1 Einleitung

Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, die Innovationssysteme von Regionen mit besonderen wirtschaftsstrukturellen Herausforderungen in Deutschland zu analysieren, ihre jeweiligen Stärken und Schwächen aufzudecken und Rückschlüsse für mögliche Anknüpfungspunkte einer innovationsorientieren Regionalpolitik zu ermöglichen. Die Untersuchung fokussiert sich auf drei Regionen, die bis zum Jahr 2038 den Ausstieg aus der thermischen Verwertung der Kohle, vor allem der Braunkohle, bewältigen sollen. Die Bundesregierung hat sich im Jahr 2020 dazu verpflichtet, die Kohleverbrennung in Deutschland zu beenden, da diese zu einem großen Teil zu den deutschen Treibhausgasemissionen beiträgt. Mit der Maßnahme möchte die Bundesregierung die Ziele des Klimaschutzplans 2050 erreichen (BMUB 2016).

Der Kohleausstieg stellt die Braunkohlereviere (und die Standorte der Steinkohlekraftwerke) vor zusätzliche strukturelle Herausforderungen. Dieser Aspekt hat eine wichtige Bedeutung – weist doch der überwiegende Teil der vom Kohleausstieg betroffenen Regionen ohnehin bereits persistente Strukturschwächen auf. Um diesen Regionen einen positiven Strukturwandel zu ermöglichen, verabschiedete der Gesetzgeber das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen (StStG). Über dieses Gesetz stellt der Bund den betroffenen Regionen bis zum Jahr 2038 rund 40 Mrd. € an Finanzhilfen zur Verfügung. Wirtschaftspolitische Ziele des StStG sind vor allem die Sicherung und Schaffung von zusätzlichen Einkommensquellen und Beschäftigung. So sollen die Regionen in die Lage versetzt werden, Anschluss an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zu halten.

Auch wenn der Einsatz derartiger staatlicher Interventionen in der ökonomischen Literatur nicht unumstritten ist, so haben sich doch diese Place-based Policies – also Politiken, die in räumlich abgegrenzten Gebieten innerhalb von Nationalstaaten zu Einsatz kommen – in vielen Ländern der Welt etabliert (Neumark und Simpson 2015). Eine wichtige Frage in diesem Kontext bleibt dann, an welchen Stellen die Finanzhilfen ansetzen sollen. Mit Blick auf die Determinanten wirtschaftlichen Wachstums unterstreicht die jeweilige Literatur die besondere Bedeutung von Wissen und Innovationen für die regionale Entwicklung (für einen Überblick zur Literatur der Wachstumstheorien vgl. etwa Weber 2010). Die Literatur um (regionale) Innovationssysteme (RIS) greift diese Gedanken auf und stellt eine Mikrofundierung für die Entstehung, den Transfer und die Verwertung von Wissen vor. Eine zentrale Rolle spielen dabei – insbesondere in strukturschwachen Regionen – die Hochschulen (und außeruniversitären Forschungsinstitute), die Schlüsselpositionen bei der Generierung und Verbreitung neuen Wissens besetzen (Asheim et al. 2019).

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Beitrag angelegt. Er analysiert für die drei großen Kohlereviere in Deutschland im Zeitraum 2000–2015, dass vor allem die Hochschulen im Lausitzer Revier einen Rückstand in ihrer Vernetzung im Vergleich mit den anderen beiden Revieren aufweisen. Auch ist der Anteil regionaler Kooperationspartner aus der Wirtschaft bei Lausitzer Hochschulen geringer als in den anderen beiden Revieren. Des Weiteren offenbaren die Analysen, dass sich die Charakteristika zwischen den innovierenden Betrieben zwischen den Revieren eher wenig unterscheiden. Innovierende Betriebe sind in ausgewählten Regionen konzentriert, gehören überwiegend zu den Branchen des produzierenden Gewerbes sowie den unternehmensnahen und öffentlichen Dienstleistungen und weisen vornehmlich mittlere und große Betriebsgrößen auf. Sehr große Unternehmen sind hier überproportional stark vertreten. Gerade die Lausitz hat in diesem Bereich ein Defizit.

Das Papier gliedert sich wie folgt. Abschn. 2 liefert einen Überblick über die theoretische und empirische Literatur zur Ausgestaltung und Wirkung regionaler Innovationssysteme. Abschn. 3 geht auf den methodischen Ansatz der Analyse ein und erläutert die Daten, auf denen die Untersuchungen basieren. Abschn. 4 analysiert die Ausgestaltung der regionalen Innovationssysteme in den deutschen Braunkohlerevieren. Abschn. 5 diskutiert abschließend die Ergebnisse und zieht Schlussfolgerungen für die (regionale) Wirtschaftspolitik.

2 Ausgestaltung und Wirkung regionaler Innovationssysteme

Dieses Kapitel ordnet den Beitrag in die Literatur zu Regionalen Innovationssystemen (RIS) ein. Es beginnt mit einer Darstellung theoretischer Überlegungen, woran sich einige Überlegungen zu empirischen Aspekten anschließen.

2.1 Theoretische Betrachtungen

Das Konzept der RIS hat sich heute als ein Standardmodell in der regionalen Innovations- und Wachstumsökonomik herausgebildet. Es erlaubt räumliche disparate Muster innovativer Aktivitäten zu erklären und Ansatzpunkte für Politiken zur Stärkung innovativer Prozesse in Regionen zu liefern (Asheim et al. 2019). Die Idee des RIS baut auf der Beobachtung auf, dass die Generierung von Wissen und Innovationen durch ein hohes Maß an Arbeitsteilung (Fritsch et al. 2007) charakterisiert ist. Dies betrifft sowohl die interne Arbeitsteilung innerhalb der forschenden Organisationen einer Region als auch Arbeitsteilung zwischen verschiedenen forschenden Organisationen, wie beispielsweise private Unternehmen und öffentliche Hochschulen oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen.

Der Innovationssystemansatz betont, dass die Generierung neuen Wissens durch „kollektives Lernen“ und Technologietransfer gekennzeichnet ist (Lawson und Lorenz 1999; Maskell und Malmberg 1999). Sie ermöglichen das Einbetten von neuen Arten von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten sowie die Verdrängung bestehender Wissensbestände in Unternehmen und anderen innovationsrelevanten Organisationen (Johnson 1992). Die hohe Arbeitsteilung in Innovationsprozessen impliziert folglich, dass bei der Analyse von Forschungsaktivitäten Akteure nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern die verschiedenen Beiträge des Zusammenspiels von Innovatoren und ihrem Umfeld anhand ihrer Netzwerkstruktur umfassend darzustellen und die daraus erwachsenden Limitationen und Effekte zu identifizieren sind.

