Der Stand der Forschung bezüglich der Physiologie und Pathophysiologie von Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltrakts darf als bescheiden umrissen werden. Auch die medikamentösen Möglichkeiten sind bescheiden. Cisaprid wurde schon vor geraumer Zeit aufgrund von QT-Zeit-Verlängerungen vom Markt genommen. Das oft unkritisch verordnete Metoclopramid ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über die Dosis hinaus mit deutlichen Auflagen versehen worden. Für die Therapie gastrointestinaler Motilitätsstörungen, der gastroösophagealen Refluxkrankheit und des Reizmagensyndroms (Dyspepsie) sei die Wirksamkeit von Metoclopramid nicht belegt. Das Makrolidantibiotikum Erythromycin stimuliert über den noch wenig charakterisierten Motilinrezeptor die Magenentleerung und wird in der klinischen Praxis zur Verbesserung der endoskopischen Sichtverhältnisse bei Blutungen des oberen Gastrointestinaltrakts eingesetzt. Uns fehlen effiziente Medikamente für viele Indikationen, so etwa für die Therapie der diabetischen Gastroparese. Es ist daher gerechtfertigt, dem komplexen Thema der Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltrakts einen eigenen Schwerpunkt in Der Internist zu widmen.

Die medikamentösen Möglichkeiten bei gastrointestinalen Motilitätsstörungen sind bescheiden

M. Müller aus Wiesbaden und I. Gockel aus Leipzig beschreiben das Vorgehen nach dem „State of the Art“ bei Motilitätsstörungen des Ösophagus, insbesondere die Diagnostik und Therapie der Achalasie, der wohl wichtigsten, aber mit 1–3:100.000 doch seltenen Erkrankung. Da die Achalasie in jedem Alter auftreten kann, muss sie bei Dysphagie differenzialdiagnostisch immer in Erwägung gezogen werden. Der Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über das Spektrum der unterschiedlichen ösophagealen Motilitätsstörungen. Die Ursachen eines sog. nichtkardialen Thoraxschmerzes zu klären, ist oft nicht einfach. Hier kann auch die Ösophagusimpedanzmessung weiterhelfen. Aufgrund des unterschiedlichen Widerstands kann sie zwischen regurgitierter Luft und dem Reflux von Flüssigkeit unterscheiden [3]. Ferner ermöglicht sie die Differenzierung von alkalischem und saurem Reflux.

U. von Arnim aus Magdeburg widmet sich dem schwierigen, aus meiner Sicht medizinisch unbefriedigenden Thema der Motilitätsstörungen des Magens. Wer wird bei einem Reizmagensyndrom mit den häufigen Symptomen Völlegefühl und frühe Sättigung sowie mit unauffälliger Ösophagogastroduodenoskopie eine Magenentleerungsmessung mit Szintigraphie veranlassen, um eine idiopathische Magenentleerungsstörung zu diagnostizieren? In diesem Beitrag wird auch das breite Spektrum der medikamentösen Therapieversuche und ihrer Wirkmechanismen dargestellt. Alle medikamentösen Therapieversuche sind aber im Ergebnis unbefriedigend. Auch die Magenschrittmachertherapie bei diabetischer Gastroparese stützt sich nicht auf überzeugende Studienergebnisse.

J. Keller u. P. Layer aus Hamburg widmen sich den Motilitätsstörungen des Dünndarms. Die Pathogenese ist komplex. Primäre Motilitätsstörungen müssen von sekundären Formen unterschieden werden. Pathogenetisch können primär das intestinale Nervensystem, das „gut brain“, die Muskelzellen oder das Mesenchym betroffen sein. Die chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO) ist ein wichtiges Krankheitsbild, das jeder Internist kennen sollte, auch um die hohe Rate unnötiger Laparotomien bei Verdacht auf einen mechanischen Ileus zu reduzieren. Das Krankheitsbild wurde 1948 von Heneage Ogilvie beschrieben, daher wird auch der Begriff Ogilvie-Syndrom verwendet. Der Beitrag vermittelt das diagnostische, differenzialdiagnostische und therapeutische Vorgehen bei CIPO. Wer sich mit dem Problem der Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltrakts vertieft beschäftigen möchte, dem sei die Lektüre der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) empfohlen.

