Einleitung

Gelenkschmerzen an den Extremitäten betreffen ca. 30 % der Männer und 53 % der Frauen über 55 Jahre [1]. Analgetika und Antirheumatika werden täglich von 15 % der Frauen und 5 % der Männer über 55 eingenommen. Die überwiegende Zahl dieser muskuloskeletalen Beschwerden geht auf Veränderungen im Rahmen der sogenannten Arthrose (im angloamerikanischen Sprachraum: Osteoarthritis) zurück.

Angesichts der zunehmenden Zahl von älteren und alten Menschen ist mit einer zunehmenden Bedeutung der in diesen Altersgruppen an Prävalenz zunehmenden degenerativen Gelenkserkrankungen und damit auch mit einer Zunahme der damit verbundenen Belastung des Gesundheitssystems zu rechnen. Insbesondere bei den Ursachen für Arztbesuche (Platz 2) und Invaliditätspensionen (Platz 1) nehmen Erkrankungen des muskuloskeletalen Systems einen der vordersten Plätze ein. Darunter leidet die überwiegende Mehrzahl an einer der diversen Formen degenerativer („arthrotischer“) Veränderungen.

Fingerpolyarthrose ist besonders häufig und betrifft mit fortschreitendem Alter bis zu 100 % der Bevölkerung, jedoch sind nur etwa 15 % der Betroffenen symptomatisch [2, 3]. Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Arthrose gelten vor allem Alter, genetische Faktoren, Geschlecht, Körpergewicht, aber auch mechanische Faktoren wie zum Beispiel jahrelange Gelenksbelastungen.

Pathologie

Die Arthrose ist eine Folge komplexer pathologischer Vorgänge, bei denen genetische und Umweltfaktoren die wesentlichsten Rollen spielen: die früheste pathologische Veränderung scheint (zumindest im Tiermodell) die Veränderung des Wassergehalts des hyalinen Knorpels zu sein. In der Folge kommt es zum Verlust an Elastizität und zum teilweisen Aufsplittern des kollagenen Fasergerüsts. Folge sind mechanische Instabilität des Knorpels mit Aufbrechen der für die Funktion als Gleitfläche essentiellen glatten Oberfläche und eine (zum Teil entzündungsartige und oft proliferative) Reaktion des Knochens und der Synovialmembran. Letztere führt zu Verdickung der Kapsel und gelegentlich zur Ergussbildung (Schwellung) und wird als aktivierte Arthrose bezeichnet.

Die Knochenreaktion ist durch (vor allem im Bereich der subchondralen Grenzlamelle sichtbare) Sklerose und Proliferation (Osteophytenbildung) charakterisiert. Parallel dazu untergehen die Chondrocyten einem programmierten Zelltod (Apoptose), was zum letztendlich irreversiblen Verlust des Knorpels führt [4].

Als Folge dieser mikro- und makroskopischen Veränderungen entstehen biomechanische Veränderungen, die für die subjektive Instabilität („Nachgeben“), Steifigkeit („Anlauf-Phänomen“) und Schmerz verantwortlich gemacht werden.

Die Abb. 1 fasst die (Makro-)Morphologischen Veränderungen zusammen.

Abb. 1
figure 1

Schematische Darstellung der typischen morphologischen Veränderungen im arthrotischen Knie

Diagnostik

Radiologische Kriterien

Die wohl wichtigste und auch heute noch am häufigsten verwendete radiologische Klassifizierung der Arthrose ist jene nach Kellgren und Lawrence [5].

Die meisten Klassifikationsschemata der Arthrose basieren nach wie vor auf diesen radiologischen Kriterien.

