Die Amputation einer verletzten Gliedmaße wird seit Etablierung der Replantation und unter den weitreichenden Möglichkeiten der plastischen Deckung gemeinhin als Bankrotterklärung in der Traumatologie angesehen. Demgegenüber existieren allerdings auch zahlreiche Studien, die für schwerste Verletzungen gerade an der unteren lasttragenden Extremität belegen, dass die Langzeitergebnisse nach aufwendigen Erhaltungen gegenüber der frühzeitigen Amputation im Langzeitverlauf durchaus vergleichbare Ergebnisse zeigen. Letztere betreffen sowohl den Lokalbefund mit Infekt- und Schmerzfreiheit wie auch die Lebensqualität, beispielsweise gemessen an der Wiedererlangung der vorher ausgeübten Arbeitsfähigkeit.

Systematisch betrachtet lässt sich die Amputation durchaus auch als radikales Debridement mit den Vorteilen einer sicheren Infektfreiheit und kalkulierbaren Funktionalität über eine moderne prothetische Versorgung verstehen. Demgegenüber steht die Störung des auch selbst empfundenen Körperbildes durch Verlust der Extremität. Wesentlich verändert hat sich die Sichtweise der Bevölkerung hinsichtlich des Extremitätenverlusts durch die außerordentlichen Erfolge Beinamputierter beispielsweise bei Laufsportarten, bis hin zur Gleichwertigkeit der Leistungen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Gerade die Erfolge beinamputierter Sportlerinnen und Sportler haben deutlich gemacht, welche außerordentliche Funktionalität über eine moderne Prothetik heute erreichbar ist.

Der Großteil der Gliedmaßenamputationen im hiesigen Kulturkreis erfolgt krankheitsbedingt und unter gefäßchirurgischen Indikationen. Amputationen an der unteren Extremität aus traumatischer Indikation machen nur noch einen geringen Teil aus. An der oberen Extremität sind Major-Amputationen eine Rarität geworden mit entsprechend verminderter Übungshaltung der einzelnen Kliniken und Operateure. Traumatisch Amputierte sind in der Regel jünger und haben entsprechend einen hohen funktionellen Anspruch auch unter dem medienvermittelten Wissen um hochtechnologische prothetische Versorgungen. Das Gesamtmanagement hinsichtlich chirurgischer Eingriffe und der Hilfsmittelversorgung erfolgt heute daher individuell unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren und der Ansprüche.

Lutz Brückner und Bernhard Greitemann als die ausgewiesenen Experten im deutschen Sprachraum geben einen Überblick zur chirurgischen und endoprothetischen Versorgung an der unteren Extremität auf aktuellem Stand. Sabine Drisch fasst die Grundprinzipien für die endoprothetische Versorgung an der oberen Extremität zusammen. Thomas von Stein referiert das anhaltend diskutierte Thema der endo-exo-prothetischen Versorgung an der unteren Extremität. Die Technik bietet prinzipiell bestechende Vorteile, in der Praxis zeigen sich zahlreiche Hemmnisse und Komplikationsmöglichkeiten, die eine durchdachte Indikationsstellung notwendig machen.

Die individualisierte Prothesenanpassung erfordert ein Austesten klassischerweise mit einer fachspezifischen Beurteilung durch erfahrene Rehatherapeuten. Stefan Simmel berichtet über die Methodik und die Ergebnisse mit einer zusätzlichen messtechnisch objektivierten Evaluierung. Konfektionierte Orthesen haben aufgrund ihrer Vorteile in Handling und Funktionalität weitgehend die Gipsruhigstellungen auch in der akuten Phase nach Unfall ersetzt. Peter Augat und Peter Gutsfeld geben einen Überblick über die heute gängigen Anwendungen aus klinischer und biomechanischer Sicht.

figure a

Prof. Dr. Volker Bühren