Das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft ist prekärer denn je. Je mehr Menschen durch breit verfügbare Bildungsangebote Zugang zu den Hochschulen erhalten, desto weiter scheint sich das Wissen, das an Universitäten im Bereich der Forschung produziert wird, den Zugriffen von ›Gesellschaft‹ zu entziehen. Dabei sollten doch gerade die großen Bildungsreformen gegen Ende des 19. und in der Mitte des 20. Jahrhunderts größere Schnittmengen zwischen Akademie und Gesellschaft erzeugen. ›Teilhabe‹ als Schlagwort gegenwärtiger Politik scheint aber genau das Gegenteil erreicht zu haben, nämlich eine Spaltung zwischen hochspezialisierter Forschung und Entwicklung einerseits und skeptisch bis renitent agierender Öffentlichkeit andererseits. Die (wissenschafts-)politische Reaktion ist deutlich: gefordert wird eine Popularisierungoffensive mit einem Mehr an Kommunikation, einem Mehr an Anschaulichkeit, einem Mehr an PersonalityFootnote 1. Dazu wird Wissenschaftskommunikation durch Förderkriterien und andere implizite wie explizite Anreizinstrumente in den Aufgabenbereich der Wissenschaft selbst verlagert. In Form einer »Third Mission« (neben Forschung und Lehre) wird »Transfer« gar zu einer zentralen Aufgabe der Universitäten erhoben und entsprechend in individuellen wie institutionsweiten Leistungsvereinbarungen verankert. Was aber soll das Ziel der so eingeforderten Kommunikationsleistung sein? Wer sind die Akteur*innen einer solchen Kommunikationspraxis und wie soll sie zustande kommen, wenn sie von Anfang an als Reaktion auf eine prekäre, wenn nicht gar fehlende gemeinsame Grundlage rekurriert? Wie Julika Griem in ihrem Beitrag zu diesem Themenschwerpunkt zurecht ausführt, kann die Antwort nicht darin bestehen, weiter dem Ideal planbarer und in all ihren Effekten kontrollierbarer Kommunikation anzuhängen. Vielmehr muss es ein Konzept oder besser noch Konzepte im Plural geben, die nicht nur die verschiedenen Diskursformen und -medien unterschiedlicher Disziplinen und gesellschaftlicher Teilbereiche miteinander in Verbindung bringen, sondern die vor allem die Disruptivität interdiskursiver Kommunikation – also sowohl ihre Störbarkeit, als auch ihr Potenzial selbst gängige Abläufe und Vorstellungen zu stören – nicht als Nachteil, sondern, so Julika Griem, als »konstitutiven Bestandteil von Wissenschaftskommunikation zu denken« in der Lage sind.

Wir schlagen vor diesem Hintergrund vor, Wissens- und Wissenschaftskommunikation nicht allein als persuasives Werkzeug politischer Interessen (z.B. im Sinne der Vermittlung wissenschaftlichen Anwendungswissens, des Akzeptanzmanagements für wissensbasierte Direktiven, Empfehlungen und Innovationen etc.) zu verstehen, sondern jene Situationen in den Fokus zu rücken, die Wissens- und Wissenschaftskommunikation erzeugen und durch sie erzeugt werden: Kontaktszenen. Das Konzept der »Kontaktszene«Footnote 2 rekurriert auf drei sehr unterschiedliche, aber dennoch eng miteinander verknüpfte Bereiche, die um Schauplätze herum organisiert sind, auf denen Machtverhältnisse diskutiert werden: 1. Postkoloniale Theorie, speziell Marie Louise Pratts einflussreiches Konzept der »contact zone« (Pratt 1991); 2. Science-Fiction und das Narrativ des »first contact« (Živković 2018) und 3. die Beziehung von Wissenschaft und Kunst auf den »Bühnen des Wissens« (Schramm et al. 2003). Die Kontaktszene zehrt von diesen Konzepten, insofern sie die Begegnung (mindestens) zweier Akteure beobachtet, die sowohl konkrete Personen, als auch die mit ihnen assoziierten Rollen, ›Kulturen‹ bzw. gesellschaftlichen Teilbereiche in Kontakt bringt. Pratts »contact zone« beschreibt »social spaces where cultures meet, clash and grapple with each other, often in contexts of highly asymmetrical relations of power, such as colonialism, slavery, or their aftermaths as they lived out in many parts of the world today« (Pratt 1991, S. 34). Die Verhältnisse, die hier ausgehandelt werden, sind nicht nur auf thematischer Ebene paradigmatisch für die ›alien encounters‹ der Science-Fiction. Vielmehr strukturieren und (re-)produzieren sie Machtverhältnisse, die auch in den inadäquater Weise nach wie vor linear gedachten ›Transfer‹-Narrativen der Wissenschaftskommunikation immer noch zum Tragen kommen.