Abb. 2
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Radiologische Veränderungen entsprechend den Kellgren-Lawrence-Stadien 1–4, Stadium 1 (a), Stadium 2 (b), Stadium 3 (c), Stadium 4 (d) am Knie (siehe verbale Beschreibung in Tab. 1)

Tab. 1 Radiographische Schweregrade für Osteoarthritis des Knies [5]
Abb. 3
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Radiologische Veränderungen entsprechend den Kellgren-Lawrence-Stadien 1–4, Stadium 1 (a), Stadium 2 (b), Stadium 3 (c), Stadium 4 (d) an der Hüfte (siehe verbale Beschreibung in Tab. 2)

Tab. 2 Radiographische Schweregrade für Osteoarthritis der Hüfte [5]

Klinische Klassifikationskriterien

Einige (aber nicht die Mehrheit!) der Individuen mit diesen pathologischen Veränderungen leiden unter Gelenkssymptomen (Schmerzen, Steifigkeit, Funktionseinschränkungen), die wahrscheinlich auf diese radiologisch fassbaren Pathologien zurückzuführen sind. Diese Symptome sind nicht spezifisch und keine der gängigen klinischen Definitionen für Arthrose ist als ausreichend validiert anzusehen [68].

Tab. 3 ACR Klassifikation der Arthrose des Knies
Tab. 4 ACR Klassifikation der Arthrose der Hüfte
Tab. 5 ACR Klassifikation der Arthrose der Hände

Obwohl analoge Veränderungen auch an der Wirbelsäule auftreten, sind allgemeine Klassifikationskriterien für die sogenannte Spondylose (Arthrose der Discovertebralgelenke) oder Spondylarthrose (Arthrose der Intervertebralgelenke) nicht erarbeitet worden.

Des Weiteren kann die Arthrose nach anatomischen, morphologischen oder pathogenetischen Kriterien klassifiziert werden: sie kann primär oder sekundär (z. B. nach Traumen) bedingt sein; sie kann mono-, oligo- oder polyartikulär auftreten; sie kann große oder kleine Gelenke bzw. Gelenke der Wirbelsäule betreffen und sie kann sowohl proliferativ, destruktiv als auch erosiv verlaufen.

Klinik

Die Arthrose zeigt meist eine relativ eindeutige Symptomatik. Sie ist gekennzeichnet durch Druckschmerzhaftigkeit der Gelenke, knöcherne Verdickung („boney swelling“) der Gelenke, einem sogenannten „Anlaufschmerz“ – d. h. dass die Gelenke besonders zu Beginn der Bewegung stark schmerzen, der Schmerz lässt bei fortlaufender Bewegung jedoch nach, Bewegungschmerz – vor allem bei starker Belastung, sowie Funktionseinschränkung der Gelenke.

Diese klinischen Kriterien, obwohl nicht in klassischer Weise „validiert“, finden auch ihren Ausdruck in den klinischen Klassifikationskriterien der ACR. Darüber hinaus kann es bei einzelnen Patienten zu Zeichen einer entzündlichen „Aktivierung“ kommen. Bei der aktivierten Arthrose finden sich weiters die klassischen Symptome einer Entzündung mit synovitischer Schwellung, Überwärmung sowie Rötung des Gelenkes.

Morgendliche Steifigkeit, meist von einigen Minuten (selten über 30 Minuten) Dauer ist ein weiteres häufiges Anzeichen einer Arthrose des betreffenden Gelenks.

In weiterer Folge kann es zu Krepitation (tast- und manchmal hörbares „Knirschen“) als Ausdruck der Unregelmässigkeit der Knorpeloberfläche oder von Ablagerungen auf/zwischen den Gelenksflächen kommen. Durch knöcherne Proliferation entstehen Verformungen und Fehlstellungen und letztlich der fortschreitende Verlust der Beweglichkeit. Durch direkten Knochen-Knochen-Kontakt (sobald der Knorpelüberzug destruiert ist) kann es zur völligen Versteifung der betroffenen Gelenke kommen. Ebenso eine Folge der Verformung der gelenktragenden Knochenenden ist die Instabilität (vor allem großer Gelenke wie Knie oder Sprunggelenke), die zu verändertem mechanischen Kontakt der Gelenkflächen beiträgt, was wiederum zu lokalen Reaktionen (Knochensklerose, Proliferation, Knochenuntergang mit Zystenbildung oder/und Einbruch von Gelenksflächen) führt.

Der Einsatz von Laboruntersuchungen hat keinen Stellenwert bei der Diagnosestellung einer Arthrose. Lediglich im Falle einer aktivierten Arthrose kann es zu einer unspezifischen Erhöhung von Entzündungsparameteren wie zum Beispiel CRP oder Blutsenkungsgeschwindigkeit kommen.

