1 Einleitung

In Deutschland werden Erbbaurechte v. a. von Kommunen, Kirchen und größeren, z. T. öffentlich-rechtlichen Stiftungen ausgegeben (z. B. Klosterkammer Hannover). Seit einigen Jahren erhält das Erbbaurecht dabei wieder eine stärkere Aufmerksamkeit, und zwar als potenzielles liegenschaftspolitisches Instrument von Kommunen. Dies schlug sich in einer Vielzahl von Veranstaltungen nieder, unter denen insbesondere der vom Bundesinnenministerium initiierte Fachdialog Erbbaurecht zu nennen ist (BMI 2020). Auch die „Baulandkommission“ empfahl den Kommunen, das Erbbaurecht insbesondere als Instrument für bezahlbaren Wohnungsbau verstärkt in Erwägung zu ziehen (BMI 2019).

Das Erbbaurecht basiert auf einer Trennung der Eigentumsrechte am Grundstück und am Gebäude (BMI 2020, S. 10). Es stellt ein grundstücksgleiches Recht (i. d. R. auf Zeit) dar, bei dem der Grundstückseigentümer („Erbbaurechtgeber“) dem Erbbauberechtigten („Erbbaurechtnehmer“) das Recht erteilt, auf seinem Grundstück ein Bauwerk zu errichten (§ 1 Abs. 1 ErbbauRG). Das Erbbaurecht kann belastet, verkauft und vererbt werden; es handelt sich um ein beschränktes dingliches Recht. Für die bauliche Nutzung entrichtet der Erbbaurechtnehmer an den Erbbaurechtgeber einen Erbbauzins. Das Gebäude, das sich zunächst im Eigentum des Erbbaurechtnehmers befindet, fällt nach Ablauf des Erbbaurechtvertrags (i. d. R. gegen Entschädigung, § 27 ErbbauRG) an den Erbbaurechtgeber. Die vertragliche Ausgestaltung kann allerdings im Einzelfall sehr unterschiedlich aussehen (hierzu: Böttcher 2018).

Anders als in anderen Ländern fristet das Erbbaurecht in Deutschland bislang aber ein Schattendasein; es stellt eher einen Fremdkörper im durch „Volleigentum“ geprägten deutschen Immobilienmarkt dar. Der Markt für Erbbaurechte ist intransparent, und genaue Zahlen fehlen. Es wird geschätzt, dass lediglich für 3–5 % der Immobilien Erbbaurechte bestellt wurden (v. Oefele et al. 2016, S. 19).

Erbbaurechte wurden in der Vergangenheit in Deutschland v. a. aus juristischer, aus städtebaulicher, sozialer und aus wertermittlungstechnischer Perspektive beleuchtet. Die systematische Analyse der ökonomischen Aspekte kam hingegen zu kurz. Nachfolgend wird daher aus ökonomischer Sicht der Frage nachgegangen, warum Erbbaurechte in Deutschland auf eine so geringe Akzeptanz stoßen. Die These lautet, dass dies in einer im Vergleich zu Volleigentum ungünstigen Rendite‑/Risiko-Position sowie in weiteren Nachteilen begründet liegt, die auf die Aufspaltung von Eigentumsrechten zurückzuführen sind und v. a. für nicht-institutionelle Investoren von Relevanz sein können. Es wird dargestellt, wie sich Erbbaurechte „marktgerechter“ gestalten lassen. Aus Raumgründen und weil die fehlende „Marktgerechtigkeit“ hier von besonderer Relevanz ist, stehen Wohnnutzungen im Vordergrund.

2 Neue empirische Befunde in Deutschland: Die GEWOS-Studie

Im Rahmen des 2018–2019 durchgeführten ExWoSt-Projektes „Fachdialog Erbbaurecht“ stellte eine vom GEWOS-Institut erstellte Expertise einen Kernbestandteil dar. Diese liefert auf Grundlage einer Befragung die aktuellsten Befunde zum Einsatz von Erbbaurechten in Deutschland (GEWOS 2018). Dabei wurden Kommunen befragt. Die nachfolgenden Ausführungen nehmen schwerpunktmäßig auf diese Studie Bezug.

Von den 46 teilnehmenden Städten hatten 21 Städte auch in den letzten fünf Jahren Erbbaurechtsbestellungen durchgeführt. Dabei ragt Frankfurt mit rund 1000 neue Erbbaurechten in den letzten zehn Jahren heraus. In Hamburg wurden in den letzten Jahren 160 Erbbaurechte neu vergeben. Es folgt die Stadt Lübeck mit 81 Erbbaurechtsbestellungen für Wohnzwecke. Die restlichen Städte vergaben weniger als 30 Wohnerbbaurechte während der letzten fünf Jahre. Generell ergibt sich der Eindruck, dass Erbbaurechte von Kommunen mittlerweile zwar wieder verstärkt eingesetzt werden, diese aber – wenn man sie in Relation zum gesamten Wohnungsbestand setzt – immer noch eine untergeordnete Rolle spielen. Erbbaurechte werden nach wie vor wenig in gesamtstädtische Wohnungsbaustrategien oder bodenpolitische Grundsatzbeschlüsse eingebettet (Senner 2019, S. 202).

Die GEWOS-Studie zeigt ebenfalls deutlich, dass Erbbaurechte v. a. im Bereich von Einfamilienhäusern primär zur Eigentumsbildung bei Schwellenhaushalten Anwendung finden (GEWOS 2018, S. 15 und S. 16, Abb. 7). Erbbaurechte für Mehrfamilienhäuser bzw. im Bereich des Mietwohnungsbaus spielen hingegen kaum eine Rolle (eine gewisse Ausnahme stellt Stuttgart dar; GEWOS 2018, S. 15). Insgesamt war das Erbbaurecht im Mietwohnungsbau in den letzten Jahren quantitativ wenig bedeutend.

