Hintergrund

Schon vor 30 Jahren wurde darauf hingewiesen, dass durch Organtransplantation verschiedene pathogene Erreger, vor allem Viren auf den Organempfänger übertragen werden können, z. B. humanes Immundefizienzvirus (HIV), Zytomegalievirus, Herpes-simplex-Viren, Epstein-Barr-Virus, Hepatitis-B-Virus oder Rabiesviren, außerdem – aber wesentlich seltener – Bakterien, Protozoen und Pilze [1]. Erst vor kurzem wurde eine 119 Publikationen (Fallberichte, Fallserien, Fall-Kontroll-Studien oder Kohortenstudien) umfassende Literaturanalyse von insgesamt 207 Nierenempfängern publiziert. Die Mehrzahl (n = 116, 56 %) der übertragenen Erreger waren Viren wie HIV, HTLV, West-Nil-Virus, Dengue-Viren, Herpesviren oder Rabiesviren, alle potenziellen Auslöser einer tödlichen Enzephalitis [2]. Neu ist die Erkenntnis, dass Frühsommermenigoenzephalitis(FSME)-Viren vom „virämischen“ Spender mit dem Organ übertragen werden und beim Empfänger eine tödliche Enzephalitis auslösen können [3].

Anamnestische Hinweise erlauben bei detaillierter Kenntnisse epidemiologischer Besonderheiten das im Einzelfall frühzeitige Erkennen eines besonderen Krankheitsmusters. Dies könnte im Falle von Transplantatempfängern ein potenziell entscheidender Vorteil bei kausal behandelbaren Krankheitserregern sein. Dies trifft allerdings weder auf Rabiesviren noch auf Bornaviren zu; sie sind Auslöser einer immer (Rabiesviren) bzw. meist (Bornaviren) tödlichen Enzephalitis, sobald die ersten Rabiessymptome der Mitbeteiligung des Nervensystems, d. h. Symptome der Tollwut, berichtet werden. Weiters ist bei Tollwut die Infektiosität der Patienten für ärztliches Personal, Pflegepersonen, Familienangehörige etc. von enormer täglicher Relevanz im Routineumgang mit ihnen.

Trotz des Bemühens, ausschließlich komplett „gesunde“ und „passende“ Organspender in den komplexen Prozess Organspende – Organempfang einzubeziehen, sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Fälle einer Übertragung durch eine Transplantation enzephalitisauslösender Viren bei Organempfängern berichtet worden. Immer tödlich verläuft Rabies, bekannt seit mehr als 30 Jahren bei Organempfängern. Erst vor wenigen Jahren/Monaten wurden Bornaviren, eine in der Humanmedizin zwar seit Jahrzehnten diskutierte, aber nie eindeutig bewiesene zoonotische Virusspezies, bei Organempfängern als tödliche Enzephalitiserreger berichtet [4, 5].

Diese Übersicht soll

  • die epidemiologischen und klinischen Besonderheiten der „re-emerging“-Infektion Tollwut darstellen sowie [6, 7], vor allem,

  • die epidemiologischen Besonderheiten der „Emerging“-Bornaviren diskutieren. Ein Krankheitsmuster dieser zoonotischen Bornaviren kann nur bedingt aus diesen wenigen Einzelfallberichten abgeleitet werden [4, 5].

Tollwut – Rabies – Lyssa

Eine möglicherweise auch schon Wochen oder Monate zurückliegende Exposition (Tierbiss) bei klinisch-neurologisch typischen Symptomen einer Enzephalitis, begleitet von Hydrophobie, Aerophobie sollte die Differenzialdiagnose Rabies dringlich erwägen lassen.

Epidemiologie

Indien hat mit 35 % aller Fälle weltweit die höchste Zahl tollwutbedingter Todesfälle. Auch im Jahre 2016 kommt die Tollwut weltweit noch in mehr als 150 Ländern vor. Die World Health Organization (WHO) weist für das Jahr 2017 weltweit 59.000 berichtete Tollwutfälle (Tollwuttote) aus, die Mehrzahl in Indien, China, Vietnam und anderen südostasiatischen Ländern, aber auch aus Subsahara-Afrika, Lateinamerika [8,9,10,11]. Bis zu 40 % der berichteten Tollwutkranken sind Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren.

