Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe von Der Nephrologe ist die Hypertonie, mit Beiträgen zur Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie der Erkrankung. Das Gebiet der Hypertonie durchläuft zurzeit eine schwierige Phase. Nach Jahrzehnten der kontinuierlichen Entwicklung von neuen Medikamenten zur Behandlung dieser Erkrankung ist in den letzten Jahren auf diesem Gebiet eine deutliche Stagnation eingetreten. Wir verfügen heute über ein breites Arsenal von Medikamenten zur Behandlung dieser häufigen Erkrankung. Es scheint, dass auf dem therapeutischen Gebiet der sog. essenziellen Hypertonie keine großen Neuentwicklungen zu erwarten sind. Die pharmazeutische Industrie ist zurückhaltend und konzentriert sich im kardiovaskulären Bereich auf die Folgeerkrankungen des Hypertonus im kardiovaskulären System. Andererseits ist auf dem Gebiet der sog. resistenten Hypertonie, d. h. dort, wo medikamentös schwierig zu behandeln ist, eine rasante Zunahme von invasiven Verfahren zu beobachten. Und gerade auf diesem Gebiet der invasiven Verfahren, sowohl in der Behandlung der renovaskulären Hypertonie als auch in der Therapie der resistenten, essenziellen Hypertonie, ist eine heftige Diskussion entstanden. Unser Beitrag versucht hier, Klarheit zu schaffen.

Haller und Mitarbeiter versuchen nach der Veröffentlichung von Simplicity-3, den Standort von renaler Denervierung in der Therapie der Hypertonie neu festzulegen. Nach der initialen Begeisterung und den unkontrollierten überzeugenden Studiendaten ist durch die Veröffentlichung der großen randomisierten Studie eine heftige Diskussion über die Methode entbrannt. Nicht zuletzt die Diskussion über den Stellenwert randomisierter prospektiver Studien im Vergleich zu den sog. Registerdaten, welche in der täglichen Praxis erhoben worden sind, spielt hier eine Rolle. Wir versuchen, in diesem komplizierten Gebiet Orientierungshilfen zu geben.

Auch der Beitrag von Radermacher et al. beschäftigt sich mit einem viel diskutierten Thema. Die Nierenarterienstenose ist eine etablierte Diagnose, welche durch Dilatation bzw. Stenting behandelt wird. Dieses Verfahren wird in den vielen nephrologischen Zentren weltweit erfolgreich durchgeführt. Allerdings sind auch hier die publizierten randomisierten Studien eindeutig: Es ließ sich bislang kein Nachweis der Überlegenheit der invasiven Methode gegenüber der medikamentösen Behandlung führen. Die Veröffentlichung von CORAL hat hier nochmals deutlich gezeigt, wo die Limitationen der Methode liegen. Radermacher et. al. versuchen, auch hier Orientierungshilfen zu geben und ein rationales Vorgehen bei Patienten mit Nierenarterienstenose zu skizzieren.

Bislang ist eine Überlegenheit der invasiven Methode gegenüber der medikamentösen Behandlung der Nierenarterienstenose nicht belegt

Vor dem Hintergrund der großen Therapiestudien in den letzten Jahren sind die Leitlinien in der Hypertonie sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene neu ausgegeben worden. Zidek und Mitarbeiter kommentieren diese Leitlinien kritisch. Da eine Überarbeitung der Leitlinien in den nächsten Jahren nicht zu erwarten ist, ist die jetzt vorliegende kritische Stellungnahme einer sehr erfahrenen Arbeitsgruppe auf dem Gebiet der Leitlinien in der Hypertonie von großer Bedeutung. Unser Kommentar versucht, auch hier Hinweise auf kritische Punkte in den Leitlinien und den pragmatischen Umgang damit zu geben.

Die Pathogenese der essenziellen Hypertonie ist immer noch ungeklärt. Unsere bekannten Vorstellungen über Salz- und Volumenregulation, die Exkretion von Natrium durch die Niere sowie die Wirkung von Kochsalz auf die Gefäße sind wichtige Komponenten in der Entstehung der essenziellen Hypertonie. Titze und Mitarbeiter haben diese Vorstellungen in den letzten Jahren erschüttert. Basierend auf den experimentellen Befunden, dass Kochsalzaufnahme nicht grundsätzlich mit einer Retention von Wasser verknüpft ist und es eine gewichtsunabhängige Einlagerung von Kochsalz gibt, haben sie ein neues pathophysiologisches Konzept der Kochsalzregulation entwickelt. Dies bedeutet auf der einen Seite, dass sich unsere Vorstellungen über die Regulation von Natrium und Chlorid im Körper ändern müssen. Zum anderen betrachtet die Arbeitsgruppe die Wirkung von Kochsalz auf die Entwicklung von Lymphgefäßen und damit von entzündlichen Erkrankungen in neuem Licht. Darüber hinaus hat sie Belege dafür, dass im menschlichen Körper sehr unterschiedliche Systeme an der Kochsalzregulation beteiligt sind. Ihre Arbeiten über diese „Rhythmen“ im menschlichen Körper sind aufsehenerregend und werden unsere Vorstellungen in den nächsten Jahren nochmals verändern.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Themen ein interessantes Heft zusammengestellt haben, welches mit Interesse gelesen und für den praktischen Alltag von Bedeutung sein wird.

Mit freundlichen Grüßen

Hermann Haller

Joachim Hoyer