In finanzieller Hinsicht werden von den Erbbaurechtnehmern v. a. Liquiditätsersparnisse als Vorteile benannt; bei den Erbbaurechtgebern stellt sich jedoch korrespondierend das Problem fehlender Liquidität aus Veräußerungen. Ansonsten fällt auf, dass der Erbbauzins vor dem Hintergrund der Kapitalmarktsituation häufig als problematisch angesehen wird, die Veräußerbarkeit eingeschränkt ist und die Beleihungsakzeptanz als schwierig angesehen wird.

Bezüglich des Erbbauzinses wurde in der GEWOS-Studie zwar keine Differenzierung zwischen Ein‑, Zwei- und Mehrfamilienhäusern vorgenommen. Die GEWOS-Studie stellte jedoch fest, dass die Kommunen generell ihre Konditionen nicht wesentlich an die veränderten Kapitalmarktverhältnisse angepasst haben; zu einem erheblichen Teil bewegten sich die auf den Bodenwert angelegten Erbbauzinssätze in einem Bereich von bis zu fünf Prozent (GEWOS 2018, S. 18).

In der GEWOS-Studie wurden allerdings auch einige Städte identifiziert, welche ihre Erbbauzinssätze erheblich gesenkt haben (z. B. Frankfurt a. M., Hamburg und München; GEWOS 2018, S. 18). Die Studie stellte auch fest, dass einige Städte Erbbaurechte – vorrangig zum Zwecke der Bezuschussung bezahlbaren Wohnens – zu einem deutlich reduzierten anfänglichen Erbbauzinssatz von 0,50–1,00 % p. a. herausgeben. Teilweise wird im Mietwohnungsbau eine Absenkung des Erbbauzinssatzes bis zu null Prozent p. a. ermöglicht (GEWOS 2018, S. 18), so z. B. von Kommunen des Rems-Murr-Kreises gegenüber der Kreisbaugruppe (Braune 2019).

Insgesamt zeigt die Studie aber, dass zumindest die kommunale Praxis immer noch am Markt vorbeigeht. Die Erkenntnisse, die im Rahmen des Fachdialogs Erbbaurecht gewonnen wurden, können jedoch von Kommunen für eine andere Praxis der Ausgabe von Erbbaurechten genutzt werden.

3 Kriterium „Marktkonformität“

Die Kernthese dieser Abhandlung lautet, dass sich das Erbbaurecht ohne eine marktgerechte Ausgestaltung nicht durchsetzen kann. Dies betrifft nicht zuletzt auch die Akzeptanz bei nicht-institutionellen Investoren. Unter einer marktgerechten Ausgestaltung wird verstanden, dass sowohl der präsumtive Erbbauverpflichtete (nachfolgend: „Erbbaurechtgeber“) wie auch der Erbbauberechtigte (nachfolgend: „Erbbaurechtnehmer“) bei einer hypothetischen oder faktischen freien Wahl zwischen Erbbaurecht und Volleigentum zumindest indifferent zeigen oder aber das Erbbaurecht vorziehen würde. Als Referenz muss also ein Wettbewerbsmarkt, und nicht ein zugunsten des Erbbaurechtgebers monopolistisch verzerrter Markt dienen, in dem der Investor als Erbbaurechtnehmer vor der Wahl steht, entweder das Erbbaurecht mit marktwidrigen Konditionen zu akzeptieren oder sein Projekt gar nicht verwirklichen zu können (Löhr 2017, S. 3). „Marktgerechtigkeit“ berührt nicht nur die Beziehungen zwischen Erbbaurechtgeber und Erbbaurechtnehmer: Die Vertragsbeziehungen wirken sich auch auf die Beleihbarkeit, die Veräußerbarkeit oder die Konditionen bei Vermietung aus und zeigen sich ebenfalls im Wert des Erbbaurechts bzw. des Erbbaugrundstücks.

Nachfolgend soll eine Analyse bezüglich der Marktgerechtigkeit ausgewählter Erbbaurechtsmodelle anhand wesentlicher wertrelevanter Komponenten durchgeführt werden. Steuerliche und rechtliche Aspekte fließen nur am Rand ein. Die verschiedenen „Werttreiber“ werden anhand eines vereinfachten Beispielsfalls erläutert, der sich durch den Text zieht.

4 Aspekte einer marktgerechten Ausgestaltung

4.1 Relevante Nachteile des Erbbaurechts

Zumindest deutsche Investoren in Wohnimmobilien sind bezüglich des Erbbaurechts zurückhaltend (FAZ 2019; GEWOS 2018, S. 23–26). Über das Erbbaurecht werden die Eigentumsrechte an einer Immobilie „auseinandergerissen“. Hierdurch werden Transaktionskosten erzeugt, die bei einer Immobilie im Volleigentum nicht anfallen. Dabei handelt es sich v. a. um Überwachungs- und Durchsetzungskosten, aber – angesichts des Charakters als eines langfristigen und unvollständigen Vertrages (Richter und Furubotn 2003, S. 168) – auch um die Kosten möglicher Nachverhandlungen bestehender Verträge. Der Erbbaurechtnehmer hat i. d. R. mehr oder weniger starke Eingriffe in die Verfügungsrechte zu erdulden; oft werden die Erbbaurechtsverträge auch unnötig mit solchen Eingriffen überfrachtet. Im Rahmen des Münchner Verfahrens (Werth 1989), das sowohl bei der Verkehrs- wie auch bei der Beleihungswertermittlung verwendet wird, werden diese Nachteile (je nach Verfügbarkeit von Vergleichsdaten aus dem Markt) mit Abschlägen von 10 bis zu 50 % des Bodenwertes bzw. von 5 bis zu 15 % des Gesamtwertes der Immobilie wertmindernd angesetzt (Schneider 2017, S. 10–11). Dies führt sowohl zu Problemen bei der Veräußerbarkeit wie auch bei der Beleihbarkeit.