Nach Europa werden im Durchschnitt 5 bis 10 Fälle pro Jahr importiert [8,9,10].

Durch Korneatransplantationen, aber auch Transplantationen solider Organe (inkl. Lunge, Pankreas, Leber) – bei nicht erkannter aktiver Tollwut des Organspenders – können Tollwutviren auf den Organempfänger übertragen und die tödliche Enzephalitis auslösen [6, 7].

Die Inkubationszeit beträgt typischerweise 1 bis 3 Monate, in seltenen Fällen – bei Bissverletzungen im Kopfbereich – auch deutlich kürzer. Die längste bisher berichtete Inkubationszeit beträgt 6 Jahre [6].

Virologie und Transmission

Rhabdoviridae, d. h. Viren der Gattung Lyssaviren, sind die Auslöser der Tollwut. Diese sind einzelsträngige RNA-Viren mit derzeit 7 bekannten Genotypen [12, 13]:

  • Genotyp 1: Rabiesvirus, Auslöser der klassischen Tollwut

  • Genotyp 2: Lagos-Fledermausvirus

  • Genotyp 3: Mokola-Virus

  • Genotyp 4: Duvenhage-Virus

  • Genotyp 5 und Genotyp 6: Europäisches Fledermaus-Lyssavirus 1 + 2

  • Genotyp 7: Australisches Fledermaus-Lyssavirus

Rabiesviren werden üblicherweise durch den Biss eines tollwütigen Tieres übertragen. Der Speichel ist in der Regel das „Transmissionsvehikel“, aber auch Tränen, Erbrochenes und potenziell Schweiß können Tollwutviren beinhalten, d. h. übertragen [6, 7, 9, 14, 15]. Nach der Virusinokulation replizieren sich lokal die Tollwutviren. Wenn das in ausreichendem Maße geschehen ist und die Tollwutviren „Anschluss“ an das periphere Nervensystem über die neuromuskulären Endplatten gefunden haben, migrieren sie langsam über das periphere Nervensystem zu den Hinterwurzeln des Rückenmarkes, im Myelon und letztlich zum Hirnstamm [6, 15, 16]. Im zentralen Nervensystem (ZNS) vermehren sich die Viren rasant, führen zu schweren neuronalen Fehlfunktionen und damit zum klinischen Bild einer Enzephalitis („rasende Wut“), seltener Myelitis oder Radikulitis („stille Wut“) [6, 7, 14, 15].

Die Mehrzahl der humanen Rabiesfälle ist auf Hunde‑/Fuchsbisse zurückzuführen

Vom Hirnstamm breitet sich das Virus sowohl in das Großhirn als auch über Hirnnerven in die umliegenden Areale, insbesondere Speicheldrüsen, Tränendrüsen, Schweißdrüsen im Kopfbereich, aber auch andere Organe (Bronchial‑/Lungengewebe, Pankreas, Leber) aus [16], dies bedingt die Infektiosität des tollwutkranken Menschen.

Weltweit wird in der weit überwiegenden Mehrzahl der humanen Rabiesfälle das Virus durch einen Hundebiss übertragen, in Mittel- und Osteuropa relativ häufig auch durch Fuchsbisse [8, 10]. Aber auch andere Tiere wie Waschbär, Schakal, Hyäne, Katze, Mungo, Wolf oder Stinktier können – selten – selbst erkranken und das Virus übertragen. In Mittelamerika und Europa ist eine nicht unerhebliche Zahl von Tollwutfällen auf Bisse durch Fledermäuse zurückzuführen. Das Virus findet sich im Speichel, aber auch in anderen Sekreten, wie Tränen, Nasensekret, Bronchialsekret des tollwütigen Tieres (und auch Menschen), und Bisse oder Einbringen von Speichel in Kratzwunde oder auf Schleimhäute sind bekannte Übertragungswege.

