Einleitung

In der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur lassen sich zentrale Themen ausmachen, mit denen sich Naturwissenschaftsdidaktiker*innen vorrangig befassen, z. B. Fachsprache, Schüler*innenvorstellungen, naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden und Konzepte etc. Die Konkretisierung dieser Themen findet z. B. in den Bildungsstandards (KMK 54,55,56,a, b, c), bei PISA (OECD 2019) und in naturwissenschaftsdidaktischen Grundlagenwerken (vgl. z. B. Gebhard et al. 2017; Nerdel 2017) statt. Übergeordnet wird das Ziel einer naturwissenschaftlichen Grundbildung in all diesen Publikationen angegeben. Hodson (2014) beispielsweise fasst die Ziele einer naturwissenschaftlichen Grundbildung unter learning science, learning about science, doing science und adressing socio-scientific issues zusammen.

Alle Schüler*innen sollen diese Ziele einer naturwissenschaftlichen Grundbildung erwerben (Gräber und Nentwig 2002; Millar 2006; Roberts und Bybee 2014; Yacoubian 2018), so dass auch das Ziel der Inklusion und Partizipation genauer bestimmt werden muss. Die Umsetzung von Inklusion zielt darauf ab, die inter- und intrapersonelle Diversität aller Schüler*innen anzuerkennen, Ausgrenzungen und Barrieren zu minimieren, um allen Schüler*innen Partizipation zu ermöglichen (Amor et al. 2019; Booth und Ainscow 2017; Kim et al. 2020). Dabei wird sowohl die soziale als auch die akademische Partizipation gefördert (Göransson und Nilholm 2014; van Mieghem et al. 2020). Dies beinhaltet die Anerkennung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten, um allen Schüler*innen ko-konstruktive Lernprozesse zu ermöglichen (Florian und Spratt 2013; Simon und Gebauer 2014; Stinken-Rösner et al. 2020). Black-Hawkins (2010, S. 32) definiert die Umsetzung von Inklusion entlang von Partizipation und führt diesbezüglich drei Bereiche auf: „access as being able to be there, collaboration as learning together and diversity as the recognition and acceptance“. Die Ansprüche an die Umsetzung inklusiven Unterrichts sind nicht nur klar formuliert, sondern bereits auch in etablierten Frameworks systematisiert worden (Black-Hawkins 2010; Booth und Ainscow 2017; European Agency 2017; Florian 2014; Schurig et al. 2020; Soukakou 2016), allerdings ohne konkreten Fachbezug.

Es erscheint für Forschende und Lehrpersonen herausfordernd, Inklusion fachbezogen auszugestalten, d. h. Inklusion mit naturwissenschaftlichen Aspekten zu verknüpfen, so dass konkretisiert wird, wie die naturwissenschaftlichen Ziele für alle Lernenden erreichbar sind (Brauns und Abels 2020). Zudem wird nicht deutlich, wie z. B. naturwissenschaftliche Konzepte, Experimente, Phänomene etc., die zentrale Elemente des naturwissenschaftlichen Unterrichts sind, für alle zugänglich gestaltet werden können. Dies liegt nicht zuletzt an wenig handlungsleitenden Definitionen inklusiven (naturwissenschaftlichen) Unterrichts. Auch in der Definition des DFG geförderten Netzwerks inklusiver naturwissenschaftlicher Unterricht (NinU), in dem Naturwissenschaftsdidaktiker*innen und Sonderpädagog*innen die folgende Definition für ein weites Verständnis von Inklusion in Bezug auf den naturwissenschaftlichen Unterricht aufgestellt haben, zeigt sich ein Konkretisierungsbedarf:

Naturwissenschaftlicher Unterricht trägt zu gelungener Inklusion bei, indem er allen Lernenden – unter Wertschätzung ihrer Diversität und ihrer jeweiligen Lernvoraussetzungen – die Partizipation an individualisierten und gemeinschaftlichen fachspezifischen Lehr-Lern-Prozessen zur Entwicklung einer naturwissenschaftlichen Grundbildung ermöglicht. (Menthe et al. 2017, S. 801)