Ebenso interessant wie aussagekräftig ist in diesem Kontext das aktuelle Analyse-Papier »Ziele der Wissenschaftskommunikation«, mit dem Ricarda Ziegler und Liliann Fischer von »Wissenschaft im Dialog«Footnote 3 unter anderem auf die aus Kreisen der Wissenschaft geäußerte Kritik an einem Grundsatzpapier des BMBF reagieren, das im Winter 2019 gefordert hatte, »Wissenschaftskommunikation in Zukunft zu einem festen Bestandteil von Forschungsprojekten zu machen« (Ziegler/Fischer 2020, S. 3). Der vielstimmigen Kritik von Forscher*innen, die vor allem bemängelte, dass dem Aufgabenportfolio von Wissenschaftler*innen nunmehr noch eine Aufgabe hinzugefügt werde, die die ohnehin strapazierten Kompetenzen und Zeitkontingente ohne erkennbaren Gewinn weiter belaste, wird in diesem Papier vor allem dadurch begegnet, dass versprochen wird, Ziele klar und »in messbarer Form« zu definieren. Als Grundlage der eindimensionalen Argumentation von Ziegler und Fischer dienen Strategiepapiere und eine »Community Befragung«, die Auskunft darüber geben sollen, mit welchem Ziel überhaupt Wissenschaftskommunikation betrieben wird. Dass die Ergebnisse begrenzt sein müssen, ist den Autorinnen bewusst, aber es überrascht doch, dass die Aufgabenverteilung zwischen »der« Wissenschaft und »der« Politik am Ende der Untersuchung ebenso kategorial ausfällt, wie zu Beginn. Wenn z.B. mit Blick auf den Aspekt möglicher »Handlungsempfehlungen« (wie z.B. dem Tragen einer Maske oder der Empfehlung, sich impfen zu lassen, S. 28) gefragt wird, ob solche nicht der Politik vorbehalten bleiben müssten, wird deutlich, dass die Untersuchung auf einer Vorstellung von Kontakt als asymmetrischer Konfrontation beruht, in der Zuständigkeiten und Hierarchien eindeutig geklärt sein sollten. Was dabei außer Acht bleibt, ist erstens, dass es Institutionen der Wissensvermittlung gibt (z.B. Schulen, Universitäten, Weiterbildungsinstitutionen), die didaktische Modelle besitzen, welche sowohl asymmetrisches als auch gleichberechtigtes Lehren und Lernen ermöglichen, und zweitens, dass die saubere Trennung von gesellschaftlichen Teilsystemen (z.B. in »die« Politik und »die« Wissenschaft) zwar in der Theorie möglich sein mag, in der Praxis aber hybride Grenzräume erzeugt, die eben jene klare Definition und, vielleicht noch wichtiger, Evaluation von Zielen nahezu unmöglich macht. Griem zeigt in ihrem Beitrag Zusammenhänge und Brüche der Ansprüche an Ziele und Messbarkeit auf. Unter Rekurs auf verschiedene Kontaktzonen – etwa die Kommunikations-Events der Falling Walls »Science Summits«, die seit 2009 in Kooperation u.a. von BMBF und DIE ZEIT veranstaltet werdenFootnote 4, oder die filmische Klimawandel-Satire Don’t Look Up (Regie: Adam McKay, 2021) – kann sie ebenso deutlich wie überzeugend nachweisen, dass die Vorstellung einer sauberen Übertragung von Sender (Wissenschaft) zu Empfänger (Gesellschaft) in die Irre führt. Die Komplexität der Situationen, in denen Wissenskommunikation (oft und gerade in Abwesenheit von Expert*innen) stattfindet, erfordert aber ein komplexeres, multifaktorielles Modell, das sich in den für das Strategiepapier von Fischer und Ziegler erhobenen Daten nicht abbilden kann, weil diese ja immer schon auf der Basis einer konzeptionellen Vorentscheidung – das sich Wissenschaft nämlich monodirektionell vermitteln lasse – gewonnen werden. Demgegenüber schlagen wir vor, solche Situationen zu fokussieren, die (faktuale oder fiktionale) Kontaktszenen inszenieren, die sowohl asymmetrische als auch gleichberechtigte Partner*innen zusammenbringen, ohne dass der Ausgang der Szene von vornherein festgelegt wäre. Ein solches