FormalPara Originalpublikationen

Munson JC et al Patterns of prescription drug use before and after fragility fracture. JAMA Intern Med. DOI 10.1001/jamainternmed.2016.4814

Berry SD et al (2016) Medication review after a fracture-absolutely essential. JAMA, Inter Med. DOI 10.1001/jamainternmed.2016.4822

FormalPara Hintergrund.

Osteoporoseassoziierte Frakturen sind häufiger als Herzinfarkte, Schlaganfälle und Brustkrebs zusammengenommen. Die Wahrscheinlichkeit, eine solche Fraktur zu erleiden, hängt von vielen Risikofaktoren ab; ein besonders wichtiger und zudem beeinflussbarer Risikofaktor ist die Medikation.

FormalPara Methode.

Eine retrospektive Kohortenstudie ging der Frage nach, ob nach einer osteoporoseassoziierten Fraktur die Medikation mit Einfluss auf das Frakturrisiko geändert wurde. Als Medikamente mit Einfluss auf das Frakturrisiko gelten zum einen Wirkstoffe, die mit einer erhöhten Sturzgefahr eingehen, wie beispielsweise Sedativa, Antidepressiva, Nitrate oder Diuretika; zum anderen zählen zu dieser Gruppe Medikamente, die die Knochendichte vermindern, wie Glukokortikoide, Protonenpumpenhemmer und Antikonvulsiva. Opiate wurden von der Bewertung ausgeschlossen, da sie in vielen Fällen zur Behandlung postoperativer Schmerzen eingesetzt werden. Zusätzlich wurde ermittelt, ob Medikamente zur Erhöhung der Knochendichte gegeben wurden. Untersuchungszeitraum waren die 4 Monate vor der Fraktur im Vergleich zu den 4 Monaten nach der Fraktur.

Die Studie stützt sich auf US-amerikanische Krankenkassendaten von 168.133 Patienten; 84 % von ihnen waren weiblich; das Durchschnittsalter betrug 80 Jahre. In die Untersuchung wurden ältere Patienten mit hüftgelenknahen Frakturen, mit proximalen Humerusfrakturen und distalen Radiusfrakturen aufgenommen.

FormalPara Ergebnisse.

Mehr als drei Viertel aller Frakturpatienten (76 %) erhielten in den 4 Monaten vor Fraktur mindestens ein Medikament, das das Frakturrisiko erhöht. Bei etwa 7 % dieser Patienten wurde die Therapie mit einem das Frakturrisiko erhöhenden Präparat beendet; allerdings erhielt eine gleich große Zahl von Patienten neu ein das Frakturrisiko steigerndes Medikament. Somit zeigte sich insgesamt keine Änderung in der durchschnittlichen Zahl frakturenbegünstigender Präparate. Weniger als 25 % aller Patienten erhielten ein Osteoporosepräparat. Auch dieser Anteil änderte sich nicht nach der Fraktur.

FormalPara Diskussion.

Diese Studie überzeugt durch ihre sehr große Patientenzahl. Auch wenn die Studie zum einzelnen Patienten viele Fragen offenlässt, so insbesondere die Frage nach der Indikation der entsprechenden Präparate, so belegt sie doch große Lücken in der Versorgung älterer Patienten mit osteoporoseassoziierten Frakturen. Bei vielen Patienten werden klare Indikationen für den Einsatz von Präparaten vorliegen, die das Frakturrisiko erhöhten – aber wohl nicht bei 76 % der Patienten. Ein methodischer Nachteil der Untersuchungen besteht darin, dass Dosisänderungen der Medikamente nicht erfasst wurden.

Kommentar

Bei anderen schweren Akuterkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall gehört eine Rezidivprophylaxe zum Standard der medizinischen Versorgung. Bei dem ebenfalls sehr häufigen und folgenreichen Krankheitsbild der osteoporoseassoziierten Fraktur ist der Gedanke der Sekundärprävention dagegen kaum verbreitet. Das bedrückende Ergebnis dieser Untersuchung belegt aufs Neue die Notwendigkeit alterstraumatologischer Zentren: Eine gute chirurgische Behandlung reicht nicht aus – zusätzlich ist hier geriatrisches Wissen gefordert, um durch eine adäquate Medikation die Sekundärprävention dieses häufigen Krankheitsbilds zu verbessern.