Das „Fachspezifische“ muss nach unserer Erfahrung konkretisiert werden, um Leitlinien bieten zu können, wie ein bestimmtes Unterrichtsfach inklusiv gestaltet werden kann. Bei der Verknüpfung der inklusiven und naturwissenschaftlichen Perspektive bleibt das Fachliche jedoch häufig implizit (Brauns und Abels 2020; Stinken-Rösner et al. 2020). Mit dem eigens entwickelten Kategoriensystem inklusiver naturwissenschaftlicher Unterricht (KinU) kann die Verbindung von Inklusion und naturwissenschaftlichem Unterricht insofern konkretisiert werden, als dass mit einem systematischen Review Kategorien aus der Literatur induktiv mittels Qualitativer Inhaltsanalyse abgeleitet wurden, die die oben angeführten naturwissenschaftlichen Themen aufgreifen und Hinweise zu deren inklusiven Umsetzung bieten (Brauns und Abels 2020).Footnote 1 Dabei hat sich gezeigt, dass es essentiell ist, von naturwissenschaftlichen Aspekten auszugehen, um einen stärkeren Bezug zum naturwissenschaftlichen Unterricht zu erhalten. Das KinU ist nicht nur ein Kategoriensystem, welches zur Analyse inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts angewendet werden kann, sondern auch zur Planung und Reflexion desselbigen.

Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, was das Neue und der Mehrwert des Inklusionsbezugs in der Naturwissenschaftsdidaktik als etablierte Fachdidaktik sei (Musenberg und Riegert 2015; Rödler 2018). Durch die Erstellung des KinUs ist es möglich geworden, die Erkenntnisse aus der naturwissenschaftsdidaktischen Theorie und Empirie ohne Inklusionsbezug mit den Ergebnissen aus dem systematischen Literaturreview zur Theorie und Forschung mit Inklusionsbezug zu vergleichen. Dieser Vergleich wird in diesem Beitrag exemplarisch an naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden (NU) durchgeführt, die eine der 16 Hauptkategorien des KinUs darstellen (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Hauptkategorien des KinUs

NU nehmen im naturwissenschaftlichen Unterricht einen beträchtlichen Raum bzw. eine besondere Bedeutung ein, sodass teilweise der gesamte Unterrichtsverlauf von ihnen abhängig ist (Parchmann und Ralle 2020; Schecker 2020; Tesch und Duit 2004). Nicht nur allgemein im naturwissenschaftlichen Unterricht, sondern auch in der Literatur zum Bereich des inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts nimmt die Thematisierung und Beforschung von NU einen Schwerpunkt ein. Bestätigt wird dies durch die deskriptive Statistik zum systematischen Literaturreview, das im Rahmen des BMBF Projekts Nawi-In (Naturwissenschaftlichen Unterricht inklusiv gestalten) durchgeführt wurde. Von den 16 identifizierten naturwissenschaftlichen Aspekten (Abb. 1) stellen die NU mit insgesamt n = 126 Kategorien die umfassendste Hauptkategorie dar (Brauns und Abels 2020). Dieses Ergebnis deutet entweder auf die Relevanz von NU für inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht hin oder auf die vielfältigen, evtl. auch relativ einfach umsetzbaren Möglichkeiten inklusiver Unterrichtsgestaltung in diesem Bereich (Adl-Amini und Hardy 2017; Baumann et al. 2018; Brauns und Abels 2020).

Konkret ergeben sich für die inklusive Umsetzung NU spezielle Potenziale und Herausforderungen dadurch, dass bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten von Schüler*innen verlangt werden (Mujtaba et al. 2020). Zu den Potenzialen NU in heterogenen Lerngruppen zählt z. B., dass deren Einsatz handelnd und mit allen Sinnen, mit verschiedenen Arbeits- und Sozialformen und motivierend gestaltet umgesetzt werden kann (Baumann et al. 2018; McGrath und Hughes 2018; Menthe und Hoffmann 2015; Rott und Marohn 2018). Brackertz et al. (2018) zählen zusätzlich Binnendifferenzierungsmöglichkeiten, Entwicklung von Kreativität, Förderung motorischer Fähigkeiten u. a. auf. Weitere Chancen zur Partizipation aller Lernenden liegen darin, dass wenig textlastig an einem Gemeinsamen Gegenstand auf unterschiedlichen Anforderungsniveaus gearbeitet werden kann (Menthe und Hoffmann 2015). Zusammenfassend haben Pawlak und Gross (2020) in ihrer Interviewstudie die folgenden sechs Chancen und Möglichkeiten des gemeinsamen Experimentierens im inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht identifizieren können: Wecken von Motivation und Interesse, Diagnosemöglichkeiten, Differenzierungsmöglichkeiten, Förderung des kooperativen Lernens, Förderung emotionaler, sozialer und psychomotorischer Fähigkeiten, Ermöglichen von Schüler*in-Lehrer*in-Interaktion. Außerdem kann die Lehrperson in diesen Phasen produktiv in die individuelle Lernbegleitung gehen, die Kompetenzen der Schüler*innen beobachten, um daraus Schlussfolgerungen für die weitere Gestaltung zu ziehen (Abels 2015). Das Arbeiten mit NU ist häufig phänomenorientiert, wodurch die Komplexität (im Vergleich zur submikroskopischen, abstrakten Ebene) reduziert werden kann (Johnstone 2000).