Der in Deutschland dominierende Einsatz von Erbbaurechten im Kontext von Einfamilienhäusern zu eigenen Wohnzwecken unterscheidet sich z. T. deutlich von anderen Ländern, wie z. B. den USA (Funt 2019; s. auch Abschn. 2). Dies ist teilweise auf Tradition, teilweise aber auch auf institutionelle Hemmnisse (z. B. die geringe Kompatibilität des Erbbaurechts mit den Regelungen des WEG) zurückzuführen. Die Fokussierung auf Einfamilienhäuser führt u. a. dazu, dass die einschlägigen Kosten und Wertminderungen nicht auf eine Mehrzahl von Wohneinheiten verteilt werden können.

Die Skepsis vieler Investoren ist angesichts dieser Nachteile insoweit nachvollziehbar.

4.2 Relevante Vorteile des Erbbaurechts

Mit Erbbaurechten sind jedoch auch Vorteile verbunden. Damit Erbbaurechte aber kompetitiv werden, müssten diese Vorteile die oben angerissenen Nachteile zumindest kompensieren.

Vorteile bestehen aus Sicht kommunaler Erbbaurechtgeber v. a. in städtebaulicher Hinsicht (der Zugriff auf das Grundstück bleibt erhalten) und aufgrund der Tatsache, dass Sozialbindungen – anders als bei Volleigentum – über die gesamte Dauer des Erbbaurechtvertrages möglich sind (BGH, Urteil vom 8. Februar 2019, Az. V ZR 176/17).

Als Vorteil auf Seiten des Erbbaurechtnehmers wird i. d. R. die Liquiditätsersparnis genannt, die sich aus dem „kapitallosen“ Zugang zum Boden v. a. bei höheren Bodenwertniveaus ergibt (s. Abschn. 2). Korrespondierend hierzu muss der Erbbaurechtgeber u. U. jedoch auf Liquidität durch potenzielle Veräußerungserlöse des Grundstücks verzichten. Zudem sind die Erbbauzinsen im Rahmen von Vermietungen ertragsteuerlich abzugsfähig – allerdings mindert sich der Vorteil in konsolidierter Betrachtung (über beide Partner hinweg), wenn der Erbbaurechtgeber die Erbbauzinsen versteuern muss.

Das Erbbaurecht weist noch einen weiteren spezifischen Vorteil auf, der bislang kaum diskutiert wurde (BMI 2020, S. 10–11): Mit der Aufspaltung der Eigentumsrechte hat man auch zwei Akteure auf unterschiedlichen Marktseiten, die miteinander in einen Austausch treten. Wo ein solcher Austausch stattfindet, sind jedoch i. d. R. auch Tauschgewinne möglich. Das Erbbaurecht kann nämlich als ein Instrument zur Reallokation von Risiken begriffen werden. Beispielsweise sind gebäudebezogene Risiken (übersehene Baumängel, größere Reparaturen etc.) zu einem erheblichen Teil vom Vermieter zu tragen; der Erbbaurechtgeber kann sich dieser Risiken hingegen i. d. R. entledigen. Bei einem Ausfall des Mieters hat zudem der Vermieter zwar die Kaution, aber ansonsten de facto oft nicht viel in der Hand. Räumungsklagen benötigen Zeit und kosten auch Nerven; häufig müssen die Kosten vorgestreckt werden. Nicht selten bleiben die Vermieter bei Zahlungsausfällen auf einem erheblichen Teil der Verluste sitzen. Zuweilen wird die Wohnung auch in verwüstetem Zustand hinterlassen. Der Schutz gegen Mietausfälle und Mietnomaden kostet ebenfalls Geld. Ein Erbbaurechtnehmer hingegen wird einen Zahlungsausfall möglichst vermeiden, da er das im Gebäude steckende Eigenkapital verlieren kann. Das Gebäude dient letztlich als Sicherheit für die Erbbauzinsforderungen sowie die Zins- und Tilgungsforderungen der Bank. Die Ausfallwahrscheinlichkeit säumiger Erbbaurechtnehmer ist erfahrungsgemäß sehr gering. Im Falle eines dauerhaften Zahlungsausfalls kann Seitens der Bank oder des Erbbaurechtgebers die Zwangsversteigerung betrieben werden. Regelmäßig werden die Verträge so gestaltet, dass der Erbbauzins im Falle einer Zwangsversteigerung bestehen bleibt. Je besser der Standort (und je höher der Bodenwert), umso höher ist die Chance, dass ein Erwerber den Vertrag fortführt. Betreibt die Bank die Zwangsversteigerung, sind die weiteren Erbbauzinszahlungen dann vom Erwerber zu übernehmen. Falls die Ansprüche des Erbbaurechtgebers noch zusätzlich durch Heimfallregelungen gestützt werden, gelten die Ansprüche der Erbbaurechtgeber als „überbesichert“ (Ernst & Young 2017, S. 4, table 1.2). Bock und Nagel (2019, S. 184–185) verweisen auf empirische Untersuchungen, nach denen der Heimfall so gut wie nie ausgeübt werden braucht. Im Übrigen müsste der Grundstückseigentümer bei Geltendmachung des Heimfalls auch die auf dem Gebäude lastenden Schulden übernehmen (§ 33 ErbbauRG).Footnote 1 Generell gilt: Je höher das Eigenkapital des Erbbaurechtnehmers, umso größer die Sicherheit für Bank und Erbbaurechtgeber. Schließlich kann auch noch eine gewisse Abkopplung von der wirtschaftlichen Situation des Erbbaurechtnehmers durch eine Indexierung des Erbbauzinses erreicht werden, die sich am Verbraucherpreisindex orientiert. Der Erbbaurechtgeber erhält i. d. R. somit einen hochgradig sicheren Zahlungsstrom. Dessen Risiko ist (bei geeigneter Gestaltung) oftmals nicht weit weg von dem einer festverzinslichen Bundesanleihe (Löhr 2017, S. 12). Allerdings ist zumindest in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase die Rendite aus einem Erbbaugrundstück deutlich höher; zudem sind die Erbbauzinsen i. d. R. auch gegen Entwertung durch Inflation gesichert (Aholt 2016; Sänze 2017). Dies kann trotz der geringeren Fungibilität den Anforderungen von Investoren u. U. besser entsprechen als die Investition in eine Bundesanleihe.

