolgsverständnis nimmt dementsprechend großen Einfluss auf die didaktische Selbstreflexion. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass Lehrende ihre Handlungen an ihren subjektiven Erfolgskriterien ausrichten. Diese prägen den Toleranzkorridor, weswegen die Überprüfung ebendieser eine stark selbsteinschließende didaktische Reflexion von Kursleiterinnen und Kursleitern verlangt (siehe dazu Siebert 2011, S. 13). Damit ist gemeint, dass didaktische Reflexion als Bewertung des eigenen didaktischen Handelns anhand der subjektiven Erfolgsmaßstäbe nicht ausreicht. Es müssen die Erfolgsmaßstäbe als Gewissheiten, wie sie im Toleranzkorridor wirksam sind, überprüft werden. Die Gespräche mit den Lehrenden ergaben, dass nicht alle in gleichem Maße selbsteinschließend reflexiv tätig sind. Deshalb werden hier zusammenfassend die Faktoren vorgestellt, die förderlich für didaktische Selbstreflexion sind und diese, die möglicherweise hemmend sein könnten.

Die erste Voraussetzung für derartige Reflexionsprozesse besteht darin, die eigenen Geprägtheiten und Gewissheiten als solche zu erkennen. Was zu Beginn als leicht erfüllbar anmutet, besteht jedoch darin, die eigene Person als Auslöser für das eigene didaktische Tun anzuerkennen. Wenn sich Lehrende auf eine funktionalistische Perspektive der Lehrtätigkeit verständigen, besteht die Möglichkeit die eigenen persönlichen, (lern-)biographischen Eigenheiten als Einflussfaktor auszuschließen. Wenn die wirkenden Einflüsse und damit die Verantwortung für gelungenes Lehren und Lernen mehrheitlich den Lernenden, den Auftragsverantwortlichen und den strukturellen Bedingungen zugeordnet werden, kann die eigene Person aus der Verantwortung herausgenommen werden.

Die Anerkennung des Eigenen als Einflussgröße didaktischer Tätigkeit stellt noch keine Garantie dar, um einen überprüfenden Blick auf ebendiese zu werfen. Ergebnisse aus didaktischen Reflexionsprozessen bergen die Gefahr, dass sie das eigene Handeln eher bestätigen, anstelle es kritisch zu betrachten. Dies kann von positiven Rückmeldungen und Evaluationen der Teilnehmenden zusätzlich gefördert werden. So werden manche situativen Irritationen auf eine Unlösbarkeit normal geltender Handlungsdilemmata verlagert (I6). Unter anderem über die theoretische Auseinandersetzung mit Handlungsdilemmata wird dementsprechend Normalität hergestellt und ein Selbstbezug der Irritation verhindert (I5). Zusätzlich kann eine starke Berufung auf Erfahrung und Routinehandlungen als Informationsquelle selbsteinschließende Reflexion behindern (I7). Nicht überprüfte Konstruktionen von Teilnehmenden-Eigenschaften und Verhaltensmerkmalen führen oftmals zu schiefen Zielgruppenanalysen und konflikthaften didaktischen Situationen (I3). Auch ein überhöhtes inhaltliches Selbstbewusstsein und ein darauf basierendes Ausbleiben wiederkehrender Begründungs- und Konstruktionsleistungen lassen sich als behindernder Faktor für didaktische Selbstreflexion nennen (I6).

7 An- und Aufforderungen für Lehrende, Forschende und Institutionen

Wie in Abschn. 3 ausgearbeitet, trägt die Fähigkeit zur Selbstreflexion von Lehrenden zu einer erhöhten Professionalität bei, in wirkungsoffenen divergenten Situationen innovativ und flexibel angemessen zu agieren. Dazu muss der Toleranzkorridor eigens reflexiv überprüft werden. Im Sinne eines kollektiven Professionalisierungsanspruchs könnte ein gemeinsamer Nenner von mikro-didaktisch tätigen Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern in ebendieser ausgeprägten Fähigkeit der didaktischen Selbstreflexion bestehen. Dazu gehören eine realistische Selbstbeobachtung und die kritische Reflexion dieser Beobachtungsergebnisse (vgl. Nittel 2000, S. 84), die eine eventuelle Laienhaftigkeit in Professionalität umwandeln. Diese könne jedoch nicht durch Instruktions- und Belehrungssituationen einwickelt werden, sondern höchstens durch eine Begleitung reflexiver Lernprozesse von Lehrenden in Hinsicht auf deren Praxis (vgl. Arnold und Gómez Tutor 2007, S. 162). Auch wurde aus der theoretischen Abhandlung hergeleitet, dass der erwachsenenbildnerische Lehrberuf von hoher Verantwortung in der Arbeit mit Menschen gekennzeichnet ist. Ein solcher Beruf sollte weder auf der Basis einer rein personenbezogenen individuellen Professionalisierung noch auf der Unkenntnis bzw. des Ausschlusses des Eigenen als Einflussgröße ausgeführt werden. Wenn dementsprechend ein gewisses Maß an Ambiguität in Bezug auf Wirkung und Wirksamkeit von organisierten Lehr-Lernprozessen ausgehalten wird, ohne derartige Handlungsparadoxien als unlösbar einzuordnen oder selbstbegrenzende Rezepturen als allgemeingültig zu bestimmen, dann könnte dies als Gemeinsamkeit, als Besonderheit des erwachsenenbildnerischen Handelns verortet werden. Damit würde Professionalitätsentwicklung „als reflexiv-kontextbezogener, nicht vollständig kontrollierbarer Prozess, der in hohem Maße auf individueller und sozialer Selbstbeobachtung aufbaut“ um eine greifbare Einheit erweitert (Kade und Seitter 2007, S. 304).

