Im Raum Hannover existiert seit mehr als 1 Jahr ein so genanntes Traumanetzwerk. Es wurde mit dem Ziel gegründet, insbesondere für schwerstverletzte Patienten eine umgehende adäquate Behandlung in den Kliniken der Maximalversorgung zu garantieren. Schon in der Initialphase des Projekts wurde auch die Regionsleitstelle Hannover für Brandschutz, Hilfeleistung und Rettungsdienst – als in Deutschland derzeit viertgrößte ihrer Art – beteiligt, um grundsätzlich die Bedürfnisse einer Leitstelle in einem solchen Netzwerk zu berücksichtigen.

Im folgenden Beitrag sollen aus hannoverscher Sicht die Anforderungen einer regionalen Leitstelle und der angebundenen Rettungsorganisationen an ein Traumanetzwerk sowie die bereits gewonnenen Erfahrungen dargestellt werden.

Regionsleitstelle Hannover – Zahlen und Fakten

Die Regionsleitstelle Hannover ist eine so genannte Integrierte Leitstelle, welche als Kernaufgabe die Bearbeitung aller eingehenden Hilfeersuchen aus den Bereichen Brandschutz, Hilfeleistung und Rettungsdienst hat. Rund 1,1 Mio. Einwohner gilt es, auf einer Fläche von 2290 km2 zu versorgen (etwa vergleichbar mit der Größe des Saarlandes). Hieraus resultieren jährlich etwa 170.000 Einsätze (Abb. 1, Abb. 2, Abb. 3, Abb. 4, Abb. 5, Abb. 6), die sich grob gliedern in:

  • 95.000 Notfallrettungseinsätze,

  • 60.000 Krankentransporte und

  • 15.000 Feuerwehreinsätze.

Aus diesen Zahlen ist erkennbar, dass der quantitative Schwerpunkt in der Bearbeitung der Notfallrettungseinsätze liegt, im Jahresdurchschnitt fallen rund 260 Notfälle/Tag an. Für ihre Abwicklung sind in Spitzenzeiten mehr als 50 Rettungsmittel [RTW (Rettungswagen), NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) und RTH (Rettungshubschrauber)] parallel einsetzbar. Diese Einsätze sind in Bezug auf das Thema dieses Beitrags für die weiteren Betrachtungen bedeutsam.

Abb. 1
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Verteilung der Einsätze in der Regionsleitstelle Hannover

Personell verfügt die Regionsleitstelle über 44 Disponenten sowie 6 Lagedienstführer, die in 4 Schichten den Betrieb 24 h an 365 Tagen im Jahr sicherstellen. Hinzu kommen 3 Mitarbeiter, welche die im Wesentlichen an Werktagen anfallenden Krankentransportaufträge aufnehmen und disponieren.

Abb. 2
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Blick in die Regionsleitstelle

Abb. 3
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Brandeinsatz

Abb. 4
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Gefahrstoffeinsatz

Abb. 5
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Einsatz des Rettungswagens

Abb. 6
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Bewältigung von Großschadenslagen, Zugunglück bei Eschede

Anmelden von Patienten in den Kliniken

Mit Bezug auf die oben genannten Zahlen – durchschnittlich 260 Notfallrettungen pro Tag bei bis zu 50 parallel eingesetzten Rettungsmitteln – wird deutlich, dass die Anmeldung von Patienten in Krankenhäusern ein erhebliches Problem darstellt, wenn sie nicht weitgehend reibungslos abgewickelt werden kann.

Bevor näher auf die Avisierungsthematik eingegangen wird, soll der allgemeine Ablauf der Disposition eines Rettungsdiensteinsatzes beschrieben werden. Im weiteren Verlauf werden vergleichend die Vor- und Nachteile einer Klinik ohne und mit Anbindung an ein Traumanetzwerk dargestellt, um daraus die Anforderungen einer Rettungsleitstelle abzuleiten.

Dispositionsablauf

Er gliedert sich im Regelfall wie folgt:

  1. 1.

    Notrufannahme und -abfrage

  2. 2.

