Vor 15 Jahren wurde durch Charles Perou et al. [17] der Begriff der intrinsischen Subtypen in die molekulare Pathologie des Mammakarzinoms eingeführt. Kurze Zeit später konnte erstmals gezeigt werden, dass die verschiedenen Subtypen – Luminal A, Luminal B, basal-like und HER2-enriched – mit einer unterschiedlichen Prognose für Gesamtüberleben und rezidivfreies Überleben assoziiert sind [22]. Seither werden Mammakarzinome nicht nur gemäß der klassischen klinikopathologischen Parameter Tumorgröße, Hormonrezeptorstatus, Grading und Nodalstatus klassifiziert, sondern auch anhand spezifischer Veränderungen im Genexpressionsmuster charakterisiert. Seit den Ergebnissen von Perou und Sorlie ist eine Reihe von Testsystemen entwickelt und in die Klinik eingeführt worden, mithilfe derer auf der Grundlage von Genexpressionsanalysen eine Risikostratifizierung der Brustkrebserkrankung durchgeführt werden kann.

In der klinischen Routine wird bei der hormonrezeptorpositiven (HRpos) Patientin die Entscheidung, ob in der adjuvanten Situation zusätzlich zur endokrinen Therapie eine Chemotherapie verabreicht werden soll, zunehmend auf Grundlage des Testergebnis entschieden, sofern die etablierten klinikopathologischen Parameter keine eindeutige Risikozuteilung erlauben.

Mit Genexpressionstests lassen sich Über- wie Untertherapien verhindern

Genexpressionstests ermöglichen also einerseits das Verhindern einer Übertherapie, indem Patientinnen mit niedrigem absoluten Risiko identifiziert werden können, bei denen dann im Sinne des Leitsatzes „low absolute risk implies low absolute benefit“ [7] – ein niedriges absolutes Rezidivrisiko bedeutet einen niedrigen absoluten Nutzen – auf eine Chemotherapie verzichtet wird. Andererseits soll eine Untertherapie vermieden werden, indem bei Patientinnen mit Hochrisikoergebnis gezielt eine adjuvante Chemotherapie indiziert wird.

Genexpressionstests mit Evidenzgrad IB

In Deutschland sind zurzeit 3 Genexpressionstests mit dem Evidenzgrad LoE IB kommerziell erhältlich: Oncotype DX® (Genomic Health), Endopredict® (Sividon) und Prosigna® (NanoString). Bei allen wird paraffineingebettetes Tumorgewebe verwendet. Obwohl für keinen dieser Tests ein LoE IA nachgewiesen ist, haben sie Einzug in die klinische Routine bei der adjuvanten Therapieentscheidung des Mammakarzinoms gehalten. In ihrer aktuellen Leitlinie hat die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) 2015 diese 3 Genexpressionstests erstmals mit dem Empfehlungsgrad „+“ versehen. Dies gilt im Fall von HRpos, HER2neg und N0-1, falls alle anderen klinikopathologischen Kriterien allein keine Therapieentscheidung zulassen.

OncotypeDx®: Recurrence Score

Der OncotypeDx® ist ein 21-Gen-Test (16 Tumor- und 5 Kontrollgene). Die Genexpression wird mittels quantitativer Echtzeit-Polymerasekettenreaktion (qRT-PCR) gemessen. Die Messungen finden ausschließlich in einem Zentrallabor in Kalifornien statt. Die gemessenen Gene sind überwiegend assoziiert mit Proliferation, Hormonrezeptor- und HER2-Status und Invasion. Über den RS (Recurrence Score) erfolgt die Klassifizierung in 3 Risikogruppen: geringes (RS < 18), intermediäres (RS 18–30) und hohes (RS > 30) Risiko. Die Validierung des Tests erfolgte prospektiv-retrospektiv an den Studienkollektiven NSABP-B14 [15], NSABP-B20 [16, 23], ATAC [5] und SWOG-8814 [1]. Nach wie vor unklar ist, wie eine Therapieentscheidung für Patientinnen der intermediären Risikogruppe zu treffen ist. Die prospektive TailorX-Studie [25], deren Ergebnisse ausstehen, widmet sich dieser Fragestellung.

Prosigna®: Risk-of-Recurrence-Score

Der Prosigna®-Test wurde als Genexpressionstest für die klinische Routine basierend auf der Messung der Expression von 46 Tumor- und 5 Kontrollgenen entwickelt. Als Genexpressionstest der zweiten Generation wird zur Berechnung des ROR(„risk of recurrence“)-Score die Tumorgröße als konventionelle klinikopathologische Variable in die Analyse mit einbezogen. Der ROR teilt die Patientinnen in 3 Risikogruppen ein: „low“ (0–15), „intermediate“ (16–40) und „high“ (41–100). Der Prosigna®-Test wird dezentral mittels Direkthybridisierung mit dem dafür entwickelten nCounter® Dx Analysis System durchgeführt. Die Validierung des ROR-Scores erfolgte prospektiv-retrospektiv am Kollektiv der ABCSG-8-Studie [11].

