Das Plasmazellmyelom (multiples Myelom, MM) und verwandte Tumoren sind Neoplasien terminal differenzierter B-Zellen, die Immunglobulin-Gen-Umlagerungen, somatische Hypermutation und den Schwerketten-Switch absolviert haben [4, 13, 15]. Die meisten Fälle (>99%) produzieren ein monoklonales Immunglobulin, das einerseits einen diagnostischen und Verlaufsmarker darstellt und andererseits für einen Teil der klinischen Symptome verantwortlich sein kann.

Das manifeste Myelom weist in den meisten Fällen eine diffuse Knochenmarksinfiltration auf und zeigt klinische Symptome, die es gegen das asymptomatische Myelom und die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) abgrenzen. Dazu gehören osteolytische Läsionen, Anämie, Niereninsuffizienz und Hyperkalzämie, die auch als „CRAB complex“ bezeichnet werden („hypercalcemia, renal insufficiency, anemia, bone lesions“), sowie Infektanfälligkeit, Hypogammaglobulinämie und andere Symptome in unterschiedlicher Frequenz [1]. Klinisch zeigt das MM eine sich meist über Jahre erstreckende Progression von der im höheren Lebensalter häufig nachweisbaren asymptomatischen MGUS, die in retrospektiven Serumuntersuchungen von Myelompatienten einen nahezu universell nachweisbaren Befund darstellte [26], über das konventionelle intramedulläre Myelom bis hin zu terminalen therapierefraktären Krankheitsstadien mit rascher Progression, ausgedehnten extramedullären Manifestationen und hämatopoetischer Insuffizienz. Parallel dazu zeigt das MM eine zunehmende genetische Instabilität mit vermehrtem Auftreten sekundärer Alterationen als Zeichen des molekularen Krankheitsfortschritts und ist damit prototypisch für die Mehrschrittgenese von malignen humanen Neoplasien [15].

Die letzten Jahre brachten durch methodische Fortschritte wie die „Interphase-Zytogenetik“ und das „Genexpressions-Profiling“ mit Microarrays eine Explosion des Wissens über die Biologie und die komplexe, sehr heterogene Genetik des MM, was durch den Einsatz moderner Therapieansätze und verbesserte Risikostratifizierung zu einer Verbesserung der Prognose dieser Erkrankung führte [13, 14, 16].

Klassifikation von Plasmazellneoplasien

Die aktuelle Klassifikation von Plasmazellneoplasien der WHO ist in Tab. 1 aufgelistet. Neben dem Plasmazellmyelom (MM), seinen Vorstufen MGUS und asymptomatisches Myelom und seinen Varianten Plasmazellleukämie und asekretorisches Myelom sind die lokalisierten Formen des solitären ossären und des extramedullären Plasmozytoms sowie die verschiedenen Immunglobulin-Ablagerungskrankheiten den Plasmazellneoplasien zugeordnet. Zur Genetik der letztgenannten Erkrankungen sind nur wenige Daten publiziert, die aber für eine enge Verwandtschaft zum MM sprechen.

Obwohl das MM selten ein diagnostisches Problem darstellt, können doch einerseits zwischen den verschiedenen Entitäten der Plasmazellneoplasien Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen und andererseits in der klinischen Praxis Fälle von stark plasmazellulär oder plasmablastisch differenzierten Lymphomen beobachtet werden, die sowohl klinisch als auch morphologisch und phänotypisch einen Graubereich zum MM darstellen. Der letzte Workshop der „Society of Hematopathology“ 2009 in Cleveland (Ohio) bot einen guten Überblick über das Spektrum von B-Zell-Neoplasien mit plasmazellulärer Differenzierung [20].

Tab. 1 Plasmazellneoplasiena

Zytogenetik und Molekulargenetik von Plasmazellneoplasien

Die Charakterisierung rekurrierender zytogenetischer Aberrationen erfolgte beim MM und anderen Plasmazellneoplasien deutlich später als beispielsweise bei anderen Typen maligner Lymphome. Die Hauptursache dafür lag in der geringen Proliferationsaktivität des intramedullären Plasmozytoms, was in vielen Fällen zu einer Dominanz von Metaphasen normaler Knochenmarkzellen in der klassischen zytogenetischen Untersuchung und damit zu falsch-negativen Ergebnissen führte. Erst die Einführung der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), vorzugsweise mit einer Doppelfärbung für Plasmazellantigene oder den klonalen Immunglobulin-Leichtkettentyp des Tumors, erlaubte eine von der Tumorzellproliferation unbeeinflusste Untersuchung zytogenetischer Aberrationen.