Vorgehen erlaubt es, in einer breiteren Perspektive die historischen, medialen und kulturellen Rahmungen für den Austausch und die Produktion von Wissen in den Blick zu bekommen und – im besten Fall – kritisch zu beobachten, welche Hierarchien und Ideologeme eine spezifische Situation voraussetzt oder erzeugt. Was dabei zum Thema werden kann, sind also Verhandlungen von Narrativen (und Modellen), die Komplexität auf spezifische Weise prozessieren, im besten Falle vielleicht sogar steigern oder aber – oft im Gestus der Vermittlung – mit kontraproduktiven Effekten reduzieren.

Die »Szene« betont gegenüber der »Zone« die zugleich räumliche und zeitliche Dimension des Kontakts. Sie ist eine zunächst metaphorische Bühne, auf der eine (Kommunikations‑)Handlung durchgespielt wird, die epistemologisch deshalb relevant wird, weil sie die Bedingungen ihres eigenen Gelingens und Scheiterns immer mitentwirft. Die Untersuchung von Texten und medialen Darstellungen und Entwürfen solcher Kontaktszenen betrachtet also immer zweierlei: den Kontakt (welche Akteur*innen? auf welchem »Boden«/in welchem Raum? in welcher Interaktionsdynamik? beeinflusst von welchen Anschlusskommunikationen und Feedback-Schleifen?) und die Bedingungen des Kontakts (Ziele, Interessen, Voraussetzungen des Zustandekommens). Es geht also im Rahmen dieses Themenschwerpunkts um eine Beobachtung zweiter Ordnung: die Analyse der medialen Inszenierung von Kontaktszenen in Positionspapieren, literarischen Texten, Science Writing, Filmen und Magazinen.

Das Modell der Kontaktszene erscheint uns für die Untersuchung gestörter Wissenskommunikation in besonderer Weise leistungsfähig, weil sie jene Interessen und Asymmetrien sichtbar machen kann (Erforschung, Eroberung, Vermittlung, Belehrung), durch die die Störung oder das totale Scheitern der Kontaktaufnahme immer schon als latente Möglichkeit gegeben ist. Die Beschreibung solcher Begegnungen als »Szene« erlaubt es zudem, dynamische Gebilde zu beobachten, anstatt die Beteiligten vorschnell auf feste Positionen im Aushandlungszusammenhang festzuschreiben (im Sinne einer Kulturanalyse, Bal 2006). Kontaktszenen entstehen nicht nur dann, wenn bereits produziertes Wissen vermittelt werden soll (z.B. um größere Bevölkerungsgruppen von der Annahme einer wissenschaftlich basierten Handlungsempfehlung wie der Impfung, dem Einsparen von CO2 oder der Aufgabe des Rauchens zu überzeugen). Sie ergeben sich auch in den Situationen und Praktiken des Forschens selbst, wenn beispielsweise die Unterscheidung zwischen Forscher*innen-Subjekt und Forschungs-Objekt nicht mehr eindeutig zu treffen ist (wie in den berühmten Pasteur‑/Mikrobenbeispielen in Michel Serres Elemente einer Geschichte der Wissenschaften oder in den Romanen der Southern Reach-Trilogie von Jeff Vandermeer). Kontaktszenen sind Situationen, in denen eine Begegnung erwünscht ist (z.B. weil man ein Ergebnis mitteilen möchte) oder unausweichlich wird (z.B. weil der Forschungsgegenstand aktiv wird oder sich verweigert). In der Science-Fiction werden anhand von Kontakten mit nicht-menschlichen Anderen (Außerirdischen, Pflanzen/Tieren, Künstlichen Intelligenzen) Bedingungen von Kommunikation in ihren Gelingensbedingungen und Aporien durchgespielt und unter Beobachtung gestellt. Paradigmatisch rückt Stanisław Lems Roman Solaris (1968) die (Un‑)Möglichkeit von Kommunikation ins Zentrum der Frage nach der Produktion wissenschaftlicher Tatsachen (Nitzke 2017, S. 193–205). Die grundsätzliche epistemologische Funktion des Kontakts wird gerade in jüngeren Fiktionen aufgegriffen und im Licht globaler ökologischer Krisen ausdifferenziert.

