Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) war das kriminalpolitische Thema der letzten Jahre. Aus Sorge, es könnte eine Gruppe höchst gefährlicher Straftäter nicht mehr sicherheitshalber verwahrt werden, vertieften sich Bundes- und Landesgesetzgeber in die Frage, welches Raum- und Therapieangebot Sicherungsverwahrten vorgehalten werden muss, um dem Abstandsgebot genüge zu tun und die Unterbringung menschenrechtskonform zu gestalten.

Diese hohe öffentliche und rechtspolitische Aufmerksamkeit galt einer Maßregel, in der am 31.03.2012 deutschlandweit 466 StraftäterFootnote 1 untergebracht waren. Am selben Stichtag befanden sich 6750 Rechtsbrecher gemäß § 63 StGB in der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wobei diese Zahl lediglich die Untergebrachten in den „alten“ Bundesländern umfasst. Anders als bei Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten ist eine Zählung der psychiatrischen Maßregelpatienten in den „neuen“ Bundesländern offenbar auch mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht möglich. Man mag dies als Hinweis darauf sehen, welche Bedeutung der Frage zugemessen wird, wie viele Menschen in diesen Einrichtungen sicherheitshalber untergebracht sind.

Dabei gilt für beide Maßregeln gleichermaßen, dass sie zeitlich unbegrenzt sind und bei anhaltender Gefährlichkeit einen lebenslangen Freiheitsentzug mit sich bringen können. Beide Maßregeln begründen sich nicht in Schuldaspekten, sondern tragen einen rein präventiven Charakter. Zumindest künftig soll auch für beide Maßregeln gelten, dass durch eine intensive Therapie die Dauer des Freiheitsentzuges möglichst kurz gehalten werden soll. Insofern verdienen die Untergebrachten in der psychiatrischen Maßregel sicher die gleiche Aufmerksamkeit wie die Sicherungsverwahrten, was die baulichen Unterbringungsbedingungen, das therapeutische Angebot und v. a. die Bemühungen betrifft, den (weiteren) Vollzug einer solchen Maßregel nicht erforderlich zu machen.

Während sich die Zahl der Einweisungen gemäß § 63 StGB seit einigen Jahren auf hohem Niveau zu stabilisieren scheint, nimmt der Bestand an Untergebrachten weiterhin kontinuierlich zu. Die Zahl der Neueinweisungen nach § 63 StGB/1 Mio. Einwohner sank von einem Maximum von 12,6 in 2005 auf 10,9 in 2011. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der gemäß § 63 StGB Untergebrachten jedoch weiter an von 82,9 auf 97,4/1 Mio. Einwohner. (Noch einmal zum Vergleich: In der Sicherungsverwahrung befanden sich 2011 6,2 Untergebrachte/1 Mio. Einwohner). In den Jahren 2008 bis 2012 wurden im Bereich des Landschaftsverbandes Rheinland 548 Patienten gemäß § 63 StGB aufgenommen; entlassen wurden im selben Zeitraum jedoch nur 369 Patienten.

Der weitaus überwiegende Teil potenziell lebenslanger freiheitsentziehender Unterbringungen erfolgt also im psychiatrischen Maßregelvollzug, und diese Unterbringung gestaltet sich für immer mehr Patienten zu einer Endlosveranstaltung. Dies dürfte kaum darin begründet sein, dass sich die Behandlungsmöglichkeiten der Untergebrachten in gleichem Maße verschlechtert haben. Vielmehr spiegelt sich hier die Tendenz wider, jedes noch erkennbare oder geargwöhnte oder zuweilen auch nur gedanklich konstruierbare Risiko zulasten des Patienten zu bewerten.

Bei etwa jedem zweiten gemäß § 63 StGB untergebrachten Patienten erfolgte das Unterbringungsdelikt vor dem Hintergrund einer schizophrenen Psychose. Für diese Erkrankung stehen in ihrer Effizienz gut überprüfte Behandlungsmethoden zur Verfügung, und zwar sowohl für die Akutbehandlung als auch zur Rezidivprophylaxe. Dennoch sind in den letzten Jahren insbesondere schizophrene Patienten vermehrt gemäß § 63 StGB untergebracht worden, und die Unterbringungsdauer auch dieser Patienten hat sich erheblich verlängert. Die bereits erfolgten und derzeit geplanten Klinikneubauten, die durchweg den Forderungen nach einer hohen baulichen Sicherung Rechnung tragen, gehen an den therapeutischen und rehabilitativen Bedürfnissen dieser Maßregelpatienten durchweg vorbei. Hier sind auch unter gefährlichkeitsprognostischen Aspekten keine Hochsicherheitstrakte erforderlich. Vielmehr fehlt es an offeneren Behandlungsplätzen und v. a. an nachfolgenden komplementären Unterbringungsmöglichkeiten.

