Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach einem geruhsamen Sommer beginnt im Herbst wieder die Kongressreisezeit für viele von uns. Mit verstecktem Stolz, aber auch lautem Seufzer, reisen wir jeweils für drei Tage an nationale und internationale Orte. Das während der Reise eng an den Körper gepresste Laptop garantiert eine Vorbereitung für die Präsentation auch in letzter Minute, die Hotelzimmer gleichen sich so stark, dass man vergisst in welcher Stadt man eigentlich abgestiegen ist.

Am Ziel, dem ebenfalls bereits anonymisierten Konferenzzentrum, begrüßt man seine Freunde. Viele von uns haben wunderbare 3-Tages-Freundschaften mit internationalen Kollegen und Kolleginnen. Die Themen sind schon vorgegeben, a: wie geht’s dir beruflich, b: wie geht’s der Familie, c: ich freue mich dich bald wieder in Osaka, New York oder Linz zu sehen. Darüber hinaus beklagen wir gegenseitig die viel zu hohe Zahl an Meetings, bei denen wir leider eingeladen sind teilzunehmen. Und überhaupt, das Programm bestehe aus zu vielen Repetitionen, was natürlich kein Wunder ist, denn jeden Monat fällt niemandem etwas neues ein und wenn der Statistiker schon einmal seine Zahlen nach langem Flehen der Datensammler hergegeben hat, dann müssen diese eben auch ausführlich und lange genutzt werden.

Bei der Konferenz kann man die Vortragenden grob in zwei Gruppen einteilen. Die einen halten sich diszipliniert an Rahmenbedingungen und Zeitvorgaben, die anderen (von der Gegengruppe gemeinerweise auch oft als „Schwätzer“ bezeichnet), lassen ihre Daten und Aussagen langsam und genüsslich auf die Zuhörer einwirken, sind immun gegen rote Blinklichter oder verzweifelte Einwürfe der Vorsitzenden, denn wenn sie dran sind, gibt es sonst nichts Bedeutenderes auf der Welt als ihre Wissensvermittlung an die Zuhörer, solange es eben dauert.

Was hier weniger berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass der gleiche Vortrag mit gleicher Zeitverzögerung schon beim vorigen und vor-vorigen Kongress gehalten wurde und die Zuhörer auch nur durch das Vorlesen der Überschriften ausreichend informiert worden wären, denn sie haben dies alles schon beim vorigen und vor- vorigen Kongress gehört.

Darüberhinaus haben wir jetzt ja das Internet mit MEDline, YouTube, etc. das die Anwesenheit bei einem Kongress auch ersetzen könnte, denn man kann die Daten in Ruhe zu Hause nachlesen und Videos wiederholt betrachten.

Trotzdem gibt es in zunehmenden Maße ein Angebot an Konferenzen verschiedenster pan-ophthalmologischer, subspezialisierter, internationaler und nationaler Gesellschaften, deren Veranstaltungsdaten sich immer öfter überlappen, weil die Konferenz-„Primetime“ in Frühjahr und Herbst nicht mehr ausreicht. Viele von uns sind wirklich zu bedauern.

Doch wenn sie einen ihrer jungen Ärzte zum ersten Mal auf eine internationale Konferenz schicken und er oder sie berichtet mit leuchtenden Augen, was zu lernen war, wie sein oder ihr „erstes Poster“ diskutiert wurde und dass er oder sie endlich viele bedeutende Kollegen und Kolleginnen getroffen habe, dann wissen sie, wozu eine Konferenz gut ist.

Mit kollegialen Grüßen

Univ. Prof. Dr. Susanne Binder

Editor-in-Chief

FormalPara Interessenskonflikt

Es besteht kein Interessenskonflikt.