In populären Katastrophenfilmen ist der*die Kassandra-Rufe ausstoßende Wissenschaftler*in, der*die die Rettung in die eigene Hand nehmen muss, weil Politik und Gesellschaft die Kommunikation verweigern, zu einem Stereotyp geworden, das selbst karikiert wird (Koch/Nitzke 2020). Unter den Bedingungen komplexer ökologischer Krisenlagen verschärft sich dieses Problem, denn lineare Rettung und auf einzelne Akteur*innen zugeschnittene Lösungsstrategien werden den Herausforderungen nicht gerecht. Vielmehr verhindern simplifizierende Modelle der Kommunikation und Problemlösung es, resiliente und flexible Ansätze zu entwickeln, die multimodal und transdiskursiv agieren können. Zunehmend gerät zudem die Kommunikation mit und über nicht-menschlichen Akteur*innen in den Blick und mündet in der Forderung, Wissenschaftler*innen sollten selbst (bessere) Geschichten erzählen, um agency jenseits menschlicher Intention sichtbar zu machen (Tsing 2015; Haraway 2016). Diese Praxis soll nicht nur für Verstehen im Sinne der Vermittlung bestehenden Wissens sorgen, sondern Verstehen erst produzierende Verbindungen zwischen Forscher*innen und ihren ›Gegenständen‹ herstellen. Beide Ausdrücke, ›Forscher*innen‹ ebenso wie ›Gegenstände‹, sind dabei bewusst offen gehalten. Denn es sind meist keine institutionalisierten Expert*innen, die zu Akteur*innen in Kontaktszenen werden. Von daher kann es wenig überraschen, dass für die von uns vorgeschlagene Perspektive der über akademische Diplome abgesicherte Status des verhandelten Wissens nur ein Faktor unter anderen darstellt. In grundlegender Weise interessiert uns an Kontaktszenen der Wissensvermittlung, ob in einer sozialen Interaktion ein Erkenntnisinteresse formuliert wird und welche Konsequenzen sich daraus für die Beziehung zwischen Akteur*innen ergeben.

