In der Erziehungswissenschaft ebenso wie in der Erwachsenenbildung wurde die Frage nach der Bedeutung von Organisationen lange eher randständig verhandelt (Larcher Klee 2009). Traditionell wurde von einer „These der Unvereinbarkeit von Organisation und Erziehung“ (Terhart 1986) ausgegangen, die sich auch in einer pädagogischen Antinomie zwischen Organisation und Interaktion ausdrücke (Helsper 2004). Pädagogisches, d. h. fallbezogenes und situatives, Handeln wird hier einer bürokratisierenden und standardisierenden Handlungslogik der Organisation gegenübergestellt. Aufgrund einer Abkehr von rationalistisch argumentierenden Organisationstheorien lässt sich in den letzten Jahren jedoch eine eine Annäherung zwischen den Diskursen um pädagogische Professionalität sowie erwachsenenpädagogische Organisationen beoachten, die als „Bedingung der Möglichkeit institutionalisierter Bildungsprozesse“ (Ehses und Zech 1999) verstanden wird. Die dabei entstehende Schnittstelle genauer zu erfassen, bietet sich im Feld der Erwachsenen- und Weiterbildung insofern an, als dass das Feld über unterschiedliche Institutionalformen (Schäffter 2005) und Reproduktionskontexte (Schrader 2010) verfügt, die sowohl für die empirische wie für die theoretische Forschung vielversprechende Erkenntnisse erwarten lassen (Herbrechter und Schrader 2016).

Vor diesem Hintergrund wird in dieser Ausgabe der Zeitschrift für Weiterbildungsforschung danach gefragt, wie pädagogische Organisationen der Aufgabe bzw. ihrem Organisationszweck nachkommen, Bildung zu ermöglichen. Damit wird die Verknüpfung zwischen den Diskursen um Organisation, Interaktion und Profession(alität) in den Mittelpunkt gerückt. Zur Einführung in dieses Heft wird zunächst ein Überblick über den aktuellen Forschungsdiskurs gegeben, bevor im Anschluss die Schwerpunktbeiträge hierin verortet werden.

Der Forschungsstand zur Verknüpfung der Diskurse Interaktion, Organisation und Professionalität in der Weiterbildung lässt sich in zwei Richtungen differenzieren. Auf der einen Seite wird insbesondere im Kontext der Entwicklung der Subdisziplin der Organisationspädagogik (Göhlich et al. 2014) untersucht, wie Organisationen lernen und wie sie – als kollektive Bildungsadressaten – dabei unterstützt werden können. Auf der anderen Seite wird der mögliche Einfluss von organisationalen Kontexten auf pädagogische Handlungsstrukturen analysiert.

1 Organisationen als Bildungsadressaten oder die Frage nach organisationalem Lernen

In der organisationspädagogisch orientierten Forschung wird das Lernen von, in und zwischen Organisationen in den Blick genommen (Göhlich et al. 2014). Hierbei lassen sich drei zentrale Ausgangspunkte unterscheiden: die Bedeutung organisationaler Lernanlässe, das Lernen organisationaler Akteure und die pädagogischen Unterstützungsmöglichkeiten organisationaler Lernprozesse.

Organisationale Lernanlässe

In der theoretischen und empirischen Auseinandersetzung wird zunächst deutlich, dass Veränderungen in Umwelt und Gesellschaft als organisationale Lernanlässe genutzt werden (z. B. Schemmann 2013; Engel 2013). So zeigt sich anhand von historisch orientierten Dokument- und Programmanalysen, dass Organisationen auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren und sich darin Lernprozesse dokumentieren (z. B. Hopf 2005; Gieseke 2005; Link 2005). Die Konfrontation mit dem „Neuen“, das durch Veränderungen initiiert wird, irritiert organisationale Routinen und Muster und trägt damit zur Anregung von Lernprozessen bei (Weber et al. 2014).

Das Lernen organisationaler Akteure

Hinsichtlich des organisationalen Lernens durch die Organisationsmitglieder wird normativ die Bedeutung der Einbindung aller Beteiligten hervorgehoben (im Überblick Weber et al. 2014). Empirische Studien verweisen dabei auf informelle Formen der Partizipation in pädagogischen Organisationen (z. B. Gamsjäger et al. 2013) oder auf informelle, arbeitsintegrierte Lernmöglichkeiten (im Überblick Reglin und Severing 2005). Zudem wird aber auch deutlich, dass bestehende Partizipationsmöglichkeiten nicht immer genutzt werden (Bahl 2013), eine Partizipationsrhetorik in Organisationen nicht zwangsläufig mit einer gelebten Partizipationspraxis einhergeht (Mensching 2013) und über kollektive Lernprozesse auch Spannungsfelder zwischen den beteiligten Akteuren entstehen können (Schäfer 2015).