Anders beim Erbbaurechtnehmer: Dieser hat den Erbbauzins unabhängig davon zu tragen, ob es ihm wirtschaftlich gut oder schlecht geht (JLL 2019, S. 6; Keilhauer 2017, S. 5; Löhr 2019, S. 188). Separat von den Finanzierungskosten, welche Erbbaurechtnehmer und Volleigentümer im Verhältnis zum Investitionsvolumen in ähnlicher Weise zu tragen habenFootnote 2, stellen die Erbbauzinsen insoweit noch eine zusätzliche Fixkostenbelastung des Erbbaurechtnehmers dar. Diese wirkt sich sowohl auf die Erträge wie die Liquidität aus. Im Falle einer positiven Geschäftsentwicklung ergibt sich hieraus eine entsprechend hohe Chance, bei einem Misserfolg aber auch eine erhöhte Verlustgefahr. Der Erbbaurechtnehmer trägt also über die fixierten Erbbauzinsen ein entsprechend erhöhtes sog. Operating Leverage-Risiko. Dieses muss abgegolten werden, wenn der Erbbaurechtskontrakt marktkonform sein soll.

Wie durch diese Risikoverlagerung ein Mehrwert gegenüber Volleigentum erzeugt werden kann, wird im nachfolgenden Abschnitt erläutert. Hierbei kommt das von David Ricardo (2004) entdeckte Prinzip der komparativen Vorteile zum Tragen, das bei Weitem nicht auf den Außenhandel beschränkt ist. Vielmehr handelt es sich um ein Grundprinzip des arbeitsteiligen Austauschs (Samuelson 1998, S. 778), der an anderer Stelle von der Finanzindustrie rege genutzt wird (z. B. bei Zinsswaps; s. Hull 2009, S. 203–205; zur Kritik s. S. 206–207).

4.3 Potenzielle Tauschgewinne

Nachfolgend wird das Entstehen eines Tauschgewinns aufgrund der Risikoverschiebung anhand eines Beispiels illustriert, das in den nachfolgenden Abschnitten fortentwickelt wird (das Beispiel beruht auf Löhr und Braun 2017). Dabei geht es nicht um eine exakte Darstellung der wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern um eine grobe Illustration der Wirkung der wertbeeinflussenden Komponenten. Die Renditeforderungen beider Seiten setzen sich im Wesentlichen aus einem Basiszinssatz (abgeleitet aus dem Kapitalmarktzinssatz) und einer Risikoprämie zusammen. Weiter kann es bei erwarteten Steigerungen zu Abschlägen kommen, was vorliegend aber nicht näher thematisiert wird.

Aus Vereinfachungsgründen wird in den untenstehenden Beispielen auch für den Erbbaurechtsvertrag die Formel der ewigen Rente zugrunde gelegt (also die i. d. R. begrenzte Laufzeit nicht beachtet). Der Basiszinssatz wird mit null Prozent angenommen. Unterschiedliche Renditeforderungen leiten sich damit ausschließlich aus unterschiedlichen Risiken ab. Es wird – unter Abstraktion von möglichen PortfolioeffektenFootnote 3 – von einer linearen Beziehung zwischen Rendite und Risiko ausgegangen. Der Liegenschaftszinssatz (Volleigentum) wird hier – ebenfalls vereinfachend – mit dem internen Zinsfuß einer Immobilie in Volleigentum gleichgesetzt.Footnote 4 Erwerbsnebenkosten und steuerliche Aspekte werden vorliegend nicht berücksichtigt.

Für Volleigentum ergibt sich unter diesen Umständen die in Tab. 1 dargestellte Datenkombination.

Tab. 1 Ausgangsdaten für eine Immobilie im Volleigentum

Es wird nun davon ausgegangen, dass der Erbbaurechtgeber eine geringere Risikoneigung als ein Volleigentümer hat; diejenige des Erbbaurechtnehmers soll entsprechend höher sein. Im Rahmen eines Erbbaurechtkontraktes möge es nun dem Erbbaurechtgeber gelingen, die Hälfte des auf den Bodenanteil entfallenden Risikos auf den Erbbaurechtnehmer zu überwälzen.Footnote 5 Das Risiko des Erbbaurechtgebers sinkt also um 50 %. Dementsprechend muss bei einer linearen Beziehung zwischen Rendite und Risiko auch die Renditeforderung von 4,00 % p. a. (Volleigentum) auf 2,00 % p. a. zurückgehen. Die Renditeforderung des Erbbaurechtnehmers soll sich zusammen mit dem gestiegenen Risiko von 4,00 auf 4,86 % p. a. erhöhen (also um 12,14 %). Die Ermittlung illustriert Anhang A.

In Anhang C wird dargestellt, dass auch beim unterstellten linearen Rendite‑/Risiko-Zusammenhang Risiken wie Renditeforderungen des Erbbaurechtgebers (\(r_{G}\)) systematisch stärker absinken müssen, als die Risiken und Renditeforderungen des Erbbaurechtnehmers (\(r_{N}\)) ansteigen. Der sich aus dem kapitalisierten Erbbauzins für den Erbbaurechtgeber ergebende Wertzuwachs (gegenüber dem Bodenwertanteil) ist daher höher als der Minderwert beim Erbbaurechtgeber (gegenüber dem Gebäudewertanteil bei Volleigentum). Per Saldo wird so ein Mehrwert erzeugt, der sich mit steigendem Bodenwertanteil erhöht (s. Anhang D).