Allgemein kann ein Innovationssystem definiert werden als „sämtliche Akteure, Interaktionen und Institutionen in einem Raum, die zur Entwicklung und Verbreitung von neuen Erfindungen bzw. neuen Technologien beitragen“ (Fritsch et al. 2007, S. 18). Beispielhaft lassen sich einige zentrale Elemente eines Innovationssystems nennen:

  • Private Unternehmen (z. B. Groß- bzw. Kleinunternehmen, unternehmensnahe Dienstleister, Zulieferer etc.),

  • Öffentliche Forschungseinrichtungen (z. B. Universitäten, Fachhochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen),

  • das Erwerbstätigenpotential sowie dessen Qualifikationsprofil,

  • die Ausprägung von Unternehmertum,

  • Nicht-akademische Bildungseinrichtungen (z. B. Grund- und Mittelschulen, Gymnasien, Berufsschulen, Fachschulen etc.),

  • Regionale und nationale Rahmenbedingungen (z. B. Förderpolitiken staatlicher Akteure wie Land, Bund oder EU aber auch rechtlich institutionelle Rahmenbedingungen) sowie

  • die natürliche Ressourcenausstattung.

Die Elemente des RIS, d. h. seine Akteure, sind durch eine Vielzahl verschiedener Interaktionsformen verbunden (bspw. FuE-Kooperationen, Lieferbeziehungen, Arbeitskräftemobilität, informeller Wissensaustausch etc.). Diese Interaktionen ermöglichen Wissensspillover und verstehen sich dabei als regelmäßig auftretende formelle und informelle Treffen oder Kommunikationsflüsse, welche „kollektives Lernen“ ermöglichen (Cooke 2001). Der daraus resultierende Grad der Vernetzung bildet die Grundlage für arbeitsteilige Innovationsprozesse und ein funktionierendes Innovationssystem (Fritsch et al. 2007; Hekkert et al. 2007; Fritsch und Slavtchev 2011).

Innovationssysteme haben heute auch eine starke regionale Komponente. Der Wissenstransfer und die Interaktionen zwischen den verschiedenen Akteuren sind in der Regel umso intensiver, je räumlich näher Akteure beieinanderliegen (Fritsch et al. 2007; Fritsch und Slavtchev 2011). Dies macht die regionale Organisation von Innovationsprozessen zu einem Treiber des wirtschaftlichen Wachstums. Boschma (2005) verweist in diesem Zusammenhang jedoch darauf, dass räumliche Nähe keine hinreichende Bedingung für ein funktionierendes regionales Innovationssystem ist. Vielmehr sind unterschiedliche Formen von Nähe für die effektive Interaktion notwendig. Diese umfassen neben der geografischen Nähe auch institutionelle, soziale, organisatorische und kognitive Elemente. Eine weitere Erkenntnis seiner Arbeit ist, dass sowohl zu viel als auch zu wenig Nähe negativ auf das (regionale) Innovationssystem wirken kann.

Schließlich sind bei der Analyse regionaler Innovationssysteme auch historische Pfadabhängigkeiten zu berücksichtigen. Unterschiedliche historische Ausstattungen mit Produktionsfaktoren, unterschiedliche sektorale Schwerpunkte oder auch unterschiedliche kulturelle Faktoren (z. B. Gründungsklima) führen dazu, dass Regionen auch über unterschiedliche Innovationssysteme verfügen. Das Konzept der regionalen Innovationssysteme betrachtet dementsprechend regionale Innovationsprozesse als das Ergebnis der Interaktion von wissensgenerierenden regionalen Akteuren (bspw. Universitäten und außeruniversitäre Einrichtungen) und Unternehmen (Trippl und Tödtling 2011). Der intensive regionale Austausch von Wissen, Ressourcen und Humankapital verleiht dem Innovationsprozess dabei den systemischen Charakter und fördert die Effizienz der regionalen Wissensgenerierung (Fritsch und Slavtchev 2011).

2.2 Empirische Betrachtungen

So intuitiv das Konzept der RIS aus theoretischer Perspektive erscheint, so schwierig gestaltet es sich, RIS empirisch zu untersuchen. Die große Herausforderung besteht darin, die so vielfältigen Typen von Interaktionen und die darin involvierten Akteure adäquat zu erfassen (Titze et al. 2012; Fritsch et al. 2020). Asheim und Coenen (2005) diskutieren bspw. verschiedene Arten von RIS anhand von fünf empirischen Studien im Rahmen eines vergleichenden Projektes über kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Sie kommen zu dem Schluss, dass Innovationspolitik vor allem die regionale Ebene im Blick behalten sollte. Auf dieser Ebene findet Wissensgenerierung und -transfer insbesondere statt.

Der Austausch von Wissen kann dabei über eine Reihe verschiedener Kanäle geschehen, die sowohl formeller als auch informeller Art sein können. In die erste Kategorie fallen etwa Ko-Patentierungen, gemeinsame Forschungsprojekte oder Ko-Publikationen. Die zweite Kategorie betrifft vor allem Austausche, die auf rein persönlicher Ebene stattfinden, etwa gemeinsame (bilaterale) Treffen oder Besprechungen. Muller und Zenker (2001) geben bspw. einen Überblick über die Rolle und Funktion von wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen (KIBS) in Innovationssystemen. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass Innovationsaktivitäten KMU und KIBS durch den Prozess der Wissensgenerierung und -verbreitung regional miteinander verbinden. Rodriguez-Pose und Crescenzi (2008) betonen ferner, dass die komplexe Interaktion zwischen lokaler und externer Forschung einerseits und lokalen und externen sozioökonomischen und institutionellen Bedingungen andererseits die Innovationskapazität jeder Region prägt. Fritsch und Franke (2004) untersuchten die Kooperationsbeziehungen von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in drei deutschen Regionen. Dabei werden die Unterschiede zwischen den Regionen sowie zwischen kleineren und größeren Unternehmen analysiert. Die Unterschiede zwischen den Regionen in ihrer Kooperationsbereitschaft sind hauptsächlich auf die Besonderheiten im Bereich der kleinen Unternehmen zurückzuführen. Die räumliche Nähe ist dabei offensichtlich von besonderer Bedeutung für die horizontale Zusammenarbeit und für die Beziehungen zu öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen. Der Zusammenhang zwischen dem Kooperationsverhalten der Unternehmen und der Leistung der RIS bleibt jedoch ungewiss.