Der Schmerz bei Arthrose

Eines der hervorstechendsten klinischen Symptome der Arthrose ist der Schmerz in den betroffenen Gelenken. Interessanterweise haben lediglich etwa die Hälfte aller betroffenen Patienten auch mit radiologisch höhergradiger Arthrose (Kellgren-Lawrence-Stadium III und IV) Schmerzen [9]. Der Schmerz kann von den unterschiedlichsten Strukturen ausgehen: vom Knorpel bedingt durch „Abrieb“, Kristalle, Bildung von Enzymen wie z. B. Metalloproteinasen, Stimulation von Entzündungsmediatoren, Stress am subchondralen Knochen sowie in weiterer Folge Gelenksinstabilität; von den Menisci aufgrund von Rissen, Degeneration oder Überdehnung der Kapselansätze; von der Synovia aufgrund von Ergussbildung, Inflammation und entzündlichen Infiltraten; vom subchondralen Knochen bei Ischämie, Knocheninfarkt oder Knocheneinbruch; durch Osteophyten aufgrund einer Periostabhebung oder Nervenkompression; von der Gelenkskapsel aufgrund von Überdehnung/Instabilität sowie mechanischem oder entzündlichem Stress am Kapselansatz (Periost/Knochen); von den Bändern aufgrund von Überdehnung; von den Bursen im Rahmen einer Bursitis; von den Muskeln aufgrund von Spasmen oder Kontrakturen sowie vom ZNS aufgrund chronischer Beschwerden, psychischem Stress sowie Schlaflosigkeit.

Ein wichtiger Aspekt des Arthroseschmerzes abgesehen von „organischen“ Ursachen ist die psychologische Komponente. Schmerzen sind häufiger und schwerer am Abend, an Wochenenden und zu Beginn der Arbeitswoche. Soziokulturelle Umfeldbedingungen und psychische Begleiterkrankungen wie Depression, Angststörungen etc. tragen zum Schweregrad des Schmerzes und damit zum Ausmaß der Behinderung der Betroffenen bei.

Der Lebensqualitätsverlust bei Arthrose

Verglichen mit altersgleichen Personen haben Arthrosepatienten einen signifikanten Verlust an Funktionsfähigkeit und Lebensqualität im Alltag [10]. Die Betroffenen sind durch die Erkrankung (insbesondere bei Befall der unteren Extremität) meist zunehmend insbesondere in der Mobilität eingeschränkt. Dies führt zu zunehmender Abhängigkeit und Hilfsbedürftigkeit und sozialer Isolation mit den entsprechenden psychologischen Folgen. Somit ist die Arthrose selbst zwar nicht lebensbedrohlich, die Einschränkungen und der vermehrte Hilfs- und Pflegebedarf haben jedoch massive sozialmedizinische und individuelle Auswirkungen [11]. Muskuloskeletale Erkrankungen sind die häufigste Ursache für Pensionierungen aus gesundheitlichen Gründen und die zweithäufigste Ursache (nach Atemwegserkrankungen) für Konsultationen beim praktischen Arzt [12]. Damit sind diese Erkrankungen mit sowohl aus der Sicht der Betroffenen als auch der Gesellschaft erheblichen Kosten verbunden. Die Prävention und/oder Symptomlinderung durch entsprechende prophylaktische oder therapeutische Maßnahmen hat daher eine entscheidende Bedeutung.

Management – Therapie

Die „Zielstruktur“ der Arthrose, nämlich der hyaline Gelenksknorpel, ist ein Gewebe mit relativ geringer Stoffwechselaktivität („bradytroph“) und wird vorwiegend über die Synovialflüssigkeit ernährt. Das Fehlen einer eigenen Blutversorgung macht eine Regeneration bei eingetretenen Schäden schwierig bis unmöglich. Ein allgemein akzeptierter Nachweis einer „knorpelprotektiven“ oder „knorpelregenerativen“ Wirkung eines der vielen eingesetzten Präparate steht bis dato aus. Da somit eine kausale Therapie derzeit nicht möglich ist, besteht die Arthrosetherapie aus präventiven und symptomatischen Maßnahmen.

