Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Leserinnen und Leser,

die psychischen, körperlichen und sozialen Folgen von Traumatisierungen haben in der Psychiatrie, psychosomatischen Medizin und Psychotherapie eine lange und komplizierte Geschichte. Wie die Auseinandersetzungen um die „traumatische Neurose“ und die „Kriegsneurose“ seit 1890 und die breite Diskussion um die gesundheitlichen Folgen von Konzentrationslagerhaft zeigen, wurde die ätiologische und pathogenetische Bedeutung von Realtraumatisierungen lange bezweifelt. Erst mit der Veröffentlichung des DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) -III wurde das Konzept der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) breit akzeptiert und es kam in der Folge zu einem nahezu exponentiellen Anstieg der Forschungsarbeiten in diesem Bereich. Wie kaum eine andere psychische Erkrankung folgt die PTBS dabei einem vergleichsweise einfach untersuchbaren Ursache-Wirkungs-Paradigma mit sozialen, psychologischen und neurobiologischen Prädiktormerkmalen und Mediatoren, sodass sie heute wahrscheinlich zu den am besten untersuchten Störungen überhaupt gehört.

In gewisser Hinsicht folgte also, historisch betrachtet, der Infragestellung und Vernachlässigung des Themenbereichs in Klinik und Forschung ein wissenschaftlicher Exzess, in dessen Folge der ursprünglich an Ereignisse und Prozesse katastrophalen Ausmaßes gekoppelte Begriff des Traumas eine erhebliche Erosion erfuhr. Die Diskussion um sog. „Low-manitude“-Stressoren ist allerdings auch Teil eines gesellschaftlichen Diskurses, in dem der Traumabegriff über eine breite Berichterstattung dazugehöriger Ereignisse in den Medien eine zunehmende Popularisierung erfuhr und zu einer Medikalisierungstendenz mit einer immer breiteren Ausweitung von Störungsbegriffen (z. B. „Burn-out“, „Mobbing“) beigetragen hat. Das PTBS-Konzept bietet so einfache, monokausale Erklärungsprinzipien für eigentlich komplexe Verursachungsmodelle an und eignet sich hervorragend für entstigmatisierende subjektive Attributionsprozesse sowohl auf Seiten der betroffenen Menschen als auch auf Seiten der Diagnostiker und Behandler. Bereits die Entstehungsgeschichte des Traumabegriffes und der daraus resultierenden Störungen ist dabei eng mit der Frage der Kompensation und Entschädigung verknüpft, sodass zusätzlich Fragen des sekundären Krankheitsgewinnes und der Begutachtung etwa für sozialrechtliche Fragen eine besondere Bedeutung haben.

Ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren bestimmt das Auftreten der PTBS

Wie sehr das Auftreten von Traumafolgestörungen vom Zusammenspiel von Risikofaktoren, Faktoren, die das traumatische Ereignis selbst charakterisieren, und von salutogenetischen Faktoren sowie von weiteren Kontextfaktoren abhängt, zeigt der Tatbestand, dass nur etwa 50% der von schwersten Traumatisierungen Betroffenen auch erkranken. Vor diesem Hintergrund ist die Klärung der Frage von zentraler Bedeutung, wie sich Zusammenhänge zwischen der Art und Anzahl erlebter Realtraumatisierungen und dem Auftreten von PTBS darstellen. Dieser Frage gehen Glaesmer et al. anhand der Ergebnisse aus einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe nach.

Das oben bereits angedeutete Problem der Überdiagnostizierung von PTBS z. B. im psychotherapeutischen oder gutachterlichen Kontext lässt aber noch eine andere Seite vermuten, nämlich die Unterdiagnostizierung im primären Gesundheitssystem, die auch für eine Reihe anderer psychischer Störungen gezeigt worden ist. Kuwert et al. gehen deshalb der Frage nach, in welchem Umfang sich Traumata und PTBS bei Patienten in hausärztlichen Praxen finden und ob und in welchem Umfang sie identifiziert und zum Teil des Behandlungsprozesses gemacht werden.

Ein weiterer Aspekt betrifft die Frage, ob nicht auch bei schweren psychischen Störungen, wie etwa den schizophrenen Erkrankungen, wegen der ausgeprägten Symptomatik behandlungsrelevante und den Verlauf negativ beeinflussende Traumatisierungen und Traumafolgestörungen übersehen werden. Schäfer et al. legen hierzu eine Untersuchung zu einer stationären Inanspruchnahmepopulation vor.

Heeke und Knaevelsrud schließlich beschäftigen sich mit einer besonderen Form eines psychosozialen Traumas, nämlich des Verschwindens von Personen und der psychischen Folgen für die Angehörigen im Kontext gewaltsamer Konflikte.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Harald Freyberger