Tab. 2 stellt dies beispielhaft dar: Die 12.000 € p. a. Erbbauzinsen sollen dem Bodenertrag bei Volleigentum entsprechen. Diese werden nunmehr im Vergleich zum Bodenertrag bei Volleigentum vom Erbbaurechtgeber mit einem um 50 % reduzierten Kapitalkostensatz diskontiert (also 2,00 % p. a.) und führen damit für ihn zu einem doppelt so hohen Wert des Zahlungsstroms. Umgekehrt erhöht sich der Diskontierungszinssatz für die Erträge aus dem Erbbaurecht von 4,00 auf 4,86 % p. a. (also um 12,14 %). Der Wert des Zahlungsstroms aus dem Erbbaurecht fällt daher geringer aus als derjenige aus dem Gebäudeanteil bei Volleigentum. Weil der beim Erbbaurechtgeber entstehende Mehrwert aber den Minderwert beim Erbbaurechtnehmer überkompensiert, ergibt sich gegenüber Volleigentum (Wert: 1.000.000 €) nunmehr ein Wert von 1.176.500 €, was vorliegend einem Mehrwert von 17,65 % entspricht. Zu diesem Wert gelangt man auch, wenn man die gesamten Reinerträge der Immobilie i. H. von 40.000 € mit 3,40 % p. a. diskontiert, also einer geringeren Rate als bei Volleigentum.

Tab. 2 Potenzieller Mehrwert des Erbbaurechts (im Beispielsfall)

Es lässt sich also zeigen, dass der potenzielle Mehrwert

  • umso höher ist, je stärker die Risikoverlagerung auf den Erbbaurechtgeber ausfällt. Zumal Mehrfamilienhäuser eine deutlich höhere Risikoprämie aufweisen als Einfamilienhäuser (dies ist an den Liegenschaftszinssätzen ablesbar), kann bei den Letztgenannten der beschriebene Effekt kaum erzielt werden.

  • auch mit dem Bodenwertanteil ansteigt. Je höher der Bodenwertanteil, umso größer ist der Anteil der Reinerträge der Immobilie, der auf den Erbbaurechtgeber entfällt und mit dessen geringeren Renditeforderungen diskontiert wird. Dies bedeutet, dass gerade in angespannten Wohnungsmärkten mit hohen Bodenwerten das Potenzial für die Erzielung eines Mehrwertes besonders hoch ist.

Die Auswirkungen der Risikoverschiebung und der Variation der Bodenwertanteile zeigt Tab. 3 noch einmal im Überblick auf (s. die Formel zum Mehrwert v+(a, k) in Anhang D).

Tab. 3 Potenzielle Mehrwerte in Abhängigkeit von Bodenwertanteil und Risikoverlagerung

Im Beispielsfall liegt ein Bodenwertanteil von 30 % und ein beim Erbbaurechtgeber verbleibendes Risiko von 50 % vor; der potenzielle Mehrwert gegenüber Volleigentum beträgt 17,65 %. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die erzielbaren Tauschgewinne aufgrund der unterstellten unendlichen Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags tendenziell überzeichnet sind.

Der potenzielle Mehrwert lässt sich andererseits im Portfoliokontext erhöhen, da hier i. d. R. kein linearer Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko mehr besteht (s. Anhang E). Weitere ökonomische Größen, die sinnvoll zur Schaffung eines höheren Mehrwerts genutzt werden können, sind neben der Laufzeit des Erbbaurechtvertrages (mindestens zwei Renovierungszyklen – je mehr, umso höher der Mehrwert) die Anpassung des Erbbauzinses sowie Entschädigungen bei Ablauf des Erbbaurechts (Keilhauer 2017, S. 6). Hierauf kann vorliegend mangels Raum allerdings nicht eingegangen werden.Footnote 6

5 Modellvergleich

5.1 Unkompensiertes Erbbaurecht

Tatsächlich findet man in der Praxis aber noch häufig Fälle, bei denen sich der Erbbauzinssatz (bezogen auf den Verkehrswert des Bodens) an den Renditen bei Volleigentum orientiert. Mit Blick auf sein geringes Risiko erhält der Erbbaurechtgeber dann „zu viel“ Rendite; der Erbbaurechtnehmer angesichts seines relativ hohen Risikos „zu wenig“. Die Risikoübernahme des Erbbaurechtnehmers wird also nicht kompensiert. Solche Verträge dürften nur dann abgeschlossen werden, wenn die Märkte entsprechend vermachtet sind. Stünde nämlich die Alternative Volleigentum zur Verfügung, würde sich der Investor auf einen solchen Vertrag nicht einlassen – unkompensierte Erbbaurechte können daher nicht als „marktgerecht“ bezeichnet werden. Derartige Fragen spielen auch eine Rolle bei Diskussionen um die Verlängerung auslaufender Erbbaurechte (z. B. Erbbaurechtsinitiative in LübeckFootnote 7).

5.2 Privatnütziges Reduktionsmodell

Um mehr „Marktgerechtigkeit“ zu erzielen, wird im „Reduktionsmodell“ der Erbbauzinssatz gegenüber der Rendite bei Volleigentum abgesenkt (GEWOS 2018, S. 18; und Abschn. 2). Tab. 4 illustriert die Auswirkungen einer linearen, wiederum 50 %-igen Reduktion des Erbbauzinses unter der o. a. Annahme einer 50 %-igen Risikoverlagerung auf den Erbbaurechtnehmer – also um 6000 € p. a. Entsprechend höher fallen die Reinerträge und Renditen des Erbbaurechtnehmers aus.