Die beste Zusammenfassung der aktuellen „state of the Art“ Therapie für Arthrose liefern die aktuellen ACR Guidelines (2012) sowie die OARSI Recommendations aus 2008 [13, 14].

Aufgrund der Pathophysiologie ergeben sich folgende Ansatzpunkte für das Management der Arthrose:

  • Schmerz,

  • Funktion,

  • Struktur.

Ansatzpunkt: Schmerz

Medikamente

Als Schmerzmedikamente der ersten Wahl werden von den meisten internationalen Fachgremien „reine Analgetika“ wie Paracetamol oder Metamizol, ev. auch Tramadol empfohlen. Allerdings ist die Verwendung dieser Substanzen häufig durch ihre Nebenwirkungen oder relativ geringe Potenz limitiert. Deshalb sind nichtsteroidale Antirheumatika die meisteingesetze Substanzgruppe in der Arthrosetherapie, auch wenn ihre antiinflammatorische Wirksamkeit bei einer primär nicht-entzündlichen Erkrankungsgruppe meist überflüssig ist. Die meisten NSAR werden oral gut resorbiert, Diclofenac, Lornoxicam und Tenoxicam sind in parenteraler Form (i. m. und/oder i. v.) verfügbar und werden bei Phasen akuter Schmerzexacerbation, aber auch als Dauermedikation häufig eingesetzt. Primär sollte jedoch vor allem bei Beschwerden im Bereich der Finger und Handgelenke bzw. auch der Kniegelenke eine lokale (perkutane) Therapie mit hyperämisierenden Salben (Capsaicin, Pfeffer- oder Kampferhältige Präparationen oder NSAR-Externa) versucht werden. Sollte diese keine ausreichende Wirkung erzielen, kann eine orale Schmerztherapie begonnen werden.

Gelenkergüsse im Rahmen einer aktivierten Arthrose können und sollen durch Arthrocentese entlastet werden, dies ermöglicht des Weiteren die Applikation von Pharmaka ins Gelenk, darunter Steroide (um eine mögliche entzündliche Komponente des Ergusses zu bekämpfen), Lokalanästhetika und visköse Lösungen wie Hyaluronsäure-Präparationen. Letztere sind in den letzten Jahren wegen des Fehlens eindeutiger Belege für die Wirksamkeit allerdings aus den Erstattungskatalogen der Krankenversicherungsträger gestrichen worden. Weiters ist zu erwähnen, dass einer intraartikulären Applikation von Steroiden etc. bei nicht entzündlicher Arthrose bislang keine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte.

Bei starken Schmerzen und im Fall ausgeprägter Destruktion (meist als „bridging“–Massnahme zu geplanten Gelenkrekonstruktionen/-ersatz) kommen auch starke Analgetika (Opiate) zur Anwendung.

Im Falle einer erosiven Arthrose können auch klassische Basistherapeutika, wie wir sie von der rheumatoiden Arthritis kennen, zum Einsatz kommen. In solchen Fällen kann eine Therapie mit Hydroxychloroquin oder gelegentlich auch Methotrexat begonnen werden. Diese Therapieversuche sind jedoch nicht evidenzbasiert und sollten im Einzelfall hinsichtlich Nutzen-/Risikoprofil evaluiert werden.

Nicht-medikamentöse Analgesie

Ein wesentlicher Aspekt beim arthrosebedingten Schmerz ist die häufig reflektorisch dystone Muskulatur. Durch Massage, Dehnungsübungen, Muskelkräftigung (heilgymnastische Übungen) wird hier ein therapeutischer Effekt erzielt. Bandinstabilitäten (Knie, Sprunggelenk etc.) können durch externe Stützen (Orthesen) ausgeglichen werden, was nicht nur eine Verbesserung der Funktion sondern auch Analgesie erzielt. Durch gezielte Schulung von oft reflektorisch durch den Schmerz bedingten gestörten Bewegungsmustern kann ebenfalls eine Durchbrechung des Circulus vitiosus Schmerz – gestörtes Bewegungsmuster – Muskelverspannung – Schmerz erreicht werden.

