Zusammenfassung
Vor- und Nachteile vorsichtiger Rechnungslegung werden aktuell und kontrovers diskutiert. Dieser Beitrag formalisiert Vorsicht in einem Informationssystem. Es wird gezeigt, dass eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Eintretens ungünstiger Signale bei gleichbleibender Präzision deren Informationsgehalt verringert. Dadurch wird die Interpretation als vorsichtige und unvorsichtige Rechnungslegung z. T. ambivalent. Dies hat auch Konsequenzen für den Zusammenhang von Marktrenditen und Ergebnissen, die für eine empirische Schätzung herangezogen werden. Weiter wird anhand der Darstellung mehrerer ökonomischer Modelle aufgezeigt, warum verzerrte Rechnungslegung aus vielen Gründen vorteilhaft sein kann.
Abstract
This paper contributes to the current and controversial debate about costs and benefits of conservatism in financial reporting. It presents a formalization of conservatism of an information system and shows that, holding precision constant, an increase of the probability of bad signals reduces their information content. This can make the interpretation of bias as conservative or aggressive ambiguous. It has also consequences for the association of market returns and earnings, which is used in empirical estimates of accounting conservatism. The paper discusses several models that show economic benefits of conservatism.
Notes
IASB Framework, F.37; FASB Conceptual Framework, CON 2.91 ff.
Auch das BilMoG reduzierte die Vorsicht in der deutschen Rechnungslegung.
So etwa Barth (2008, S. 1167).
Vgl. z. B. Watts (2003a).
Beispielsweise sehen Dickhaut et al. (2010), insbes. S. 243 f., eine Parallele von Vorsicht und Gehirnprozessen bei Menschen, weil psychologische und neuerdings auch neuroökonomische Forschung zeigt, dass das Gehirn Gewinne und Verluste in unterschiedlichen Gehirnregionen verarbeitet.
Die Ungleichheitsrelationen gelten nur für Pr(y L ) ¹ 0 bzw Pr(y H ) ¹ 0. Pr(y L ) = 0 oder Pr(y H ) = 0 können nur bei F = 1 auftreten.
Vgl. auch Gigler et al. (2009).
Gigler et al. (2009, S. 780), nehmen weiter an, dass die Monotone Likelihood Ratio Property gilt, dh φ x/φ steigt in y für gegebenes δ.
Vgl. Watts (2003a).
Vgl. Schneider (1997, S. 105).
Vgl. z. B. Wagenhofer (2005).
In der kontinuierlichen Struktur mit der Definition von Gigler et al. (2009, S. 785 f.), kann unbedingte Vorsicht jedoch einen gewissen Informationsgehalt haben.
Vgl. z. B. Dietrich et al. (2007); Givoly et al. (2007); Ryan (2006). Callen et al. (2010) nehmen an, dass die Rechnungslegung wie auch weitere Informationen für die Bildung der Marktpreise Verwendung finden und dass erst beide gemeinsam zu der beobachteten Nichtlinearität des Zusammenhangs von Ergebnissen und Marktrenditen führen.
Ball und Shivakumar (2008) finden allerdings, dass Ergebnisinformationen keinen großen Effekt auf Marktrenditen haben.
Interessanterweise verwendet Basu (1997, S. 10), wie viele andere nachfolgende Studien, zur Ermittlung der Marktrendite die Preise von neun Monaten vor und drei Monaten nach dem Bilanzstichtag. Der Grund dafür ist, dass die Veröffentlichung des Jahresabschlusses für das Vorjahr nicht in den Zeitraum für die Marktrenditeberechnung fällt. Allerdings fällt damit der Jahresabschluss des betreffenden Untersuchungsjahres in den Zeitraum, und dies ist mit der Annahme, dass sich der Marktpreis ohne die Information der Rechnungslegung bildet, nicht konsistent. Des Weiteren können in den drei ersten Monaten des nächsten Geschäftsjahres wertbegründende Ereignisse stattfinden, die in der Rechnungslegung noch gar nicht berücksichtigt werden dürfen. Die empirischen Ergebnisse sind aber i. d. R. robust gegenüber dem genauen Zeitraum.
Gigler et al. (2009, S. 793–796), geben ein ähnliches Beispiel für drei Signale.
Guay und Verrecchia (2006) geben ein Beispiel für einen ähnlichen geknickten Verlauf bei Zulassung von Bilanzpolitik.
Der Knick verschwindet allgemein dann, wenn die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines ungünstigen Signals derjenigen eines günstigen Signals entspricht, dh Pr(y L ) = Pr(y H ). Dies ist dann der Fall, wenn f 1 = 1/2 + qF und f 2 = 1/2 + (1 − q)F eine zulässige Lösung ergibt.
Vgl. Guay und Verrecchia (2006, S. 151).
Vgl. dazu Arya et al. (1998).
In den Diskussionen um das Conceptual Framework gewann man öfter den Eindruck, dass das IASB und das FASB solche Aspekte nicht berücksichtigten. Denn dieses berücksichtigt Anreize und deren Gegensteuerung nicht.
Vgl. z. B. Antle und Nalebuff (1991).
Diese Begründung erfordert die Annahme, dass die Erfassung von Information Kosten verursacht; sonst wäre schwer begründbar, warum nur Verluste, nicht aber auch Gewinne erfasst werden. Vgl. Guay und Verrecchia (2006, S. 156 f.).
Eine öfter benutzte Differenzierung in Situationen mit und ohne Vertrag ist nicht zielführend, da alle Ressourcenallokationsentscheidungen letztlich Verträge umfassen.
Demski et al. (2009) zeigen in einem Modell mit adverser Selektion am Markt für Investitionsgüter, dass außerplanmäßige Abschreibungen unter bestimmten Umständen optimal sein können.
Ball et al. (2008) zeigen, dass der Grad der Vorsicht mit der Größe des Fremdkapitalmarkts steigt, aber von der Größe des Eigenkapitalmarkts unabhängig ist. Daraus schließen sie, dass Vorsicht eine nachgefragte Eigenschaft der Rechnungslegung für Kreditverträge ist. Dies impliziert, dass die Vertragskosten hoch sind.
Beatty et al. (2008) finden, dass Covenants in Kreditverträgen, die bestimmte vorsichtige Anpassungen (sogenannte income escalators) vornehmen, und vorsichtige Rechnungslegung positiv korreliert sind. Daraus ist zu schließen, dass vertragliche Anpassungen alleine nicht effizient sind. Vgl. auch Armstrong et al. (2010) mit einem Überblick.
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Danksagung
Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag an der NRW Akademie der Wissenschaften und der Künste. Für wertvolle Hinweise danke ich zwei Gutachtern, Mag. Marina Ebner, Prof. Dr. Ralf Ewert, Prof. Dr. Robert Göx und Mag. David Windisch.
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Wagenhofer, A. Vorsichtige Rechnungslegung und Informationsgehalt. Z Betriebswirtsch 82, 1367–1387 (2012). https://doi.org/10.1007/s11573-012-0637-1
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