Endopredict®: EPclin-Score

Auch der Endopredict®-Test ist ein Genexpressionstest der zweiten Generation. Als solcher vereint er die Expressionsanalyse aus 8 Tumorgenen (proliferations- und hormonrezeptorassoziiert) und 3 Kontrollgenen mit den konventionellen klinikopathologischen Faktoren Nodalstatus und Tumorgröße. Dabei wird zunächst der „rein molekulare“ Endopredict®(EP)-Score bestimmt. Sodann werden Tumorgröße und Nodalstatus rechnerisch integriert und der sog. EPclin-Score bestimmt. Die Höhe des EPclin-Scores unterscheidet 2 Risikogruppen: „hohes“ und „niedriges“ Risiko. Die Validierung des Endopredict®-Tests erfolgte an den ABCSG-6-, ABCSG8- [9] und GEICAM-9906-Kollektiven [13].

Vergleich der Genexpressionstests

Abb. 1 zeigt einen schematischen Vergleich der 3 beschriebenen Tests. Ein wichtiger Unterschied zwischen OncotypeDX® und den beiden anderen Tests besteht darin, dass es sich beim EPclin-Score des Endopredict® und beim ROR-Score des Prosigna® um Hybrid-Scores handelt, d. h. es werden konventionelle prognostische Faktoren wie Tumorgröße und Nodalstatus in die Errechnung des Scores integriert. Betrachtet man die in den Tests jeweils gemessenen Gene, so fällt auf, dass Endopredict® mit OncotypeDX® ein Gen (BIRC5) und mit Prosigna® 2 Gene (BIRC5 und UBE2C) gemeinsam hat. Über 60 % der Gene des OncotypeDX® sind auch im Prosigna® enthalten [4].

Abb. 1
figure 1

Schematischer Vergleich der Genexpressionstests Oncotype DX® (Genomic Health), Endopredict® (Sividon) und Prosigna® (NanoString) [4]

Analytische Validierung der Testverfahren

Für den Endopredict®-Test ist mittlerweile eine Fülle von Daten publiziert, die belegen, dass der Test dezentral an verschiedenen pathologischen Instituten verlässlich durchgeführt werden kann [3, 12]. Auch hinsichtlich der individuellen präanalytischen Variablen des Gewebe-Handlings, wie Stanzbiopsie/Operationspräparat, Zeit bis zur Fixierung, Dauer der Fixierung, Tumorzellgehalt und Lagerungszeiten der Schnitte, ist gezeigt worden, dass sie keinen Einfluss auf die Reproduzierbarkeit der Testergebnisse haben [18].

Ähnlich robust ist die Datenlage hierzu für den Prosigna®-Test: Auch bei dezentraler und wiederholter Durchführung des Tests sind die Ergebnisse reproduzierbar [14]. Auch der Vergleich der Ergebnisse des Prosigna®-Tests an der Stanzbiopsie mit Messungen am Operationspräparat ergab eine sehr hohe Übereinstimmung im Vergleich zur Messung am Gewebe aus der Stanzbiopsie [19].

Der OncotypeDX®-Test ist bisher ausschließlich im Zentrallabor der Firma Genomic Health auf seine Robustheit und Reproduzierbarkeit hin überprüft [2], deshalb ist er nicht dezentral durchführbar.

Prädiktion des Chemotherapie-Benefits durch Genexpressionstests?

Im Gegensatz zur Prognose, die abhängig ist vom individuellen Krankheitsverlauf einschließlich des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens, beinhaltet der Begriff Prädiktion die Vorhersagbarkeit eines Ansprechens auf eine bestimmte Therapie. In verschiedensten Übersichtsarbeiten wird dem OncotypeDX® immer wieder als einzigen von den 3 beschriebenen Genexpressionstests die Fähigkeit der Prädiktion eines Chemotherapie-Benefits zugeschrieben. Die Autoren berufen sich auf die Ergebnisse der retrospektiven Analysen der NSBAP-B20- [16] und SWOG-8841-Studie [1], in denen jeweils eine alleinige endokrine Therapie gegen eine Chemotherapie (Cyclophosphamid, Methotrexat, 5-Fluorouracil, CMF, bzw. 5-Fluorouracil, Adriamycin, Cyclophosphamid, FAC) getestet wurde. Tatsächlich zeigte sich dort, dass Patientinnen mit einem hohen OncotypeDX®-RS deutlicher von einer Chemotherapie profitierten. Diese Beobachtung ist jedoch nicht einfach in die klinische Routine übertragbar, da bei den untersuchten Kollektiven auch HER2-positive Tumoren mit eingeschlossen wurden. Diese Tumoren haben per se ein höheres Rezidivrisiko und erreichen per se den höchsten absoluten Benefit einer adjuvanten Chemotherapie [20]. In der GEICAM9906-Studie, in der alle Patientinnen eine adjuvante Chemotherapie (entweder 6 Zyklen FAC oder 4 Zyklen FAC gefolgt von 8-mal Paclitaxel wöchentlich) erhielten, konnte mittels Endopredict®-Test kein Taxan-Benefit vorausgesagt werden.