Agrawal und Cockburn (2003) untersuchten die geografische die geografische Verflechtung von Hochschulforschung und FuE in drei Technologiebereichen. Während starke Beweise für die Zusammenlegung dieser vertikal verbundenen Aktivitäten gefunden wurden, scheinen sich die Regionen in ihrer Fähigkeit, akademische Forschung umzuwandeln, deutlich zu unterscheiden. Ein weiterer Aspekt, der für die empirische Analyse von RIS eine Rolle spielt, ist, dass die verschiedenen Formen von Interaktionen hoch selektiv sind und zu verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses auftreten. Kurzum, die Verwendung einer einzelnen Datenquelle für die Abbildung von Interaktionen würde räumliche Wissen- und Lernprozesse erheblich unterschätzen. Insbesondere trifft dies auf den privaten Sektor zu, der – gegeben seiner Charakteristika – häufig nur in ganz bestimmten Formen mit seinen Partnern interagiert (Fritsch et al. 2020).

3 Empirischer Ansatz

Die Analysen in diesem Beitrag basieren auf den Ansätzen von Titze et al. (2012) sowie Fritsch et al. (2020). Die methodische Grundlage stellt die Soziale Netzwerkanalyse (SNA) dar (für einen Überblick vgl. etwa Granovetter 1973; und Freeman 1979; für eine Anwendung mit Bezug zu RIS siehe Ter Wal and Boschma 2009). Die Untersuchungsebene ist die Akteursebene, d. h. ein konkretes Unternehmen, eine Hochschule oder Forschungsinstitut. Ziel einer SNA ist es, die Verflechtungen zwischen den Akteuren abzubilden und zentrale Akteure in diesem Netzwerk zu identifizieren. Der folgende Abschnitt beschreibt, auf welchen Informationen die Analysen der Verflechtungen in diesem Beitrag beruhen. Daran knüpft ein Abschnitt an, der die Aufbereitung der Informationen auf der Akteursebene beschreibt. Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt, der sich der Beschreibung der Untersuchungsregionen, d. h. den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen, sowie der Ableitung des Untersuchungsdesigns widmet.

3.1 Netzwerke

Um – gegeben der großen Vielfalt an Interaktionen (vgl. Abschn. 2.2) – die Interaktionsbeziehungen der Akteure in den RIS der Kohleregionen so vollständig wie möglich abzubilden, berücksichtigt dieser Beitrag formale Kooperationsbeziehungen aus geförderten FuE-Verbundprojekten sowie Ko-Patentierungen. Damit wird die Komplexität interaktiver Wissen- und Lernprozesse immer noch unterschätzt, allerdings nähert man sich dem Gesamtbild der Vernetzung deutlich weiter an, als wenn man nur eine Quelle für Wissensinteraktionen betrachten würde.Footnote 1 Daten zu FuE-Verbundprojekten sowie Ko-Patenten gehören heute zum Standardrepertoire in der Analyse von Netzwerkverflechtungen (Fritsch et al. 2020). Die Analyse wertet geförderte FuE-Verbundprojekte und Ko-Patente aus, die im Zeitraum 2000–2015 realisiert bzw. angemeldet wurden. Informationen über geförderte FuE-Verbundprojekte entstammen der Datenbank „Förderkatalog“, die gemeinsam vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) herausgegeben wird.Footnote 2

Der Förderkatalog beinhaltet weit mehr als 100.000 Projekte der Bundesförderung. Trotz der Fülle an vorliegenden Informationen sieht sich die Verwendung dieses Datensatzes mit einigen Limitationen konfrontiert. Erstens liegen nur Informationen über geförderte FuE-Projekte vor. Kooperationsprojekte, die rein privat finanziert sind, bleiben unberücksichtigt. Zweitens bestehen auf Ebene der Länder und der EU weitere Fördermöglichkeiten für (kooperative) FuE-Vorhaben. Drittens liegen in dieser Datenquelle keine Informationen über die im Projekt involvierten Personen vor. Bekannt sind die Namen und Regionalinformationen der am Projekt beteiligten konkreten Institutionen (also Firmen, Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen). Drei Informationen aus diesem Datensatz sind besonders wichtig für die Abbildung von Kooperationsverflechtungen. Hierbei handelt es sich um das Verbundkennzeichen, das anzeigt, welche Teilprojekte zu einem Verbundprojekt zusammengefasst werden können. Des Weiteren sind Name und Regionalmerkmal (d. h. die achtstellige amtliche Gemeindekennziffer) der ausführenden Stelle für die Analysen relevant. Die deutsche FuE-Förderpolitik richtet sich vorrangig an kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Große Unternehmen sind in dieser Datenbank unterrepräsentiert.

Informationen über Ko-Patente entstammen der OECD RegPat-Datenbank.Footnote 3 Die für die Analysen wichtigen Informationen betreffen Angaben zur Patentnummer und den Namen sowie dem Regionalmerkmal der Anmelder. Sind mindestens zwei Anmelder unter einer Patentnummer vermerkt, betrachtet die Analyse dieses Patent als Ko-Patent, mit dem eine Kooperation bzw. Interaktion in der Wissensgenerierung einherging. Bei der Arbeit mit Patentdaten ist zu berücksichtigen, dass als Anmelder häufig Einzelpersonen agieren, die sich nicht unmittelbar einer Institution (etwa Unternehmen, Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen) zuordnen lassen. Hier besteht keine andere Möglichkeit, als die betreffenden Akteure als Einzelpersonen zu betrachten. Wie auch die Daten über geförderte FuE-Verbundprojekte so unterliegt auch die Verwendung von Patentdaten einigen Beschränkungen (vgl. hierzu die zitierte Literatur in Fritsch et al. 2020). Erstens werden nicht alle Erfindungen patentiert (etwa aus Geheimhaltungsgründen). Zweitens erfolgen die Anmeldungen, die große Akteure (etwa weltweit agierende Unternehmen oder die Fraunhofer-Gesellschaft) vornehmen, häufig an den Standorten der Zentralen. Drittens differieren Patentierungsaktivitäten zwischen Technologiefeldern. Viertens können bestimmte Erfindungen nicht patentiert werden, etwa niedrigschwellige Erfindungen oder Verbesserungen im nicht-technologischen Bereich, bspw. Verbesserungen betrieblicher Abläufe in Unternehmen. Analog zu den FuE-Verbundprojekten bilden Patente folglich einen weiteren selektiven Teilbereich der Interaktionen in einem (regionalen) Innovationssystem ab.

