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Ist der Föderalismus in der Statistik noch zeitgemäß?

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Literatur

  1. Die Empfehlungen der „koordinierten Prüfung der Rechnungshöfe” (und damit auch der Masterplan) gehen im wesentlichen nur auf Rationalisierungsmöglichkeiten im Rahmen der bestehenden Aufgaben- und Arbeitsteilung der Statistikämter von Bund und Ländern ein und sie nehmen nicht Stellung zu einer möglichen grundsätzlichen Infragestellung föderaler Strukturen im öffentlichen Statistikwesen in Deutschland. Im Gegensatz dazu soll in dem vorliegenden Text versucht werden, Anregungen für eine allgemeine Würdigung von Vor- und Nachteilen dieser Strukturen zu geben, vor dem Hintergrund von Kosten und Nutzen (im weitesten Sinne), wobei natürlich klar ist, dass die damit verbundenen Fragen letzten Endes politisch zu entscheiden sind.

  2. „Selbstverwaltung” durch bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gem Art. 88, Abs. 2 GG. Diese Organisationsform gilt z.B. bei der Bundesbank.

  3. Es ist uns bewusst, dass das Amt seit einiger Zeit den Namen „Destatis” benutzt. Gleichwohl soll im Folgenden der Klarheit zuliebe die bisherige Abkürzung „StBA” bevorzugt werden.

  4. Nach Art. 87 GG kann der Bund „selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz” (Abs. 3) errichten, wenn es sich—wie das bei der Statistik der Fall ist—um Angelegenheiten handelt, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht. Das Statistische Bundesamt verdankt seine Existenz diesem Art. 87, Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 73 Nr. 11 GG. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass „Statistik Österreich” ab 2000 eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist und nicht mehr als „Österreichisches Statistisches Zentralamt” firmiert. Vgl. E. Kutzenberger u. J. Richter, Bundesstatistikgesetz 2000, Vorgaben, Motive, Ziele, Österreichische Zeitschrift für Statistik (Austrian Journal of Statistics) Vol. 28 (1999), Nr. 3, 131–150.

  5. Danach sollte das Verhältnis EZB-Bundesbank-Landeszentralbanken ein Muster für das Verältnis Eurostat-StBA-StLÄ sein.

  6. Zum Entflechtungsmodell möge deshalb eine kurze Bemerkung genügen: Es würde praktisch auf eine Abschaffung der StLÄ (oder zumindest sehr viel kleiner werdende StLÄ) hinauslaufen, weil es in Deutschland kaum reine Landesstatistik gibt.

  7. oder wie es auch heißt, es gelte „die föderale Struktur im Hinblick auf Wettbewerb zu modellieren”.

  8. gemeint ist wohl auch mehr Kostenbewusstsein und dadurch weniger Nachfrage nach Statistik.

  9. Danach ist das federführende (auftraggebende) Ressort mit den Kosten der Statistiken zu belasten, so dass die Fach- und Finanzverantwortung für die Statistiken bei den jeweiligen Fachressorts zusammenzuführen sind.

  10. Das Grundprinzip des Föderalismus in der Statistik wird nicht in Frage gestellt. Es ist aber auch nicht unantastbar, insbesondere wird die Zusammenlegung von StÄ von den Rechnungshöfen begrüßt.

  11. Die Rechnungshöfe zitieren erhebliche Kostenunterschiede beim Mikrozensus. Danach schwanken die Kosten dieser Erhebung zwischen 2,64 € (Nordrhein Westfalen) und 8,56 € (Bremen) je Einwohner.

  12. Die Rechnungshöfe loben derartige Vorhaben als „ein wesentlicher Paradigmenwechsel”. Diskutiert wird allerdings auch die—wegen der gebotenen fachlichen Unabhängigkeit und Neutralität von Statistikämtern wesentlich umstrittenere—Zusammenlegung eines StLA mit einem anderen Landesamt (etwa einem Landesamt für Verfassungsschutz), nicht nur die Zusammenlegung von StLÄ verschiedener Bundesländer.