Tab. 4 Werte und Kosten beim Reduktionsmodell

Die Renditen sind bei Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischen Rendite und Risiko nun offenbar marktgerecht. Die Diskontierung ergibt jedoch einen vorläufigen Gesamtwert von nur 1.000.000 €, was den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der Investition (AK/HK) bzw. dem Wert von Volleigentum entspricht. Offenbar ist also der in Tab. 2 dargestellte Mehrwert nun „verschwunden“. Der Grund hierfür liegt in einem Diskontierungsverlust, der bei der Reduzierung des Erbbauzinses systematisch zum Tragen kommt. Der Minderungsbetrag (hier: 6000 € p. a.) ist nämlich von beiden Parteien ebenfalls mit ihren unterschiedlichen Renditeforderungen zu diskontieren. Dabei kann der Minderungsbetrag als eine laufende Teilrückzahlung des Erbbauzinses an den Erbbaurechtnehmer aufgrund der Risikoübernahme verstanden werden. Kapitalisiert betrachtet, gibt der Erbbaurechtgeber dann aber einen höheren Wert für die Kompensation der Risikoübernahme ab, als beim Erbbaurechtnehmer ankommt. Dies zeigt Tab. 5, die komplementär zu Tab. 2 zu lesen ist.

Tab. 5 Vernichtung des potenziellen Mehrwerts im Reduktionsmodell

Im Beispiel entspricht der Diskontierungsverlust genau dem potenziellen Mehrwert von 176.500 €, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Der potenzielle Mehrwert wird damit Zunichte gemacht.

Zu berücksichtigen sind jedoch zusätzlich noch die sonstigen Nachteile und Risiken des Erbbaurechts: Vorliegend sei unterstellt, dass bei Anwendung liberal ausgestalteter, „schlanker“ Erbbaurechtsverträge die Wertminderung auf die Hälfte der im Rahmen des Münchner Verfahrens üblichen Abschläge von bis zu 50 % des Bodenwertes (Werth 1989, S. 72) begrenzt werden kann. Dies entspricht dann einem Minderwert von 75.000 € (bei zusätzlicher Aufnahme von Sozialbindungen würden sich die Nachteile wegen der höheren vertraglichen Komplexität bzw. der geringeren Marktgängigkeit erhöhen, s. Abschn. 5.4). Bei freier Wahl würde ein Investor bei dieser Datenkonstellation vom Erbbaurecht Abstand nehmen und Volleigentum vorziehen.

In der Praxis findet die Minderung des Erbbauzinses häufig in undifferenzierter Weise statt, um eine „Anpassung an die Kapitalmarktverhältnisse“ zu erreichen. Dabei wird nicht nach Basiszinssatz und Risikoprämie unterschieden. Die „Anpassung an die Kapitalmarktverhältnisse“ müsste sich jedoch eigentlich auf den durch den Kapitalmarkt bestimmten Basiszinssatz beziehen. Die Kompensation der Risikoübernahme müsste hingegen separat bepreist werden. Der Erbbauzins wird schließlich häufig auch aus sozialen Motiven vermindert, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Er stellt dann einen „politischen Preis“ dar; „Marktgerechtigkeit“ spielt insofern allenfalls eine nachgeordnete Rolle.

Ungeachtet der hier dargestellten Vorbehalte gegen das Reduktionsmodell lassen sich durchaus auch Kontexte vorstellen, in denen eine Reduktion des Erbbauzinses ökonomisch sinnvoll eingesetzt werden kann (Secker 2017). Hierauf kann aber vorliegend nicht näher eingegangen werden.

5.3 Privatnütziges Prämienmodell

Der in Abschn. 5.2. dargestellte Diskontierungsverlust kann jedoch einfach vermieden werden: Nämlich durch eine Einmalzahlung („Prämie“) der Kompensation für die Risikoübernahme zu Vertragsbeginn (Löhr 2019; BMI 2020, S. 10). Dann kommt trotz unterschiedlicher Diskontierungssätze beim Erbbaurechtnehmer auch der Betrag an, den der Erbbaurechtgeber für die Risikoübernahme bezahlt.Footnote 8 Bei kommerzieller Motivation geht es darum, die potenziellen Mehrwerte des Erbbaurechts tatsächlich in Renditezuwächse zu übersetzen. Gelingt dies, müssen sich die Renditen um den Faktor erhöhen, den der potenzielle Mehrwert gegenüber dem Volleigentum ausmacht (hier: 1,1765 = 1.176.500 € / 1.000.000 €). Dies bedeutet erhöhte vorläufige Renditen (s. zum Vergleich Tab. 4 oben):

  • für den Erbbaurechtgeber: 2,35 % p. a. (= 2,00 % p. a. × 1,1765);

  • für den Erbbaurechtnehmer: 5,71 % p. a. (= 4,86 % p. a. × 1,1765).

Bei unverändert zugeordneten Zahlungsströmen lassen sich diese Renditen auf Basis folgender Kostenanteile erzielen:

  • für den Erbbaurechtgeber: 510.000 € (= 12.000 € p. a. / 2,35 % p. a.);

  • für den Erbbaurechtnehmer: 490.000 € (= 28.000 € p. a. / 5,71 % p. a.).

Für die Kostenseite ergeben sich folgende Auswirkungen: Die einmalige Vorab-Entschädigungszahlung durch den Erbbaurechtgeber an den Erbbaurechtnehmer muss folglich 210.000 € betragen (aus Sicht des Erbbaurechtgebers: 510.000 € für den Wert des Zahlungsstroms abzüglich 300.000 € Bodenwert). Diese Zahlung erhöht den aufzuwendenden Investitionsbetrag des Erbbaurechtgebers und soll beim Erbbaurechtnehmer als Kürzung der aufzuwendenden Herstellungskosten (Gebäude) verbucht werden. Die Rendite von 2,35 % p. a. wird für den Erbbaurechtgeber auf Basis eines nicht reduzierten Erbbauzinses (hier: 12.000 € p. a.) erreicht; dennoch kann der Erbbaurechtnehmer aufgrund der Kürzung der Gebäudeherstellungskosten die Rendite von 5,71 % p. a. erzielen.