    Treffen einer Entscheidung aufgrund des Meldebildes

  3. 3.

    Disposition und Alarmierung des Rettungsmittels

  4. 4.

    Überwachung des Rettungsmittels

  5. 5.

    Entgegennahme und Protokollierung von Rückmeldungen

  6. 6.

    Suchen eines „freien Bettes“ und ggf. Anmeldung in einer Klinik

  7. 7.

    Patientendaten aufnehmen und Entlassen des Rettungsmittels

Speziell die Suche nach einer Aufnahmeklinik für schwerstverletzte Patienten gestaltet sich häufig sehr schwierig und zeitaufwändig. Betrachtet man dazu die hohe Anzahl der zu Spitzenzeiten parallel laufenden Rettungsmittel, wird schnell ersichtlich, wie wichtig aus Sicht der Rettungsleitstelle eine unkomplizierte Anmeldung mit einer garantierten Übernahme des Patienten ist.

Anmeldung eines Patienten in einer Klinik ohne Anbindung an ein Traumanetzwerk und ohne Traumatelefon

Nach der Versorgung schwerstverletzter oder lebensbedrohlich erkrankter Patienten durch den Rettungsdienst vor Ort ist es Aufgabe der Rettungsleitstelle, eine aufnahmebereite Klinik zu finden und den Betroffenen entsprechend anzumelden. Mit Rückblick auf Dispositionsablauf sollen die Aspekte, die bei der Anmeldung von Patienten in einer Klinik ohne Anbindung an ein Traumanetzwerk im Fokus der Leitstelle stehen und deren Arbeit erschweren, betrachtet werden.

Der erste Anruf in einem Krankenhaus wird in der Regel von einer Krankenschwester oder einem Krankenpfleger in der Notaufnahme entgegengenommen. Insbesondere in den Nachtstunden muss im weiteren Verlauf ein Arzt konsultiert werden. Auch hier sind evtl. Rückfragen erforderlich, sodass aus der praktischen Erfahrung heraus zwischen 5 und 15 min vergehen, in denen das Rettungsmittel mit dem Patienten vor Ort auf eine Antwort wartet und ein Disponent komplett gebunden ist.

Muss der bereits geschilderte Ablauf in 2 oder gar 3 Kliniken wiederholt werden, summieren sich die Wartezeit des Patienten, die Bindung der beteiligten Rettungsmittel und des Disponenten. Oft entscheidet der Notarzt vor Ort, zunächst in Richtung einer vermutlich aufnahmebereiten Klinik zu starten. Erhält er über die Leitstelle jedoch eine Absage, beginnt teilweise eine Art „Klinikodyssee“.

Hierbei vergeht wertvolle Zeit, in der

  • der Patient noch nicht adäquat klinisch behandelt werden kann,

  • die beteiligten Rettungsmittel gebunden und somit für Folgeeinsätze nicht verfügbar sind und

  • der Disponent für andere Aufgaben nicht zur Verfügung steht.

Anmeldung eines Patienten in einer Klinik im Traumanetzwerk mit Traumatelefon

In einer Klinik innerhalb eines Traumanetzwerkes mit einem ständig besetzten Traumatelefon verbessern sich aus Sicht der Leitstelle die Umstände bei der Unterbringung eines Patienten erheblich. Die oben beschriebenen Schwierigkeiten treten in der Regel nicht auf und müssen somit nicht bewältigt werden.

Der erste Anruf in einem Krankenhaus in einem Traumanetzwerk wird durchgängig von einem kompetenten Arzt entgegengenommen, der sofort entscheiden kann, ob für einen schwerstverletzten Patienten adäquate Versorgungsmöglichkeiten bestehen. Erleichternd kommt hinzu, dass die Kliniken der Maximalversorgung innerhalb des Netzwerks eine Aufnahmegarantie abgegeben haben und die Aufnahme eines Patienten nur in Ausnahmefällen abgelehnt wird.

Sowohl der operative Rettungsdienst als auch die Leitstelle werden deutlich entlastet. Die zeitliche Bindung der Disponenten beschränkt sich auf wenige Minuten, ebenso die Wartezeit der Rettungsmittel und der Patienten vor Ort.