  13. Die Abkürzung „core” steht für common online rawdata entry. Mehr zu den technischen Entwicklungen vgl. B. Volkert u. D. Böhm, Wirtschaftsdaten für die amtliche Statistik, Entwicklungsstand und Perspektiven automatisierter Generierung. Studie des Instituts für südwestdeutsche Wirtschaftsforschung der Steinbeis Stiftung, Stuttgart 2004.

  14. Sie halten insbesondere an der Ressortetatisierung fest. Diese „Ansätze... müssen konsequent weitergeführt werden”. Sie seien notwendig, um „Vorraussetzungen für eine nachhaltige Statistikbereinigung zu schaffen”.

  15. Nach Vorstellungen der Rechnungshöfe soll sich die Wissenschaft verstärkt an den Kosten dieser Serviceeinrichtung beteiligen.

  16. Dass andererseits ein Mangel an qualifiziertem Personal besteht (z.B. auch auf zentraler Ebene), wäre auch ein nicht unerhebliches Hindernis einer Zentralisierung nach Art des Bundesbankmodells.

  17. Die Zentralisierung von Rechenarbeiten in RZn ist durch die Möglichkeit Lizenzgebühren einzusparen eine sehr erhebliche Rationalisierungsreserve der amtlichen Statistik in Deutschland. Die Rechnungshöfe kritisieren auch, dass es bei der Ausweitung der Verbundarbeiten auf weitere Aufgaben bei der Produktion der Statistik im Kooperationsmodell offenbar auch darum geht, den Fortbestand von Landesrechenzentren zu sichern.

  18. Diesem Trend, der auch oft als „Reduktion der Fertigungstiefe” beschrieben wird, scheinen die StLÄ weniger aufgeschlossen gegenüber zu sein als das StBA. Das hier oft zu hörende Argument der Gefährdung der Qualität statistischer Arbeiten beim Outsourcing dürfte kein unüberwindliches Problem sein.

  19. Im Masterplan heißt es zwar „Zusammenlegung bleibt Option”, man gewinnt jedoch den Eindruck, dass man sich mehr Chancen für das Überleben von StLÄ (insbesondere auch kleinerer Ämter) von einer geeigneten Arbeitsteilung verspricht.

  20. Man hat vier besonders kostenträchtige Erhebungen bestimmt, wie z.B. der Mikrozensus, die Wanderungs-, Gewerbeanzeigen- und Tourismusstatistik, an denen bei-spielhaft das benchmarking getestet werden soll. Das ist zu unterscheiden von sechs IT Pilotprojekten zum Testen der Arbeitsteilung zwischen den StLÄ wie z. B. das bereits erwähnte SteP Projekt.

  21. Es ist danach noch nicht klar, «auf welchen Daten angesichts einer lückenhaften und uneinheitlichen KLR ein Kostenverrechnungsmodell» aufgebaut werden soll «und welcher Verrechnungsschlüssel angewandt werden kann».

  22. Das hängt von der Kostenstruktur der Statistikproduktion ab. Wenn es—wie z. T. seitens der StLÄ geltend gemacht wird— nicht die fixen Kosten, sondern die Fallzahlen sind, die v. a. zu Buche schlagen, dann ist von der Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht so viel zu erwarten.

  23. Diese Frage hat bereits den früheren Präsidenten des StBA G. Fürst 1969 in seinem Gutachten «Kann und soll die Statistik für Bundeszwecke auch Bedürfnisse der Länder, Kreise und Gemeinden und der nichtamtlichen Konsumenten erfüllen?» (Gutachten für den Bundesbeauftragten für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, Wiesbaden 1969) beschäftigt, was zeigt, wie alt die hier aufgeworfenen Probleme bereits sind.

  24. Fürst forderte einen solchen Vorrang. Nach seinen Vorstellungen sollte der Bund auch mehr Einfluss auf eine rationellere Durchführung der Statistik haben, dafür sich aber auch mehr an den Kosten beteiligen. Er versprach sich insgesamt hiervon eine Verringerung der Kosten.

  25. so ist es geplant bzw. z. T. schon Realität.