Barrieren können dagegen z. B. in Hinblick auf die Sicherheit oder die Fachsprache entstehen oder dadurch, dass die Anwendung NU von den Schüler*innen eine besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt fordert (Menthe und Hoffmann 2015; Nehring et al. 2017; Rau-Patschke 2019; Rüschenpöhler und Markic 2020). Weitere Barrieren können u. a. auch im Bereich der motorischen und sozialen Anforderungen liegen, da das praktische Arbeiten aufgrund des verfügbaren Materials häufig aktive Arbeit in Kleingruppen erfordert (Affeldt et al. 2018; Baumann et al. 2018). Als Herausforderungen des gemeinsamen Experimentierens im inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht führen Pawlak und Gross (2020) in ihrer Studie zusammenfassend fachspezifische Verständnisschwierigkeiten, Sicherheit, intensive Vorbereitung, schulische Rahmenbedingungen, Classroom-Management, Einstellungen der Lehrkräfte und besondere Schüler*innenvoraussetzungen auf.

Inwieweit sich die Implikationen aus der Literatur zur Umsetzung inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts mit den Erkenntnissen aus der naturwissenschaftsdidaktischen Theorie und Empirie ohne Inklusionsbezug überschneiden oder diese ergänzen, wird im Folgenden exemplarisch an den NU gezeigt. In diesem Beitrag werden folglich die Ergebnisse aus dem KinU anhand des eben genannten Beispiels diskutiert. Ein wesentliches Gütekriterium qualitativer Forschung liegt in der methodischen Nachvollziehbarkeit, die erreicht wird, indem einzelne Schritte zum Vorgehen umfassend dargestellt werden. Da das Vorgehen jedoch extrem umfangreich war, sind sowohl die methodischen Schritte, die methodische Diskussion und auch das KinU in seiner vollen Länge in Brauns und Abels (2020) veröffentlicht. Das methodische Vorgehen wird hier nur zusammenfassend dargestellt und der Fokus auf die inhaltliche Diskussion zuvor unveröffentlichter Ergebnisse gesetzt. Das KinU ist so trotzdem in vollem Umfang zugänglich und als zitierfähige Grundlage in Lehre und Forschung vollständig und flexibel verwendbar.

Inklusiver naturwissenschaftlicher Unterricht

Im KinU werden Aspekte inklusiv naturwissenschaftlichen Unterrichts systematisch abgebildet. Durch den naturwissenschaftlichen Bezug wird der Inklusionsbegriff erweitert und fachlich konkretisiert: „The notion of ‚science for all‘ suggests that all students – irrespective of achievement and ability – should engage in opportunities to understand the practice and discourse of science“ (Villanueva und Hand 2011, S. 233). Damit alle Schüler*innen an der naturwissenschaftlichen Praxis und den Diskursen partizipieren können, ist es notwendig, dass Lehrkräfte dafür unterschiedliche Zugänge ermöglichen (Baumann et al. 2018; Brauns und Abels 2020). Zudem sollen auch die individuellen fachbezogenen und -übergreifenden Potenziale der Schüler*innen erkannt und gezielt durch den naturwissenschaftlichen Unterricht gefördert werden (Abels und Brauns 2020; Fränkel 2019; Kiso und Lagies 2019). Damit Schüler*innen ihre Potenziale in den Naturwissenschaften entfalten können, sind die Ziele des naturwissenschaftlichen Unterrichts, die eingangs mit Bezug zu Hodson (2014) dargestellt wurden, zugänglich bzw. inklusiv zu gestalten.