Die Werte für beide Marktseiten ergeben sich durch die Diskontierung der Zahlungsströme mit den Opportunitätskostensätzen. Die Opportunitätskostensätze sind aus dem Reduktionsmodell abzuleiten (2,00 % p. a. für den Erbbaurechtgeber, 4,86 % p. a. für den Erbbaurechtnehmer, s. oben); sie sind also nicht mit den tatsächlich erzielbaren Renditen identisch. Im oberen Teil von Tab. 6 ist dargestellt, dass durch die Diskontierung mit unterschiedlichen Sätzen ein vorläufiger Mehrwert von 176.500 € entsteht, der sich auf den Erbbaurechtgeber (mit 86.500 €) und den Erbbaurechtnehmer (mit 90.000 €) verteilt.

Tab. 6 Erzielbarer Mehrwert im privatnützigen Prämienmodell

Die Nachteile des Erbbaurechts seien annahmegemäß dieselben wie im Reduktionsmodell (Minderwert: 75.000 €). Der Mehrwert nach Berücksichtigung dieser Nachteile beläuft sich vorliegend per Saldo auf 100.500 €, also ca. 10 % des Wertes bei Volleigentum. Das ist angesichts der gegenwärtigen Kapitalmarktrenditen beachtlich. Dieser Mehrwert müsste im Verhandlungswege auf beide Parteien aufgeteilt werden. In der Realität ist zwar der erzielbare Mehrwert v. a. aufgrund der beschränkten Vertragslaufzeit geringer als im Beispiel; dennoch legen die Zahlen nahe, dass das Erbbaurecht durchaus wirtschaftlich sehr interessant sein kann. Dies gilt umso mehr, als der Erbbaurechtnehmer eine beträchtliche Bezuschussung seines Eigenkapitals erhält, was auch im Rahmen der Kreditaufnahme von Vorteil ist. Das Prämienmodell kommt allerdings in Deutschland bislang nur vereinzelt durch Kapitalanlagegesellschaften und auch nur im Bereich von Gewerbeimmobilien zum Einsatz.Footnote 9

5.4 Anwendung des Prämienmodells für bezahlbares Wohnen

Das zuvor für gewerblich-kommerzielle Anwender dargestellte Prämienmodell kann auch drittnützig angewendet werden. Hierbei wird der potenzielle Mehrwert nicht zur Aufbesserung der Rendite, sondern für die Bezuschussung bezahlbaren Wohnens verwendet. Dabei kommen als Erbbaurechtgeber v. a. Kommunen infrage. Bei drittnütziger Anwendung des Erbbaurechts werden positive externe Effekte erzeugt. Dies rechtfertigt grundsätzlich Abstriche bei den Renditeforderungen der kommunalen Erbbaurechtgeber. In Tab. 7 wird angenommen, dass sich die Kommune als Erbbaurechtgeber mit einer Renditeforderung von 1,50 % p. a. (anstatt 2,00 % p. a.) bescheidet. Die Zuzahlung zugunsten des Erbbaurechtnehmers wäre auf dann 500.000 € zu erhöhen. Der (private) Erbbaurechtnehmer gebe sich mit derselben Renditeforderung wie im privatnützigen Reduktionsmodell (4,86 % p. a.) zufrieden – es handele sich also um einen „Renditesatisfizierer“, nicht um einen „Renditeoptimierer“.

Tab. 7 Erzielbare Minderung des Reinertrages im fremdnützigen Prämienmodell

Werden auch Sozialzwecke verfolgt, so erhöht dies – über die notwendigen Eingriffe in die Verfügungsrechte des Erbbaurechtnehmers sowie die Überwachungs- und Durchsetzungskosten – die Nachteile des Erbbaurechts. Diese werden daher hier mit 125.000 €, also 50.000 € höher als in den obigen Beispielen angesetzt. Mit Blick auf die Werte ergibt sich dann die Konstellation in Tab. 7.

Die Reinerträge lassen sich – auf die gesamte Immobilie bezogen – gegenüber Volleigentum um ca. 30 % (27.795 € p. a. / 40.000 € p. a. − 1) reduzieren, ohne dass es zu Renditeeinbußen beim Investor kommt. Einen solchen Subventionshebel bietet kein anderes Modell:

  • Selbst, wenn die Kommune im Rahmen des Reduktionsmodells einen Erbbauzins von Null ansetzen würde, könnte sie die Performance des Prämienmodells bei Weitem nicht erreichen. Hier ergäbe sich bezüglich der allgemeinen Nachteile des Erbbaurechts kein Unterschied, es wären ebenfalls 125.000 € Minderwert anzusetzen. Das Arrangement wäre marktkonform, wenn der Investor auf (Investitions‑)Kosten von 825.000 € (= 700.000 € Gebäudeherstellkosten plus 125.000 € notwendige Überdeckung) eine Rendite von 4,00 % p. a. erwirtschaften könnte. Aufgrund des Erbbauzinses von null Prozent p. a. besteht nämlich kein Leverage-Risiko, das eine gegenüber Volleigentum erhöhte Renditeforderung rechtfertigen würde. Damit könnte ein Reinertrag von bestenfalls 33.000 € p. a. dargestellt werden. Gegenüber Volleigentum wäre dies maximal – ohne weitere Subventionen – eine Reduktion von lediglich ca. 17,50 %; dabei erhielte die Kommune aber überhaupt keine Rendite mehr auf ihr eingesetztes Kapital (Erbbaugrundstück).

  • Im Fall des Ankaufs von Belegungsrechten erhielte die Kommune ebenfalls keine Rendite; sie müsste aber die Kosten der Kompensation der Mindereinnahmen für den Volleigentümer schultern (diese wären mit 4,00 % zu diskontieren). Hinzu käme reduzierte Steuerungsfähigkeit aufgrund der beschränkten Laufzeit der Sozialbindung.