3.2 Harmonisierung der Akteursinformationen

Da die Informationen über die Verflechtungen von verschiedenen Datenanbietern stammen, sind Harmonisierungsprozeduren hinsichtlich der Akteure notwendig. Diese Prozeduren stellen sicher, dass die Aktivitäten den „richtigen“ Akteuren – trotz unterschiedlicher Schreibweisen – zugeordnet werden. Das Prinzip der Harmonisierung ist in Abb. 1 dargestellt. Als Referenz für die harmonisierten Akteursnamen dienen die Amadeus-DatenbankFootnote 4 (Unternehmen) sowie der Research ExplorerFootnote 5 (öffentlich finanzierte Einrichtungen der Wissenschaft, insbesondere Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen). Beide Datenquellen eignen sich vor allem deshalb, weil sie einen sehr guten Proxy für die Gesamtpopulation der jeweiligen Akteursgruppe mit harmonisierten Akteursinformationen (d. h. mit eindeutigen Identifikatoren) darstellen.Footnote 6

Abb. 1
figure 1

Vorgehensweise bei der Harmonisierung der Akteursinformationen. (Quelle: Eigene Darstellung)

Die Harmonisierung der Akteure in den verschiedenen Datenquellen geschieht anhand des Namens und Regionalmerkmals unter Verwendung sogenannter Record-Linkage-Techniken. Diese Methoden bestimmen Ähnlichkeitsmaße bei der Schreibweise von Akteursnamen. Beim Erreichen geeigneter Schwellenwerte können zwei Datenfelder als identisch betrachtet werden (für eine ausführliche Darstellung vgl. Brachert et al. 2018, Kapitel 3).

Für die späteren Auswertungen werden die Akteure kategorisiert, und zwar in die Gruppen „Wissenschaft“, „Wirtschaft“ und „sonstige Akteure“. In der Gruppe „Wissenschaft“ sind alle Einrichtungen zusammengefasst, die in der Datenbank des Research Explorers gelistet sind. Innerhalb dieser Gruppe wird zudem eine weitere Differenzierung nach „Hochschulen“ sowie den Einrichtungen der großen Wissenschaftsverbünde in Deutschland, d. h. Max-Planck-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft sowie den sonstigen außeruniversitären Forschungsinstituten (bspw. Ressortforschungseinrichtungen) vorgenommen.

Zur Gruppe „Wirtschaft“ zählen alle diejenigen Akteure, die eine in Deutschland gängige Rechtsform im Namen führen und die nicht schon als Akteur der „Wissenschaft“ klassifiziert wurden. Aus der Amadeus-Datenbank liegt für die Akteure der „Wirtschaft“ neben dem Standort die vierstellige Branchenklassifikation vor, welche Auswertungen auf der Ebene von Wirtschaftszweigen und Regionen erlauben.

Neben den betrieblichen Merkmalen aus der Amadeus-Datenbank lassen sich weitere Merkmale generieren, die gute Proxies für die Innovativität eines Unternehmens darstellen. Aus dem Förderkatalog etwa können auf Akteursebene Maße erzeugt werden, die angeben, in welcher Anzahl und in welchem Umfang geförderte FuE-Projekte (Einzel- und Verbundprojekte) durchgeführt wurden. Aus der OECD-RegPat-Datenbank kann zudem ein Maß entwickelt werden, das besagt, wie viel Patentanmeldungen (Einzel- und Ko-Patente) das Unternehmen insgesamt vorgenommen hat. Da die geförderten FuE-Projekte und Patente bei weitem nicht alle innovativen Aktivitäten abdecken, wird zusätzlich anhand der Fraunhofer-Kundendatenbank geprüft, ob ein Unternehmen eine (privat finanzierte) Geschäftsbeziehung zu Instituten und Anwendungszentren der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) unterhalten hat.Footnote 7 Mit Hilfe dieser drei Maße lässt sich sodann bestimmen, ob ein Unternehmen eine Affinität für innovative Aktivitäten aufweist. Dieser Beitrag betrachtet ein Unternehmen dann als innovativ, wenn es entweder geförderte FuE-Projekte durchgeführt hat oder Patente angemeldet hat oder privatwirtschaftliche Kontakte zur Fraunhofer-Gesellschaft aufgewiesen hat.

3.3 Beschreibung der Untersuchungsregionen und Ableitung des Untersuchungsdesigns

Untersuchungsregionen für diesen Beitrag bilden die im Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) festgelegten Fördergebiete (vgl. hierzu den linken Teil der Abb. 2). Die Untersuchung fokussiert sich dabei auf die Braunkohlereviere, d. h. das Lausitzer Revier, das Mitteldeutsche Revier sowie das Rheinische Revier. Auf diese Gebiete entfallen rund 97 % der vorgesehenen Finanzhilfen des InvKG. Zum Fördergebiet des InvKG gehören darüber hinaus die Standorte der Steinkohlekraftwerke sowie der Landkreis Altenburger Land. Da auf diese Gebiete im Vergleich zu den Braunkohlerevieren eher kleinere Beträge entfallen, geht die Untersuchung nicht näher auf sie ein.