Unter den Bedingungen von Wissenschaftsskepsis, ökologischen, ökonomischen und politischen Krisen der Gegenwart sind die Beziehungen, die Wissenskommunikation zugrundeliegend, als grundsätzlich gestört markiert. Für den Moment außer Acht lassend, dass eine störungsfreie Beziehung nur in patriarchalen Idealsituationen denkbar ist, die weder Nachfragen noch Widerspruch oder Unverständnis und Desinteresse mitdenken, wird vor diesem Hintergrund die inhärent disruptive Qualität von Kontaktszenen sichtbar. Denn wo und wie auch immer sie stattfinden, herbeigesehnt oder befürchtet werden, setzen sie voraus, dass eine Vermischung von Rede- und Verhaltensweisen stattfindet. Diese Vermischung wird unter den Bedingungen gesellschaftlicher Krisenwahrnehmung oft mit harter Reinigungsarbeit in Richtung Eindeutigkeit übersetzt. Je komplexer die Bedingungen sind, unter denen Wissen produziert wird bzw. je komplexer ›die Zusammenhänge‹, ›die Wissenschaft‹ und je größer der (ökonomische und politische) Aufwand der Vermittlung und ggf. Reaktion auf dieses Wissen wird, desto deutlicher greift ein Vereinfachungsimperativ, in dem sich eine Beweislastumkehr artikuliert: Nunmehr steht das Schwierige, das Langatmige, das Unzugängliche, dass Wissenschaft immer ausmacht, unter Verdacht, während das Leichte, Zugängliche, Populäre nicht nur gefällt, sondern gar als Zielkoordinate ausgerufen wird.Footnote 5 Eine solche Verweigerungshaltung einer möglicherweise produktiven Überforderung gegenüber mündet – dies lässt sich in den Manualen und in der praktischen Arbeit der universitären Pressestellen beispielhaft beobachten – in die Maxime (oder die Forderung) Forscher*innen müssten, um erfolgreich zu kommunizieren, eine gute Geschichte zu erzählen wissen. Diese Vorstellung, die auf die Werbeindustrie und die in Unternehmenskontexten gängige Form der Auftragsvergabe durch den ›pitch‹ rekurriert, zeigt, welche Gegenüberstellung vor allem bei Wissenschaftskommunikation zum Tragen kommt. In erster Linie handelt es sich um eine Konfrontation von Science (als komplex, mathematisch, unverständlich) und Story (einfach, unmittelbar evident, unterhaltsam). Darüber hinaus steckt darin aber auch eine kulturkritische Komponente, die die gegenwärtige Gesellschaft/Kultur als ›zu komplex‹ beschreibt und von einer nostalgischen Sehnsucht nach ›einfacheren‹ Verhältnissen zeugt. Dabei kommt diese Forderung nicht nur aus reaktionären Kreisen. Gerade im Kontext von Klimakrise und Anthropozän drückt sich der Wunsch nach einer ›Heilung‹ oder ›Rettung‹ Gaias mitunter in der Forderung von verständlichen stories und ›neuen‹ Erzählungen aus. Dies ist insofern bemerkenswert als Erzählen und wissenschaftliche Praxis damit unter dem Zeichen eines epochalen Bruchs (Horn/Bergthaller 2019) zusammenfinden sollen. Wie genau aber diese Übersetzung von Wissen in eine Geschichte/Story/Narrativ vorzustellen ist, wer sie wie mit welchen Sprechlizenzen, welchen Adressierungsstrategien und über welche Kanäle zu erzählen hätte und – entscheidend – was sie im Sinne eines nachhaltigen Evidenzmanagements überzeugend machen würde, bleibt weitgehend unbestimmt. Der Erzähltheoretiker Marco Caracciolo untersucht die Verhandlung (konkurrierender) Narrative im Anthropozän unter anderem am Beispiel von Nathaniel Richs non-fiction-Buch Losing Earth (Caracciolo 2020). In diesem Buch geht es um die vermeintlich verpasste Chance, das Klima zu retten. Im Jahrzehnt zwischen 1979 und 1989 sei das Wissen über die Globale Erwärmung bereits vorhanden gewesen und die Möglichkeit zu handeln habe auf der Hand gelegen, wurde aber verpasst. Caracciolo untersucht, wie die Konkurrenz zweier Motive (des »lateness«- und des »complicity«-Motivs, Caracciolo 2020, S. 23 u. 26) zu einem Narrativ führt, das aufgrund seiner klaren Gegenüberstellung von Helden und Bösewichten einen tragischen Genre-Effekt erzeugt, der dem eigentlichen Ansinnen des Buches zuwiderlaufe. Anstatt also im Medium des Erzählens auf überzeugende Weise die wichtige Einsicht zur dringend