Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Biopsien und Resektate aus dem Gastrointestinal (GI)-Trakt machen nach wie vor einen großen Teil des Eingangsmaterials in der Pathologie aus. Biopsien aus dem oberen GI-Trakt/Magen sind wahrscheinlich das häufigste Untersuchungsgut überhaupt. Neben der Gastritisdiagnostik steht dabei selbstverständlich auch die Erkennung und Klassifizierung von Neoplasien im Fokus.

Das vorliegende Schwerpunktheft soll daher einen aktuellen und praxisrelevanten Überblick über den Stand des Wissens bezüglich solider Magentumoren geben.

Das Magenkarzinom als häufigstes Malignom des Magens wird nach der aktuellen 8. Auflage der UICC-/TNM-Klassifikation (gültig ab 01.01.2017) definiert als Tumor, dessen Zentrum >2 cm des ösophagogastralen Übergangs (ÖGÜ) liegt (auch wenn das Karzinom in den ÖGÜ hineinreicht; Tumoren, die den ÖGÜ einbeziehen und deren Zentrum innerhalb der proximalen 2 cm der Kardia liegen (Siewert-Typen I/II), werden dagegen nach dem UICC-/TNM-Schema für Ösophaguskarzinome klassifiziert) [1].

Das Magenkarzinom stellt in Deutschland trotz abnehmender Inzidenz in den vergangenen Dekaden immer noch bei Männern die fünfhäufigste und bei Frauen die sechshäufigste Krebstodesursache dar; die 5‑Jahres-Überlebensrate liegt bei nur ca. 30–35 %. Neben epithelialen Tumoren kommen im Magen als weitere solide Tumoren auch neuroendokrine und mesenchymale Neoplasien vor [2].

Während das kolorektale Karzinom in der Mehrzahl der Fälle aus adenomatösen Vorläuferläsionen entsteht, entwickelt sich das sporadische Magenkarzinom (speziell der intestinale Typ nach Laurèn) meist aus einer gastritisassoziierten Dysplasie und nur vergleichsweise selten auf dem Boden einer Adenom-Karzinom-Sequenz. Im Beitrag von C. Langner (Graz) [5] werden die verschiedenen präneoplastischen Läsionen im Magen dargestellt; überdies werden aktuelle morphologische Ansätze für die Risikostratifizierung von Patienten mit präneoplastischen Konditionen (= statistisch erhöhtes Karzinomrisiko ohne Nachweis dysplastischer Veränderungen), wie z. B. die systematische Erfassung und Graduierung von Schleimhautatrophie und intestinaler Metaplasie (OLGA/OLGIM) als Selektionskriterium für die Erkennung von Risikopatienten, welche eine engmaschigere endoskopische Überwachung benötigen, vorgestellt.

Der Artikel von C. Röcken (Kiel) [6] gibt einen Überblick über die aktuelle WHO-Klassifikation der Magentumoren, speziell des Magenkarzinoms [3]. Diskutiert werden die Bedeutung von Graduierung und Regressionsgrading nach neoadjuvanter Chemotherapie; überdies wird bereits auf die unlängst definierten vier molekularen Subtypen nach The Cancer Genome Atlas (TCGA) eingegangen (chromosomal instabiles (CIN), genomisch stabiles, EBV-assoziiertes und Mikrosatelliten instabiles (MSI) Magenkarzinom) [4]. Dabei ist zu beachten, dass als unabhängiger Prognosemarker bislang jedoch lediglich das Tumorstadium nach UICC/TNM etabliert ist.

Vor dem Hintergrund der aktuellen molekulargenetischen Befunde des TCGA werden in den Beiträgen von F. Lordick (Leipzig) [7] und G. Baretton & D. Aust (Dresden) [8] aktuelle Biomarker beim Magenkarzinom aus der Sicht des Onkologen und des Pathologen vorgestellt. Bisher steht nur der Her2/neu-Status als etablierter prädiktiver Biomarker beim lokal fortgeschrittenen/metastasierten Magenkarzinom zur Verfügung; Patienten mit Her2/neu positiven (IRS + oder IRS 2+/ISH pos.) profitieren signifikant von einer Therapie mit Trastuzumab, weshalb in dieser Situation eine qualitätsgesicherte Her2/neu-Bestimmung durchgeführt werden soll. Ein neuer vielversprechender Ansatz liegt in der Immuntherapie mit sog. Checkpoint-Inhibitoren; wie z. B. bereits beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) könnte auch beim Magenkarzinom die immunhistologische PD-L1-Testung somit in naher Zukunft einen klinisch relevanten gewebsbasierten Biomarker darstellen.

Neuroendokrine Tumoren geben immer wieder Anlass zur Unsicherheit beim klinischen Management der Patienten, wie Erfahrungen aus Tumorboards zeigen. Die Arbeit von T. Knösel et al. (München) [9] gibt ein Update der histopathologischen Klassifikation und Graduierung der neuroendokrinen Neoplasien, welche die Basis für das weitere therapeutische Vorgehen bildet.

Der gastrointestinale Stromtumor (GIST) ist der häufigste mesenchymale Tumor des GI-Traktes und speziell des Magens. Beim GIST gelang als einem der ersten soliden Tumoren der Nachweis von tumorspezifischen Treibermutationen im KIT- oder PDGFRA-Gen, was eine zielgerichtete Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKIs) ermöglichte. E. Wardelmann et al. (Münster) [10] stellen in ihrem Beitrag aktuelle Erkenntnisse zur „morphomolekularen“ GIST-Diagnostik vor; paradigmatisch kann an dieser Entität aufgezeigt werden, wie sehr die Kombination aus exakter morphologischer Diagnostik (Immunphänotypisierung, Bestimmung der Mitosezahl/50 HPF) und einer profunden molekulargenetischen Analyse unmittelbaren Einfluss auf die Therapie haben kann – bis hin zur Dosierung der TKIs.

Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen herzlich bedanken, die einen Beitrag zu diesem Schwerpunktheft geleistet haben.

Ihr

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Prof. Dr. G. Baretton