Wie in der Einleitung zum ersten Heft zu diesem Thema erwähnt (Der Gynäkologe 2012, 45:94) hatte es der Geburtshelfer bis vor wenigen Jahrzehnten weitestgehend mit gesunden jungen Frauen zu tun, die meist problemlos ihre Schwangerschaften austrugen und gebaren. Ärztliche Kompetenz war nur erforderlich, wenn typische geburtshilfliche Komplikationen während der Schwangerschaft oder peripartal auftraten. Dies ist heute anders:

  1. 1.

    Dank der Fortschritte der Pädiatrie erreichen heute viele kranke junge Frauen, die vor einigen Jahrzehnten in der Kindheit verstorben wären, das reproduktive Alter.

  2. 2.

    Dank der Fortschritte der inneren Medizin könne heute Frauen mit gravierenden internistischen Erkrankungen schwanger werden und die Schwangerschaft austragen, die früher nie konzipiert hätten oder denen man früher dringend zu einem Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation geraten hätte.

  3. 3.

    Viele Frauen realisieren ihre Reproduktion erst im letzten Abschnitt ihrer fertilen Lebensphase. Sie sind dann schon in einem Alter, in dem internistische Erkrankungen, z. B. essenzielle Hypertonie oder Prädiabetes, sich natürlicherweise erstmalig manifestieren. Durch die spezifischen Belastungen, die eine Schwangerschaft an den mütterlichen Organismus stellt, treten dann gehäuft Gestationsdiabetes oder eine Hypertonie auf.

Häufig liegt auch eine Kombination der Risikosituationen vor, z. B. 2 + 3: eine Frau mit chronischer internistischer Erkrankung, die gegen Ende ihres 4. Lebensjahrzehnts schwanger wird.

Als weiteres additives Risiko kommt mit zunehmender Häufigkeit die mütterliche Adipositas bei metabolischem Syndrom hinzu.

Dies bedeutet, dass der Geburtshelfer in den wohlhabenden Industrieländern seinen Aufgaben nicht gerecht werden kann, wenn er „nur“ die typischen Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen beherrscht, wie vorzeitige Lösung, Placenta praevia, HELLP-Syndrom, Atonie, Einstellungsanomalien usw. Nein, er muss auch etwas von den internistischen Problemen der von ihm betreuten Schwangeren und Gebärenden verstehen.

Selbstredend ist hier die Kooperation mit einem Internisten der entsprechenden internistischen Subdisziplin, z. B. Nephrologie, Kardiologie, Pneumologie, Rheumatologie, Hämatologie, Endokrinologie oder Diabetologie, erforderlich. Wie diese Aufzählung nahelegt, beherrscht auch ein Internist nicht alle dieser Teilgebiete in der erforderlichen Tiefe. Es wäre vermessen, dies von einem Geburtshelfer zu erwarten.

Dennoch sollte der Arzt, der die Schwangerschaft und die Geburt verantwortlich betreut, wissen, was die internistischen Kollegen gerade tun oder vorhaben, und er sollte vor allem wissen, wann er wen um fachliche Hilfe bitten muss.

Interdisziplinarität funktioniert am besten, wenn alle Beteiligten etwas von der Expertise der anderen verstehen.

Im ersten Heft zu dem Thema „Internistische Erkrankungen in der Schwangerschaft“ (Der Gynäkologe 2012, 45) haben wir die hämatologischen, kardiologischen, hepatologischen und urologischen Erkrankungen behandelt. Von den Endokrinologen wurden die Erkrankungen der Schilddrüse und der Diabetes mellitus besprochen. Wir hatten damals interdisziplinäre Autorenteams, die internistische Kompetenz und geburtshilfliche Relevanz gewährleisteten. Im jetzt vorgelegten Heft behandeln wiederum Teams aus hoch kompetenten Internisten und erfahrenen Geburtshelfern weitere wichtige internistische Erkrankungen in der Schwangerschaft:

  • Störungen der Blutgerinnung,

  • Lungenerkrankungen,

  • Nierenerkrankungen,

  • rheumatologische Erkrankungen,

  • endokrinologische Erkrankungen (außer Schilddrüse und Diabetes) und

  • chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Mit dem früheren und dem nun vorliegenden Heft von Der Gynäkologe wollen wir Ihnen, den Geburtshelfern, das internistische Basiswissen an die Hand geben, das Sie zur Betreuung Ihrer entsprechenden Patientinnen benötigen. Es ist selbstverständlich, dass man das nicht alles im Kopf behalten kann. Man könnte es aber einmal lesen. Vielleicht wird dann einiges klarer, es bleibt bestimmt mehr hängen, als man denkt, und man weiß, wo man nachlesen kann.

Ich danke den Autoren für die übersichtliche, verständliche und praxisrelevante Darstellung und wünsche Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel Spaß beim Lesen.

Prof. Dr. Günter Emons