Ungeklärt erscheint immer noch der Hintergrund der vermehrten strafrechtlichen Unterbringung schizophrener Patienten. Diskutiert werden Veränderungen in Erscheinungsbild und Verlauf der Erkrankung (Zunahme von Patienten mit komorbider Suchtproblematik), Veränderungen des Behandlungsangebotes in der Allgemeinpsychiatrie (Verringerung stationärer Behandlungsplätze und Behandlungszeiten) sowie eine erniedrigte Anordnungsschwelle aufseiten der Gerichte. Der Beitrag von Kruse et al. geht der Frage nach, ob sich aus der Behandlungsvorgeschichte schizophrener Maßregelpatienten Besonderheiten im Vergleich zu stationären Patienten in der Allgemeinpsychiatrie ergeben. Hier lässt sich eine Risikogruppe beschreiben, bei der die frühzeitige Einbindung in ein intensivbetreuendes strukturiertes Versorgungsnetz die Gefahr einer späteren forensischen Unterbringung verringern kann.

Zuweilen ist es hilfreich zu sehen, dass bestimmte Probleme auch über die Landesgrenzen hinaus bestehen. Der Beitrag von Völlm über den Umgang mit gefährlichen Straftätern in England zeigt eindrucksvoll, wie auch dort der in den Medien propagierte Ruf der Öffentlichkeit nach einem wirksameren Schutz vor psychisch gestörten Rechtsbrechern zu umfangreichen Gesetzesänderungen, verlängerten Internierungsdauern und verschärften Überwachungsmaßnahmen geführt hat. Das englische System von Straf- und Maßnahmevollzug ist im Vergleich zu den Regelungen in Deutschland weniger starr, was zu individuellen Lösungen führen kann, aber auch die Gefahr eines Missbrauchs mit sich bringt. So weist die Autorin auf vermehrte Fälle hin, in denen Strafgefangene wenige Tage vor einer regulären Haftentlassung plötzlich für behandlungsbedürftig erklärt und in eine zeitlich unbefristete psychiatrische Unterbringung verlegt wurden. Dies erinnert an die Entdeckung einer „psychischen Störung“ als Begründung einer Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz (ThUG).

Die nachfolgenden Beiträge betreffen die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Hier haben sich die Einweisungszahlen und die Bestandziffern in den letzten 20 Jahren verdreifacht. Am 31.03.2012 befanden sich 3526 suchtkranke Straftäter in einer solchen Unterbringung (auch dies nur bezogen auf die „alten“ Bundesländer). Da die Maßregel gemäß § 64 StGB explizit der Behandlung dienen soll, erscheint erstaunlich, wie wenig über ihre tatsächliche Effizienz bekannt ist. Im Beitrag von Schalast et al. werden die methodischen Probleme einer solchen Therapieevaluation beschrieben und über erste Zwischenergebnisse einer langfristig angelegten Studie berichtet, in der der therapeutisch-rehabilitative Gesamtertrag dieser Behandlungsmaßnahme ermittelt werden soll. Der zweite Betrag von Schalast bezieht sich auf die Schwierigkeiten, die Erfolgsaussichten einer strafgerichtlich angeordneten Suchtbehandlung für den konkreten Einzelfall zu prognostizieren. Hintergrund ist eine Kontroverse darüber, ob die Unterbringung nach § 64 StGB noch überwiegend der Behandlung einer Suchtproblematik dient oder nicht zunehmend zu einer Art sozialtherapeutischer Anstalt für Straftäter geworden ist, bei denen sich die dissoziale Persönlichkeitsproblematik u. a. auch in einem problematischen Suchtmittelkonsum gezeigt hat. Sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang auch ein Abgleich mit dem derzeitigen Stand der Diagnostik und Behandlung der Alkoholabhängigkeit in der (nichtforensischen) Psychiatrie in der Übersicht von Koopmann u. Kiefer.

Mit dem Beitrag von Goebbels et al. über das „Good Lives Model“ setzen wir die schon im letzten Heft begonnene Vorstellung einer therapeutischen Konzeption fort, in der die Perspektive des Risikomanagements durch den Aspekt einer Verbesserung der Lebensqualität des (ehemaligen) Straftäters erweitert wird. Im letzten Beitrag beschreiben Brockmann u. Bock einen aus der kriminologischen Forschung entwickelten Ansatz zur Prognosebeurteilung persönlichkeitsgestörter Straftäter. Dieses Vorgehen wird von den Autoren in einem zweiten Teil am Beispiel einzelner Persönlichkeitsstörungen im folgenden Heft konkretisiert.