Abb. 2
figure 2

Untersuchungsregionen und Forschungsdesign. a Geografische Lage der Fallregionen. b Berechnung der Anzahl Interaktionen sowie des Anteils regionalerb Interaktionen – Beispiel aus der Fallregion der brandenburgischen Lausitza (aAls Akteure der Lausitz zählen in diesem Beispiel A und B, da die kreisfreie Stadt Cottbus und der Landkreis Spree-Neiße dieser Mesoregion zugeordnet werden können. bRegional bedeutet, dass die Kooperationspartner in Kreisen lokalisiert sind, deren Zentroiden maximal 50 km voneinander entfernt sind). (Quellen: Kartenausschnitt brandenburgische Lausitz: BBSR, Darstellung des IWH)

Tab. 1 beschreibt ausgewählte Charakteristika der drei Reviere. Die Untersuchung berücksichtigt insgesamt 23 Kreise und kreisfreie Städte (Spalte 2). Auffallend ist, dass keine Region im Lausitzer Revier als „Städtischer Raum“ klassifiziert ist, während dies auf alle Kreise des Rheinischen Reviers zutrifft (Spalte 3). Diese Klassifikation lässt Rückschlüsse zu, ob die Reviere über Regionen verfügen, in denen Agglomerationskräfte (insbesondere Urbanisierungsvorteile) mit entsprechenden Ausstrahlungspotenzialen erwartet werden können. Hier unterscheidet sich die Lausitz sehr deutlich von den anderen Revieren – die Lausitz hat bisher noch kein zugkräftiges urbanes Zentrum wie das Rheinische oder das Mitteldeutsche Revier.

Tab. 1 Charakterisierung der Untersuchungsregionen. (Quellen: Klassifikation des Regionstyps „Städtischer Raum“ gemäß Kreistypisierung des BBSR. Anzahl Betriebe: Unternehmensregister. Bevölkerung, Erwerbstätige: Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen)

Des Weiteren enthält Tab. 1 einige Kennziffern zur Ausstattung der Reviere mit wissenschaftlichen Einrichtungen. Diese sind unterschieden nach „Hochschulen“, Instituten und Anwendungszentren der „Fraunhofer-Gesellschaft“ (FhG), „sonstigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen“ und „sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen“ (Spalte 4). Diese Unterscheidung wird getroffen, da der Diskurs um die RIS den Hochschulen zentrale Rollen zuweist. Unter den Wissenschaftsverbünden richtet die Analyse ein besonderes Augenmerk auf die FhG, da diese Einrichtungen aufgrund ihrer institutionellen Ausrichtung einen besonderen Anwendungsbezug aufweisen und dadurch als Partner für die Wirtschaft am ehesten in Frage kommen.

Betrachtet man die absolute Anzahl an wissenschaftlichen Einrichtungen, dann zeigt sich, dass das Mitteldeutsche Revier im Vergleich zu den anderen beiden Revieren über eine sehr gute Ausstattung verfügt (Spalte 5). Da die Reviere unterschiedlich bevölkerungsstark sind, erscheint es jedoch ratsam, die regionale Ausstattung mit wissenschaftlichen Einrichtungen zu gewichten, und zwar an der Bevölkerung (Spalte 7), an der Anzahl an Erwerbstätigen (Spalte 9) und der Anzahl an Betrieben (Spalte 11). Der grundsätzliche Befund, dass das Mitteldeutsche Revier über eine überdurchschnittliche Ausstattung an wissenschaftlichen Einrichtungen verfügt, bleibt auch nach der Größengewichtung erhalten. Die Ausstattung des Lausitzer Reviers ist – größengewichtet – durchaus vergleichbar zu derjenigen des Rheinischen Reviers, obwohl sie – in absoluten Zahlen gerechnet – das Schlusslicht unter den Revieren bildet.

Der rechte Teil in Abb. 2 skizziert das Forschungsdesign. Im Zentrum stehen zunächst die Fragen, wie viele Interaktionen die Akteure (kategorisiert nach „Hochschulen“ und „Wirtschaft“) im Durchschnitt je Revier aufweisen und wie hoch der Anteil bestimmter Partnertypen (Partner aus den Gruppen „Wirtschaft“, „Hochschulen“, Institute und Anwendungszentren der „FhG“ sowie sonstigen „außeruniversitären Forschungseinrichtungen“) ist. Sodann geht es um die Frage, wie die Akteurstypen mit ihren Partnern regional verflochten sind. An diesem Punkt kommt die geografische Distanz ins Spiel, die auf Basis von Kreiszentroiden berechnet wird. In diesem Beitrag gilt als räumlich Nah eine Distanz von maximal 50 km. Nach dem Beispiel im rechten Teil von Abb. 2 besteht ein innovatives Kooperationsprojekt aus drei Partnern (A, B und C) mit den Standorten Cottbus, einem Ort im Spree-Neiße-Kreis sowie Berlin. Die Akteure A und B weisen jeweils zwei Interaktionen auf, wobei aber nur eine zu einem Partner mit einer Entfernung von weniger als 50 km besteht. Der Anteil von Kooperationen mit regionalen Partnern beträgt in diesem Beispiel für A und B jeweils 50 %.

4 Ergebnisse

Unter Anwendung des im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Forschungsdesigns erfolgt nunmehr die Analyse der drei Untersuchungsregionen. Das Kapitel beginnt mit einem Abschnitt, der die Untersuchung von Netzwerkbeziehungen in geförderten FuE-Verbundprojekten und Ko-Patenten nach Akteursgruppen zum Gegenstand hat. Im Mittelpunkt der Analysen steht, in welcher Intensität vor allem die Akteure in den Gruppen der „Hochschulen“ und der „Wirtschaft“ miteinander verflochten sind. Dies lässt Rückschlüsse auf die Intensität interaktiver Wissens- und Lernprozesse zu. Daran schließt sich ein Abschnitt an, der die betrieblichen Charakteristika innovierender Betriebe betrachtet. Hiermit kann aufzeigt werden, welche Betriebstypen am ehesten für Wissens- und Technologietransfer in den jeweiligen Revieren affin sein könnten.

