In Studien mit Antidepressiva ergibt sich für Patienten mit leichten bis mäßigen Depressionen häufig nur ein geringer klinischer Nutzen im Vergleich zu Placebo. Daher wird bei solchen Patienten in Leitlinien primär oftmals nur eine Psychotherapie empfohlen.

Psychiater um Prof. Dr. Ulrich Hegerl aus Leipzig sehen darin jedoch eine Ungleichbehandlung, denn Placebo- und Noceboeffekte verzerrten das Ergebnis in unterschiedlicher Weise.

Verblindung reduziert Differenz

So wird die Wirksamkeit von Antidepressiva in der Regel verblindet gegen Placebo geprüft. Die Patienten wissen also nicht, ob sie eine wirksame Arznei bekommen. Das wird die Hoffnung auf eine Linderung in beiden Gruppen dämpfen, in der Placebogruppe dürfte sie dennoch höher sein als ohne Behandlung, in der Verumgruppe hingegen geringer als bei einer aktiven Therapie. Das, so die Schlussfolgerung der Leipziger Wissenschaftler, könnte die Differenzen zwischen Verum und Placebo reduzieren.

Bei der Psychotherapie ist eine Verblindung nicht möglich, als Kontrollgruppen dienen daher Wartegruppen oder Patienten mit Selbsthilfeansätzen. Die Patienten in der Verumgruppe wissen also, dass sie tatsächlich eine Therapie bekommen. Bei Ihnen kann man deswegen mit einem Placeboeffekt rechnen. Auf der anderen Seite wissen auch die Patienten in der Kontrollgruppe, dass sie nicht behandelt werden, und sind vielleicht enttäuscht — hier wäre dann ein Noceboeffekt zu erwarten.

Die Wirksamkeit der Psychotherapie werde dadurch überschätzt und die Wirksamkeit der Antidepressiva in placebokontrollierten Studien unterschätzt, mutmaßen die Forscher um Hegerl. Dies konnten sie in einer eigenen Analyse bestätigen: In Studien mit einem direkten Vergleich von Psychotherapie gegen Antidepressiva schnitten letztere besser ab. Hatten die Studien zusätzlich Placebo und/oder Wartegruppen, lag der Vorteil hingegen bei der Psychotherapie.