Neurologische Symptomatik

Tollwut lässt sich in eine

  • enzephalitische Form („furious rabies“, „rasende Wut“) und

  • paralytische Form („paralytic/dumb rabies“, „stumme Wut“)

unterteilen [17]. Mehr als 80 % zeigen die enzephalitische Form, initial ist die paralytische Rabies schwer von einer Polyradikuloneuritis Guillain Barré zu unterscheiden [6, 7, 14, 15].

Bei Eindringen der Rabiesviren in die Hinterwurzel des Myelon klagt der Patient erstmals über Symptome, die einer möglichen Erkrankung des Nervensystems zuzuordnen sind, nämlich über radikuläre Schmerzen, die in das im ursprünglichen Bissbereich – der Biss kann schon vollständig abgeheilt sein – liegende Dermatom ausstrahlen („heftiger Schmerz, gelegentlich auch ‚Pruritus‘ im Bereich der Bissstelle“). Die Schmerzen sind mit einer radikulären Sensibilitätsstörung assoziiert. Bei der paralytischen Rabies entwickeln sich Symptome, die als Polyradikuloneuritis Guillain Barré initial fehlinterpretiert können. Die Mehrzahl der Tollwutpatienten zeigen rasch Zeichen einer Enzephalitis mit eindeutigen Hirnstammsymptomen, wie Verwirrtheit, Agitation, Halluzinationen, Schlaflosigkeit, (nukleäre) Hirnnervenläsionen mit Dysphagie und Dysarthrie und zu diesem Zeitpunkt typische/klassische Symptomatik der Hydrophobie oder Aerophobie. Schlundkrämpfe und Schluckkrämpfe sind häufig von panischer Angst begleitet. Da Speichel nicht geschluckt werden kann, bildet sich der charakteristische „Schaum vor dem Mund“.

Die Rabiesviren breiten sich sehr rasch aus und führen innerhalb von Tagen (maximal 2 Wochen) immer zum Tod [6, 7, 14, 15].

Diagnostik

Die Diagnose Rabies wird auf Grundlage der Expositionsanamnese und klinischen Symptomatik gestellt. Der Liquor cerebrospinalis ist unspezifisch „entzündlich“ verändert mit geringer Pleozytose und Eiweißvermehrung, aber normalem Liquorzucker und Laktat [6, 7, 14, 15].

In der Magnetresonanztomographie finden sich erst im Verlauf Läsionen im Hirnstamm, Hippokampus, Zerebellum sowie in den Stammganglien [6].

Mikrobiologische Diagnostik

Die Erregerdiagnostik ist mit direkten Virusnachweismethoden zu führen, wie Immunfluoreszenztest (zum Antigennachweis), Polymerasekettenreaktion(PCR)-Virusisolierung in der Zellkultur oder Mäuseinokulationstest.

In allen virustragenden Materialien kann die Diagnostik positiv sein: Liquor cerebrospinalis, Speichel, Tränenflüssigkeit, potenziell Mund‑, Rachensekret, Korneaabstrich/Abklatsch-Präparate sowie Nackenhautbiopsie (Schweißdrüsen!). Ein positiver direkter Erregernachweis beweist die Tollwutinfektion, ein negatives Testergebnis schließt die Diagnose Tollwut jedoch nicht aus. Der sichere Ausschluss oder die Sicherung der Diagnose ist gelegentlich nur post mortem mit dem Nachweis der typischen Negri-Einschlusskörperchen möglich [6, 7, 9, 12, 13, 15].

