Zusammenfassung
An Hand von 5 Beobachtungen mit metaphysär gelegenen Umbauprozessen des Schenkelhalses wird die pathologische Anatomie und die Pathogenese der C. v. cong. besprochen, wobei die Lindemannsche Einteilung in eine primäre und sekundäre Form zugrundegelegt ist. Die Existenz einer sekundären C. v. cong. kann an Hand eines Falles von Chondrodystrophia calcificans congenita direkt belegt werden. Auch die Unterscheidung zwischen einer mehr lokalisierten und einer mehr generalisierten Form (mit Knorpelverknöcherungsstörungen an weiteren Wachstumsfugen des Skelets, besonders im Bereich der Knie- und Schultergegend) läßt sich vornehmen, wobei viele Zwischenstufen vorkommen. Unter Zuhilfenahme von histologischen Befunden — die allerdings nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht beweisend sind, und auch nicht sein können — sowie vor allem durch röntgenologische Längsschnitts- und Querschnittsuntersuchungen an Kindern ist es möglich, die metaphysär-dysostotische Ätiologie für die C. v. cong. mit multiplen Knorpelverknöcherungsstörungen sicherzustellen und in bezug auf die (später) lokalisiert erscheinenden Vorkommnisse wahrscheinlich zu machen. Für die sekundäre C. v. cong., die ätiologisch nicht ohne weiteres mit der primären C. v. cong. gleichgesetzt werden darf, wird auch die Möglichkeit des Zugrundeliegens allgemeiner Stoffwechselstörungen diskutiert. Diese dürften sich gegebenenfalls deshalb mit Vorliebe am Schenkelhals manifestieren, weil hier der spezielle mechanische Gefahrenpunkt des menschlichen Skelets besteht. Mechanische Faktoren stellen demgegenüber bei der Genese der C. v. cong. einen zwar wesentlichen, aber doch nur sekundären, nachgeordneten, eben pathogenetischen Faktor dar, wie sich an einem Zustand nach lateraler Schenkelhalsfraktur eines Kindes zeigen läßt. Die sekundäre C. v. cong. schlechthin beruht jedoch ursächlich auf einer metaphysär-dysostotischen Knorpelverknöcherungsstörung, wenn man diesen Begriff weit faßt. Faßt man ihn eng, ist indessen auch die C. v. cong. ein polyätiologisches Syndrom. Im Verlauf der weiteren Forschung wird es darauf ankommen, mit Hilfe röntgenologischer Familienuntersuchungen die Häufigkeit einer Vererbung der Erkrankung zu klären.
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Herrn Professor K. Lindemann zum 60. Geburtstag gewidmet.
Mit 7 Abbildungen (17 Einzelbilder)
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Mau, H. Zur Ätiologie und Pathogenese der Coxa vara congenita. Arch orthop Unfall-Chir 53, 210–230 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00415443
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