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Staatskapitalismus in NRW und Bayern: Der Aufstieg und Fall von WestLB und BayernLB

State capitalism in North Rhine-Westphalia and Bavaria: the rise and fall of the WestLB and BayernLB

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Zusammenfassung

Dieser Artikel rekonstruiert die Internationalisierung und Finanzialisierung der WestLB und BayernLB. Er zeigt, dass die Entwicklung beider Banken stark von Machtbeziehungen zwischen der Landesregierung und den Sparkassen geprägt und eng mit der Innenpolitik der beiden Bundesländer verwoben ist. Die Studie folgt dem Fallstudiendesign typischer Fälle und wendet die Methode der Prozessanalyse an. Sie trägt zu einem besseren Verständnis der politischen Ökonomie der Bundesländer bei; ein Thema, welches von der Politikwissenschaft bislang eher vernachlässigt worden ist.

Abstract

The article provides a reconstruction of the internationalization and financialization of the WestLB and BayernLB; two of Germanyʼs formerly most important federal state banks (Landesbanken). It is shown that the development of both banks has been heavily influenced by the power relations between state governments and savings banks (Sparkassen) and is tightly intertwined with the domestic politics of the states. The analysis draws on the design of a typical case study and applies the method of process tracing. It contributes to a better understanding of the political economy of the German Länder; a topic which has been rather ignored by political science so far.

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Notes

  1. Eine einschneidende Zäsur erlebten alle Landesbanken in den Jahren 2001/02 durch die Ergebnisse der Brüsseler Verständigungen I + II, welche für 2005 das Ende von Gewährträgerhaft und Anstaltslast festschrieben (Europäische Kommission 2001, 2002; vgl. Smith 2001; Seikel 2013).

  2. Bezogen auf Banken kann diese verstanden werden als die steigende Bedeutung komplexer Finanzprodukte jenseits klassischer Industrie- und Infrastrukturfinanzierung. Anstelle der Kreditvergabe wird so die Rolle als Anlagedienstleister in den Vordergrund gestellt (vgl. zur allgemeinen Diskussion: Heires und Nölke 2011).

  3. Warum wir uns auf diese beiden Faktoren konzentrieren, begründen wir in Abschnitt zwei dieses Artikels.

  4. So erhielt die WestLB von 1976–2005 fast 7 Mrd. € an zusätzlichen Kapitalzuführungen und die BayernLB von 1976–2008 fast 2,1 Mrd. € (Tab. 1, Online-Anhang). Seit Ausbruch der Finanzkrise kamen für die WestLB noch einmal 17,9 Mrd. € und für die BayernLB 19,8 Mrd. € hinzu (Tab. 2, Online-Anhang).

  5. Die derzeitigen Gerichtsverfahren und die politisch brisante Abwicklung der Banken lassen zudem vermuten, dass in den Interviews die Distanz zwischen aufgedeckten und wahren Präferenzen, Interessen und Handlungsmotiven beträchtlich gewesen wäre. Leider gilt es darüber hinaus auch anzumerken, dass die Landesbanken derzeit nicht besonders entgegenkommend auf Anfragen zu Dokumenten, Kennzahlen oder Biographien der Vorstände und Verwaltungsräte reagieren. Dies gilt für die WestLB und ihre Nachfolger in einem besonderen Maße.

  6. Die Studien der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung, die sich auch intensiv mit der Entwicklung von Länderhaushalten und –finanzen befassen (z. B. Wagschal 1996; Hildebrandt 2008), haben die Landesbanken und ihre fiskalischen Verflechtungen mit den Landeshaushalten bislang leider völlig ausgeblendet.

  7. Vor Seikel (2013) betonten schon Smith (2001) und Grossmann (2006) die Rolle der Kommission und privaten Banken bei der Abschaffung des alten Schutzschirms der Landesbanken.

  8. Wfa steht für „Wohnungsbauförderanstalt Nordrhein-Westfalen“.

  9. Die beiden Banken weisen dabei einen Internationalisierungsgrad von 71,3 % (WestLB) bzw. 50,4 % (BayernLB) auf (Hardie und Howarth 2009, Tab. 2).

  10. 2002 wurden bei der WestLB die beiden Sparkassenverbände mit rund 61,2 % zu Mehrheitseigentümern.

  11. Tabelle 5 (Online-Anhang) zeigt auch, dass die Erhöhung des Anteils der Sparkassen nicht dazu führte, dass sie den Aufsichtsrat dominierten.

