Liebe Leserinnen und Leser,

ich habe Gefäßchirurgie (in Kombination mit Viszeralchirurgie) in einer Klinik gelernt, in der die Behandlung der Aorta am Zwerchfell endete – von kaudal her. Die thorakale Aorta oder gar der Aortenbogen war etwas für die Spezialisten, damals die Herzchirurgen. Da es keine Herzchirurgie in unserer Klinik gab, haben wir die Patienten weiterverlegt. Und ich glaube, mit Ausnahme derjenigen Kolleginnen/Kollegen, die auch die Thoraxchirurgie und/oder Herzchirurgie mit beherrschten, galt das für die Mehrheit der Gefäßchirurgen. Mit dem Aufkommen der Stentgrafts und der Möglichkeit der endovaskulären Versorgung dieser Gefäße hat sich dies grundlegend geändert. Da heutzutage jeder Gefäßchirurg die Implantation einer EVAR beherrscht, ist der Schritt zur TEVAR nicht weit. – Bei der Implantation einer Rohrprothese in die Aorta descendens stellen sich meist die Zugangsgefäße als größtes Hindernis dar.

Im Gegensatz zur „einfachen“ TEVAR handelt es sich beim Aortenbogen jedoch um eine ungleich größere Herausforderung. Dies ist auch nicht mit einer fenestrierten Endoprothese für den suprarenalen Abschnitt zu vergleichen, wo alle Gefäße praktisch von innen aufgefädelt und mit der Prothese verbunden werden. Im schlimmsten Fall kann man immer noch umsteigen. Eine Komplikation während eines endovaskulären Eingriffs am Aortenbogen mit Abrutschen des Stentgrafts stellt jedoch ein kaum lösbares Problem dar, da eine Korrektur innerhalb der Ischämietoleranz des Hirns praktisch unmöglich ist. Wer einmal eine solche Situation miterlebt hat, wird den Respekt vor diesen Eingriffen sicher niemals verlieren. Auch die Komplikationsrate durch Embolien oder Verletzungen der Zugangsgefäße konfrontieren den Gefäßchirurgen in diesen Fällen mit Situationen, die ihm sonst eher unbekannt sind. Die technischen Anforderungen sind sehr hoch, und der Aortenbogen ist sicher keine Spielwiese für Anfänger. Eine enge Absprache mit den Kollegen der Herzchirurgie, deren primäre Domäne dieses Gefäß bis auf Weiteres darstellt, ist unabdingbar.

Beim Aortenbogen ist eine enge Absprache mit der Herzchirurgie unabdingbar

Neben den rein endovaskulären Rekonstruktionen, bestehen auch weitere Möglichkeiten in Form von Hybridoperationen als Alternative zu offenen Rekonstruktionen mit der Herz-Lungen-Maschine. Der Artikel von F. Heidemann gibt hierzu einen Überblick. Die Arbeit von M. Hakimi aus der renommierten Heidelberger Klinik geht mehr ins Detail und gibt wertvolle Hinweise, wie man die oben angedeuteten Komplikationen vermeiden oder zumindest reduzieren kann.

Eine weitere Herausforderung stellen die Pathologien dar, die den Aortenbogen und die Aorta descendens betreffen. Mit der Entwicklung des „frozen elephant trunk“ (FET) hat eine Technik Einzug gehalten, die in idealer Weise offene und endovaskuläre Verfahren kombiniert. Hierzu hat M. Luehr aus der Arbeitsgruppe um M. Pichlmaier, einem Pionier auf diesem Gebiet, einen sehr umfassenden Artikel verfasst. Während die Hybridoperationen für den Aortenbogen durch Veränderung der Landezonen durch „Debranching“ schon länger durchgeführt werden, stellt meines Erachtens die endovaskuläre Therapie der Aorta ascendens die ultimative Herausforderung dar. Hier gelten wiederum andere Gesetze, das Gefäß verhält sich anders, die Spitze des Einführsystems liegt im Herzen, und mit den Koronararterien nähern sich hier die Gefäße, um die sich ganze Kardiokliniken kümmern. Dazu passend, widmet sich der CME-Artikel dieser Ausgabe von M. Czerny der Aortendissektion vom Typ Stanford A.

Während es für unser „Brot-und-Butter-Gefäß“, die Aorta abdominalis, aufgrund der internationalen Screening-Studien recht valide Daten zum Vorkommen von Pathologien gibt, fehlen solche Informationen für die thorakale Aorta fast vollkommen. Daher freue ich mich umso mehr, dass S. Cheng aus Hong Kong hierzu einen Übersichtsartikel für unsere Zeitschrift verfasst hat und hierzu auch eigene Daten präsentiert.

Neben dieser umfassenden Darstellung zum Aortenbogen finden Sie in dieser Ausgabe einen Fallbericht, der sehr schön noch einmal die Artikel von Heft 3 in Erinnerung ruft und eine wichtige Arbeit zur Ultraschalldiagnostik bei Verdacht auf Rezidivthrombose.

Ich denke, nicht jeder Gefäßchirurg kann und muss den Aortenbogen behandeln – aufgrund der Komplexität sollte dies (derzeit?) spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben. Dennoch halte ich die Artikel dieser Ausgabe für sehr relevant und interessant, gerade weil diese Behandlung nicht zu den Routine-Eingriffen einer klassischen gefäßchirurgischen Klinik zählt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Freude mit dieser Ausgabe.

Herzlichst,Ihr

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Prof. Dr. A. Larena-Avellaneda