Im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), die im Zeichen der ganzheitlichen Gesundheitsforschung und -versorgung steht [1], ist „Ernährung“ einer der Themenschwerpunkte neben „Immunsuppression“ und „multiresistenten Keimen“. Ernährung ist nicht nur ein elementares Thema der Pädiatrie, sondern auch der Justus-Liebig-Universität, Gießen. Letzteres geht auf die Arbeiten J. Liebigs zurück, der u. a. die Suppe für Säuglinge, den Fleischextrakt, das Backpulver und den Dünger, aber auch die verdauungsfördernde Wirkung des Vollkornbrots entdeckte. Das Programm der Jahrestagung behandelt in Workshops, Symposien und einer „keynote lecture“ („Frühe Ernährung und langfristige Gesundheit – neue Chancen für die Pädiatrie“) zahlreiche aktuell relevante Ernährungsthemen [u. a. Fütterungsstörungen, parenterale Ernährung, Zöliakie, Spurenelemente, Dortmund-Nutritional-and-Anthropometric-Longitudinally-Designed(DONALD)-Studie, Ernährung des Früh- und Neugeborenen, Ernährung bei Kindern mit Behinderungen, Diätetik in der Allergologie], von denen 4 in dieser Ausgabe der Monatsschrift Kinderheilkunde ausführlicher vorgestellt werden.

Ernährung ist ein elementares Thema der Pädiatrie

Ein „klassisches“ Ernährungsthema der Pädiatrie stellt Vitamin D dar. In den letzten Jahren haben zahlreiche Studien darauf aufmerksam gemacht, dass Vitamin D neben den lange bekannten Funktionen im Knochenstoffwechsel auch an der Organentwicklung und der Reifung des Immunsystems beteiligt ist. Kunz u. Zittermann weisen in ihrem Beitrag auf diese Erkenntnisse hin, nehmen Bezug auf die unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit Vitamin D und gehen insbesondere auf die Leitlinienempfehlungen zur Vitamin-D-Supplementierung ein, die bisher noch nicht befriedigend erfolgt.

Mit einem noch eher neuen, aber gleichwohl bedeutungsvollen Thema der Ernährungswissenschaft beschäftigen sich Kersting et al. in ihrem Beitrag zur Geschmacksprägung, die bereits beim Fetus beginnt und beim reifen Neugeborenen sowie in der Phase der Beikosteinführung entscheidende sensorische Stimulationen erfährt. Insbesondere Lebensmittelvariation, wiederholtes zwangloses Anbieten unbekannter Lebensmittel und Berücksichtigung physiologischer Geschmackspräferenzen wirken sich nachhaltig auf Ernährungsgewohnheiten aus.

Ein weiterer möglicherweise wesentlicher Schritt der Nachahmung von Muttermilch gelingt mit dem Einsatz von Humanmilcholigosacchariden (HMO), die z. T. inzwischen biotechnologisch synthetisiert werden können. Der Beitrag von Rudloff u. Kunz zeigt günstige Effekte der HMO auf das sich entwickelnde Mikrobiom (Bifidobakterienstämme) und Immunsystem des Säuglings auf.

In dem Beitrag von Riechmann et al. werden die im klinischen Alltag sich auswirkenden Diskrepanzen von Leitlinienempfehlungen in der diätetischen Behandlung am Beispiel von Phenylketonurie (PKU), Zöliakie und Kuhmilchallergie thematisiert. Mangel an Beratungszeiten von Ernährungsfachkräften und Selbstkostenbeteiligung der Eltern gehen mit einem ungünstigen Einfluss auf Diätadhärenz und letztlich Krankheit-Outcome einher – ein nicht zu vernachlässigendes Thema der Versorgungsforschung.

Dass mit dem „Abnehmen des [Kinder-]Überschusses die Kinder an Wert gewinnen“, wie der Gießener Pädiater H. I. Koeppe bereits 1905 feststellte, muss sich auch in den Anstrengungen widerspiegeln, die unternommen werden, um allen Kindern in Deutschland eine gesunde Ernährung zukommen zu lassen, zumal dies die Kosten für die Behandlung von Folgeerkrankungen einer ungesunden Ernährung deutlich senken würde.

Prof. Dr. K.-P. Zimmer