Chronische rechtsseitige Oberbauchbeschwerden sind in der Praxis ein häufiges Problem

H.-D. Allescher aus Garmisch-Partenkirchen befasst sich mit der Dyskinesie des Sphinkter Oddi. Gibt es dieses Krankheitsbild überhaupt? Der Leser mag anmerken, dass der Beitrag sehr speziell sei und vielleicht nicht einmal ein Gastroenterologe ein so detailliertes Wissen zu diesem Problemkreis habe. Chronische rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, seien sie nahrungsabhängig oder -unabhängig, sind aber ein sehr häufiges Problem in der klinischen Praxis; der sonographische Nachweis von Gallenblasensteinen ebenfalls. Einige Chirurgen sagen, ein „Postcholezystektomiesyndrom“ gäbe es nicht; die Indikation zur Cholezystektomie sei falsch gewesen. In der Anamnese stehen wir aber häufig Patienten mit Oberbauchbeschwerden gegenüber, ob mit oder ohne Cholezystektomie. Wir wollen und müssen diesen Patienten helfen. H.-D. Allescher beschreibt hervorragend die komplexen diagnostischen und therapeutischen Optionen bei den drei Patientengruppen gemäß den Milwaukee-Kriterien. Bei Patienten mit laborchemisch erhöhten Cholestaseparametern und erweitertem Ductus choledochus und/oder Ductus Wirsungianus ist die Indikation zur endoskopischen Papillotomie (EPT) einfach zu stellen. In der Regel profitieren die Patienten auch von diesem Eingriff. Es mag sich aber um eine organisch bedingte, z. B. entzündliche Stenose im Bereich der Papille gehandelt haben und nicht um eine „Dyskinesie“ des Sphinkter Oddi. Bei Gruppe 3 ist die Indikation zur EPT in der Regel nicht gegeben. In dieser Gruppe findet sich ein breites Spektrum unterschiedlicher Patienten, meist mit pathogenetisch unklaren Beschwerden, die dann lapidar als „funktionell“ bezeichnet werden. In Gruppe 2 ist das diagnostische und therapeutische Prozedere am schwierigsten. Dies ist durch die Tatsache begründet, dass eine Druckmessung des Spinkter Oddi ein invasiver Eingriff ist und eine schwere Pankreatitis auslösen kann. Im Allgemeinen ist dieses Verfahren aber eine Voraussetzung für die Diagnose einer „Dyskinesie“. Der Leser wird nach der Lektüre dieses Beitrags auch die Schlussfolgerung ziehen, dass Patienten mit chronischen Oberbauchbeschwerden unklarer Genese in einem diesbezüglich erfahrenen Zentrum vorgestellt werden sollten.

S. Müller-Lissner aus Berlin erklärt die Physiologie und Pathophysiologie des Kolons. Deren Verständnis ist auch die Grundlage für eine rationale Therapie der häufig auftretenden Obstipation. Ein Überblick über die Bedeutung des Mikrobioms des Kolons bezüglich seiner physiologischen und pathophysiologischen Rolle ist nicht Gegenstand dieses Schwerpunkts. Die Erforschung der Bedeutung des Mikrobioms steckt sprichwörtlich noch in den Kinderschuhen [1]. S. Schreiber aus Kiel hat in einer der letzten Ausgaben von Der Internist [2] zusammengefasst, welche Rolle das Mikrobiom in der Pathogenese chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen spielen könnte. Eine Bedeutung wird auch generell in der Immunregulation und in der Regulation der Nahrungsaufnahme gesehen, also u. a. in der Pathogenese der Adipositas oder des Reizdarmsyndroms. Der fäkale Mikrobiomtransfer, die sog. Stuhltransplantation, etabliert sich zunehmend in der Therapie der refraktären Clostridium-difficile-Enteritis. Erlauben Sie mir zu spekulieren, dass das Mikrobiom auch eine Rolle in der Regulierung der Kolonmotilität spielt. Die wissenschaftliche Evidenz fehlt natürlich noch.

J. Mössner