Auswirkungen der Genexpressionstests auf die Therapieentscheidung

In Deutschland liegen mittlerweile zu allen hier beschriebenen Genexpressionstests Ergebnisse von Decision-Impact-Studien vor, die Aufschluss darüber geben, inwiefern die molekularbasierte Risikostratifizierung die Therapieentscheidung im klinischen Alltag beeinflusst. Für den OncotypeDX®-Test zeigte sich in einem multizentrischen Kollektiv (366 Patientinnen, N0/N1), dass sich die Therapieempfehlung bei insgesamt 33 % der Fälle verändert, und zwar in 22 % von „chemoendokrine Therapie“ zu „rein endokrine Therapie“ und in 11 % von „rein endokrine Therapie“ zu „chemoendokrinen Therapie“. In einem nodal negativen Kollektiv (201 Patientinnen) führte der Prosigna®-Test in 18 % der Fälle zu einer Änderung der adjuvanten Therapieentscheidung [24]. Durch Risikostratifizierung mittels Endopredict® änderte sich die Therapieempfehlung bei 42 % einer monozentrischen Kohorte von 212 Patientinnen (N0 und N1): In 34 % der Fälle wurde dabei auf eine Chemotherapie verzichtet, in 8 % kam es durch das Endopredict®-Ergebnis zur zusätzlichen Indikation einer Chemotherapie [10].

Vorhersage von Spätmetastasen durch Genexpressionstests

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Evidenz, dass bestimmte Patientinnen von einer verlängerten endokrinen Therapie (10 Jahre Tamoxifen anstatt 5 Jahre) profitieren, ist die Vorhersagbarkeit einer Spätmetastasierung von besonderer klinischer Relevanz. Die Frage ist, ob durch Genexpressionstests Patientinnen identifiziert werden können, bei denen die Indikation zur verlängerten endokrinen Therapie erwogen werden sollte.

Besonders relevant ist die Vorhersagbarkeit einer Spätmetastasierung

Tatsächlich konnte in einer Auswertung der ABCSG-6 und -8 gezeigt werden, dass Endopredict® die Spätmetastasierung vorhersagen kann: In der Patientinnengruppe mit „low risk“ nach dem EPclin-Score kam es während einer 12-jährigen Beobachtungszeit nach 5-jähriger endokriner Therapie in weniger als 2 % der Fälle zu einer Metastasierung [6]. Es erscheint unwahrscheinlich, dass in diesem Kollektiv durch eine Erweiterung der endokrinen Therapie eine Prognoseverbesserung erreicht werden kann. Für den Prosigna®-Test konnte in der ABCSG-8 ebenfalls die Vorhersagbarkeit einer Spätmetastasierung gezeigt werden [8]. Im Gegensatz dazu besitzt OcotypeDX® im Kollektiv der Trans-ATAC in den Jahren 5–10 nach Diagnosestellung keine klinisch signifikante prognostische Wertigkeit [21].

Fazit für die Praxis

  • OncotypeDX®, Prosigna® und Endopredict® sind Genexpressionstests mit einem LoE IB, die in der klinischen Routine zur Risikostratifizierung für die adjuvante Therapieentscheidung beim endokrin sensitiven, HER2-negativen Mammakarzinom eingesetzt werden können.

  • Mit diesen Tests können sowohl Tumoren identifiziert werden, bei denen auch mit alleiniger endokriner Therapie mit einer ausreichend guten Prognose zu rechnen ist, als auch die Tumoren, deren hohes Metastasierungsrisiko die gezielte Indikation einer zusätzlichen adjuvanten Chemotherapie rechtfertigt.

  • Alle 3 Tests sind nicht in der Lage, einen sicheren Chemotherapie-Benefit bei der individuellen Patientin vorauszusagen.

  • Prosigna® und Endopredict® sind dem OncotypeDX® in der Vorhersage von Spätmetastasen überlegen.