FormalPara Buchbesprechung

Ewig S (2015) Arztberuf in der Krise: Vom Suchen und Finden der „guten Medizin“. 248 S. ISBN: 978-3-13-204841-6. Thieme, Stuttgart

Professor Dr. Santiago Ewig, Chefarzt und Autor zahlreicher Aufsätze zum Thema Medizinethik, setzt sich in diesem Buch mit dem enormen Spannungsfeld des Arztberufes zwischen Effizienz, Wissenschaftlichkeit und dem Ideal des Helfenwollens auseinander. Als klinisch tätiger Arzt und Hochschullehrer kann er dabei auf eigene Erfahrungen und Beobachtungen zurückgreifen. Im Zentrum seiner Betrachtungen steht das Nachdenken darüber, was das Arztsein ursprünglich ausmacht, denn: „Der Kern der Medizin ist die Begegnung mit dem Kranken, ihn anzusehen und anzuhören“ (S. 174). Er warnt davor, Entscheidungen und Prozesse in der Heilkunde ausschließlich ökonomisch sinnvollen Strategien zu unterwerfen und dabei die therapeutische Beziehung zwischen Arzt und Patient aus dem Blick zu verlieren. Eine Beziehung, die gerade dann nicht abbricht, wenn der Patient nicht heilbar oder sogar sterbenskrank ist: „Gerade dann, wenn der Arzt nach technisch-medizinischem Ermessen ‚nichts mehr machen kann‘, muss er für den Patienten als Person da sein, ihm auch bei der Annahme des Todes helfen“ (S. 178). Ohne diese Beziehungsaufnahme bestehe die Gefahr, dass der Arzt seine eigentliche Aufgabe aus den Augen verliert und letztendlich sich selbst abschafft.

Ewig zeichnet anhand der Geschichte auf, dass sich im Zuge der Entwicklung der Naturwissenschaften ein Modell des Menschen durchsetzte, das dem Funktionieren oder eben Nichtfunktionieren einer Maschine gleicht. Er macht deutlich, dass dieses Denken größtenteils auch die moderne Medizin in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht bestimmt und fordert auf, dieses einseitige Modell zugunsten einer umfassenderen Sicht von Krankheit aufzugeben, um dem Menschsein überhaupt gerecht werden zu können. Für ihn ist „selbstverständlich, dass nicht Organe erkranken, sondern Menschen“. Er legt Wert auf eine „ganzheitliche Sicht des Kranken, die körperlichen und seelischen Aspekten der Erkrankung gleichermaßen Rechnung trägt“ (http://www.pneumologie-ewig.de/augusta/).

Im Vorwort des Buches steht der Satz „Wir bedürfen eines Denkens in Demut“ (S. 18). So gibt er mit diesem Buch angehenden und bereits voll im Berufsleben stehenden Ärzten eine nachdenklich machende, aber auch Leidenschaft weckende Anregung tiefer über ihren Beruf und ihre Berufung nachzudenken. Die Lektüre ist jedem zu empfehlen, der unglücklich darüber ist, zunehmend äußeren Zwängen unterworfen zu sein und dabei die Freiheit und Schönheit des Arztberufes mehr und mehr aus den Augen zu verlieren.

Ein mitreißendes Plädoyer für eine menschlichere und verantwortungsvollere Medizin!