Vor dem Hintergrund, dass am Traumatelefon ständig und sofort ein kompetenter Ansprechpartner erreichbar ist, nutzen die vor Ort befindlichen Notärzte oft auch die Möglichkeit, über die mitgeführten Mobilfunktelefone direkt Kontakt mit dem dortigen Arzt aufzunehmen. Die Modalitäten einer Aufnahme mit Anwesenheit aller geforderten Fachdisziplinen auf diesem Weg abzuwickeln, vermeidet auch Übermittlungsfehler.

Anforderungen an ein Traumanetzwerk aus Sicht der Leitstelle

Die Anforderungen einer Rettungsleitstelle und der im operativen Rettungsdienst Beteiligten an ein Traumanetzwerk beschränken sich auf wenige Punkte. Im Wesentlichen sollten folgende Ansprüche erfüllt sein:

  • Im Traumanetzwerk muss in den Kliniken ein kompetenter Arzt ständig und sofort über eine feste Telefonnummer erreichbar sein.

  • Im Traumanetzwerk muss in den Kliniken eine grundsätzliche Aufnahmepflicht für Schwerstverletzte auch bei Primäreinsätzen bestehen.

  • Im Traumanetzwerk muss in den Kliniken ein eindeutiges Melden am Traumatelefon (z. B.: „Traumatelefon der Medizinischen Hochschule Hannover, Sie sprechen mit …“) erfolgen.

  • Im Traumanetzwerk muss ein Gespräch vom Notarzt vor Ort zum Arzt am Traumatelefon möglich sein.

  • Im Traumanetzwerk müssen Spezialkliniken, wie Kinder- oder Verbrennungszentren, integriert sein.

Bei der Gründung des Traumanetzwerks in Hannover wurden die Wünsche der Rettungsleitstelle und -organisationen in der Planungsphase gehört und mit berücksichtigt.

Erfahrungen mit dem Traumanetzwerk in Hannover

Das System des Traumanetzwerks in Hannover hat sich aus Sicht der Rettungsleitstelle und der Rettungsorganisationen sehr gut bewährt.

Die Kliniken der Maximalversorgung im Netzwerk garantieren durchgängig die Aufnahme von Schwerstverletzten auch bei Primäreinsätzen. Spezialkliniken zur Versorgung von Kindern und Brandverletzten wurden integriert. In allen angeschlossenen Häusern ist stets ein kompetenter Ansprechpartner über eine feste Telefonnummer erreichbar. Damit verbunden ist jederzeit ein Gespräch von Arzt zu Arzt möglich – eine Option, die sich etabliert hat, Friktionen bei der Anmeldung eines Patienten vermeidet und somit bereits häufig genutzt wird.

Die Disponenten der Regionsleitstelle Hannover für Brandschutz, Hilfeleistung sowie die Rettungsassistenten und Notärzte im operativen Rettungsdienst spüren täglich die deutlich verbesserte Situation und Entlastung bei der Anmeldung und der Abnahme schwerstverletzter Patienten.

Aufgrund der Aufnahmeverpflichtung und des stets und sofort erreichbaren Arztes über das Traumatelefon konnten die zeitliche Bindung der Disponenten am Telefon und die Wartezeit der Rettungsmittel vor Ort deutlich reduziert werden. „Klinikodysseen“ sind nunmehr vermeidbar, und Rettungsmittel stehen schneller für Folgeaufträge zur Verfügung.

Als weiterer positiver Effekt kann festgehalten werden, dass wesentlich weniger Irritationen zwischen der Leitstelle und den Notaufnahmen der an das Traumanetzwerk angeschlossenen Kliniken auftreten.

Aus Sicht der Regionsleitstelle Hannover war die Entscheidung, in der Initialphase zur Bildung eines Traumanetzwerks in der niedersächsischen Landeshauptstadt die Bedürfnisse der zugehörigen Rettungsleitstelle sowie der angeschlossenen Rettungsorganisationen in die Planungen einzubeziehen und später umzusetzen, richtig und im Ergebnis sehr erfolgreich.