Praktisch alle Myelome zeigen in der FISH einen aneuploiden Karyotyp mit numerischen Aberrationen [13]. Durch eine Reihe von Studien an Myelomzelllinien und Primärtumormaterial zeigte die Arbeitsgruppe um M. Kuehl, dass viele Myelome Translokationen im Immunglobulin- (Ig-) Schwerkettenlocus zeigen, die sich jedoch von den klassischen Translokationen bei anderen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (B-NHL) unterscheiden. In den meisten Fällen von MM ist die Ig-Translokation nicht auf einen Fehler beim primären Ig-Rearrangement zurückzuführen, sondern entsteht während der letzten programmierten Genumlagerung in B-Zellen, während des Schwerkettenaustauschs, bei dem der Wechsel des Ig-Isotyps erfolgt [3, 7]. Dadurch gerät das dem Ig-Locus juxtaponierte Onkogen unter die Kontrolle der starken Ig-Enhancer-Regionen, was sich in der Überexpression eines strukturell meist normalen Proteins äußert.

Während bei vielen B-NHL der Translokationspartner subtypspezifisch ist, finden sich beim MM zahlreiche unterschiedliche Partnerregionen. In etwa 90% der Ig-Translokationen beim MM lässt sich eine der in Tab. 2 aufgeführten häufigen Partnerloci nachweisen. Insgesamt zeigen etwa 50–70% der MM eine Translokation von 14q32, wobei der genaue Prozentsatz deutlich von der Selektion der Fälle abhängt. Von Interesse ist, dass es in einem Teil der Fälle durch die Translokation zur transkriptionellen Aktivierung zweier verschiedener Gene auf den beiden beteiligten Chromosomen kommt. Dies ist bei der Translokation t(4;14)(p16;q32) der Fall, bei der in der Mehrzahl der Fälle sowohl FGFR3 als auch MMSET/WHSC1 durch Juxtaposition mit Ig-Enhancern hochreguliert sind [10]. Da etwa 25% der t(4;14)-positiven Fälle keine FGFR3-Transkripte zeigen, ist dieses Onkogen offensichtlich nicht obligat für die Tumorigenese dieser MM.

Tab. 2 Rekurrierende primäre Translokationen beim Plasmazellmyelom

Die häufigsten Translokationen sind t(4;14) und t(11;14), wobei es bei letzterer wie beim Mantelzelllymphom zu einer Hochregulation des Zellzyklusgens CCND1/Cyclin D1 kommt [22, 23]. MM mit der Translokation t(11;14) zeigen klinische und phänotypische Besonderheiten. Die häufige Expression von B-Zell-Markern wie CD20 kann gemeinsam mit der starken Überexpression von Cyclin D1 und der oft zu beobachtenden lymphoplasmozytischen Morphologie (Abb. 1 a–f) zur Fehldiagnose eines Mantelzelllymphoms führen.

Abb. 1
figure 1

a Knochenmarkaspirat eines gut differenzierten lymphoplasmozytischen Plasmozytoms mit einer Translokation t(11;14)(q13;q32) (Vergr. 400:1). b Knochenmarktrepanat mit Infiltration durch ein mäßig differenziertes Plasmozytom (Giemsa-Färbung, Vergr. 200:1). c Knochenmarktrepanat mit Infiltration durch ein plasmablastisches (anaplastisches) Plasmozytom (HE-Färbung, Vergr. 400:1). d Expression von CD20 in einem MM mit Translokation t(11;14). e Expression von Cyclin D1 in einem MM mit Translokation t(11;14). f Trisomie 9, 11 und 15 in einem primären extramedullären Plasmozytom (Multicolor-FISH). (Aus [8], mit freundlicher Genehmigung der Ferrata Storti Foundation, Pavia, Italien)

Die rekurrierenden Ig-Translokationen sind offensichtlich sehr frühe Ereignisse in der Pathogenese des MM und reichen für die Entstehung einer klinisch symptomatischen Erkrankung nicht aus, da sie in hoher Frequenz auch in Plasmazellen der MGUS gefunden werden können [12, 17]. Als relativ häufige sekundäre Translokationen finden sich Alterationen des C-MYC-Locus, die in etwa 10–15% unselektierter MM zu finden sind, aber in 50% der Fälle mit plasmablastischer Morphologie sowie häufig in Plasmazellleukämien [2]. Eine häufige numerische Aberration insbesondere bei MM mit Ig-Translokationen sind Deletionen von 13q bzw. die Monosomie 13, die in früheren Studien einen prognostisch ungünstigen Faktor darstellten [13, 17]. Eine zweite große Gruppe von MM zeigt einen hyperdiploiden Chromosomensatz mit zusätzlichen Kopien vor allem der Chromosomen 3, 5, 7, 9, 11, 15, 19 und 21. In dieser Gruppe sind die rekurrierenden Ig-Translokationen sowie die Monosomie 13 wesentlich seltener.

Die prognostische Wertigkeit der Zytogenetik ist durch die Einführung neuer Therapien einem deutlichen Wandel unterworfen. Viele der früher als ungünstig bewerteten Alterationen wie der Verlust von 13q oder die Translokation t(4;14) können durch neue Therapieansätze wie Thalidomid und Lenalidomid sowie den Proteasominhibitor Bortezomib weitgehend neutralisiert werden. Lediglich der Verlust von 17p sowie die Translokation t(16;20) behalten ihre ungünstige prognostische Wertigkeit [14].

