Zur Prüfung des Hörvermögens gehört neben den durch die Tonaudiometrie erfassten Hörschwellen für Sinustöne auch die Messung des Sprachverstehens. Das wesentliche Ziel der Sprachaudiometrie ist die Messung des Hörvermögens in alltagsrelevanten Situationen. Hierdurch soll das für die Kommunikation relevante, durch eine Hörstörung entstandene Defizit erfasst werden.

Ziel der Sprachaudiometrie ist die Messung des Hörvermögens in alltagsrelevanten Situationen

Zweifelsohne ist jedoch das akustische Umfeld, das für den individuellen Patienten als alltagsrelevant gelten kann, sehr heterogen. Situationen des Sprachverstehens in Ruhe wechseln sich mit solchen im Störgeräusch, stationär oder fluktuierend, oder halligen Umgebungen ab. Die für das Verstehen erforderliche kognitive Leistung der Patienten hängt zusätzlich von vielen Parametern ab. Daher kommt die klinische Prüfung des Sprachverstehens nicht ohne Kompromisse bei der Wahl des Testmaterials, der Testsituationen und des Messparadigmas aus. Leider werden jedoch die für die Aussagefähigkeit des Ergebnisses notwendigen statistischen Randbedingungen zurzeit zu wenig beachtet.

Die physikalischen Parameter der für die Sprachaudiometrie verwendeten Signale lassen sich, anders als bei der Reintonaudiometrie, nicht vollständig festlegen. Zurzeit werden noch immer Aufnahmen von menschlichen Sprechern verwendet. Die Auswahl des Testmaterials (Wörter, Silben, Sätze) ist willkürlich und orientiert sich mit individuell verschiedener Relevanz an Worthäufigkeiten der jeweiligen Sprache und phonetischer Ausgewogenheit zwischen den Testlisten.

In der Vergangenheit hat sich im deutschsprachigen Raum der Freiburger Einsilber- und Zahlentest etabliert (vgl. HNO 64, Heft 8, 2016). In jüngerer Vergangenheit entwickelte Matrixtests haben sich ebenfalls im deutschsprachigen Raum etabliert und eignen sich für die Messung im Störschall.

Im vorliegenden Heft werden zunächst von Brand und Wagener Eigenschaften, Leistungen und Grenzen von Matrixtests in einer Übersichtsarbeit dargestellt. Dies ist von besonderer Relevanz, da aus meiner Sicht die Möglichkeiten des Oldenburger Satztests gelegentlich über- bzw. auch häufig unterschätzt werden. Damit im Zusammenhang stehen die für die Durchführung von Sprachtests notwendigen kognitiven Leistungen der Patienten, die hier von Meister beschrieben werden. Hoppe sowie Batsoulis und Lesinski-Schiedat blicken auf die Relevanz der Sprachaudiometrie aus heutiger Sicht bei der Indikation von Hörhilfen und -implantaten sowie in der Begutachtung.

Die Homogenisierung sprachaudiometrischer Zielparameter ist notwendig

Sprachaudiometrie ist ein wichtiger Zielparameter in klinischen Studien. Allerdings ist im Detail eine große Heterogenität der verwendeten Parameter zu beobachten. Rahne und Müller zeigen daher die Notwendigkeit der Homogenisierung sprachaudiometrischer Zielparameter auf.

In einer Sammlung von ausgewählten Originalarbeiten werden abschließend neu gewonnene Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Sprachaudiometrie präsentiert. Steffens berichtet über die systematische Auswahl sprachaudiometrischer Verfahren, Rählmann und Meister zeigen, wie „informational masking“ sprachaudiometrisch erfasst werden kann. Besonderer Schwerpunkt sind dabei das Alter der Patienten und die damit zusammenhängenden Auswirkungen auf die Sprachaudiometrie. Im Bereich der Cochleaimplantate zeigen die Arbeiten von Rader und Mühler, wie Sprachverstehen simuliert werden kann und Sprecherunterscheidung bei Cochleaimplantatträgern möglich ist.

Mit diesem Heft lässt sich die Diskussion zur geeigneten, zielorientierten Anwendung der Sprachaudiometrie nicht vollumfänglich abschließen. Das Themenheft zeigt aber, dass die Sprachaudiometrie vielfältige Chancen und Risiken birgt, die von Spezialisten mit audiologischem Bewusstsein als Impulse für weitere Forschungsarbeiten aufgegriffen werden. Die Sprachaudiometrie muss also nicht auf dem heute noch vielfach verbreiteten Stand(ard) stehen bleiben.

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Torsten Rahne