notwendigen, radikalen Reaktion auf den drohenden Klimakollaps zu plausibilisieren, scheitert Rich, weil sein Versuch einer mobilisierenden Narrativierung ein altbekanntes Schema reproduziert, dass einen gegenteiligen Effekt erzeugt, nämlich das Gefühl konsumierbarer Selbstverständlichkeit, was nur den Eindruck bestätigt, dass jede individuelle Initiative vergeblich sei. Caracciolo zieht daraus den Schluss, dass es nicht auf das Erzählen allein ankomme – also auf einen plausiblen plot mit Anfang, Mittelteil und Ende –, sondern auf eine komplexe Mischung von Instrumenten, Methoden und Perspektiven, die es erst ermöglicht, die Haltung gegenüber Nicht-Menschen in adäquater Weise zu verhandeln. Er stellt die These in den Raum, dass genau in den Brüchen und dem Scheitern von Erzählungen das eigentlich kritische Potenzial liege. Erst das darin insistierende disruptive Moment (vgl. Koch 2021) biete – »when framed and understood correctly« – Denk- und Lösungsansätze, die über den Status Quo der öffentlichen Debatte hinausweisen würden: »they point to the need for a more comprehensive, interdisciplinary, and transmedial approach to the problem of channeling the Anthropocene« (Caracciolo 2020, S. 29). Das heißt in anderen Worten: auch in der story, egal wie ›gut‹ sie funktionieren mag, liegt nicht die Lösung für das Kommunikationsproblem einer Wissenschaft, die gar nicht von Politik getrennt werden kann, sobald sie ihren disziplinären Raum verlässt (ohne dass es sich dabei um den berüchtigten Elfenbeinturm handeln muss) und sei es nur in Form ihrer zu kommunizierenden Einsichten und Ergebnisse. Caracciolo argumentiert ganz bewusst anhand eines nicht-literarischen und nicht-wissenschaftlichen Textes, um zu zeigen, wie groß der Einfluss narrativer Formen auch in allen Textsorten ist.Footnote 6 Nichtsdestotrotz handelt es sich bei seinem Gegenstand zweifellos durchaus um einen komplexen Text mit einer Bildungs- wenn nicht sogar Aufklärungsintention, dessen journalistische Strategien von Wissen um linguistische und narrative Ambivalenzen informiert sind und dieses Wissen in der gewählten Darstellungsweise auch ausstellen. Gerade weil Caracciolo Frinchs Versuch einer der Komplexität des Anthropozäns entsprechenden textuellen Verhandlung von menschlichen und nicht-menschlichen Interferenzen und Friktionen für gescheitert hält, kann er zeigen welche Relevanz dem Zusammenspiel von Form und Inhalt bzw. von Wissen und dessen narrativer Vermittlung oftmals auch in Sachtexten zukommt.

Dass über narrative Dimension von Kontaktszenen hinaus in manchen Kontexten auch ganz andere Interferenzen eine Rolle spielen, zeigt der Beitrag von Maren Lickhardt, der ein Korpus analysiert, das oft unter den Tisch fällt, wenn es um Wissens- und Wissenschaftskommunikation geht: Unterhaltungsmagazine. In zwei Phasen (zwischen Februar und Juli 2020 und Oktober bis Dezember 2021) liest Lickhardt mit Blick auf die Thematisierung der Corona-Pandemie wie und anhand welcher Kontexte Magazine wie Bild der Frau, Brigitte, Gala und intouch sich »zwischen entdifferenzierten Sammelsurien und differenzierten Wissensvermittlern« (Lickhardt in diesem Heft) positionieren. Dabei entstehen Kontaktszenen eben nicht nur zwischen Leser*in und Wissen(schaft) (vermittelt durch die Magazine), sondern auch zwischen verschiedenen Rubriken (Prominews, Gesundheitstipps, Mode- und Einrichtungsideen). Dass diese Kontakte nicht immer gewollt sind, macht sie umso aufschlussreicher, weil sie sich als Ergebnis von Störungen und damit als Abweichungen vom ›normalen‹ Programm ausweisen (z.B. wenn es um die Frage nach Unternehmungen in Zeiten des Lockdowns oder um sinnvolle Anschaffungen für das Home-Office geht). Das wird insbesondere dann interessant, wenn die für Magazine typische serielle »Zeitlosigkeit« der Heftinhalte von der Berichterstattung zur Pandemie aufgebrochen wird (weil es z.B. nicht mehr um saisonale, sondern Pandemie-bedingte Verhaltensweisen geht, die von schnell wechselnden Empfehlungen und Vorgaben abhängen).