Zur pädagogischen Unterstützung organisationaler Lernprozesse

In organisationspädagogischen Diskursen wird die Unterstützung „organisationaler Identitätslernprozesse“ (Geißler 2000) diskutiert und organisationales Lernen bildungstheoretisch begründet (Göhlich 2010). Insbesondere die Bedeutung von Beratung wird hier hervorgehoben (im Überblick Göhlich et al. 2007; Pätzold 2016; Schiersmann und Thiel 2014). Gleichwohl lässt sich empirisch ein Forschungsdesiderat feststellen, da über die Wirksamkeit von Beratung pädagogischer Organisationen kaum empirische Erkenntnisse vorliegen.

2 Organisationen als Kontexte oder die Frage nach dem organisationalen Einfluss auf pädagogisches Handeln

Forschungsarbeiten, die Organisationen als Kontexte für professionelles pädagogisches Handeln untersuchen, stellen vor allem drei zentrale Aspekte in den Mittelpunkt: die Bedeutung von Trägerstrukturen, das Verhältnis von Organisation und Professionalität und das Verhältnis von Organisation und Interaktion.

Organisation und Trägerstruktur

Trägerstrukturen fungieren – theoretisch betrachtet – als institutioneller Kontext für einzelne Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung und wirken auch auf deren Selbstverständnis ein. Empirisch lässt sich dies in Untersuchungen zu organisationalen Selbstbeschreibungen zeigen. Hier wird deutlich, dass in den Selbstbeschreibungen die Trägerstruktur implizit wirksam wird (Zech 2009). Darüber hinaus deuten empirische Befunde darauf hin, dass es Verbindungen zwischen einer wahrgenommenen Lernkultur in Weiterbildungsorganisationen und deren spezifischer Trägerkultur gibt (Fleige 2011).

Organisation und Professionalität

Die zu beobachtende Annäherung zwischen Organisations- und Professionstheorie (z. B. Kurtz 2004; Vanderstraeten 2004) wird mit der Untersuchung zu einer „organisationsgebundenen Professionalität“ (Schicke 2012) empirisch fundiert. Vorstellungen von Professionalität werden demnach nicht nur durch die individuellen Kompetenzen und Wissensbestände der Akteure bestimmt. Vielmehr bildet sich Professionalität erst im Kontext einer spezifischen Organisation heraus. Dieser Zusammenhang wird auch in den differenten Rekrutierungspraxen freiberuflicher Kursleitender durch erwachsenenpädagogische Organisationen deutlich (Goeze und Schneider 2014).

Organisation und Interaktion

Systemtheoretische Überlegungen zum Verhältnis von Organisation und Interaktion (z. B. Kuper 2004) thematisieren den Einfluss von Organisationen auf Interaktionssysteme, da Organisationen über Entscheidungen eine relativ stabile Struktur für die zufallsabhängige Kommunikation auf der Ebene der Interaktion bereitstellen. Empirisch zeigt sich dies darin, dass Organisationen als Kontexte sowohl auf die Handlungspraxen von Lehrenden einwirken (Nesbit 1998) als auch auf kollektiv geteilte Handlungsorientierungen organisationaler Akteure; Letzteres erfolgt über die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden (Franz 2016). Darüber hinaus wird im Kontext der Bildungsberatung deutlich, dass die Interaktionsstruktur in Beratungssituationen im Zusammenhang mit dem jeweiligen organisationalen Kontext steht (Stanik 2016).

Der knappe Überblick über die Forschungsdiskurse zeigt, dass im Kontext organisationspädagogischer Forschung zum organisationalen Lernen darauf hingewiesen wird, dass Veränderungen als zentrale Lernanlässe fungieren, dass die Beteiligung der Akteure in der Praxis eine zentrale Rolle spielt und dass der Unterstützung organisationalen Lernens ein großer Stellenwert zugeschrieben wird. In der Forschung, die die Organisation als Kontext pädagogischen Handelns betrachtet, zeigt sich, dass Trägerstrukturen in Selbstbeschreibungen von Organisationen deutlich werden, dass Professionalität durch organisationale Kontexte mitgeformt wird und dass Organisationen Einfluss auf die Ebene der Interaktion nehmen.

Gleichwohl lassen sich auch einige Forschungsdesiderate benennen. So stellt sich die Frage, wie im Kontext organisationaler Lernprozesse individuelle und kollektive Prozesse miteinander verknüpft werden. Darüber hinaus ist unklar, wie sich Beratungstätigkeiten beim organisationalen Lernens auswirken. Auch das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure in pädagogischen Organisationen und dessen Bedeutung für organisationale Lernprozesse oder die Ermöglichung von Bildungsprozessen in Organisation ist weitgehend unerforscht.