Neben den oben angesprochenen Alterationen von C-MYC sind p53-Mutationen bzw. die Deletion 17p13, Mutationen von NRAS oder KRAS, Aktivierung des NF-κB-Signalwegs und Alterationen von 1q21 mit Überexpression von CKS1B Veränderungen, die sich häufig in fortgeschrittenen MM finden und mit schlechter Prognose assoziiert sind [27]. In den letzten Jahren wurden mittels globalem Genexpressions-Profiling die molekulare Klassifikation des MM verfeinert und prognostische Gruppen herausgearbeitet. Es zeigte sich, dass das Expressionsprofil entscheidend von den primären zytogenetischen Alterationen abhängig ist und sich prognostisch und klinisch distinkte Gruppen bilden lassen, die so genannte TC- (Translokation/Cyclin-) Klassifikation, wenn die durch die Ig-Translokationen hochregulierten Markergene und die Überexpression von D-Typ-Cyclinen einbezogen werden, die auch indirekt durch andere Mechanismen dereguliert werden können [5, 6, 23, 28].

Das multiple Myelom und sein „Mikro-Environment“

Das MM ist über einen weiten Zeitraum seiner Entwicklung auf das lokale Knochenmarkmikromilieu angewiesen, und es besteht eine enge Wechselwirkung von Plasmazellen und Stromazellen durch die lokale Sekretion von Zytokinen wie Interleukin- (IL-)6, „Insulin-like growth factor 1“ (IGF-1) und andere sowie durch direkten Zell-Zell-Kontakt. Von besonderer Bedeutung für das klinische Bild ist die Beeinflussung von Osteoblasten- und Osteoklastenfunktion sowie die Induktion der Angiogenese. Mit der genetischen Progression geht eine zunehmende Unabhängigkeit vom Knochenmarkstroma einher, was sich in extramedullärer Ausbreitung und leukämischer Ausschwemmung äußern kann. Die Tumorzellen des MM im Knochenmark zeigen eine Vielzahl konstitutiv aktivierter Signalkaskaden, unter denen der Stat3-, der Ras-MAP-Kinasen- und der AKT-Signalweg zu nennen sind [19, 21]. Diese Redundanz von antiapoptotischen und proliferationsfördernden Signalwegen ist für gezielte Therapien von großer Relevanz.

Differenzialdiagnose von Plasmazellneoplasien anhand der Zytogenetik

Vor allem bei extramedullären Plasmazellneoplasien und bei plasmazellulär differenzierten Tumoren in immunsupprimierten Patienten können sich differenzialdiagnostische Probleme ergeben. So ist die Unterscheidung zwischen einer extramedullären Ausbreitung eines MM und einem primären extramedullären Plasmozytom (EMP), das meist im oberen aerodigestiven Trakt auftritt, einen meist indolenten Verlauf zeigt und gut auf lokale Therapie anspricht, von großer klinischer Relevanz. Immunhistochemische und zytogenetische Untersuchungen unserer Arbeitsgruppe konnten zeigen, dass trotz der großen phänotypischen und molekulargenetischen Ähnlichkeiten diagnostisch relevante Unterschiede bestehen. So zeigen primäre EMP seltener Expression von CD56 und p53, keine t(11;14)-Translokationen, keine Überexpression von Cyclin D1 und auch keine sekundären Alterationen von C-MYC ([8, 18], Abb. 1 f).

Plasmablastisch differenzierte MM mit extramedullärer Ausbreitung und EMP müssen gegen das plasmablastische Lymphom abgegrenzt werden. Diese Entitäten zeigen eine sehr ähnliche Morphologie und Immunphänotyp [11]. Neben klinischen Merkmalen wie der Primärtumorlokalisation und der häufigen Assoziation mit Immundefizienz kann auch der Nachweis von Epstein-Barr-Virus (EBV) im plasmablastischen Lymphom hilfreich sein. Allerdings können sowohl EMP, MM in immunsupprimierten Patienten als auch vereinzelte Fälle von MM in immunkompetenten Individuen mit EBV assoziiert sein, sodass im Einzelfall eine sichere Klassifikation schwierig sein kann [9]. Der häufige Nachweis von C-MYC-Alterationen in plasmablastischen Lymphomen und plasmablastischen MM deutet auf eine gemeinsame genetische Endstrecke in der Erwerbung eines plasmablastischen Phänotyps hin ([25], Abb. 1 b).

Fazit für die Praxis

Das Plasmazellmyelom, seine Vorstufen und verwandte Neoplasien wurden in den letzten Jahren in ihrer molekulargenetischen und biologischen Heterogenität umfassend charakterisiert, was für Therapie und Prognoseabschätzung große praktische Relevanz erlangte. Der Einsatz immunhistochemischer Marker, vor allem aber die „Interphase-Zytogenetik“ mittels der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) hat in der täglichen Diagnostik sehr an Bedeutung gewonnen und erlaubt auch eine bessere Abgrenzung extramedullärer Manifestationen von Plasmazellneoplasien.