  12. In der Literatur gab es keine Hinweise auf eine Veränderung des Kräfteverhältnisses zwischen den Verbänden, sodass dieses – trotz der gemeinsamen Ausweisung der Beteiligungen an der West LB – als konstant zugunsten der rheinischen Sparkassen angenommen werden kann (Tab. 4, Online-Anhang).

  13. In NRW sind die Sparkassen im RSGV (Rheinischer Sparkassen- und Giroverband) und im SVWL (Sparkassenverband Westfalen-Lippe) organisiert. Ersterer setzt sich vor allem aus den Großsparkassen zusammen, während letzterer meist kleinere Institute als Mitglieder hat.

  14. Zu nennen sind exemplarisch etwa die Preussag AG, die Berliner Kindl Brauerei oder die Deutsche Leasing AG, an der u. a. auch die BayernLB beteiligt war (Commerzbank AG 1969–2010). Neben der besonderen Quantität der Engagements, die vor allem unter Friedel Neuber (1981–2001) eine neue Dimension erreichte (Zeit, 24.07.92) war die Fokussierung auf den Bausektor ein qualitatives Alleinstellungsmerkmal der Bank (Girke und Kopplin 1977, S. 72–73, 86–92; Deeg 1999, S. 133–140).

  15. Interessanterweise plante selbst der „konservativere“ SVWL seinen Anteil an der Erhöhung durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen zu finanzieren und wollte sich in diesem Kontext auch gleich von Standard & Poor’s beraten lassen (Risiko Manager o. A.).

  16. Den überwiegenden Teil dieser derivativen Geschäfte machten Zinsswaps aus (Bayerische Landesbank 1994–2007).

  17. HGAA steht für die Hypo Group Alpe Adria und bezeichnet einen in Kärnten ansässigen Bankkonzern, welcher aus einer vormals regionalen Hypothekenbank entstanden war. Im Jahr 2007 erwarb die BayernLB die Mehrheit am Konzern, der allerdings nach expansivem Kurs und dramatischen Verlusten im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2009 durch Österreich „rückverstaatlicht“ wurde.

  18. Neben einer funktionalen Indienstnahme der Landesbanken in solchen Bereichen, in denen eine zentrale Abwicklung sinnvoll erscheint, besteht das „Grundinteresse bei der Ausrichtung der Geschäftspolitik der Landesbanken […] für die Sparkassen in der Sicherstellung stabiler Erträge und einer Begrenzung des Verlust- und Haftungsrisikos“ (Gubitz 2013, S. 285, 291–295). Daraus folgt, dass „insgesamt aus Sparkassensicht die expansiven Strategien der Landesbanken unter Abwägung der damit verbundenen Chancen und Risiken eher abzulehnen gewesen wären“ (Gubitz 2013, S. 287).

  19. Die neu geschaffene Möglichkeit der Beteiligung privater Investoren an der Finanzholding AG (und somit der BayernLB) begrenzte deren Anteil auf max. 49,98 % und sicherte den „alten“ Gewährträgern somit die Kontrollmehrheit (Gubitz 2013:141–142).

  20. Die Nicht-Beteiligung der Sparkassen an der Kapitalerhöhung zog die Aufmerksamkeit der EU-Kommission auf sich. In diesem Falle konnte sich allerdings ohne Eröffnung eines Beihilfeverfahrens auf eine nachträgliche Zahlung der Sparkassen in Höhe von 1,65 Mrd. € geeinigt werden (Sparkassenverband Bayern 2012). Ein Teil dieser Zahlung wurde über den Kauf der LBS durch die Sparkassen beglichen (Sparkassenverband Bayern 2012). Im Juni 2013 erhöhten die Sparkassen auf Druck der EU ihre Beteiligung wieder auf 25 %, sodass der Anteil des Staates auf 75 % sank (Handelsblatt, 18.06.2013).

  21. Dabei ist zu beachten, dass die Staatsvertreter über ein doppeltes Stimmrecht verfügen (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2009).

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Anmerkung: Dieses Verzeichnis enthält nur die Sekundärliteratur. Alle weiteren Referenzen sind im Online-Anhang zu finden.

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Danksagung

Wir danken den anonymen Gutachtern dieser Zeitschrift für wertvolle Hinweise. Unser Dank geht auch an Lydia Wiedemann, die uns in einer frühen Phase des Projektes bei der Erhebung der biographischen Daten von Vorständen der Landesbanken unterstützte.

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Trampusch, C., Linden, B. & Schwan, M. Staatskapitalismus in NRW und Bayern: Der Aufstieg und Fall von WestLB und BayernLB. Z Vgl Polit Wiss 8, 129–154 (2014). https://doi.org/10.1007/s12286-014-0201-1

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