  26. Der Stellungnahme der Rechnungshöfe zufolge ist diese Art der Arbeitsteilung wohl ursprünglich aus der Softwareentwicklung entstanden. Hat ein Land sich um eine—für alle StLÄ verwendbare—Software gekümmert, dann lag es nahe, im nächsten Zug auch die Durchführung weiterer Arbeiten an der betreffenden Statistik im Sinne des Konzepts «Einer für alle» den anderen Ämtern anzubieten.

  27. Zu Grundprinzipien des Föderalismus gehört wohl der Gedanke der regionalen Gewaltenteilung, der räumlichen Nähe der Verwaltung zum Objekt (es ist fraglich, ob Statistik eine Materie ist, die bei der heutigen Technik eine solche Nähe erfordert) und der durch Wanderungen sanktionierte Leistungswettebewerb zwischen den Ländern. Bei der Tendenz nach Themen statt nach Regionen Arbeitsteilung zu organisieren, fragt es sich, was übrig bleibt von der Begründung für eine föderale Struktur der Statistik: warum braucht man ein Bayerisches Landesamt, wenn es nicht nur für die Fische in Bayern, sondern auch für die in Niedersachsen zuständig ist und andererseits die Baustatistik für Bayern nicht in Bayern, sondern in Baden Württemberg bearbeitet wird?

  28. Das gilt auch dann, wenn aus den Grundprinzipien des Föderalismus nicht gefolgert wird, dass auch ein kleines StLA über die gleichen finanziellen und personellen Möglichkeiten verfügen sollte wie ein großes.

  29. Man beachte, dass andererseits eine zentralistische Lösung nach Art des Bundesbank-modells auch gerade mit dem Argument der größeren Effizienz durch weniger Doppelarbeit und Koordinierungsaufwand verfochten wird.

  30. Wir wissen wenig über solche Zusammenhänge. Man kann sich vorstellen, dass das gegenwärtige System zwar bezüglich der Kosten, Flexibilität und Schnelligkeit Mängel haben mag, dass dem aber Vorteile, unter dem Aspekt der Sicherstellung der «relevance» und Akzeptanz der Statistik durch Nutzerbefragungen und größere Kundennähe, gegenüberstehen. Bekannt ist aber auch, dass i. d. R. ein Konflikt zwischen timeliness und accuracy (regionale Tiefengliederung der Daten) bestehen dürfte. Der Konflikt kann auch dadurch gelöst werden, dass die StLÄ zwar nicht auf Regionaldaten verzichten müssten, diese aber etwas später bekommen («der Bund zuerst» nach dem Muster von «Europe first» in der europäischen Statistik).

  31. Die StLÄ erwähnen in diesem Zusammenhang auch gern die spezielle Kompetenz bei der Durchführung von Großzählungen wie z. B. der Volkszählung oder der Prüfung der Eignung von Verwaltungsunterlagen (z. B. Register der Einwohnermeldeämter) für Zwecke der Statistik. Dem wird u. a. entgegengehalten, dass es derartige Großzählungen künftig in Deutschland praktisch nicht mehr geben wird, und dass der technische Fortschritt dieses Argument irrelevant gemacht hat, was sich auch daran gezeigt hat, dass der Aufbau der Zweigstelle Bonn mit Übernahme eines nicht in Sachen Statistik erfahrenden Personals des BMI reibungslos erfolgt ist. Außerdem werden schon seit langem viele, auch gerade große und komplizierte Erhebungen zentral durchgeführt.

  32. Sven Kaumanns, Konjunkturerhebungen in bestimmten Dienstleistungsbereichen, WiSta 2/2005, S. 118. Danach haben in diesem Zusammenhang die Länder gefordert, die gem. Konjunktur VO zu erhebenden Daten sollten auch brauchbar sein für eine Darstellung der Konjunktur der Länder. Dabei wird geklagt, dass die Überarbeitung der Konjunktur VO ohnehin zu einer nicht unerheblichen Ausweitung der Erhebungen führt (z. B. Einführung eines Preisindexes für Dienstleistungen). Angesichts dessen überrascht es schon, wenn man in einem Bericht des Bund—Länder—Ausschusses «Statistik» an die Wirtschaftsministerkonferenz der Länder vom März 2004 einen Beschluss findet, wonach zu überprüfen ist, inwieweit eine Verkleinerung von Stichproben bei Konjunkturstatistiken möglich ist.

