Avoid common mistakes on your manuscript.
Hintergrund
Das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS, ICD-10 E28.2) ist eine sehr häufige hormonelle Veränderung bei jungen Mädchen und Frauen vor und sogar nach der Menopause (Stichwort: „Damenbart“). Frühere Begriffe wie das „Stein-Leventhal-Syndrom“ werden nicht mehr verwendet.
Weltweit liegt je nach Definition des PCOS die Häufigkeit bei 5–20 % [1]. Allerdings wurde gerade die Definition des PCOS in den letzten Jahren mehrfach überarbeitet. Am bekanntesten sind die sogenannten „Rotterdam-Kriterien“ [2], die seit ihrer Veröffentlichung 2003 mehrfach modifiziert wurden. Eine präzise Kurzfassung der „Endocrine Society Practice Guidelines“ ist 2014 unter dem Titel „Diagnosis and Treatment of Polycystic Ovary Syndrome“ (E. Lerchbaum, T. Rabe) im Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel erschienen.
Sowohl die Europäischen Fachgesellschaften wie die European Society of Endocrinology (ESE, www.ese-hormones.org) und die gynäkologischen Gesellschaften als auch etwa die American Androgen Excess and PCOS Society (AE-PCOS, www.ae-society.org) sind laufend mit einer Verbesserung von Definitionen, Diagnostik und Behandlungsstrategien beschäftigt.
Da es sich um sehr heterogene Hormonveränderungen handelt, werden folgende 3 klinischen Kriterien erhoben, von denen 2 Kriterien für die Diagnose eines PCOS vorliegen müssen:
- 1.
Oligo‑/Amenorrhö bzw. Zyklustempoanomalien mit Zyklusabständen von über 35 Tagen. Differenzialdiagnostisch sollte bei einer „Post-Pill-Amenorrhö“ eine spontane Menses bei gesunden Frauen nach ≤90 Tagen eintreten.
- 2.
Klinischer Hirsutismus und/oder erhöhte Androgene (besonders Testosteron, aber auch adrenale Androgene wie Androstendion, s. unten)
- 3.
Polyzystische Ovarien im Ultraschall und/oder ein deutlich erhöhtes ovarielles Volumen
Mit dieser möglichen Symptombreite erklären sich auch die teils unterschiedlichen Einschätzungen zur Prävalenz und Inzidenz des PCOS, das auch ethnisch unterschiedliche Ausprägung haben kann.
Wer bekommt PCOS?
Mädchen und Frauen, die bereits eine Familienanamnese zu PCOS haben, zeigen häufiger entsprechende Veränderungen, wobei noch keine eindeutige genetische Komponente identifiziert werden konnte [3]. Während sich das PCOS ab der Pubertät manifestiert, sind Frauen auch in höheren Lebensaltern noch von dessen Konsequenzen betroffen und haben erhöhte metabolische und kardiovaskuläre Komplikationsraten [1].
Interessanterweise sind auch Väter, Brüder und Söhne von PCOS-Frauen von veränderten Androgenen und metabolischen Veränderungen betroffen, was u. a. ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei diesen Personen – ähnlich wie bei PCOS-Patientinnen selbst – auslösen kann [4, 5].
Was sind die Ursachen des PCOS?
Es gibt keine Hinweise auf eine alleinige Ursache für PCOS – vielmehr handelt es sich um ein Bündel an Veränderungen, die eine hormonelle und metabolische Normvariante, wie sie das PCOS darstellt, auslösen können. Neben einzelnen genetischen Komponenten [3], die aktuell weiter beforscht werden, können Epigenetik, intrauterine androgene Prägung, eine veränderte neuroendokrine Regulation über Gonadotropine, Inkretine oder u. a. das mikrobielle Milieu im Darm die Ausprägung von PCOS-ähnlichen Symptomen triggern [6].
Was sind typische Zeichen und Symptome eines PCOS?
