Die moderne, qualitätsgesicherte Behandlung schlecht heilender Wunden ist notwendiges Merkmal einer effizienten klinischen wie ambulanten Versorgung. Für die Problemwunden wurden hierzu auf internationaler und nationaler Ebene eine Reihe von Standards und Leitlinien entwickelt.

Die Implementierung von Leitlinien und Behandlungspfaden wie auch der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter hat sich als wirksam und wirtschaftlich erwiesen: Die spezialisierte Umsetzung in einem „Wundzentrum“ ist der nicht spezialisierten Wundversorgung diesbezüglich überlegen. Allein durch die konsequente Einführung von Behandlungsstandards und stringenten Therapiepfaden konnte die mittlere Liegezeit pro Patient verringert und die Komplikationsrate signifikant gesenkt werden. Chronische Wunden sind aufgrund ihrer zumeist langen Heilungsverläufe, häufigen Komplikationen und hohen Komorbiditäten von hoher sozioökonomischer Bedeutung. Deren Ursachen sind vielfältig und reichen von den vaskulären Erkrankungen über Diabetes mellitus (i.e. diabetische Neuropathie) bis hin zu seltener zugrundeliegenden Erkrankungen wie Infektionen, Vaskulitiden oder dem Pyoderma gangraenosum. Den bei weitem größten Anteil der chronischen Wunden macht jedoch das Ulcus cruris venosum aus. Die umfassende Versorgung chronischer Wunden erfordert ein breites Spektrum verschiedener Berufsgruppen und Fachdisziplinen. Spezialisierte Wundzentren in Schweden und Dänemark haben gezeigt, dass die interdisziplinäre Betreuung von Wundpatienten zu verkürzten Heilungszeiten führen kann. Leitlinien in der Wundversorgung können jedoch lediglich einen groben Korridor für die Behandlung geben – die Evidenz reicht hier in der Regel nicht für detaillierte Aussagen aus. Daher hat sich in Deutschland eine Gruppe von Wundspezialisten aus verschiedenen Disziplinen wiederholt zu interdisziplinären und interprofessionellen Konsensuskonferenzen getroffen, um diese Lücke zumindest mit strukturierten Expertenstatements zu füllen - der Prozess der Konsensusbildung ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

Wundzentren verringern die mittlere Liegezeit pro Patient und die Komplikationsrate

Die leitliniengerechte Wundversorgung verlangt eine fallorientierte Diagnostik und ein kausales Therapieregime. Die Implementierung von Leitlinien zur Diagnose und Therapie chronischer Wunden kann zu einer verkürzten Heilungszeit und einer deutlich gesteigerten Heilungsrate führen. Dies zieht geringere direkte und indirekte Kosten nach sich. Darüber hinaus ist die Behandlung durch ein spezialisiertes Wundzentrum mit einer größeren Kosteneffektivität verbunden. Um in diesem kostenintensiven Bereich Synergien zu schaffen, haben sich bundesweit regionale Wundnetze gebildet. Das Ziel ist, das Management von Wundpatienten durch gemeinsame Standards in Diagnostik und Therapie sowie durch Bildung von Behandlungsketten effektiver zu gestalten.

Wie aber sieht die Versorgungssituation von Patienten mit chronischen Wunden in Deutschland wirklich aus? Mit zum Teil sehr unterschiedlichen Strategien wird versucht, hierauf Antworten zu geben. Unbestrittene, populationsbezogene Analysen der Primärdaten aller Versorgungseinrichtungen, die sich mit der Behandlung von Wundpatienten beschäftigen, wären am besten hierfür geeignet. Da jedoch in Deutschland bis heute kein flächendeckendes Wundregister existiert, sind wir auf andere Quellen angewiesen. Betriebliche Screenings können Angaben liefern. Jedoch können diese nur einen kleinen Teil der Bevölkerung abbilden, und es besteht potenziell ein Bias, da sich die Teilnehmer auf freiwilliger Basis screenen lassen. Dennoch besteht hier durch die Zusammenfassung großer Populationen die Möglichkeit, Aussagen zu treffen. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist die Analyse der Patienten, die aufgrund ihrer Wunde amputiert werden mussten. Auch hierzu liefert das Statistische Bundesamt leider nur marginale Daten. Das Zurückgreifen auf Sekundärdaten der Krankenkassen kann hier wertvolle Hinweise auf die Versorgungsrealität liefern und lassen teilweise auch eine Risikoadjustierung zu. Eine wichtige Frage zur Bewertung der klinischen Versorgungsqualität stellt die Frage nach den Qualitätsindikatoren dar. Diese sind mit der Amputationsrate nur unzureichend definiert – die Time-to-heal-Rate ist ein weiterer wichtiger Indikator. Dieser spiegelt sich auch in den sog. „Patient-Centered Outcomes“ (PCO) wieder, also Kriterien, die patientenseitig zu definieren sind. Die Messung der Lebensqualität und ihrer unterschiedlichen Dimensionen wird hier künftig eine deutlich größere Rolle spielen als bisher.

In diesem Heft wird die Versorgung von Wundpatienten aus unterschiedlichen Blickrichtungen dargestellt. Jedoch wird dem Leser klar: Die Daten sind lückenhaft. Flächendeckende Angaben sind bis heute praktisch nicht möglich. Ein populationsbasiertes Wundregister wäre sicher hilfreich, die Zusammenarbeit mit den Kostenträgern und Partnern aus der Industrie könnte einen wichtigen Bogen zur weiteren Qualitätsverbesserung der Behandlung dieser Patienten spannen. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) hat zu diesem Zweck gemeinsam mit der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung (BQS) eine Registerplattform aufgebaut (GermanVASC). Die gemeinsame Entwicklung eines derartigen Wund- und Amputationsregisters für Deutschland wäre auf diesem Weg ein wichtiger Schritt!

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre!

Mit herzlichen Grüßen, Ihre

E. Sebastian Debus

Matthias Augustin