Therapie

Es gibt keine spezifische antivirale Therapie gegen Tollwut/Tollwutviren. Das vor mehr als einem Jahrzehnt propagierte Therapieschema eines induzierten Komas [18] konnte bisher nicht nachvollzogen oder bestätigt werden und wird daher nicht empfohlen [19]. Beim Auftreten der ersten ZNS-Symptomatik ist die Tollwut mit der sog. postexpositionellen, prophylaktischen, dualen Impfung nicht mehr beeinflussbar. Eine maximale analgetische und sedierende Therapie, im Sinne einer „best comfort care“, ist unerlässlich [6, 7, 9, 14, 15, 19]. Bei jedem begründeten Verdacht eines Kontakts mit Lyssaviren sollte die postexpositionelle Prophylaxe (PEP) unverzüglich und schnellstmöglich nach dem suspekten Tierkontakt erfolgen [6, 7]. Diese PEP ist daher auch auf das Umfeld des Tollwutkranken, inklusive Behandlungs- und Betreuungsteam auszudehnen.

Prognose

Sobald die ersten Symptome der Erkrankung des Nervensystems auftreten (meistens radikulitische Schmerzen im Bereich der Bissstelle [=Dermatom]) ist der Verlauf vorgegeben. Nur Einzelfälle von eine Rabies Überlebenden wurden bisher berichtet, diese waren jedoch teilgeimpft/präexpositionell bzw. spät, aber doch postexpositionell simultan geimpft [6, 7]. Es ist auch heute noch völlig legitim, die Rabies als eine immer zum Tod führende und die weltweit häufigste tödliche virale Enzephalitis zu benennen.

Bornavirus-Enzephalitis

„Borna disease Virus 1“ (BoDV-1) wurde vor kurzem erstmals als Auslöser einer humanen Erkrankung im Sinne einer fulminanten Enzephalitis bei 4 Patienten (3-mal tödlich) in Deutschland diagnostiziert. Drei dieser 4 Bornavirus-Enzephalitis-Patienten waren kurz nach einer Organspende, die sie alle vom selben Organspender erhalten hatten, an dieser Enzephalitis erkrankt und verstorben. Eine spenderassoziierte Transmission von BoDV-1 erscheint also möglich. Soweit bekannt, hatte der Organspender keine Zeichen einer viralen Infektion zum Zeitpunkt des Hirntodes bzw. unmittelbar davor [4, 20, 21].

Bereits in den Jahren 2011 bis 2013 hatten 3 Männer – alle drei Züchter von Bunthörnchen – eine letztlich innerhalb von wenigen Monaten tödlich verlaufende Enzephalitis entwickelt. Als Ursache war ein bisher unbekanntes Bornavirus („variegated squirrel bornavirus 1“, VSBV-1) identifiziert worden [5, 21].

Epidemiologie und Mikrobiologie

Das European Centre for Disease Prevention and Control (ecdc) und die deutschen Gesundheitsbehörden stufen BoDV-1 beim Menschen als potenzielles enzephalitisauslösendes virales Pathogen ein [19, 20]. Neben einer Organtransplantation – als Transmissionsweg von Bornaviren – erscheint erhöhte Umsicht und Vorsicht bei allen aus menschlichem „Material“ gewonnenen Substanzen („substances of human origin, SoHO“) geboten. Das ecdc ruft daher alle Kliniker, Intensivmediziner und Transplantationschirurgen auf, sich dieses „neuen“/„emerging“ viralen Pathogens beim Management der Organspende und -transplantation bewusst zu sein, speziell in Gebieten, in denen Bornaviren als endemisch (vor allem in der Veterinärmedizin) bekannt sind [4, 21, 22].

BoDV-1 sind sphärische, 80–100 nm messende Einzelstrang-RNA-Viren des Genus Bornavirus, der Familie Bornaviridae, Ordnung Mononegavirales [23, 24].

Zum Genus Bornavirus gehören – entsprechend der akzeptierten Taxonomie des International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) – 8 Spezies und 16 Viren. Überwiegend sind Bornaviren mit Vögeln und Reptilien assoziiert, es gibt jedoch auch säugetierassoziierte Spezies, diese sind die Spezies „Mammalian 1 bornavirus“ mit „Borna disease virus 1“ und 2 (BoDV-1 und BoDV-2) sowie die Spezies „Mammalian 2 bornavirus“ mit dem „variegated squirrel (Bunthörnchen) bornavirus 1“ (VSBV-1; [23, 24]).