Ebenso wie der Kontakt bestimmt sich das, was story sein kann, nicht (allein) aus der kommunikativen Intention, sondern auch aus der Rezeption der angebotenen Inhalte. Im Kontext von Wissenschaftskommunikation wird dieses Bild noch komplexer, denn Erzählungen sind – anders als die oftmals aus der Gesellschaft an die Wissenschaft herangetragene und in Teilen auch von ihr als Selbstbeschreibung reproduzierte Erwartungshaltung – nicht objektiv. Was also haben sie überhaupt in der Wissenschaft zu suchen? Eine Reihe wissenschaftstheoretischer und -soziologischer Untersuchungen haben im Rahmen der Science Studies die Funktion von Erzählungen, Schreib- und Übersetzungsverfahren bereits in den Blick genommen (vgl. Bauer 2017 und Bauer, Voigt, Lemke 2020). Wenn sich aber gegenwärtig Forscher*innen an eben diesen Bestimmungen abarbeiten und versuchen, narrative und künstlerische Praktiken zum Teil ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu machen (vgl. u.a. Latour 2015 und Tsing et al. 2017), spricht das dann dafür, dass sich die Bedingungen von Wissensproduktion und -kommunikation geändert haben? Oder ist die Behauptung veränderter Bedingungen ein Mittel, um die Veränderung von Methoden zu fordern? Ist der Einsatz von narrativen und künstlerischen Praktiken dann ausschließlich als Störung konzipiert (Koch/Nanz/Pause 2018)? Wenn ja, was stört sie und inwiefern? Und (wie) lässt sich die Gleichzeitigkeit von Wissenschaftskommunikation als gedachtem/geforderten Mittel der Re-Integration von Wissenschaft und Gesellschaft mit der von Kunst und Narration in wissenschaftlichen Kontexten als Störung verstehen? Was passiert, umgekehrt, mit science, wenn sie Teil von Erzählungen wird?

Science-Fiction im engeren und im weiteren Sinne hat sich schon lange mit der Erwartung auseinandergesetzt, Wissenschaft zu bebildern oder zu extrapolieren. Darko Suvin hat in den späten 1970er-Jahren mit seiner Forschung zur epistemischen Funktion des Genres einen Umbruch markiert, der für Kylie Cranes Beitrag zu diesem Heft zentral ist. Suvins Theorie der Science-Fiction versteht das Genre selbst als ein Gedankenexperiment, das ein sogenanntes ›Novum‹ einführt (also die mit den Leser*innen geteilte Welt in einem Punkt verändert), um einen Plot im Modus des cognitive estrangement (vgl. Suvin 1979) zu entwerfen. Die kognitive Verfremdung der erzählten Welt lässt sich selbst als Effekt einer epistemologischen Störung (durch das ›Novum‹) begreifen. Das heißt, es geht hier nicht nur um ein »was wäre wenn«, sondern um die Frage nach den Bedingungen von Erkenntnis und Entscheidung in einer Welt, die – wie in der von Crane untersuchten Wormwood-Trilogie (2016–2019) von Tade Thompson – gleichzeitig fremd und vertraut ist. Dass hier Pilz-Netzwerke zum zentralen Medium aller Kommunikation (eingeschlossen der politischen) werden, fügt der Frage nach der Möglichkeit von Kontrolle und Planbarkeit eine nicht-menschliche (aber lebendige) Dimension hinzu. Dabei geht es in Thompsons Szenario um ein komplexes Geflecht nicht-menschlicher und menschlicher Akteure und dementsprechend vielgestaltige Weisen des Wissens, die in den Skill-orientierten Modellen der Wissenschaftskommunikation (vgl. Griem) und der Popularisierung des pandemiebedingten Ausnahmezustands im Lifestyle-Ratgeber (vgl. Lickhardt) gar nicht erfasst werden können. Die vielfältigen Instrumente, Methoden und Perspektiven, die z.B. Caracciolo einfordert, sind in der Wormwood-Trilogie also einerseits schon Teil der story und formulieren andererseits den Anspruch, Aufmerksamkeit und Gehör jenseits der kontrollierten Bahnen zu finden – gestörte und störende Wissens-Kommunikation wird so intra- wie extradiegetisch zum Impuls für dekolonialisierende Lektüren und Vermittlungswege.