Physikalisch-therapeutische Maßnahmen (Wärmetherapie, Elektrotherapie, Ultraschall etc.) werden zwar weit verbreitet angewendet, ihre Wirksamkeit ist allerdings in großen Studien und Metaanalysen kaum zweifelsfrei belegt worden [15, 16, 17].

„Komplementärmedizinische“ Massnahmen wie z. B. Akupunktur werden häufig empfohlen, allerdings steht ein definitiver Wirkungsnachweis aus.

Ansatzpunkt: Funktion

Zentrales Ziel der Arthrosetherapie ist letztlich das Erhalten der Funktionen des Organs Gelenk. Somit sind alle Therapiemaßnahmen im weitesten Sinn als funktionserhaltend anzusehen. Gezielte Intervention wird mit Physiotherapie, Ergotherapie und Trainingstherapie betrieben. Besonderes Augenmerk wird dabei der gelenkschonenden Ausführung von Alltagstätigkeiten und der Übungstherapie („range of motion-exercise“) gewidmet [18]. Ähnlich wie bei entzündlichen Gelenkerkrankungen ist auch bei der Arthrose die Versorgung mit Hilfsmitteln (Gehhilfen, Greifhilfen, Hebel etc.) wesentlich. Physiotherapeutische Therapie widmet sich dem Ausgleich von Muskel-Ungleichgewichten (Schwäche, Verkürzung, Spastizität) und damit der Verbesserung der Stellung der Gelenksteile zueinander mit dem Ziel verbesserter Funktion bei geringerem Schmerz.

Insbesondere bei der Arthrose tragender Gelenke (Hüfte, Knie, Sprunggelenke, Fuss- und Zehengelenke) kommt der Gewichtsreduktion eine entscheidende Rolle zu: in der Framingham-Studie [19] konnte eine Gewichtsreduktion (bei Frauen) um 5 kg das Arthroserisiko um 50 % reduzieren.

Weiters gibt es einige Allgemeinmaßnahmen welche für die Patienten zu beachten sind: ein ausgeglichenens Verhältnis zwischen Be- und Entlastung; keine monotonen Bewegungen über längere Zeit ausführen; dynamische Tätigkeiten (Bewegung) sind statischen (Haltearbeiten) vorzuziehen; beim Tragen schwerer Gegenstände das Gewicht auf möglichst viele große Gelenke verteilen sowie vermeiden von Kraftspitzen.

Ansatzpunkt: Struktur

Medikamente – Nahrungsergänzungen („Nutraceuticals“)

Wie oben erwähnt, wird bei bereits eingetretenem Strukturschaden am Knorpel eine „Heilung“ als unwahrscheinlich angesehen. Kontrollierte Studien, die in einem Cochrane-Review zusammengefasst wurden, belegen eine gewisse Effektivität des Interleukin-1-Antagonisten Diacerein hinsichtlich der Progression primärer Arthrosen [20], der Gesamteffekt ist aber auch in den zitierten Arbeiten eher limitiert.

Zahlreiche weitere Präparate mit (theoretisch) „protektivem“ oder „regenerativem“ Einfluss auf das Knorpelgewebe sind in Anwendung. Darunter finden sich so unterschiedliche Substanzen wie Vitamin C, Vitamin D, Glucosamin, Chondroitin, S‑adenosylmethionine, Ingwer oder Avocado/Sojabohnen-Extrakte. Trotz in manchen Studien belegter Wirkung auf Struktur und/oder Schmerz steht auch hier ein definitiver Beweis für eine eindeutige klinische Wirkung dieser als „Nutraceuticals“ bezeichneten Ergänzungen unserer Ernährung noch aus.