4.1 Netzwerkanalyse

Zur Auswertung kommen Daten aus geförderten FuE-Verbundprojekten und Ko-Patenten. Beide Datensätze adressieren unterschiedliche Formen für den Austausch von Wissen und eine gemeinsame Analyse erlaubt ein umfassenderes Bild zu interaktiven Wissens- und Lernprozessen. Die Analysen zeigen (vgl. im Folgenden Tab. 2), dass vor allem Lausitzer Hochschulen im Reviervergleich eine geringe Intensität an Kontakten zu Kooperationspartnern in geförderten FuE-Verbundprojekten aufweisen. Im Zeitraum 2000–2015 hatte eine Hochschule im Lausitzer Revier durchschnittlich 145 Kontakte.Footnote 8 Eine Hochschule im Rheinischen Revier zeigt demgegenüber einen Wert von rund 750. Hier spiegelt sich die dominante Rolle der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH Aachen) wider. Bei Betrachtung der Kooperationspartner zeigt sich, dass Lausitzer Hochschulen relativ stark mit Partnern aus der Wirtschaft und anderen Hochschulen verflochten sind. Rund 35 bzw. 45 % aller Kontakte entfielen auf diese Akteurstypen. Für Hochschulen aus den anderen beiden Revieren liegen diese Werte etwas niedriger. Für die Akteursgruppe der Wirtschaft finden sich demgegenüber keine deutlichen Unterschiede über die Reviere hinweg. Sowohl was die Anzahl an Interaktionen als auch Anteile an Kontakten zu den anderen Akteursgruppen betrifft, liegen die Werte für die Wirtschaft in den Revieren dicht beieinander.

Tab. 2 Kooperationsstrukturen in geförderten FuE-Verbundprojekten und Co-Patenten nach Partnertyp. (Quellen: Rohdaten: Förderkatalog, OECD-Regpat, Research Explorer, Amadeus; eigene Berechnungen)

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Analyse von Verflechtungen, die sich aus Ko-Patenten ableiten lassen. Die Werte für die Anzahl an Interaktionen sind insgesamt deutlich geringer als bei geförderten FuE-Verbundprojekten. Dies lässt sich damit erklären, dass Patentierungen seltener stattfinden als (geförderte) FuE-Verbundprojekte. Auch bei diesem Indikator zeigt sich die hohe Intensität an Verflechtungen für die Hochschulen in Rheinischen Revier – ebenfalls getrieben durch die RWTH Aachen. Hinsichtlich der Anteile von Kontakten zu den übrigen Akteursgruppen fällt auf, dass diese nur sehr geringe Werte annehmen. Diese sind dem Umstand geschuldet, dass die Anmeldung häufig unter dem Namen einer Person erfolgt und die Institution unbekannt ist. Das Gros der Kontakte findet demnach zu Einzelanmeldern statt. Die Ergebnisse für die Verflechtungen der Wirtschaft in Ko-Patenten zeigt ein ähnliches Bild wie bei den geförderten FuE-Verbundprojekten.

Tab. 3 zeigt die Ergebnisse, wenn Verflechtungskonstellationen aus räumlicher Perspektive untersucht werden (vgl. Abschn. 3.3). Für Verflechtungen aus geförderten FuE-Verbundprojekten fällt für die Akteursgruppe der Hochschulen auf, dass jene aus dem Lausitzer Revier deutlich schwächer mit der eigenen Region vernetzt sind als diejenigen aus den anderen beiden Revieren. Lediglich rund 8 % aller Interaktionen Lausitzer Hochschulen fanden mit Partnern in räumlicher Nähe statt. Auch nur etwa 12 % aller Verflechtungen mit der Wirtschaft hatten einen regionalen Partner zum Kontakt. Für Hochschulen des Mitteldeutschen Reviers liegen die Werte deutlich höher, nämlich bei ca. 15 % und 21 % – fast doppelt so hoch, wie bei den Lausitzer Hochschulen. Ähnlich verhält es sich im Rheinischen Revier. Für die Akteursgruppe der Wirtschaft zeigen sich diese deutlichen Unterschiede wiederum nicht.

Tab. 3 Kooperationsstrukturen in geförderten FuE-Verbundprojekten und Ko-Patenten in räumlicher Nähe (50 km) nach Partnertyp im Zeitraum 2000–2015. (Quellen: Rohdaten: Förderkatalog, OECD-Regpat, Research Explorer, Amadeus; eigene Berechnungen)

Rückt man die regionalen Vernetzungsmuster der Patente in das Blickfeld, dann fallen zunächst die deutlich hinter den FuE-Projekten zurückbleibenden Werte auf. Diese implizieren, dass Partner für Ko-Patente häufig außerhalb der eigenen Region gefunden werden. Dieser Befund dürfte auch dem Umstand geschuldet sein, dass es sich bei vielen Patentanmeldern um Privatpersonen handelt, die dann mit ihrem Wohnort in der Analyse berücksichtigt werden, der naturgemäß nicht unbedingt identisch sein muss mit dem Arbeitsort. Auffallend ist darüber hinaus, dass etwa 67 % der Beziehungen von Hochschulen aus dem Rheinischen Revier zu sonstigen außeruniversitären Forschungsinstituten im regionalen Umfeld erfolgen. Hinter diesem Wert steht eine geringe Anzahl an Ko-Patenten und Akteuren. Konkret handelt es sich um die RWTH Aachen, die Fachhochschule Aachen und das Universitätsklinikum. Für die RWTH und die FH wurden 2 bzw. 10 Ko-Patente mit sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen gemeldet, beide mit Instituten in räumlicher Nähe. Für das Klinikum gab es keine Meldung.

4.2 Merkmale innovierender Unternehmen

Die folgenden Analysen stellen die Merkmale innovierender Betriebe in den Mittelpunkt der Überlegungen. Dieser Untersuchungsschritt lässt Rückschlüsse darüber zu, unter welchen Betriebstypen am ehesten Kooperationspartner für innovative Vorhaben gefunden werden. Hierbei unterstellen wir, dass innovative Betriebe eine höhere Affinität für wissensbasierten Innovations- und Technologietransfer aufweisen. Diese Erkenntnisse können insbesondere für die Hochschulen interessant sein, weil sie den Kreis möglicher Kooperationspartner für Wissens- und Technologietransfer eingrenzen und geeignete Akteure gezielt – etwa im Rahmen von Technology Scouting Initiativen – angesprochen werden können.