Jens Temmen, dessen Beitrag den kolonialismuskritischen Impetus und das Interesse für Science-Fiction teilt, nimmt seinen Ausgang von den Waldbränden in Kalifornien, die besonders 2021 weltweit Aufmerksamkeit erregten. Diese schwerwiegende Disruption (in Form der Feuersbrunst, die von der Klimakatastrophe begünstigt wird) sollte, so Temmen, eigentlich unmittelbar evident für Klimaschutzmaßnahmen sprechen und zum Umdenken bewegen. Die lineare Ratio dieser Erwartung wird aber selbst wiederum dadurch gestört, dass ausgerechnet im unmittelbaren Umfeld der Brände – im Silicon Valley – Phantasien und Phantasmen einer post-planetaren Zukunft mit zunehmendem Zuspruch zirkulieren. Die Mars-ähnliche »scorched earth« nach den Bränden wird vor diesem Hintergrund gerade nicht als Signal verstanden, solche in Zukunft zu verhindern. Vielmehr gewinnt die Überzeugung an augenscheinlicher Evidenz, dass es höchste Zeit sei, den Planeten zu verlassen. So werden neue Kontaktszenen aufgerufen, die mit Pioniergeist und neokolonialistischen Extraktionsphantasien einmal mehr in Frage stellen, ob das »Gelingen« von Wissenschaftskommunikation überhaupt wahrscheinlich ist und welche Faktoren und Interessen in der reziproken Störungsdynamik zwischen Mars-gewordener Erde und zum irdischen Paradies geformtem (Phantasie‑)Mars sichtbar werden.

Solche Pionier- und Laborphantasien sind auch für den abschließenden Beitrag des Schwerpunkts paradigmatisch. Solvejg Nitzke untersucht ›die Hütte‹ als konkreten epistemischen Ort experimenteller Kontaktszenen. Die drei Romane, die sie aus dieser Perspektive vergleicht – Marlen Haushofers Die Wand (1963), Laura Beattys Pollard (2008) und Céline Minards Le grand jeu (2014) – nutzen ›Hüttenträume‹, um in der Kontaktzone von Mensch und nicht-menschlicher Natur, die Denormalisierungswirkung von eintretenden Störungen zu beobachten. Die Hütte wird dabei zum zentralen Schauplatz der Erprobung von Szenarien, die paradigmatisch auf Störungen reagieren. Allerdings sind diese Störungen oft subtil (z.B. dass die Figuren allesamt weiblich gelesen werden, ohne reproduktive Arbeit zu leisten und daher von den typischen Hüttenbewohnern nach dem ›Modell Thoreau‹ abweichen). Wissensvermittlung findet hier im Modus von Erfahrung und Beobachtung/Lektüre statt, so dass sich die Zweifel an der Plausibilität der Vorstellung ungestörter ›Vermittlung‹, die die im Heft versammelten Analysen von Kontaktszenen anregen, einmal mehr bestätigen.

Die Beiträge zum Themenschwerpunkt zeigen aus einer großen Bandbreite von Perspektiven und an einer Vielfalt von Gegenständen, dass die Imagination, Produktion und Reflexion von Kontaktszenen das Potenzial realisieren, kritisch auf lineare Vermittlungs- und Kommunikationsphantasmen zu reagieren. Sie werden zum roten Faden in der Untersuchung von Narrativen störender, gestörter und zu störender wissenschaftlicher Kommunikation.