Aus der breiten Palette von PCOS-ähnlichen Veränderungen sind hirsute Symptome am bekanntesten (s. Abb. 1). Allerdings sind auch Zyklusstörungen, zunehmende Adipositas oder unerfüllter Kinderwunsch ein häufiger Grund für eine ärztliche Kontrolluntersuchung. Viele Patientinnen sind über Internetforen bereits mit dem Syndrom in Kontakt gekommen, allerdings sind nicht alle dieser Informationen valide, und es bedarf eines intensiven Gesprächs mit der Patientin, um ein Verständnis der entsprechenden klinischen Veränderungen und eine gute Compliance bei Therapiemaßnahmen zu unterstützen.
Wie wird PCOS diagnostiziert?
Aufgrund der PCOS-Konsensus-Richtlinien, die gerade 2019 erneuert wurden (aktualisiert unter www.monash.edu/__data/assets/pdf_file/0004/1412644/PCOS_Evidence-Based-Guidelines_20181009.pdf), werden die o. a. Kriterien klinisch geprüft.
Bei klinischem Verdacht auf PCOS und nach mind. 2‑monatigem Absetzen einer hormonellen Kontrazeption (auch von länger eingenommenen Phytohormon-Präparaten!) kann eine umfassende Abklärung durchgeführt werden (Tab. 1).
Neben einer umfassenden Anamnese und klinischen Untersuchung sind Labormesswerte und gegebenenfalls auch Funktionstests (zunehmend wichtig sind orale Glukosetoleranztests) und eine entsprechende Bildgebung zur Morphologie polyzystischer Ovarien (PCOM).
Differenzialdiagnostische Untersuchungen s. im entsprechenden Abschnitt.
Gibt es Differenzialdiagnosen, auf die man achten sollte?
Einige wichtige Erkrankungen (Tab. 2) sollten bei der Diagnose eines PCOS unbedingt ausgeschlossen werden, die zum Teil ähnliche Symptome hervorrufen, allerdings wesentlich andere Abklärungswege oder Therapieansätze erfordern.
Welche Verlaufskontrollen sind sinnvoll?
Bei allen Patientinnen sollten neben dem persönlichen Wohlbefinden einige wichtige Verlaufsparameter abgefragt und/oder geprüft werden:
Bei metabolisch unauffälligem Verlauf Kontrolle alle 2–3 Jahren inklusive oGTT
Bei (zentraler) Adipositas/Übergewicht, signifikanter Gewichtszunahme, pos. Typ-2-Diabetes-mellitus(T2DM)-Familienanamnese oder anderen Risikofaktoren frühe Kontrollen inkl. oGTT nach 1 Jahr
Evaluierung der Lebensstilmaßnahmen im niedergelassenen Bereich alle 3–6 Monate.
Welche Behandlungsformen für PCOS gibt es?
Ganz wesentlich ist in jedem einzelnen Fall der Wunsch der Patientin, der sich durchaus im Lauf der Zeit auch ändern kann und dezidiert erhoben werden muss.
Drei wichtige Komponenten und ihre möglichen Kombinationen sind abzufragen:
Kosmetische Veränderungen
Unerfüllter Kinderwunsch
Stoffwechselprobleme wie Adipositas oder Glukosestoffwechselstörungen.
Therapieoptionen umfassen eine breite Palette von Maßnahmen. Dazu gehören
- 1.
Lebensstilmaßnahmen, die von besonderer Bedeutung als Basistherapie bei allen PCOS-Frauen sind, besonders bei Übergewicht/Adipositas, wobei eine Gewichtsreduktion von 10–15 % schon positive Auswirkungen haben kann.
- a.
Eine professionelle Ernährungsberatung und ev. supervidierte Gewichtsabnahme unter Einschränkung kurzkettiger Kohlenhydrate wie Zucker und Weißmehl und Einhaltung der allgemeinen Leitlinien bzgl. einer gesunden Ernährung [9] kann generell empfohlen werden.
- b.
Häufig ist eine vermehrte körperliche Aktivität mit Ausdauer- und Krafttraining zur verbesserten Glukoseutilisation wichtig.
- c.
Auf eine Optimierung des Vitamin-D‑Spiegels ist besonders zu achten.
- a.
- 2.
Hormonelle Therapeutika wie Antikonzeptiva dienen als First-Line-Therapie bei Hyperandrogenämie, Akne und Zyklusstörungen. Kontraindikationen sollten dabei zuvor ausgeschlossen werden.
