Zusammenfassung
Zwei Fälle von chronisch-schleichender Hg-Intoxikation in der zahnärztlichen Praxis (Zahnarzt und Helferin) werden auf das unvorsichtige Hantieren mit Hg und Kupferamalgam zurückgeführt. Im Vordergrund der geschilderten Beschwerden standen psychische Veränderungen im Sinne des Erethismus mercurialis. Der bei der Untersuchung nachweisbare Tremor mercurialis war in beiden Fällen nicht so deutlich ausgeprägt, daß ein verzerrtes Schriftbild nachgewiesen werden konnte.
Die besondere Gefährdung war durch den bei der Luftuntersuchung im Arbeitsraum festgestellten hohen Gehalt an Hg gegeben, der auf das Verdampfen von metallischem Hg aus den Fußbodenritzen und auf die Kupferamalgamerhitzung im freien Raum zurückgeführt wurde.
Die bei beiden Patienten erhöhte Hg-Ausscheidung im Urin wurde im wesentlichen mit der Methode nachMassmann undSprecher quantitativ über den Zeitraum von 1 1/2 Jahren verfolgt. Unter der Dithioglycerinbehandlung war im Falle des Zahnarztes eine deutliche Steigerung der Hg-Ausscheidung im Harn zu beobachten; bei der Helferin jedoch nicht. Eine Schwefelbadbehandlung führte bei beiden Erkrankten zu einer Ausscheidungssteigerung.
Nach 1 1/2 Jahren liegen bei jetzt einwandfreien Arbeitsplatzbedingungen die Urin-Hg-Werte im Normbereich.
Als Restsymptome der chronisch-schleichenden Hg-Vergiftung bestehen in beiden Fällen unvermindert innere Unrast und Schlaflosigkeit; zudem bei der zahnärztlichen Helferin häufig heftige Kopfschmerzen.
Literatur
Agate, J. N., andM. Buckell: Mercury poisoning from fingerprint photography. Lancet1949 II, 451.
Ahlborg, G., u.A. Ahlmark: Das klinische Bild der Vergiftungen mit Alkylquecksilberverbindungen und das Expositionsrisiko. Nord. Med.41, 503 (1949).
Baader, E. W.: Klinische Grundlagen der 46 meldepflichtigen Berufskrankheiten, 5. Aufl. München u. Berlin: Urban & Schwarzenberg 1960.
Bleuler, M.: Grundsätzliches über psychische Giftschäden am Beispiel einer Quecksilber- und einer Schwefelkohlensoff-Vergiftung. Schweiz. med. Wschr.74, 923 (1944).
Borinski, P.: Sind kleinste Quecksilbermengen gesundheitsschädlich? Dtsch. med. Wschr.57, 1060 (1931 a).
—: Das Vorkommen kleinster Quecksilbermengen im Harn und Faeces. Diagnostische Bewertung und Ursachen. Klin. Wschr.10, 149 (1931 b).
Burgener, P., u.A. Burgener: Erfahrungen über chronische Quecksilbervergiftungen. Schweiz. med. Wschr.82, 204 (1952).
Fleischmann, P.: Zur Frage der Gefährlichkeit kleinster Quecksilbermengen. Dtsch. med. Wschr.54, 304 (1928).
Flury, F., u.F. Zernik: Schädliche Gase, 1. Aufl., S. 232. Berlin: Springer 1931.
Franke, E., u.K. D. Lundgren: Gewerbehygienische Kontrolle bei Herstellung von Alkylquecksilberverbindungen. Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg.15, 186 (1956).
Hauschild, F.: Pharmakologie und Grundlagen der Toxikologie, 3. Aufl., S. 313. Leipzig: VEB Georg Thieme 1961.
Jordi, A.: Quecksilbervergiftungen bei Munitionsarbeitern. Schweiz. med. Wschr.77, 621 (1947).
Kettner, H.: Sowjetische MAK-Werte (Maximale Arbeitsplatzkonzentration) für das Jahr 1960. Zbl. Arbeitsmed.11, 63 (1961).
Kobert, R.: Lehrbuch der Intoxikationen, 2. Aufl., S. 332. Stuttgart: Ferdinand Enke 1904.
Koelsch, F.: Handbuch der Berufskrankheiten, 2. Aufl., S. 260. Jena: VEB Gustav Fischer 1959.
Kussmaul, A.: Untersuchungen über den konstitutionellen Mercurialismus, Würzburg: Stahelsche Buch- und Kunsthandlung 1861.
Leschke, E.: Die wichtigsten Vergiftungen. Fortschritte in deren Erkennung und Behandlung. Klinische Lehrkurse der Münch. med. Wschr.1933, 32.
Massmann, W., u.D. Sprecher: Die toxikologische Analyse des Quecksilbers. Arch. Toxikol.16, 264 (1957).
Moeschlin, S.: Klinik und Therapie der Vergiftungen, 3. Aufl. Stuttgart: Georg Thieme 1959.
Neugebauer, W.: Neurologische Krankheitsbilder nach Quecksilbervergiftung. Arch. Toxikol.17, 263 (1959).
Reiselman, S. D.: Einfluß der Quecksilberintoxikation auf die inneren Organe. Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg.1, 496 (1930).
Sawitzki, N. N.: Erste Hilfe und Behandlung bei Industrievergiftungen, S. 42. Berlin: VEB Volk u. Gesundheit 1955.
Seifert, P., u.H. Neudert: Zur Frage der gewerblichen Quecksilber-Vergiftung. Zbl. Arbeitsmed.4, 129 (1954).
Shoib, M. O., L. J. Goldwater andM. Sass: A study of mercury exposure. Amer. industr. Hyg. Ass. J.10, 29 (1949).
Stock, A.: Die Gefährlichkeit des Quecksilberdampfes. Z. angew. Chem.39, 461 (1926).
—: Die chronische Quecksilber- und Amalgam Vergiftung. Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg.7, 388 (1937).
Teleky, L.: Persistierende, rezidivierende oder wiederholte Bleivergiftungen oder Quecksilbervergiftungen? Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg.5, 132 (1934).
—: Gewerbliche Vergiftungen, 1. Aufl., S. 83. Berlin-Göttingen-Heidelberg: Springer 1955.
Vanotti, A.: Über die Beziehungen zwischen lokalen und allgemeinen Schädigungen bei gewerblichen Intoxikationen (an Hand eines Falles von Quecksilbervergiftung). Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg.8, 266 (1938).
Weger, A. M.: Veränderungen des Nervensystems bei Arbeitern des Quecksilberbetriebes. Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg.1, 522 (1930).
Zangger, Hr.: Erfahrungen über Quecksilbervergiftungen. Arch. Gewebepath. Gewerbehyg.1, 539 (1930).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
About this article
Cite this article
Preussner, S., Klöcking, H.P. & Bast, G. Chronisch-schleichende Quecksilbervergiftung in der zahnärztlichen Praxis. Archiv für Toxikologie 20, 12–20 (1963). https://doi.org/10.1007/BF00581734
Received:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/BF00581734