  33. «Von der Input-zur Outputsteuerung, Projektbericht des StBA, S. 18.»

  34. «Die Koordinierung durch den Bund ist wirksamer als die freiwillige Koordinierung der Länder untereinander», G. Fürst, a. a. O.

  35. Auch nach Vorstellung der Rechnungshöfe wäre «der größte Effekt zu erzielen», wenn das StBA «die Software zur Verfügung stellen, die Statistikproduktion übernehmen und die Daten zentral halten würde”.

  36. Gleiches sollte auch für das Unternehmensregister gelten.

  37. Gemeint ist die jährliche zentrale Geschätftsstatistik des StBA und die dreijährliche dezentrale (von den StLÄ erhobene) Einkommensteuerstatistik. «Durch das Jahressteu-ergesetz 1996 wurde das Gesetz... so geändert, dass seither die Einzeldaten der... wie auch der übrigen Steuerstatistiken im Statistischen Bundesamt zusammengeführt und flexibel für weitere Aufbereitungen genutzt werden können». Zuvor lieferten die StLÄ nur aggregierte Daten, «zusätzliche (Analysen konnten)... nur unter erhebliche Zeit- und Personalaufwand erstellt werden». V. Kordsmeyer, Die Einkommensteuerstatistik als Mikro-datenfile, in J. Merz, M. Zwick, Mikroanalysen und amtliche Statistik, Band 1 der Reihe Statistik und Wissenschaft, Wiesbaden 2004, S. 157 (159f).

  38. In Ermangelung anderer zitierfähiger Aussagen soll hier nur auf die Position der Rechnungshöfe verwiesen werden, die Doppelarbeiten v. a. im Falle der FDZn und des Unternehmensregisters monieren.

  39. Für Hölder ist das von ihm favorisierte Bundesbankmodell hauptsächlich mit diesem Argument zu begründen.

  40. Für Hans Herbert von Arnim dient es v. a. dem Versorgungsinteresse der politischen Klasse und es ist ein durch zahlreiche, den Wettbewerb zwischen den Ländern konterkarierende Prozesse (kontraselektiver Finanzausgleich, immer mehr Absprachen auf Bundesebene, unklare Verantwortlichkeiten) denaturierter Föderalismus.

  41. Gemeint sind damit fachliche Zentralisation, regionale Dezentralisation und Legalisierung, vgl. P. v. d. Lippe, Wirtschaftsstatistik, Stuttgart 1996.

  42. Es hat eine zweitägige Tagung (Berlin 24./25. 2. 2003) und einen Beitrag zur Schriftenreihe «Forum der Bundesstatistik» (Band 40, Wiesbaden 2003) unter diesem Titel gegeben.

  43. So auch der Verfasser in seinem Beitrag zu der genannten Tagung (vgl. S. 10 ff. des Tagungsbandes).

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Persönliche Vorbemerkung: Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Fassung eines Vortrags am 10.11.2005 vor dem Statistischen Ausschuss des BDI in Düsseldorf. Ihm liegen neben zahlreichen internen Papieren der amtlichen Statistik viele z.T. sehr lange Gespräche mit führenden Vertretern der amtlichen Statistik, und zwar sowohl des Statistischen Bundesamtes (StBA) als auch der Landesämter (StLÄ) zugrunde. Allen Gesprächspartnern sei herzlich gedankt. Aus den vielen oft sehr gegensätzlichen Standpunkten und Überlegungen habe ich viel gelernt. Es mag gewagt erscheinen, wenn man sich als Außenstehender einer so brisanten Thematik widmet. Andererseits hat man in einer solchen Position aber auch mehr Freiheiten als „Betroffene”.

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von der Lippe, P. Ist der Föderalismus in der Statistik noch zeitgemäß?. Allgemeines Statistisches Arch 90, 341–355 (2006). https://doi.org/10.1007/s10182-006-0237-x

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