Bei Hirsutismus kann eine Kombination mit Antiandrogen oder Spironolacton erfolgreich sein. Alternativ stehen lokale Maßnahmen wie Photo- und mechanische Epilation, Flächenlaserung oder Eflornithin-haltige Cremes zur Verfügung.
Clomiphen kann bei anovulatorischen Zyklen eingesetzt werden, Gestagene werden bei ausgeprägter Oligo- bzw. Amenorrhö zur Risikoreduktion von Endometriumhyperplasie und -karzinom verwendet.
- 3.
Metformin wurde erfolgreich als adjuvante Therapie bei Kinderwunsch eingesetzt und empfiehlt sich bei eingeschränkter Glukosetoleranz oder T2DM, wenn Lebensstilmaßnahmen allein nach 3–6 Monaten nicht erfolgreich sind.
- 4.
Begleitende Therapieformen betreffen mögliche Hyperlipidämien, Schlafapnoe oder depressive Symptome, auf die es zu achten gilt.
Was gibt es Neues in der Forschung zu PCOS?
In den letzten Jahren haben wissenschaftliche Untersuchungen zu PCOS stark zugenommen, weil die Problematik über Jahrzehnte eher tabu oder für viele Forschende nicht relevant war.
Neben neuen Daten zu Hintergrund und Entstehung des PCOS wie etwa dem Zusammenspiel von Inkretinen, u. a. GLP1 (Glukagon-like Peptide-1) mit der zentralnervösen hormonellen Regulation und dem Darm-Mikrobiom, der Rolle des Fettgewebes und der lokalen Androgenproduktion könnten neue Therapeutika wie zentral wirksame NK3-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Fezolinetant) oder Prä- und Probiotika die Palette der individuell steuerbaren Behandlungsmöglichkeiten in Zukunft deutlich erweitern.
Literatur
Cooney LG, Dokras A (2018) Beyond fertility: polycystic ovary syndrome and long-term health. Fertil Steril 110(5):794–809
Fauser BC et al (2004) Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term health risks related to polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 81(1):19–25
Day F, Karaderi T, Jones MR, Obermayer-Pietsch B et al (2018) Large-scale genome-wide meta-analysis of polycystic ovary syndrome suggests shared genetic architecture for different diagnosis criteria. PLoS Genet 14(12):1–20
Torchen LC, Kumar A, Kalra K, Legro RS et al (2017) Increased anti-Müllerian hormone levels and other reproductive endocrine changes in adult Male relatives of women with polycystic ovary syndrome. Fertil Steril 106(1):50–55
Coviello AD, Sam S, Legro RS, Dunaif A (2009) High prevalence of metabolic syndrome in first-degree male relatives of women with polycystic ovary syndrome is related to high rates of obesity. J Clin Endocrinol Metab 94(11):4361–4366
Lindheim L, Bashir M, Trummer C, Obermayer-Pietsch B et al (2017) Alterations in gut microbiome composition and barrier function are associated with reproductive and metabolic defects in women with polycystic ovary syndrome (PCOS). PLoS ONE 12(1):e168390
Ferriman DGJ (1961) Clinical assessment of body hair in women. J Clin Endocrinol Metab 21:1440–1447
Dewailly D, Gronier H, Poncelet E, Leroy M et al (2011) Diagnosis of polycystic ovary syndrome (PCOS): revisiting the threshold values of follicle count on ultrasound and of the serum AMH level for the definition of polycystic ovaries. Hum Reprod 26(11):3123–3129
Yumuk V, Tsigos C, Fried M, Schindler K et al (2015) European Guidelines for Obesity Management in Adults. Obes Facts 8(6):402–424
Funding
Open access funding provided by Medical University of Graz.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding authors
Ethics declarations
Interessenkonflikt
B. Obermayer-Pietsch und E. Lerchbaum geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Additional information
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Rights and permissions
Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
About this article
Cite this article
Obermayer-Pietsch, B., Lerchbaum, E. Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS). J. Klin. Endokrinol. Stoffw. 12, 170–173 (2019). https://doi.org/10.1007/s41969-019-00084-7
Published:
Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s41969-019-00084-7