Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

während die Entwicklung neuer Antibiotika stagniert, schreitet die Impfstoffforschung dynamisch voran. Die Beiträge in diesem Heft zeichnen sich daher durch eine hohe Aktualität aus. In den letzten 2 Jahren wurden nicht nur neue Vakzinen zugelassen, sondern auch Indikationen erweitert und neue Empfehlungen formuliert.

Moderne Impfstrategien fokussieren nicht mehr ausschließlich auf die Prävention von Kinderkrankheiten. Die Impfung von Älteren rückt zunehmend in den Fokus der Forschung. Bei der Impfung von Erwachsenen ist insbesondere der Pneumologe gefragt, denn die meisten der bislang für Erwachsene empfohlenen Impfungen richten sich gegen Erreger von ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen. Dabei wird zunehmend klar, dass das gealterte Immunsystem (Immunseneszenz) nicht nur mit einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber Infektionskrankheiten wie z. B. der ambulant erworbenen Pneumonie einhergeht, sondern auch eine im Vergleich zu Kindern verminderte Impfantwort generiert.

Die Immunseneszenz mindert die Impfantwort

Der Beitrag von A. Kwetkat, P. Wutzler und S. Hagel befasst sich mit dem Konzept des lebenslangen Impfens und geht dabei auf die empfohlenen Standardimpfungen bei Älteren ein. Dieser Beitrag beinhaltet auch einen Abschnitt zu der seit kurzem in Deutschland verfügbaren Zostervakzine, die für Erwachsene ab 50 Jahren zugelassen, aber noch nicht von der STIKO empfohlen ist. Das Varizella-Zoster-Virus ist zwar kein typischer Erreger respiratorischer Infektionen, jedoch ist dieser Impfstoff aufgrund der Häufigkeit der Erkrankung für die Impfung von Älteren von wesentlicher Bedeutung und wurde daher in den Beitrag aufgenommen.

Wie bei Älteren besteht auch bei immunsupprimierten Patienten das Problem einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber Infektionen bei gleichzeitig verminderter Impfantwort. Der Begriff „Immunsuppression“ beinhaltet eine Vielzahl unterschiedlicher Entitäten. Daher besteht hier häufig Unsicherheit, ob und mit welchen Impfstoffen geimpft werden kann. M. Löbermann, H. Geerdes-Fenge, C. Fritzsche und E. Reisinger erläutern in ihrem Beitrag die Impfkonzepte bei Immunsuppression und stellen auch die kürzlich publizierte Empfehlung der STIKO zur Impfung bei Asplenie vor. Diese Empfehlung sind bemerkenswert, da die STIKO hier erstmals die sequentielle Pneumokokkenimpfung mit Konjugat- gefolgt von Polysaccharidvakzine sowie die Impfung mit der neuen Vakzine gegen Menigokokken Typ B befürwortet.

Die neueste Entwicklung gegen Influenza ist ein tetravalenter Impfstoff

Gegen den bedeutendsten viralen Erreger respiratorischer Infektionen, das Influenzavirus, wurden in den letzten Jahren mehrere innovative Impfstoffe entwickelt. Das Spektrum reicht von hühnereiweißfreien Impfstoffen für Allergiker über adjuvantierte oder intradermal injizierte Impfstoffe, die bei Älteren eine bessere Impfantwort induzieren sollen, bis hin zur injektionsfreien, intranasal applizierten Lebendvakzine für Kinder. Die neueste Entwicklung ist ein tetravalenter Impfstoff mit einer breiteren Wirksamkeit, der in den nächsten Jahren wahrscheinlich die trivalenten Vakzine ablösen wird. Im Beitrag von T. Schaberg und M.W. Pletz werden diese verschiedenen Impfstoffkonzepte im Kontext aktueller Evidenz diskutiert.

Die Renaissance von Pertussis als Infektion des Erwachsenen ist ein zunehmendes Problem. Die Ursache dieser in vielen Industrienationen beobachteten Entwicklung ist nicht zweifelsfrei belegt, eine plausible Hypothese ist jedoch die Substitution der Ganzzellvakzine durch die besser verträgliche (und wahrscheinlich weniger immunogene) azelluläre Vakzine in den 1990iger Jahren. Jedoch schützt auch eine durchlaufene echte Infektion nicht vor einer Reinfektion. Insofern kommt dem Beitrag von M. Riffelmann und C.H. Wirsing von König eine besondere Bedeutung zu, da nicht nur auf die Impfung sondern auch auf die Diagnostik und Postexpositionsprophylaxe dieser zunehmend häufiger auftretenden Infektion eingegangen wird.

Aus epidemiologischer Sicht kann die Entwicklung der Pneumokokkenkonjugatvakzine als Durchbruch bezeichnet werden. Mit der Konjugatvakzine steht erstmals eine Impfung gegen den wichtigsten bakteriellen Erreger von Atemwegsinfektionen zur Verfügung, die so wirksam ist, dass sie in verschiedenen Regionen der Welt zu einer Eradikation der enthaltenen Pneumokokkenserotypen geführt hat. Seit 2011 ist diese primär für Kleinkinder zugelassene Vakzine auch für den Einsatz bei Erwachsenen lizensiert. Damit stehen für die Impfung beim Erwachsenen nun zwei Impfstoffe zu Verfügung: die wenig immunogene Polysaccharidvakzine mit einem breiten Serotypenspektrum und die besser wirksame Konjugatvakzine mit einem schmaleren Serotypenspektrum. Im Beitrag von C. Forstner und M.W. Pletz wird die aktuelle Datenlage zu diesen beiden Impfstoffen diskutiert.

Wir konnten für dieses Heft ausgewiesene Experten gewinnen, die aufgrund ihrer Erfahrung auch in verschiedenen, mit Impfungen befassten Gremien in Fachgesellschaften und Institutionen mitarbeiten. Ihnen sei an dieser Stelle noch einmal herzlich für die fundierten Beiträge gedankt.

Ihnen, verehrte Leser, wünschen wir eine spannende Lektüre, die – so hoffen wir zumindest – zu einer besseren Patientenversorgung beitragen kann.

Mit herzlichen Grüßen im Namen aller Autoren,

Ihr

Prof. Dr. M.W. Pletz