  • Würde die Kommune selbst als Vermieterin agieren, müsste sie sich mit einer Rendite von 2,78 % zufriedengeben, um dieselben Ergebnisse wie im Prämienmodell zu erreichen (= 27.795 € p. a. / 1.000.000 €). Allerdings müsste sie ein überproportionales Risiko in Kauf nehmen, das sich an einer Immobilie in Volleigentum orientiert. Zudem wäre sie mit wesentlich höheren Verwaltungskosten (Vermietung, Management der Immobilie) als beim Erbbaurecht belastet.

Das (drittnützige) Prämienmodell bringt allerdings wegen der Zuzahlung kurzfristig für den (kommunalen) Erbbaurechtgeber liquiditätsmäßige Nachteile mit sich. Auf längere Sicht werden diese aber überkompensiert. Unterstellt man abweichend von der obigen Betrachtung eine Vertragslaufzeit von 99 Jahren, hat der Erbbaurechtgeber im Rahmen des privatnützigen Reduktionsmodells eine Liquiditätseinbuße von 594.000 € (6000 € p. a. × 99 J.); im fremdnützigen Reduktionsmodell bei vollkommenem Verzicht auf Erbbauzinsen sogar 1.188.000 € (12.000 € p. a. × 99 J.). Im drittnützigen Prämienmodell beträgt die einmalige Zuzahlung an den Erbbaurechtnehmer für die Übernahme der Risiken hingegen „nur“ 500.000 €. Allerdings ist die Einmalzahlung eben – anders als beim Reduktionsmodell – beim Prämienmodell sofort aufzubringen. Tritt die Kommune selbst in die Position des Vermieters (Volleigentum), wären 700.000 € an Liquidität darzustellen (immer unterstellt, ihr gehört schon das Grundstück). Lediglich der Kauf von Belegungsrechten schneidet liquiditätsmäßig eindeutig besser als alle anderen Varianten ab.

Das drittnützige Prämienmodell findet bislang noch keine Anwendung in der kommunalen Praxis. Es würde aber sehr gut zu Konzeptvergaben passen: Dabei können die relevanten ökonomischen Rahmendaten aus dem Markt abgeleitet vorgegeben und vor diesem Hintergrund geeignete Partner („Renditesatisfizierer“) mit passenden Konzepten identifiziert werden.

6 Schlussfolgerungen: Kein „Eigentum zweiter Klasse“!

Erbbaurechte bergen gegenüber Volleigentum eigentümliche Nachteile, aber auch erhebliche wirtschaftliche Potenziale. Dies gilt sowohl mit Blick auf die Rendite als auch auf bezahlbares Wohnen. Eine allgemeine Akzeptanz wird nur bei höherer Marktfähigkeit der Erbbaurechte gelingen.

Um Erbbaurechte marktfähiger zu machen, müssen zunächst deren Nachteile soweit wie möglich begrenzt werden; dies sind die zusätzlichen Überwachungs- und Durchsetzungskosten bzw. die Eingriffe in die Verfügungsrechte des Erbbaurechtnehmers. Mangels empirischer Untersuchungen konnte bislang die Abhängigkeit der diesbezüglichen Wertminderungen von den relevanten Vertragskonditionen noch nicht zufriedenstellend quantifiziert werden (soweit in den Grundstücksmarktberichten überhaupt Erbbaugrundstücks- und Erbbaurechtsfaktoren ausgewiesen werden, differenzieren diese regelmäßig nicht nach Vertragsinhalten). Im Rahmen des Münchner Verfahrens wird mit pauschalen Abschlägen gearbeitet, die bislang nicht sauber (über Rechenvorschriften) begründbar sind. Im Fachdialog Erbbaurecht bestand weitgehend Einigkeit darüber, dass Erbbaurechte dem Volleigentum so weit wie möglich angenähert werden sollten, um die betreffenden Nachteile zu begrenzen (BMI 2020, S. 44). Dies bedeutet zunächst einmal, dass Erbbaurechte durch soziale Bindungen möglichst nicht einseitig stärker belastet werden sollten als Volleigentum. Dies kann z. B. über Bebauungspläne und städtebauliche Verträge gesteuert werden. Wenn Erbbaurechte mit Nutzungsbindungen versehen werden, können ähnliche Auflagen wie bei Erbbaurechten auch im Rahmen des Verkaufs von gemeindeeigenen Grundstücken vorgesehen werden. Wo eine Gleichbehandlung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, sollten sich die Eingriffe in die Verfügungsrechte des Erbbaurechtnehmers auf das allernotwendigste beschränken und zudem ökonomisch kompensiert werden.Footnote 10 Jegliche Eingriffe in die Verfügungsrechte des Erbbaurechtnehmers schmälert die Verteilungsmasse, die zugunsten bezahlbaren Wohnens zur Verfügung steht!

Generell sollten Erbbaurechte auch als ein Instrument zur Verlagerung von Risiken verstanden werden. Hieraus ergeben sich Potenziale zur Erzielung von Tauschgewinnen. Ist „Marktgerechtigkeit“ ein Ziel, muss die Risikoübernahme Seitens des Erbbaurechtnehmers aber kompensiert werden. Dies erfordert, dass sich die Ausgeber der Erbbaurechte mit ihren Renditeforderungen entsprechend der Risikoverlagerung bescheiden – und zwar auch dann, wenn ihre „monopolartige“ Position auf dem Grundstücksmarkt deutlich höhere Renditen ermöglichen würde. Die Kompensation für die Risikoübernahme sollte jedoch i. d. R. nicht über eine Reduktion des Erbbauzinses geschehen, da ansonsten die Tauschgewinne über Diskontierungsverluste wieder vernichtet werden. Hier sind i. d. R. vorweggenommene Einmalzahlungen vorzugswürdig, während sich die Erbbauzinssätzen an den Liegenschaftszinssätzen bei Volleigentum orientieren können. Erbbaurechte sollten zudem v. a. in Regionen mit höherem Bodenpreisniveau angewendet werden; nur hier können sie ihre Vorteile entfalten.

Es ist an der Zeit, das Erbbaurecht neu zu denken.