Die Feldspitzmaus ist das wichtigste bisher bekannte Bornavirus-Reservoirtier

Vor mehr als 20 Jahren wurde auf Basis von Seroprävalenzstudien eine potenziell kausale Assoziation zwischen psychiatrischen Erkrankungen (z. B. Schizophrenie) und einer positiven „Bornavirus-Serologie“ diskutiert [25, 26]. Bereits im 19. Jahrhundert wurde die „Borna disease“ bei Pferden als schwere neurologische Erkrankung erstbeschrieben. Der Name ist von der nahe Leipzig gelegenen Stadt Borna abgeleitet, in der Ende des 19. Jahrhundert Militärpferde an einer „subakuten Enzephalitis“ erkrankt waren. Bis heute wurde bei vielen anderen Säugetieren (Rinder, Ziegen, selten auch Hunde und Katzen, aber auch Zootiere wie Flusspferde, Lamas, Affen) eine vergleichbare subakute bis akute Enzephalitis beschrieben. Auch bei Reptilien und diversen Vögeln wurde diese Erkrankung bereits diagnostiziert. Bei diesen Tieren wurden unterschiedliche und unterschiedlich schwere – häufig auch tödliche – enzephalitische Verläufe – nach einer Inkubationszeit von zwei Wochen bis mehreren Monaten – gesehen [27,28,29,30,31,32].

In Mitteleuropa sind als endemische Regionen derzeit Ost- und Süddeutschland, Liechtenstein, die Ostschweiz, das westliche Österreich und Oberösterreich bekannt, insbesondere Regionen, in denen die Feldspitzmaus (Crocidura leucodon), das wichtigste bisher bekannte Bornavirus-Reservoirtier, endemisch vorkommt [29,30,31,32]. Dies bedeutet, dass wesentlich größere Bereiche Europas, in denen die Feldspitzmaus endemisch/oder heimisch ist, potenzielle Bornavirus-Foci sein könnten und somit auch im wesentlichen Ost‑, Mittel- und Südeuropa (mit Ausnahme von Westfrankreich, Iberische Halbinsel und Süditalien). Die Feldspitzmaus ist auch auf der Krim, im Kaukasus und im Iran heimisch. Im Bergland reicht das Habitat – Wiesen, Felder, Hecken, Gärten – bis 1000 m Seehöhe. Die BoDV-1 Übertragungswege von Tier auf Mensch sind nicht bekannt [31, 32].

„Borna disease“ beim Menschen

In den Jahre 2011 bis 2013 hatten 3 Männer eine letztlich – innerhalb von wenigen Monaten – tödlich verlaufende Enzephalitis entwickelt. Alle drei hatten Gemeinsamkeiten

  • Symptome einer Enzephalitis mit Fieber, qualitativer und letztlich quantitativer Bewusstseinstörung, mit initialer zerebellärer Symptomatik, Myoklonien und Hirnnervenparesen

  • alle drei lebten in Sachsen-Anhalt, waren Züchter von Bunthörnchen (Sciurus variegatoides) und hatten Kontakt miteinander bzw. tauschten ihre Bunthörnchen mehrfach untereinander aus,

  • bei allen drei Patienten wurde mittels metagenomischer Methoden ein bisher unbekanntes Bornavirus („variegated squirrel bornavirus 1“, VSBV-1) aus dem Liquor cerebrospinalis identifiziert. Dieses wurde außerdem in einem Bunthörnchen, das Kontakt mit ihnen hatte, isoliert [5].