Um Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner dazu zu ermutigen, sich selbsteinschließender didaktischer Reflexionsprozesse zu widmen und geeignete Formate zu finden, dienen folgende Ideen:

  • Kooperation mit Praktikerinnen und Praktikern, um herauszuarbeiten, was gekonnte Beruflichkeit sein könnte (vgl. Nittel 2002a, S. 257),

  • strukturelle Notwendigkeit durch die Einforderung dieser Fähigkeiten zur Selbstreflexion auf institutioneller Ebene,

  • freiwillige und/oder verpflichtende (interne) Fortbildungen,Footnote 2

  • die Arbeit mit Fällen und Falldarstellungen, um als Kursleitung zu erkennen, dass viele Eigenarten in erfolgreiche Lehr-Lernprozessen münden ohne dabei normative Vorgaben zu machen (angelehnt an Schütze 2014).

Bei all diesen Ideen für Professionalitätsentwicklungsstrategien muss ein Mindestmaß an berufsstrukturell bedingten Hürden bereits bewältigt sein. Die Frage nach der Finanzierung dieser Lerngelegenheiten muss geklärt werden. Prekäre Anstellungsverhältnisse sowie unbezahlte Vor- und Nachbereitungszeit sind ebenfalls nicht förderlich für eine Teilnahme von Kursleiterinnen und Kursleitern an solchen Angeboten. Es bleibt hervorzuheben, dass eine Verschiebung der Verantwortung an Professionalisierungsprozessen allein auf das Individuum wahrscheinlich nicht erfolgversprechend sein kann.

Auch die Disziplin der Erwachsenenbildung muss ihrerseits einen Beitrag leisten, die Ambiguitätstoleranz von Lehrenden nicht zu überspannen: „Auch für die Lehrenden kann selbsteinschließende Reflexion nicht permanente Selbstverunsicherung bedeuten“ (Siebert 2011, S. 13). Es geht somit weniger um die Auflösung jeglicher Gewissheiten und Geprägtheiten, die das Selbstverständnis von Kursleiterinnen und Kursleitern in hohem Maße bedingen, als vielmehr um die Anerkennung dieser Geprägtheiten und um das Bewusstsein, dass das eigene Selbstverständnis und die daraus entstehenden didaktischen Prinzipien und Handlungsstrategien eine Möglichkeit von vielen sind (vgl. Kade 1989a, S. 161). Die Abwesenheit von intersubjektiv gültigen und allgemein anerkannten Bildungsvorstellungen, auf die sich Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner maßgeblich stützen können (vgl. ebd., S. 162), stellt eine weitere Herausforderung dar, didaktische Selbstreflexion theoretisch zu rahmen. Dementsprechend lässt sich die Forderung nach Selbstreflexion auch im Sinne einer notwendigen innerlichen und geistigen Flexibilität in Anbetracht rasch wechselnder gesellschaftlicher Kontexte und institutioneller Rahmenbedingungen begründen (vgl. Göhlich 2011). Auch bedarf es einer weiteren theoriebasierten Herleitung über den Auftrag von Erwachsenenbildung und den daraus entstehenden Handlungs- und Haltungsansprüchen von Lehrenden: „Ein zur Profession gehörendes artikuliertes Bewusstsein der gemeinsamen Aufgaben und Verantwortungen stellt eine Grundvoraussetzung für eine gelingende Professionalisierung dar“ (Hartig 2009, S. 220). So könnten Professionalisierungsprozesse in der Erwachsenenbildung inklusiv verlaufen, indem Praktikerinnen und Praktiker sowie Forschende sich aufeinander beziehen, mit dem gemeinsamen Ziel, das mikro-didaktische Handeln unter einer impliziten Decke hervorzuholen. Professionalität würde dann in einer fortwährenden distanzierten Reflexion der häufig sehr intuitiv gesteuerten, praktischen Handlungen bestehen.