Am 17. April 2014 ist unser hoch verehrter Chef und Freund, Prof. Dr. Gerhard Seifert, nach kurzer Krankheit im Alter von 92 Jahren verstorben. Sein Leben galt der Pathologie, der er im Laufe vieler Jahre unschätzbare Dienste geleistet hat.

Gerhard Seifert hat seine Ausbildung 1949 am Institut für Pathologie der Universität Leipzig bei Heinrich Bredt begonnen und ist seitdem der Pathologie mit enthusiastischem Einsatz treu geblieben. Auf seinem Lebensweg war ein entscheidender Schritt, 1958 mit seiner gesamten Familie unter schwierigen persönlichen Umständen in den Westen zu fliehen. Dort begann er im damals von Willy Giese geleiteten Gerhard-Domagk-Institut für Pathologie der Universität Münster. Durch sein präzises engagiertes Arbeiten, hohes wissenschaftliches Interesse und wegen seines verbindlichen Wesens erwarb er sich dort in kurzer Zeit hohen Respekt. Dieser strahlte über Münster hinaus und führte 1965 zur Berufung auf den Lehrstuhl für Pathologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Diese Entscheidung der Hamburger Fakultät darf durchaus als eine der glücklichsten der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden.

Gerhard Seifert blieb bis zur Emeritierung Ende 1988 in Hamburg, leitete das Institut in hervorragender Weise und führte es wissenschaftlich in die oberen Ränge europäischer Institute. Dies wurde u. a. dadurch gewürdigt, dass er als Präsident den Europäischen Pathologenkongress 1984 in Hamburg ausrichtete.

Der wissenschaftliche Schwerpunkt von Seiferts Arbeit lag insbesondere auf dem Gebiet der Pankreas-, Oral- und Speicheldrüsenpathologie. Insgesamt verfasste er mehr als 400 Publikationen, von denen aus übergeordneter Sicht sicherlich die 1991 unter seiner Federführung erschiene WHO-Klassifikation von besonderer Bedeutung ist. Er war einer der ersten, der die Notwendigkeit und den Nutzen von Registern – heute würden wir Biobank sagen – erkannte und während seines Arbeitslebens eines der weltweit größten Speicheldrüsenregister (> 6500 Tumoren in 30 Jahren) aufgebaut hat. Seifert war stets offen für neue Projekte, Methoden und Experimente. Dabei zeigte er seinen untrüglichen Instinkt, neue Entwicklungen und Trends zu erfassen und aufzunehmen.

Auch seine unermüdliche Tätigkeit für das 20-bändige Werk „Spezielle Pathologische Anatomie“ und seine bis ins hohe Alter erfüllte Editorentätigkeit als Herausgeber von Virchows Archiv zeigen sein äußerst intensives, konstant auf hohem Niveau erbrachtes Engagement für unser Fach. So nebenbei war er noch Präsident unserer Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen, der Deutschen Division der Internationalen Akademie für Pathologie und der Europäischen Gesellschaft für Pathologie.

In seiner aktiven Zeit war er ein stets engagierter Lehrer, nicht nur für die Studenten, noch heute trifft man gelegentlich einen Kollegen der sagt – ich habe bei Seifert gehört –, sondern auch die tägliche Lehre am Mikroskop für seine Assistenten und Oberärzte – auch die konnten immer noch etwas von ihm lernen.

Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven „Dienst“ wurde dieses Engagement durch seine Berufung zum Präsidenten der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaft und der Hamburger Stiftung zur Förderung der Krebsbekämpfung gewürdigt. Ferner wirkte er als Vorsitzender des Freundes- und Förderkreises des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.

Was aber kennzeichnet den Menschen Gerhard Seifert? Zunächst einmal seine grundsätzliche Großzügigkeit, zumindest denjenigen gegenüber, die seinen Leistungsanforderungen entsprachen. In vielen Situationen haben wir ihn als verlässlichen Unterstützer und uns Schüler stets positiv motivierenden Lehrer empfunden. Die Großzügigkeit hatte allerdings auch ihre Grenzen. Insbesondere bei diagnostischen Fehlern seiner Schüler hat er diese Fehlleistung fast persönlich genommen.

Eine ihn besonders charakterisierende Eigenschaft war eine Mischung aus Bescheidenheit, gepaart mit natürlicher Autorität, die stets von allen akzeptiert wurde. Der Begriff „motivierendes Vorbild“ (siehe Nachruf von Sören Schröder im Hamburger Ärzteblatt 06/07–2014) entspricht sicher der Eigenschaft, die seine zahlreichen Schüler (24 Habilitierte, davon 6 Ordinarien) im persönlichen Umgang mit ihm empfunden haben. Zu seinen Schülern bestand eine unerschütterliche Solidarität, diese zeigte sich u. a. darin, dass sich die Habilitanten 2013 zum vierzigsten Mal in der sogenannten „Habipsrunde“ getroffen haben, um die Tradition des Zusammenhalts und die persönliche Nähe zu pflegen. Diese Abende waren für Gerhard Seifert immer ein Höhepunkt – wie er selbst mehrfach gesagt hat – da seine Habips so etwas wie seine zweite Familie waren.

Gerhard Seifert hat für das Fach Pathologie als Arzt, als Wissenschaftler und Lehrer großartiges geleistet. Wir, die Gemeinschaft der Pathologen und speziell seine akademischen Schüler, werden ihn in dankbarer Erinnerung behalten.

Im Namen aller Seifert-Schüler

Manfred Dietel, Berlin