Aus den Analysen des vorangegangenen Abschnitts zeigte sich, dass die Lausitzer Hochschulen insgesamt wenig Vernetzungen – vor allem auf lokaler Ebene – aufweisen. Eine gezielte Ansprache von für Wissens- und Technologietransfer affinen Akteuren (im Sinne von „picking the winners“) kann zu einer Verbesserung der Vernetzung der Lausitzer Hochschulen beitragen. Als innovativ betrachtet diese Untersuchung Betriebe, wenn sie entweder geförderte FuE-Projekte durchgeführt haben oder Patente angemeldet haben oder in Geschäftsbeziehungen mit den Instituten und Anwendungszentren der FhG standen. Die Untersuchungen in diesem Abschnitt fokussieren sich auf die regionale und die sektorale Struktur innovierender Unternehmen und beschreiben darüber hinaus auch deren Betriebsgrößenstruktur. Tab. 4 gibt die regionale Allokation der (innovierender) Betriebe wieder. Über alle Reviere hinweg zeigt sich, dass ökonomische Aktivität in ausgewählten Regionen konzentriert ist. Im Lausitzer Revier etwa sind rund zwei Drittel der Betriebe in den Landkreisen Dahme-Spreewald, Bautzen und Görlitz verortet. Im Mitteldeutschen Revier trifft dies auf die kreisfreien Städte Leipzig und Halle (Saale) sowie den Landkreis Leipzig zu, die rund 60 % aller Betriebe dieses Reviers auf sich vereinen. Im Rheinischen handelt es sich um die Städteregion Aachen, den Rhein-Erft-Kreis und den Rhein-Kreis Neuss, in denen ebenfalls rund zwei Drittel der Betriebe dieses Reviers ihren Standort haben.

Tab. 4 Regionale Allokation innovierender Betriebe. (Quellen: Rohdaten: Förderkatalog, OECD-Regpat, Research Explorer, Amadeus; eigene Berechnungen)

Eine räumliche Konzentration ist auch bei den innovierenden Betrieben zu beobachten. Diese fällt allerdings meistens mit der Ballung ökonomischer Aktivität auf aggregierter Ebene zusammen. Im Lausitzer Revier sind innovierende Betriebe schwerpunktmäßig in den Landkreisen Bautzen, Görlitz, Dahme-Spreewald und Oberspreewald-Lausitz beheimatet. Diese machen zusammen vier Fünftel aller innovierenden Betriebe im Lausitzer Revier aus. Auffallend ist zudem der hohe Wert für den Landkreis Bautzen (37 %). Bemerkenswert ist auch, dass die kreisfreie Stadt Cottbus als Universitätsstadt und der sie umgebende Spree-Neiße-Kreis einen sehr niedrigen Anteil innovierender Unternehmen im Lausitzer Revier vorweisen.

In Rheinischen Revier nimmt die Städteregion Aachen die dominierende Rolle bei den Standorten innovierender Betriebe ein (45 %). Hohe Werte weisen ebenfalls der Rhein-Erft-Kreis sowie der Rhein-Kreis Neuss auf. Im Mitteldeutschen Revier zeigt sich für die kreisfreie Stadt Leipzig eine Spitzenstellung (rund 34 %), gefolgt von Halle (Saale) (etwa 14 %) sowie dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld (ca. 14 %). Bei letzterem weicht das Muster der Ballung von innovierenden Betrieben mit der Konzentration der ökonomischen Aktivität im Allgemeinen aufgrund sektoraler Besonderheiten der Region ab (siehe auch Saalekreis).

Tab. 5 untersucht die sektorale Struktur innovierender Betriebe in den Revieren. In allen drei Revieren zeigt sich im Aggregat über alle Betriebe die für Deutschland mittlerweile typische Dominanz von Branchen des Dienstleistungsgewerbes. Hinsichtlich der sektoralen Struktur innovierender Unternehmen zeigt sich jedoch ein anderes Bild. In allen drei Revieren vereinen das produzierende Gewerbe (ohne Baugewerbe) und die unternehmensnahen sowie öffentlichen Dienstleistungen den Hauptteil der innovierenden Unternehmen auf sich. So stammen zwischen 72,5 (Rheinisches Revier) und 85,9 % (Lausitzer Revier) der innovierenden Betriebe aus diesem Bereich. Für das Rheinische Revier kommen als regionales Spezifikum noch Betriebe aus der Branchengruppe Handel, Gastgewerbe und Transport (rund 23 %) hinzu.

Tab. 5 Sektorale Struktur innovierender Betriebe. (Quellen: Rohdaten: Förderkatalog, OECD-Regpat, Research Explorer, Amadeus; eigene Berechnungen)

Tab. 6 zeigt schließlich die Verteilung innovierender Betriebe über Betriebsgrößen. Hier findet sich in der aggregierten Betrachtung das für Deutschland vorherrschende Muster: mehr als 90 % der Betriebe gehören zur Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen. Dieses grundsätzliche Muster findet sich auch über alle drei Reviere hinweg. Allerdings fällt auf, dass das Rheinische Revier über einen etwas höheren Anteil kleiner und einen geringeren Anteil mittlerer Betriebe als die anderen beiden Reviere verfügt. Hinsichtlich der Anteile großer und sehr großer Betriebe unterscheiden sich die Reviere kaum. Bemerkenswert ist vielmehr, wie sich die Anteile unter den innovierenden Betrieben auf die Betriebsgrößen verteilen. Die höchsten Anteile innovierender Betriebe sind in der Gruppe der mittleren Unternehmen zu beobachten. Deutlich überproportionale Anteile weist zudem die Gruppe der großen und sehr großen Unternehmen auf. Hier bestehen auch die deutlichsten regionalen Unterschiede. So ist ihr Anteil im Rheinischen Revier fast dreimal so hoch wie in der Lausitz. Auch das Mitteldeutsche Revier grenzt sich hier deutlich von der Lausitz ab.

Tab. 6 Größenstruktur innovierender Unternehmen. (Quellen: Rohdaten: Förderkatalog, OECD-Regpat, Research Explorer, Amadeus; eigene Berechnungen)

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass sich die Merkmale innovierender Betriebe zwischen den Revieren nur wenig substantiell unterscheiden. Innovierende Betriebe sind in ausgewählten Regionen konzentriert, kommen vor allem aus den Branchen des produzierenden Gewerbes (ohne Baugewerbe) sowie der unternehmensnahen und öffentlichen Dienstleistungen und gehören vornehmlich zur Gruppe der mittleren und großen Unternehmen. Insbesondere die sehr großen Unternehmen sind in der Gruppe der innovierenden Unternehmen in der Lausitz nur relativ schwach vertreten. Hier dominieren in relativer Betrachtung die mittelgroßen Unternehmen.

