Liebe Leserinnen und Leser,

es ist wieder einmal an der Zeit, Ihnen ein Schwerpunktheft von Der Internist zu Herzklappenerkrankungen vorzustellen: Seit Erscheinen des letzten Hefts zu diesem Thema vor weit mehr als 10 Jahren haben sich neue Therapieansätze ergeben, können bisher inoperable Patienten einem Klappenersatz zugeführt werden, müssen aber auch bislang nicht bekannte Herausforderungen bewältigt werden. Und noch etwas hat sich geändert: Die Grenzen zwischen Kardiologie und Herzchirurgie sind fließender geworden, der Mehrwert des Denkens im Herzteam wird immer stärker sichtbar. Dies drückt sich auch in der vorliegenden Ausgabe von Der Internist aus: vier der fünf Artikel haben Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam verfasst!

Wir beginnen mit einer sehr wichtigen, aber auch schwierigen Aufgabe für alle Kollegen, die Patienten mit Herzklappenerkrankungen betreuen: Ist mein „asymptomatischer“ Klappenpatient tatsächlich asymptomatisch und wann muss bei ihm die Indikation zum Klappenersatz bzw. zur Klappenrekonstruktion gestellt werden? Auf diese Fragen geben die Autoren D. Horstkotte, C. Prinz und C. Piper aus dem Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen mit ihrem Beitrag „Der,asymptomatische‘ Patient mit chronischem Herzklappenfehler“ konkrete und praxisrelevante Antworten. „Symptomatisch“ ist eben mehr als nur eine „Dyspnoe“! Ein Fragebogen und ein Algorithmus aus dem reichen Erfahrungsschatz von D. Horstkotte und seinem Team werden Ihnen bei dieser Entscheidung eine große Hilfe sein.

Wie wir dem Beitrag „Angeborene Herzfehler im Erwachsenenalter“ von R.G. Grabitz, H. Kaemmerer und F.-W. Mohr aus Halle (Saale), München und Leipzig entnehmen können, sind in Deutschland 180.000 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern zu betreuen, mehr also als die 120.000 im Kindesalter. Dennoch stellen diese Patienten mit unterschiedlichsten und zum Teil sehr komplexen Anomalien im Gesamtspektrum kardiovaskulärer Erkrankungen nur eine zahlenmäßig kleine Gruppe dar. Wie R.G.  Grabitz und seine Koautoren betonen, sind Komplexität und Seltenheit eine besondere Herausforderung an die hausärztliche, fachärztliche und spezialärztliche Versorgung. Keine Angst! Dieser Beitrag handelt nicht systematisch und lehrbuchhaft alle in Frage kommenden Vitien ab. Vielmehr beschreibt er anhand gut bebilderter Kasuistiken die relevanten Herzprobleme dieser Patienten und Lösungsansätze im Kontext der Leitlinie „Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern“.

Kein Herzklappenthema hat in den letzten Jahren die Gemüter so bewegt wie die kathetergestützte Aortenklappenimplantation. Das Autorenteam um den Kardiologen C. Hamm und den Herzchirurgen T. Walther aus Bad Nauheim und Gießen (H. Möllmannn, C. Liebetrau, H. Nef, J. Kempfert, T. Walther, C. Hamm) geht im Beitrag „Kathetergestützte Aortenklappenimplantation“ zunächst auf die degenerative kalzifizierende Aortenklappenstenose ein. Diese häufigste Herzklappenerkrankung betrifft 2–7% der über 65-Jährigen und steigt in ihrer Häufigkeit v. a. bei 80-Jährigen noch weiter intensiv an. Neben der ausführlichen Schilderung der medikamentösen, operativen und interventionellen Differenzialtherapie beeindrucken insbesondere die präsentierten Ergebnisse des interventionellen Aortenklappenersatzes aus randomisierten Studien und großen Registern. Die kathetergestützte Aortenklappenimplantation hat sich – 10 Jahre nach der ersten erfolgreichen Implantation durch Alain Cribier – als akzeptierte Behandlung des inoperablen alten Patienten mit Komorbiditäten etabliert. Die moderne Behandlung der Aortenstenose ist eine Angelegenheit des Herzteams geworden!

Die Behandlung der Aortenstenose ist heute eine Angelegenheit des Herzteams

Die akute und chronische ischämische Mitralinsuffizienz sind eine zunehmend wichtige Untergruppe der Mitralklappenfehler. Heute sind neue Behandlungsoptionen verfügbar. Darüber berichtet das Autorenteam um den Kardiologen G. Nickenig und den Herzchirurgen A. Welz (C. Hammerstingl, R. Schueler, A. Welz, G. Nickenig) aus Bonn im Artikel „Ischämische Mitralklappeninsuffizienz. Pathomechanismen und aktuelle Therapieoptionen“. Während die Mitralstenose in Deutschland eher selten diagnostiziert wird und die valvuläre Mitralklappeninsuffizienz in den meisten Fällen operativ erfolgreich rekonstruiert werden kann, ist die chronische ischämische Mitralinsuffizienz als Folge eines direkten Myokardschadens weiterhin eine Herausforderung. Interessant ist die Einschätzung der Autoren, die aktuellen Leitlinien seien „zu konservativ“, da sie die modernen operativen und interventionellen Verfahren noch nicht berücksichtigten. Lassen Sie sich von diesem Artikel dahingehend überzeugen, dass die innovativen Methoden der Klappentherapie die zukünftige Behandlung der chronischen ischämischen Mitralinsuffizienz prägen könnten.

Bei all den Fortschritten der operativen und interventionellen Klappentherapie: Die hohe Gefährdung durch eine Endokarditis sowohl bei Nativ- als auch bei prothetischen Klappen ist geblieben, wie die Autoren S. Dietz, H. Lemm, H. Bushnaq, H.-P. Hobbach, K. Werdan und M. Buerke aus Halle (Saale) und Siegen in ihrem Beitrag „Infektiöse Endokarditis. Notfallbehandlung und Langzeitbetreuung“ eindrucksvoll schildern. Nachdem jahrzehntelang breit angelegte, aber nicht ausreichend evidenzbasierte Prophylaxeempfehlungen gegolten haben, müssen wir uns nun eingestehen, dass dadurch die Endokarditisinzidenz bei Vitienpatienten nicht gesenkt werden konnte. Konsequenterweise wurde die aktualisierte Leitlinienversion von 2009 in der Indikationsstellung zur Endokarditisprophylaxe sehr viel restriktiver formuliert. Im Gegensatz zur Prophylaxe wird die Endokarditistherapie offensiver: Die Indikation zur operativen Therapie – immerhin bei fast jeder zweiten Endokarditis gegeben – verschiebt sich zu früheren Zeitpunkten hin, insbesondere wenn Komplikationen auftreten. Zahlen, die uns weiterhin sorgen machen müssen, sind eine Krankenhausletalität von 20% und eine 1-Jahresletalität von 40% sowie die inakzeptable diagnostische Latenz von 29±35 Tagen. Letztere könnte bei konsequenter Anwendung des von den Autoren vorgeschlagenen Algorithmus verkürzt werden, damit wäre auch eine Verbesserung der Prognose möglich.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und einen reichen Informationsgewinn beim Lesen der Beiträge!

Ihr

K. Werdan