Prävention und Gesundheitsförderung: Reich an Praxis und Forschung

Während Prävention traditionell eher personenorientierte Ansätze verfolgt, gilt in der Gesundheitsförderung der Settingansatz gemeinhin als Königsdisziplin – bietet er doch die Möglichkeit, die Zielgruppen im Setting sowohl mit verhaltensbezogenen Ansätzen als auch im Wege der Gestaltung gesundheitsrelevanter Strukturen und Prozesse des Settings effektiv zu erreichen. Entsprechend ist der Settingansatz auch ein zentrales Thema der Gesundheitswissenschaften. Sechs der zwölf Beiträge des dritten Hefts von Prävention und Gesundheitsförderung im Jahr 2015 widmen sich Fragen der Wirkweise von Settings auf die Gesundheit, sowie deren Beeinflussbarkeit durch gezielte Interventionen. Settings der Arbeitswelt werden dabei ebenso thematisiert wie Settings der Krankenbehandlung und Gesundheitsfürsorge und des Bildungssystems, wobei es auch Überschneidungen zwischen diesen Bereichen gibt, etwa wenn die Arbeitssituation in Settings der Krankenbehandlung thematisiert wird. Ein Beitrag stellt einen Individualansatz vor, ein weiterer Beitrag befasst sich mit Rahmenbedingungen für die Gesundheitsförderung. Abschließend zeigen vier Beiträge die geringe Trennschärfe zwischen settingbezogenen Forschungsansätzen und Studien zu deren Rahmenbedingungen in unterschiedlichen Funktionssystemen und auf gesellschaftlicher Ebene.

Settingbezogene Gesundheitsförderung und Prävention

Drei Beiträge des Heftes widmen sich Fragen der Gesundheitsförderung und Prävention in Settings der Arbeitswelt. Biallas et al. beschreiben eine tätigkeits- und altersbezogene Analyse der Arbeitsfähigkeit und körperlichen Aktivität bei Arbeitnehmern des gewerblichen und kaufmännischen Bereichs in einem mittelständischen Unternehmen der Chemiebranche. Ihre Daten zeigen eine signifikant höhere Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter des kaufmännischen als des gewerblichen Bereichs. Die Artikel von Cichocki et al. und Maier befassen sich mit der Gesundheit von pflegendem und nicht-pflegendem Personal in der stationären Altenbetreuung. Während Cichocki et al. die mittelfristige Arbeitsfähigkeit der Pflegenden problematisch einschätzen und v. a. Stress/Zeitdruck, ungünstige Teamkultur sowie Migrationshintergrund als beeinträchtigende Faktoren identifizieren, kommt Maier zu dem Schluss, dass nicht-pflegendes Personal ähnlichen Belastungen ausgesetzt ist wie pflegendes Personal.

Ebenfalls im Krankenbehandlungs- und Gesundheitsfürsorgesystem angesiedelt, dort aber die Nutzerperspektive beleuchtend, sind die Beiträge von Christensen u. Christensen sowie von Dietscher u. Wieczorek. Der erste Beitrag geht der Frage nach, ob es bei Kuren des Müttergenesungswerks zu einer Diskriminierung von Müttern mit geringerem Schulabschluss kommt. Auf Basis von Sonderauswertungen des Mikrozensus schließen die Autoren dies aus. Der zweite Beitrag stellt die Evaluation der Ausrollung des Baby-friendly Hospital-Konzepts von WHO und UNICEF in Österreich dar und schlussfolgert, dass sich strategische Konzepte, die sich in Netzwerken der Gesundheitsförderung bewährt haben, in adaptierter Form auch für die Ausrollung von Programmen eignen.

Ein weiterer Beitrag befasst sich mit dem Setting Schule. Karing et al. untersuchen die Präventionsarbeit an Grundschulen in Thüringen und zeigen auf, dass zwar die meisten Schulen in diesem Bereich bereits Aktivitäten setzen, dass jedoch weiterhin Handlungsbedarf hinsichtlich des Transfers von wissenschaftlich fundierten Maßnahmen mit nachhaltiger Wirksamkeit in die schulische Praxis besteht.

Individuelle Gesundheitsförderung und Prävention

Einen Ansatz zur individuellen Gesundheitsförderung und Prävention beschreibt Gail in seinem Beitrag zu Verfahren der Kraftdiagnostik im Gesundheits- und Fitnesssport, mit dem er Diagnostikern eine Hilfestellung für die optimale Verfahrensauswahl liefern möchte.

Rahmenbedingungen für Gesundheitsförderung und Prävention

Relevante Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung von Gesundheitsförderung und Prävention sind nicht zuletzt Rahmenpapiere und gesetzliche Regelungen, Ausbildungsangebote für in diesem Bereich Tätige und die öffentliche Meinung. Hartmann et al. untersuchen die Hochschullandschaft in Deutschland und identifizieren insgesamt 43 Hochschullehrgänge in den Bereichen Gesundheitswissenschaften, Public Health bzw. Gesundheitsförderung. Aufgrund der hohen Heterogenität der Angebote fordern sie einen gemeinsamen Fachqualifikationsrahmen als Voraussetzung für eine bessere Abstimmung der Studieninhalte aufeinander.

Schnittpunkt zwischen settingbezogener Gesundheitsförderung und ihren Rahmenbedingungen

Vier Beiträge in der Rubrik Prävention/Gesundheitsförderung zeigen Überschneidungen zwischen settingbezogener Gesundheitsförderung und Studien zu ihren allgemeinen Rahmenbedingungen. Dadaczynski et al. zeigen am Beispiel des QGPS-Verfahrens (Qualitätsentwicklung gesundheitsbezogener Programme in Schulen) auf, wie die Qualität eines Programms zur psychischen Gesundheitsförderung in der Primarstufe untersucht, systematisch weiterentwickelt und verbessert werden kann. Lischer untersucht am Beispiel eines mobil gestützten Lernspiels, inwiefern Neue Medien für die Vermittlung von präventionsrelevanten Inhalten für Oberstufenschüler nutzbar gemacht werden können.

Der gesellschaftlichen Meinung zur Prävention widmen sich Salzmann u. Diederich in ihrer Untersuchung der Einstellung der Bevölkerung zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung als Grundlage für die Kostenübernahme herangezogenen Priorisierungskriterien Kosten, Nutzen, Nebenwirkungen und Häufigkeit einer Erkrankung.

Mehr an relevanten Rahmenbedingungen anschließend, untersuchen Rojatz u. Forster Leitdokumente und andere Materialien von Gesundheitsförderungsagenturen und Selbsthilfeorganisationen im deutschsprachigen Raum mit Hinblick auf wechselseitige Bezugnahmen. Sie schlussfolgern, dass für eine stärkere Verschränkung der Bereiche je eigene Handlungslogiken beider Seiten zu berücksichtigen sowie Vermittlungsstrukturen und Ressourcen bereitzustellen sind.

Insgesamt zeigen die Beiträge der aktuellen Ausgabe einmal mehr die Vielfalt von Prävention und Gesundheitsförderung in Praxis und Forschung. Wir wünschen den Leserinnen und Lesern neue Einblicke in aktuelle Themen und Ergebnisse und viel Inspiration für die Weiterentwicklung eigener Anwendungs- und Forschungsbereiche.

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Christina C. Wieczorek