Beginnend mit der großen Polioepidemie der 1950er Jahre ist die maschinelle Beatmung eine lebensrettende Therapieoption bei kritisch kranken Patienten und deshalb ein unabdingbarer Bestandteil der Intensivmedizin. Durch die mittlerweile weitverbreitete Anwendung der protektiven Beatmung mit einem Tidalvolumen von 6 ml/kgKG und der Begrenzung des Spitzendrucks auf 30 mbar sowie die Titration des positiven endexspiratorischen Drucks („positive end-expiratory pressure“, PEEP) konnten die durch mechanischen Stress der alveolokapillären Einheit induzierten pathologischen Veränderungen („ventilator-associated lung injury“, VALI, [3]) reduziert werden.

Primäres Ziel: Zeit gewinnen

Dennoch ist insbesondere die Beatmung über längere Zeit (> 7 Tage) mit unerwünschten Komplikationen wie z. B. ventilatorassoziierter Pneumonie (VAP), Atrophie der Atemmuskulatur oder ventilatorinduzierter diaphragmaler Dysfunktion (VIDD) sowie zunehmendem Patientendyskomfort assoziiert, sodass eine prolongierte maschinelle Beatmung mit einer erhöhten Morbidität und Letalität einhergeht [2, 4]. Darüber hinaus ist und bleibt die maschinelle Beatmung eine vorübergehende supportive Therapie, die helfen kann, Atem- und Gasaustauschstörungen infolge schwerer akuter Krankheitsbilder wie „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS), Sepsis, Polytrauma etc. zu überbrücken. Zu einem Heilungsprozess trägt sie nur insoweit bei, als man durch ihren Einsatz Zeit für den Patienten gewinnt, bis andere Therapien erfolgreich sind (z. B. Antiinfektiva bei Pneumonie oder Sepsis). Nach initialer Sicherung von Oxygenierung und Ventilation sowie der Überwindung der Grunderkrankung muss es daher das vorrangige Ziel der intensivmedizinischen Behandlung sein, den Patienten so schnell wie möglich von der invasiven maschinellen Beatmung zu entwöhnen und ihn wieder in eine suffiziente, unabhängige Spontanatmung zu überführen.

Die Entwöhnung oder das Weaning beginnt mit der Intubation.

Nach Penuelas et al. [8] lassen sich etwa 55 % der beatmeten Intensivpatienten problemlos entwöhnen; bei 39 % ist dieser Prozess schwierig und bei 6 % der Patienten erheblich prolongiert und dann mit einer erhöhten Letalität assoziiert. Der Anteil der Entwöhnung an der Gesamtbeatmungszeit beträgt in epidemiologischen Studien ca. 50 %, bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen wie chronisch obstruktiver Lungenerkrankung („chronic obstructive pulmonary disease“, COPD, [7]) mitunter deutlich mehr. Die Gestaltung des Weanings – des Übergangs von kontrollierter maschineller Beatmung zur freien Spontanatmung – erfordert daher einen mehrschichtigen Ansatz.

Zunächst muss die Grunderkrankung so weit beherrscht sein, dass eine ausreichende hämodynamische und metabolische Stabilität gewährleistet, die pulmonale Gasaustauschfunktion gebessert, Fieber dauerhaft gesenkt und der Patient damit überhaupt wieder in der Lage ist, die Atemarbeit zu übernehmen.

Spätestens an diesem Punkt stellt sich die Frage, ob ein Beatmungsgerät durch geeignete Variationen von Unterstützungsdruck, PEEP, Atemzugvolumen oder inspiratorischer Sauerstoffkonzentration diesen Weaning-Prozess unterstützen bzw. optimieren kann. Ist es möglich, den koordinierten Prozess von Triggerung der Inspiration, Atempause und Exspiration in die Steuerungsalgorithmen des Beatmungsgeräts so zu integrieren, dass die Interaktion zwischen Patient und Respirator optimal angepasst ist und so der „subjektive Lufthunger“ des Patienten gestillt wird?

Kann die geschonte und bereits atrophierte Atemmuskulatur [6] am Beatmungsgerät wieder trainiert und gleichzeitig die Belastungsgrenze der Atempumpe so frühzeitig erkannt werden, dass es nicht zu einer Erschöpfung der Atemmuskeln kommt?

Können augmentierte Spontanatmungsmodi v. a. kritische Patienten für den allgemein geforderten 30-min-Spontanatmungsversuch fit machen? Oder ist allein ein Weaning-Protokoll, ausgeführt von einem erfahrenen und engagierten Behandlungsteam aus Pflege, Physiotherapie und Ärzten in der Lage, den Weaning-Erfolg zu gewährleisten [2]?

Aus den großen Studien Mitte der 1990er Jahre wissen wir, dass ein respiratorunterstützter Weaning-Modus, nämlich der „Synchronized-intermittent-mandatory-ventilation“(SIMV)-Modus, einem simplen T-Stück-Versuch oder der einfachen Druckunterstützung („pressure support ventilation“, PSV) bezüglich der erfolgreichen Entwöhnung unterlegen war [5]. Gilt T-Stück oder PSV „is the best“ auch heute noch? Oder haben klinisch orientierte Forscher und Ingenieure der Beatmungsgerätehersteller gemeinsam Respiratorfunktionen entwickelt, die schneller, mit weniger Personalaufwand und mit höherem Patientenkomfort zum Erfolg führen?

Herr Kollege Bein gibt in seinem Review mit dem Titel „Aktuelle Konzepte der unterstützten Spontanatmung. Neue Wege zum differenzierten Weaning“ einen aktuellen Überblick über die vorliegenden Daten zu den verschiedenen unterstützenden Spontanatmungsmodi und beurteilt ihren Stellenwert im Entwöhnungsprozess. Obwohl er feststellen muss, dass der „research community“ und den Beatmungsgeräteherstellern der Auftrag bleibt, die entwickelten Verfahren in großen prospektiven Studien in speziellen Patientengruppen bezüglich Outcome-Verbesserung zu untersuchen, sollten uns Kliniker die bislang erzielten Ergebnisse stimulieren, uns mit diesen Verfahren zu beschäftigen. Die Lektüre der Arbeit kann einen ersten Beitrag leisten, mit diesen unterstützenden Spontanatmungsverfahren vertrauter zu werden und diese nach sorgfältiger Indikationsstellung bei den eigenen Patienten auch sinnvoll einsetzen zu können. Denn nur durch die überlegte Anwendung von medizintechnischen Entwicklungen in der intensivmedizinischen Praxis können wir die ärztliche Erfahrung erweitern und unseren Patienten besser helfen. Auch wenn am Ende des Weanings natürlich die freie und suffiziente Spontanatmung steht, können augmentierte Spontanatmungsmodi – individuell adaptiert – dem Patienten den Weg dorthin möglicherweise erleichtern.

M. Ragaller