In der Krebstherapie werden drei übergeordnete Therapieziele unterschieden:

  • Heilung,

  • Lebensverlängerung und

  • Verbesserung der Lebensqualität.

Vor allem bei nicht erreichbarer Kuration ist die Reflexion der beiden anderen Therapieziele wichtig. Hier setzt die Palliativmedizin an. In den letzten 20 Jahren ist das palliativmedizinische Versorgungsangebot in Deutschland enorm verbessert worden: In ca. 220 Krankenhäusern gibt es Palliativstationen, und es sind etwa 170 stationäre Hospizeinrichtungen vorhanden [1]. Mehr als 5400 Ärzte verfügten im Februar 2011 über die Zusatzweiterbildung „Palliativmedizin“.

Palliativmedizin, im Englischen „palliative care“, beinhaltet nicht nur ärztlich-medizinische Aufgaben, sondern wird als teamorientiertes multiprofessionelles Versorgungsangebot verstanden.

Basis der Palliativmedizin („palliative care“) ist eine ganzheitliche, somatopsychosoziospirituelle Herangehensweise, um Patienten und ihren Angehörigen bei der Krankheitsbewältigung zu helfen und deren Lebensqualität zu verbessern. (Aus [1])

Weiterhin ist zu differenzieren zwischen Palliativtherapie und Supportivtherapie. Im Unterschied zum kurativen Therapieansatz (Heilung) werden unter Palliativtherapie alle diejenigen Maßnahmen verstanden, die primär die Symptome als Folge von Chemotherapie, Operation, Bestrahlung etc. lindern sollen. Die Supportivtherapie hat u. a. zum Ziel, die Verträglichkeit von Therapiemaßnahmen wie beispielsweise Chemotherapie oder Bestrahlung zu verbessern.

In palliativmedizinischen Einrichtungen wird die meist zeitlich begrenzte symptomatische Therapie in Form von medizinischen Interventionen durchgeführt. Hospize ermöglichen eine pflegerische und psychosoziale Sterbebegleitung.

Multiprofessionelle Versorgung im Sinne einer spezialisierten Palliativmedizin ist vor allem bei onkologischen Krankheiten in das Therapiekonzept integriert, während bei anderen nichtheilbaren, lebenslimitierenden Erkrankungen wie COPD, Herzinsuffizienz oder terminale Niereninsuffizienz, die ebenfalls mit Symptomen wie Atemnot, Angst, Depression einhergehen können, eine sektorenübergreifende spezialisierte Palliativmedizin „noch in den Kinderschuhen steckt“ [2].

Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe von Der Pneumologie ist die Betrachtung palliativmedizinischer Aspekte beim Lungenkarzinom.

Verwiesen sei an dieser Stelle auf das Themenheft „Palliativmedizin“ in Der Internist Heft 1/2011 sowie auf spezielle Aspekte der palliativen endoskopischen Behandlung des Lungenkarzinoms von F. Stanzel in Der Pneumologe Heft 1/2011. Dadurch ergeben sich gewisse thematische Überschneidungen, die durchaus gewollt sind.

Sozusagen den „Ritterschlag der evidenzbasierten Medizin“ erhielt die Palliativmedizin durch die viel beachtete Publikation von Temel et al. [3]. In dieser randomisierten Studie wurde gezeigt, dass eine frühzeitige palliativmedizinische Versorgung von Patienten mit metastasiertem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) nicht nur zu einer Reduktion aggressiver Therapiemaßnahmen, sondern auch zu einer Lebensverlängerung von 8 auf 11 Monate führte (wenngleich nur als sekundärer Endpunkt erhoben).

Thema des Beitrags von A. Lübbe, Bad Lippspringe, im vorliegenden Heft ist eine Übersicht zu den zahlreichen Interventionen, die für eine Symptombesserung zur Verfügung stehen, einschließlich einer Bewertung der wissenschaftlichen Evidenz mit Angabe des Empfehlungsgrads. Darüber hinaus wird deutlich, warum es natürliche Grenzen der Evidenzgewinnung in der Palliativmedizin gibt.

Die Chancen der palliativen Thoraxchirurgie werden zu selten genutzt

Die Schlussfolgerung gilt selbstverständlich auch für palliativmedizinische thoraxchirurgische Maßnahmen. Nichtsdestotrotz besteht häufig zumindest der Eindruck, dass die Chancen der palliativen Thoraxchirurgie zur Verbesserung der Lebensqualität des Patienten zu wenig bekannt sind oder zu selten genutzt werden. Deshalb ist der Beitrag von E. Hecker und S. Hamouri, Herne, wichtig. Er enthält Beispiele bei durchaus häufigen klinischen Problemkonstellationen wie Brustwandinfiltration eines Tumors, Pleura- oder Perikardergüssen.

Neu entwickelte Therapiemodalitäten mit „small molecules“ – auch als zielgerichtete Therapie bezeichnet – repräsentieren gerade im Hinblick auf die Lebensqualität möglicherweise eine neue Dimension der palliativen Chemotherapie des NSCLC. Eine kritische Bewertung der Erfolgsaussichten der Therapie mit u. a. Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) ist unabdingbar und erfolgt im Beitrag von S. Gütz, Leipzig.

Die Rationale für eine frühzeitige Implementierung palliativmedizinischer Betreuungselemente in das Behandlungskonzept beim fortgeschrittenen Lungenkarzinom wird von M. Steins, Heidelberg, dargestellt.

Der hohe Stellenwert, den die Palliativmedizin im Zertifizierungssystem der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) mit Organkrebszentren und onkologischen Zentren einnimmt, wird von S. Wesselmann et al., Berlin, dargestellt. Die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) zielt darauf ab, die Betreuung in der vertrauten häuslichen Umgebung zu ermöglichen. Die Anforderungskataloge für Krebszentren, die durch die DKG zertifiziert werden möchten, beinhalten zwischenzeitlich ein eigenes Modul, das die Anforderungen an die Einbindung der Palliativmedizin und Hospizversorgung definiert.

Unter Federführung der DKG wurden die Arbeiten zur Erstellung einer S3-Leitlinie „Palliativmedizin“ mit einem Kick-off-Meeting im September 2011 aufgenommen. Die Fertigstellung ist im Jahre 2013 geplant.

Ich wünsche dem Leser viele Anregungen bei der Lektüre eines Bereichs der Versorgung von Krebspatienten, der eine unglaublich dynamische Entwicklung aufweist.

Prof. Dr. Dieter Ukena