Operative Massnahmen

Chirurgische Interventionen sind eine häufig angewandte Methode, die vielfältige Ansätze zur Erhaltung und/oder zum Ersatz des verlorenen Knorpels bietet:

  • Die Wirksamkeit der sogenannten arthroskopischen „Gelenktoilette“, bei der der Gelenkraum (des Knies) von „Abfall“ (Knorpelabrieb, Fibrin etc.) durch Spülung „gereinigt“ wurde, konnte in einer Patienten-verblindeten kontrollierten Studie widerlegt werden [21]. Dennoch ist z. B. bei definitiv geschädigten Menisci am Knie oder bei Vorliegen von „Gelenksmäusen“ (Arthrolithen) als Folge einer Ablösung der geschädigten Teile (meist unter Einbeziehung des darunterliegenden Knochens im Sinne einer Osteochondritis Dissecans) eine Arthroskopie indiziert.

  • Die von Pridie bereits 1959 beschriebene Knorpelbohrung versucht durch Setzen gezielter Läsionen im Bereich der Gelenksfläche das Einsprossen von Blutgefäßen in den gesetzten Defekt zu erzielen, welche dann die Bildung eines (an mechanischen Eigenschaften dem hyalinen Knorpel allerdings unterlegenen) Faserknorpels ermöglichen. Ob diese Methodik die Progression der Arthrose verlangsamen kann, ist trotz ihrer bereits fast 50-jährigen Geschichte nicht geklärt.

  • Einen ähnlichen Ansatz wie die Bohrung verfolgt die Mikrofrakturierung. Auch hier wird durch gezieltes Setzen eines limitierten Defekts versucht, die Einsprossung von Regeneratgewebe (Faserknorpel) anzuregen. Hinsichtlich des Wirkungsnachweises gilt Ähnliches wie für die Knorpelbohrung.

  • Die Transplantation autologen Knorpelmaterials aus weniger belasteten Gelenksbereichen (z. B. laterale oder mediale Femurkondylen) in die geschädigten artikulierenden Zonen ist ein vielversprechender Ansatz, der in kurz- bis mittelfristigen Studien bei bis zu 50 % der Patienten deutliche Erfolge gezeigt hat. Diese Methode ist allerdings nur bei relativ kleinen Defekten und bei Erhaltung der subchondralen knöchernen Grenzlamelle (diese muss dem implantierten Knorpelstück Halt bieten) erfolgversprechend.

  • Bei Fehlstellungen (Varus/Valgus) von z. B. Hüfte oder Knie, die ein bestimmtes Maß übersteigen und damit eine einseitige bzw. ungleiche Druckbelastung der Knorpelflächen mit sich bringen, ist an eine Umstellung/Korrektur mittels Osteotomie zu denken. Dieser Methode werden auch „prophylaktische“ Effekte hinsichtlich der Progression der Arthrose zugeschrieben.

  • Bei fortgeschrittenem Knorpelverlust (sobald der Knorpelüberzug größerflächige oder tiefe Defekte aufweist, die durch eine Implantation von (autologem) Knorpel nicht mehr gedeckt werden können) kann eine Endoprothese notwendig werden. Dieses Verfahren ist aufgrund der modernen Materialien und optimierter Operationstechniken mit ausgezeichneten Langzeiterfolgen verbunden. Die vergleichsweise hohen Kosten dieser Methode und der aufgrund des zunehmenden Lebensalters der Bevölkerung steigende Bedarf, begründen die bedeutsamen gesundheitspolitischen Auswirkungen dieser Methode.

  • Statt eines Gelenkersatzes ist bei einzelnen Gelenken (Daumensattelgelenk, Großzehengrundgelenk, Sprunggelenk) je nach Alter der/s Patienten/Patientin und Qualität des Knochens eine Gelenkresektion und/oder Arthrodese in Betracht zu ziehen.

  • Im Rahmen der Fingerpolyarthrose kommen auch häufig sogenannte Silikonspacer zum Einsatz. Diese führen nicht nur zu einer deutlichen Schmerzreduktion sondern auch zu einer Kraftzunahme und einer verbesserten Beweglichkeit.

ACR Recommendations 2012.

http://www.rheumatology.org/Portals/0/Files/ACR%20Recommendations%20for%20the%20Use%20of%20Nonpharmacologic%20and%20Pharmacologic%20Therapies%20in%20OA%20of%20the%20Hand,%20Hip%20and%20Knee.pdf

OARSI Recommendations 2008.

http://www.oarsijournal.com/article/S1063-4584%2807%2900397-4/pdf