5 Schlussfolgerungen und wirtschaftspolitische Implikationen

Der vorliegende Beitrag befasste sich mit der Analyse regionaler Innovationssysteme in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen in Deutschland. Viele dieser Regionen sind bereits durch Strukturschwächen gekennzeichnet, die sich durch den Abbau von Produktion und Beschäftigung in den Kohlesektoren noch weiter verstärken könnten. Um dieser Verschlechterung der regionalen Entwicklungsperspektiven entgegenzuwirken, stellt die Bundesregierung den Regionen zusätzliche Finanzhilfen im Umfang von mehr als 40 Mrd. € bis zum Jahr 2038 zur Verfügung.

Der Einsatz derartiger Subventionen wird in der ökonomischen Literatur jedoch kontrovers diskutiert. Es stellt sich die Frage, an welchen Stellen die Finanzhilfen überhaupt ansetzen sollen. In der ökonomischen Forschung besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass Forschung und Entwicklung sowie die Stärkung (regionaler) Innovationsprozesse die treibenden Kräfte für die regionale Entwicklung sind. Dazu können leistungsfähige regionale Innovationssysteme einen wichtigen Beitrag leisten. Netzwerkanalysen können dabei helfen, die Verflechtungen von Akteuren in RIS abzubilden und Stärken oder Schwächen aufzudecken. Häufig fehlen jedoch geeignete Daten, um Vernetzungen regionaler Innovationssysteme adäquat abzubilden. Der vorliegende Beitrag adressiert dieses Problem, indem er Statistiken auswertet, die eine Analyse von Vernetzungen auch für größere räumliche Einheiten erlauben. Konkret handelt es sich um durch Bund geförderte FuE-Verbundprojekte und Ko-Patente. Beide Statistiken haben sich als Standarddatenquellen für die Netzwerkanalyse etabliert. Die gemeinsame Verwendung beider Datenquellen adressiert in Teile die Selektionsprobleme, die entstehen, wenn bestimmte Kooperationsformen von Akteuren bevorzugt werden.

Die auf geförderten FuE-Kooperationen und Ko-Patenten basierenden Analysen für den Zeitraum 2000–2015 für die drei großen Kohlereviere in Deutschland zeigen, dass vor allem die Hochschulen im Lausitzer Revier einen Rückstand in ihrer Vernetzung im Vergleich zu den beiden anderen Revieren aufweisen. Auch ist der Anteil regionaler Kooperationspartner aus der Wirtschaft bei Lausitzer Hochschulen geringer als in den anderen beiden Revieren. Gerade die Verflechtungen zur regionalen Wirtschaft stellen jedoch eine wichtige Quelle für wirtschaftliche Entwicklungsprozesse dar. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die Befunde auf der Analyse von formalen Kooperationsbeziehungen beruhen. Neben den formalen dürften auch informelle Interaktionen eine wichtige Rolle für den beidseitigen Wissensaustausch spielen. Die Evidenz zu dieser Thematik ist bislang eher rudimentär. Zukünftige Forschung könnte diesen Aspekt genauer unter die Lupe nehmen und analysieren, in welchem Verhältnis formelle und informelle Kooperationen stehen, ob sie sich gegenseitig bedingen und ob es regionale Unterschiede gibt.

Als Kooperationspartner für Wissens- und Technologietransfer in der Wirtschaft kommen vor allem solche Akteure in Frage, die eine hohe Affinität für FuE-Aktivitäten aufweisen. Der vorliegende Beitrag versucht, diesen Aspekt zu adressieren, indem er analysiert, inwiefern die Betriebe in den Revieren Fördermittel für FuE-Projekte erhalten haben, Patente angemeldet haben oder privat finanzierte Kooperationsbeziehungen zu den Instituten und Anwendungszentren der Fraunhofer-Gesellschaft unterhalten haben. Hier offenbaren die Analysen, dass sich die Charakteristika zwischen den innovierenden Betrieben zwischen den Revieren eher wenig unterscheiden. Innovierende Betriebe sind in ausgewählten Regionen konzentriert, gehören überwiegend zu den Branchen des produzierenden Gewerbes sowie den unternehmensnahen und öffentlichen Dienstleistungen und weisen vornehmlich mittlere und große Betriebsgrößen auf. Sehr große Unternehmen sind hier überproportional stark vertreten. Gerade die Lausitz hat in diesem Bereich ein Defizit.

Regional differenzierte Förderpolitiken in den Revieren könnten an diesem Punkt ansetzen. Dafür stehen zwei „Hebel“ zur Verfügung, erstens die Stärkung der Elemente des RIS und zweitens die Stärkung der Intensität der Interaktionen im RIS. Eine regional differenzierte Innovationspolitik muss dabei berücksichtigen, dass die Ausgangsbedingungen in den drei Revieren völlig unterschiedlich sind. Vor allem das Rheinische Revier verfügt mit seinen Hochschulstandorten über eine hervorragende Ausstattung und weist damit zweifelsohne „kritische“ Massen auf. Ansatzpunkte dafür finden sicherlich auch im Mitteldeutschen Revier. Eine hinreichende Dichte an Forschungseinrichtungen fehlt bislang in der Lausitz. Insofern sind die Bemühungen um die Ansiedlungen von außeruniversitären Forschungseinrichtungen im Lausitzer Revier sehr vielversprechend – insbesondere an den Standorten, wo ohnehin wissenschaftliche Kompetenzen vorzufinden sind.

Neben der Anzahl an Elementen in einem RIS und ihrer Größe muss die differenzierte regionale Innovationspolitik auf die Stärkung der Kooperationsintensität in den Blick nehmen. Hier etwa kann unter anderem der Abbau von Hemmnissen für innovative Kooperationen ein Ansatzpunkt für eine bessere regionale Innovationsleistung sein. Ausgehend vom Befund, dass die Lausitz durchaus über innovierende Unternehmen verfügt, besteht insbesondere bei den Lausitzer Hochschulen Nachholbedarf, ihre Vernetzung zur (regionalen) Wirtschaft zu verbessern. Hier sollte sich zukünftige Forschung vor allem darauf fokussieren, wo konkret die Hemmnisse in der Lausitz liegen, dass Hochschulen und Wirtschaft keine (formalen) Kooperationsbeziehungen aufbauen. Ein geeigneter Startpunkt hierfür könnten etwa Technology Scouting Initiativen der Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstitute sein, geeignete Transferpartner zu identifizieren und für innovative Kooperationsvorhaben zu gewinnen.