Mit dieser Ausgabe der ZfW können die aufgezeigten Forschungslücken zwar nicht geschlossen werden. Gleichwohl aber setzten die Beiträge im Schwerpunkt des Heftes an einigen der genannten Fragen an und tragen so zu einer Ausdifferenzierung der Diskurse bei.

Im Beitrag von Julia Franz und Markus Scheffel wird die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure in Weiterbildungseinrichtungen empirisch betrachtet. Im Rahmen einer qualitativen Reanalyse wird die unterbeforschte Perspektive von Verwaltungsmitarbeitenden in den Blick genommen und danach gefragt, wie nicht-pädagogische Mitarbeitende die Zusammenarbeit mit pädagogischen Mitarbeitenden wahrnehmen. Durch die empirische Differenzierung zweier idealtypischer Muster der Wahrnehmung von Zusammenarbeit wird die Perspektive auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure im Forschungsdiskurs weiter geschärft.

Im Beitrag von Tina Röbel wird die Bedarfsbestimmung von Bildungsmaßnahmen in Großunternehmen in den Blick genommen. In der qualitativen Untersuchung wird der Frage nachgegangen, wie drei Großunternehmen der Aufgabe nachkommen, Bildung zu ermöglichen. In der empirischen Studie, in der (leitende) Mitarbeitende der Weiterbildungsabteilungen sowie Führungskräfte interviewt wurden, wird deutlich, dass der Bedarf weitgehend durch die Weiterbildungsabteilungen ermittelt wird und die Begründungen für die Angebote in unterschiedlichen organisationalen Kontexturen eingebettet sind. Der Beitrag schließt an die bislang ungeklärte Frage an, welchen Entscheidungen in privatwirtschaftlichen Unternehmen Weiterbildung zugrunde liegt.

Henning Pätzold fokussiert in seinem Beitrag aus einer lerntheoretischen Perspektive auf die Schnittstelle zwischen kollektiven und individuellen Lernprozessen in Organisationen. Er reflektiert die bisherige Auseinandersetzung mit den „Klassikern“ der erwachsenenpädagogischen Theoriebildung in den Diskursen zum organisationalen Lernen. Darauf aufbauend wird ein eigenes Modell organisationalen Lernens aus dem „Lerndreieck“ von Knud Illeris abgeleitet. In einem weiteren Schritt wird eine explorative, ethnografisch orientierte Feldstudie präsentiert, mit deren Hilfe er das Modell kritisch reflektiert. Der Autor entwickelt daraus einen Vorschlag für eine empirisch fundierte Theorie organisationalen Lernens.

Bente Elkjaer bezieht sich in ihrem Beitrag auf die Differenz institutioneller und funktionaler Organisationsbegriffe. Um Lernprozesse in Organisationen theoretisch analysieren zu können, seien beide Perspektiven unabdingbar. Auf dieser Argumentation aufbauend, bezieht sich die Autorin auf pragmatische sowie situierte Lerntheorien, mit denen individuelle Lernprozesse eher ausgeblendet und kollektive Partizipations-, Erfahrungs- und Lernprozesse in sozialen Praxisgemeinschaften hervorgehoben werden. Insofern handelt es sich um den Versuch, kollektive organisationale Lernprozesse theoretisch präziser zu fassen.

Die Schwerpunktbeiträge dieses Heftes werden ergänzt durch zwei weitere Beiträge im Forum: Im Beitrag von Ewa Pryzbylska und Ekkehard Nuissl werden Karikaturen zu Literalität und Illiteralität zum Gegenstand der Reflexion. Anhand explorativer Analysen werden Deutungsangebote zum Bildmaterial herausgearbeitet, im Diskurs der kulturellen Bildung verortet und auf relevante Forschungsdesiderate hin befragt. Malte Ebner von Eschenbach plädiert in seinem Beitrag für eine theoretische Weiterentwicklung der erwachsenenpädagogischen Raumforschung. Diese könne, wie der Autor im Beitrag anschaulich zeigen kann, von einer stärkeren Durchdringung topologischer Raumperspektiven profitieren.

Das vorliegende Heft der ZfW bietet, wie wir hoffen, die Möglichkeit, sich im Schwerpunkt mit der Schnittstelle von Organisation, Interaktion und Professionalität sowie im Forum mit zwei weiteren überaus interessanten Forschungsfragen auseinanderzusetzen. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.