Am 07.03.2018 wurden von den Behörden Deutschlands nun über das Early Warning and Response System (EWRS) der ecdc 4 Fälle einer akuten Enzephalitis bedingt durch BoDV-1 gemeldet. Drei dieser 4 Patienten waren Organempfänger, die Niere und Leber von einem einzigen Organspender aus Süddeutschland erhalten hatten. Die beiden Nierenempfänger – unter der üblichen Post-Transplantations-Immunsuppression – erkrankten und verstarben unter dem Bild einer akuten Enzephalitis etwas mehr als 3 Monate nach der Transplantation. Der Leberempfänger überlebte die Akuterkrankung mit der Residualsymptomatik einer Nervus-opticus-Atrophie. Die Todesursache des Organspenders ist nicht bekannt und weitere Organe waren nicht transplantiert worden. Alle drei Organempfänger waren untereinander nicht verbunden, sie lebten und wurden in unterschiedlichen deutschen Städten behandelt und mit Ausnahme des gemeinsamen Spenders gab es keinerlei epidemiologische oder weitere Gemeinsamkeiten. Im Rahmen der Aufarbeitung dieser 3 Fälle wurde ein vierter BoDV-1-Patient aus Süddeutschland mit tödlich verlaufender Enzephalitis gefunden, der aber in keiner Weise mit den 3 erkrankten Organempfängern oder dem Organspender in Verbindung stand [4, 20,21,22].

Die initiale diagnostische Aufarbeitung wurde durch das Friedrich-Löffler-Institut durchgeführt. BoDV-1-Genom wurde bei beiden Nierentransplantierten mittels RT-qPCR und „next-generation-sequencing“ gefunden/bestätigt [20]. Eine BoDV-1-spezifische Serokonversion wurde bei allen drei Patienten nachgewiesen (Universität Freiburg und Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg) und mittels Immunhistochemie und In-situ-Hybridisierung (Universität Gießen) wurden BoDV-1-Antigen und -RNA bestätigt [4, 21, 22].

Auch bei Immunkompetenten sollte bei Enzephalitis an BoDV-1 gedacht werden

Alle diese sehr rezenten Untersuchungsergebnisse belegen die ersten gesicherten BoDV-1-Erkrankungen beim Menschen. Dieses „klassische“ Bornavirus unterscheidet sich von dem im Jahr 2015 bei Züchtern exotischer Hörnchen (Bunthörnchen; [5]) als Auslöser einer Enzephalitis beschriebenen Bornavirus der Bunthörnchen (VSBV-1, „variegated squirrel bornavirus 1“; Spezies „Mammalian 2 bornavirus“).

Derzeit gehen die Gesundheitsbehörden und das Robert-Koch-Institut (RKI) übereinstimmend davon aus, dass es sich bei den BoDV-1-Erkrankungen der oben beschriebenen Organempfänger um sehr seltene Einzelfälle handelt [4, 20,21,22]. Unabhängig von den transplantationsassoziierten Erkrankungen ist eine fatale Infektion des ZNS mit dem klassischen Bornavirus (BoDV-1) bei einer weiteren, zurzeit noch einzigen Patientin höchst bemerkenswert [4, 21]. Aus diesen Gründen sollte bei einer unklaren, offensichtlich erregerbedingten Enzephalitis auch bei Immunkompetenten auf BoDV-1 untersucht werden.

Fazit für die Praxis

  • Tollwut ist die virale Enzephalitis, die weltweit die meisten „Enzephalitistoten“ verursacht. Alle Tollwutviren können durch Organtransplantation vom Organspender auf den Organempfänger übertragen werden. Daher muss beim Spender die Todesursache Rabies unter allen Umständen ausgeschlossen sein. Seit Beginn der Organtransplantationsmedizin gibt es immer wieder Berichte über tödlich verlaufende Tollwutvirusenzephalitiden, nicht nur in Indien, auch in den USA oder Deutschland. Die potenzielle die Organspender betreuende Intensivmedizin ist zur äußersten Vorsicht, anamnestisch und labormäßig, verpflichtet. Tollwut ist infektiös.

  • Vor kurzem gab es erstmals bei Organempfängern Berichte über tödliche Enzephalitiden, die durch Bornaviren – bisher nur in der Veterinärmedizin bekannt – verursacht wurden. Bornaviren können bei engem Kontakt mit Bunthörnchen symptomlos auf Menschen übertragen werden. Bei jedem potenziellen Organspender sollte die Frage eines solchen Tierkontaktes angesprochen werden.