Gesundheit wird heute vielfältig als Konsumgut missverstanden. Verbraucher bedienen sich aus einer Fülle von Sport-, Freizeit-, Diät- und Fitnessangeboten von sehr unterschiedlicher Qualität. Die Schulmedizin ist als Anbieter zwar durchaus auch „gefragt“, sie kann – und will! – aber nicht für jede Verbrauchernachfrage ein entsprechendes Angebot bereitstellen. Im praktischen und klinischen Alltag führen die demografische Entwicklung und der enorme Kostendruck in Deutschland zusätzlich dazu, dass Patienten fühlen, dass nicht alle Aspekte ihrer Gesundheit von der Medizin abgedeckt werden. Auch die Frauenheilkunde ist, wie alle anderen medizinischen Fächer, von Verdichtung und Leistungssteigerung gekennzeichnet sowie von der Bildung von spezialisierten medizinischen Hochleistungszentren, in denen Experten für immer schmalere Ausschnitte von Diagnostik und Therapie zuständig sind.

Die moderne Frauengesundheit hat Frauen und Kinder ganzheitlich im Blick

Diese Entwicklung ist nicht einfach zurückzudrehen. Umso mehr bleibt die Gesundheit eine Herausforderung für die Medizin. Gesundheit entsteht im Alltag. Sie ist von unserem persönlichen Lebensumfeld geprägt – von Familie und Beruf, von Gewohnheiten, Vorlieben und Hobbys, von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen wir uns bewegen, und von den Menschen, mit denen wir uns umgeben. Entsprechend komplex ist die Aufgabe der Medizin, will sie dem Gedanken der Gesundheit gerecht werden. Die Frauenheilkunde hat hier die besten Ausgangsbedingungen. Gesundheitsförderung, Prävention und spezialisierte Gesundheitsversorgung sind seit jeher fest in ihrem Leistungskatalog und ihrer Ausbildung verankert.

Die Frauengesundheit umfasst mehr als „nur“ Gynäkologie und Geburtshilfe. Sie beinhaltet neben Diagnostik und Therapie vor allem auch die Prävention. Sie ist individuell, integrativ und interdisziplinär und hat damit Frauen und Kinder „ganzheitlich“ im Blick. Die Frauenheilkunde, die dieses Spektrum pflegt und erweitert, wird damit zu einer modernen Medizin, mit vielfältigen Möglichkeiten und Perspektiven für die Zukunft, aber auch mit einem Höchstmaß an ethischer und medizinischer Verantwortung für Ärzte. Wir sind gefordert, den wissenschaftlichen Fortschritt mit größter Energie voranzutreiben. Gleichzeitig gilt es, unseren Blick zu erweitern, unser Verständnis von Krankheit und Gesundheit ganzheitlich zu begreifen und damit den Leitgedanken der Frauengesundheit zu konkretisieren. Dies kann nur in der Bündelung unserer Anstrengungen gelingen, in der Bildung und Intensivierung von disziplinübergreifenden Netzwerken und Kompetenzen.

Unter dem Motto „Frauengesundheit: Verantwortung – Perspektiven“ werfen wir auf dem 61. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (Stuttgart, 19.–22.10.2016) einen weiten Blick auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen in unserem Fach. Die Beiträge dieser Kongressausgabe – sie reichen von der Geburtshilfe über die Endokrinologie und Reproduktionsmedizin bis zu Urogynäkologie und Onkologie – geben eine Vorschau auf einige der zentralen Themen, die uns beschäftigen werden.

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Prof. Dr. med. Sara Y. Brucker

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Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener

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Prof. Dr. med. Thomas Dimpfl