Liebe Leserin, lieber Leser,

die Strabologie bietet innerhalb der Augenheilkunde zweifellos ganz eigene Herausforderungen: Das Verständnis der Physiologie und der Pathophysiologie der äußeren Augenmuskeln und ihrer Innervation, das Verständnis der Muskelmechanik und ihrer Beeinflussung zu therapeutischen Zwecken und die Einblicke in Zusammenhänge zwischen Augenstellung und -beweglichkeit und sensomotorischer Steuerung des Gehirns sind große, noch nicht abgeschlossene Themen. Der Ansporn, sich auf diese komplexen Fragestellungen einzulassen, erwächst aus der Fülle der im strabologischen Alltag zu lösenden diagnostischen und therapeutischen Probleme.

Die Strabologie hat innerhalb der Augenheilkunde ganz eigene Herausforderungen

Dieses Heft versammelt im Schwerpunktteil „Strabologie“ 3 Übersichtsarbeiten, die sich aus ganz unterschiedlicher Perspektive speziellen und anspruchsvollen Fragestellungen nähern: Einmal wird der Blick auf ein Therapeutikum, einmal auf ein Krankheitsbild und einmal auf eine Patientengruppe gerichtet.

Frau Prof. Bettina Wabbels widmet sich in ihrer Arbeit „Zum Einsatz von Botulinumtoxin in der Strabologie“ den Möglichkeiten, die ein einzelnes Medikament der Strabologie bietet. Weltweit wird heutzutage Botulinumtoxin bei einer Fülle von Erkrankungen, z. B. bei fokalen Dystonien, wie dem essenziellen Blepharospasmus, bei Spastik nach Schlaganfall, bei Tremor, aber auch in der Wundheilung und Schmerztherapie eingesetzt. Tatsächlich erfolgte die erste erfolgreiche klinische Anwendung des Präparats durch Dr. Alan B. Scott, San Francisco, am äußeren Augenmuskel zur Behandlung des Strabismus. In Deutschland wurde das Medikament durch den Strabologen Prof. Peter Roggenkämper eingeführt. Als seine Nachfolgerin in der Leitung der Abteilung für Orthoptik, Neuro- und pädiatrische Ophthalmologie der Universitäts-Augenklinik Bonn verfügt Frau Prof. Wabbels über eine hohe klinische Expertise in der Anwendung von Botulinumtoxin. Sie berichtet, in welchen strabologischen Konstellationen das Botulinumtoxin sich nach über 30 Jahren Einsatz in der Strabologie als willkommene Erweiterung des therapeutischen Spektrums behauptet hat [1].

Herr Prof. Oliver Ehrt nimmt in seinem Beitrag „Konservative und chirurgische Therapie des Konvergenzexzesses“ ein Krankheitsbild ins Visier, das differenzialtherapeutischer Maßnahmen bedarf. Ausgehend von der Physiologie und Pathophysiologie gibt er praktische Tipps zur Diagnostik und Differenzialtherapie. Darüber hinaus wird mit der Y‑Spaltung des M. rectus medialis, die 2004 von der Arbeitsgruppe von Prof. Siegfried Priglinger, damals tätig in Linz, vorgestellt wurde [2], ein alternatives Operationsverfahren zur Fadenoperation diskutiert, mit dem Prof. Ehrt interessante eigene Erfahrungen gesammelt hat.

Unsere Kölner Arbeitsgruppe betrachtet die strabologischen und neuroophthalmologischen Aufgaben in Zusammenhang mit der Versorgung einer besonderen Patientengruppe, nämlich von Kindern und Jugendlichen mit Tumorerkrankungen. Nach den Daten des Jahresberichtes 2013/14 des DKKR (Deutsches Kinderkrebsregister) erkrankt im Durchschnitt eines von 420 Neugeborenen bis zum 15. Geburtstag an einer Krebserkrankung [3]. Im Hinblick auf die Erstdiagnostik einer kindlichen Tumorerkrankung, insbesondere von Hirntumoren, aber auch im Hinblick auf die lebenslange Mitbetreuung vieler dieser Patienten diskutieren wir wichtige strabologisch-neuroophthalmologische Maßnahmen und Befunde.

Wir würden uns freuen, wenn die Lektüre dieser Beiträge Ihnen den einen oder anderen praktischen Hinweis geben würde und Sie gleichzeitig anregen würde, weiterhin die vielfältigen Herausforderungen der Strabologie anzunehmen!

Eine gewinnbringende Lektüre wünschen

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Prof. Dr. Antje Neugebauer

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Dr. Julia Fricke