Bezogen auf das Ziel learning science werden in der Literatur Vorschläge gemacht, wie naturwissenschaftliche Konzepte oder Schüler*innenvorstellungen inklusiv entwickelt werden können (Abels 2019a; Koehler und Wild 2019; Teke und Sozbilir 2019). Zu naturwissenschaftlichen Konzepten können beispielsweise durch Zeichnungen oder Concept-Cartoons visuelle Zugänge geschaffen werden (Busch und Ralle 2013; Kaiser und Seitz 2017). Zudem bieten sich taktile Zugänge über 3D-Darstellungen von Molekülen und Graphen oder Diagrammen an, die Schüler*innen erstasten können (Kaiser und Seitz 2017; Teke und Sozbilir 2019). Es ist aber auch möglich, die Entwicklung naturwissenschaftlicher Konzepte durch Experimente, Forschendes Lernen oder auch spielerisch zu ermöglichen, wobei die Schüler*innen zwischen verschiedenen Repräsentationen wechseln müssen (Puddu 2017). Als digitale Zugänge können naturwissenschaftliche Konzepte über Simulationen (Schmitt-Sody und Kometz 2011) oder auch über Sendungen (z. B. „Wissen macht Ah!“) und Hörbücher (z. B. „Löwenzahn“) vermittelt werden (Werther 2019). Als kommunikative Zugänge können Lehrkräfte Phänomene mündlich Einzelpersonen oder Kleingruppen erklären oder naturwissenschaftliche Konzepte im Klassenrat diskutieren lassen (Rau-Patschke 2019). In der Lernbegleitung können Lehrkräfte im strukturierten Dialog Impulse zur Entwicklung naturwissenschaftlicher Konzepte geben (Adl-Amini und Hardy 2017; Marino 2010) oder auch in teacher-supported groups Schüler*innen gezielt eine intensivere Lernbegleitung zur Entwicklung naturwissenschaftlicher Konzepte anbieten (Hainsworth 2012; Meskill und Oliveira 2019). Zudem können naturwissenschaftliche Konzepte auf unterschiedlichen Abstraktionsgraden von der Phänomenebene bis zu abstrakten Konzepten vermittelt werden (Abels 2019a; Vidueira Ferreira und Lawrie 2019; Freedberg et al. 2019; Menthe et al. 2015).

Im Gegensatz zu der inklusiven Vermittlung naturwissenschaftlicher Konzepte werden in der Literatur zur Entwicklung von Schüler*innenvorstellungen beträchtlich weniger Vorschläge zur inklusiven Gestaltung aufgeführt (Brauns und Abels 2020). Beiträge zur Beforschung von Schüler*innenvorstellungen im inklusiven Kontext werden z. B. durch das Choice2explore Projekt gegeben (Rott und Marohn 2018). Alle Schüler*innen haben heterogene Vorstellungen zu Phänomenen, wobei Schüler*innen mit und ohne Unterstützungsbedarf ähnliche oder auch gleiche Vorstellungen entwickeln (Rott und Marohn 2016). Mit ihrer Unterrichtskonzeption zeigen Rott et al. (2017) außerdem, wie mit Visualisierungen, Modellen und handlungsbasierten Zugängen die Schüler*innen Vorstellungen hin zu fachlich anschlussfähigen Erklärungen entwickeln und dabei einen Teilchenbegriff verwenden. Weitere Möglichkeiten Schüler*innenvorstellungen im inklusiven Kontext zu entwickeln, sind: kommunikativ im Dialog (Brendel et al. 2019), reflektierend durch das Gegenüberstellen mit der fachlichen Perspektive (Brauer et al. 2017) oder auch differenziert auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen (Adl-Amini und Hardy 2017; Menthe und Hoffmann 2015).

In Anlehnung an das Ziel learning about science (Hodson 2014) werden in der Literatur Möglichkeiten aufgeführt, das Verstehen von Nature of Science inklusiv zu vermitteln. Um das Verstehen von Nature of Science zu entwickeln, können neben materialgeleiteten Zugängen wie Visualisierungen und Strukturierungen auch handlungsbasierte oder digitale Zugänge ermöglicht werden (Adesokan und Reiners 2015; Bodzin et al. 2007; Mumba et al. 2015; Puddu 2017). Als Lernbegleitung können Lehrkräfte das Verstehen von Nature of Science durch offene Dialoge, Fragen und Feedback ermöglichen (Bodzin et al. 2007; de Carvalho 2016; Mulvey et al. 2016). Besonders reflektierende Zugänge sind bedeutend für den inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht, wenn zwischen unterschiedlichen Kulturen und Weltanschauungen vermittelt wird (de Carvalho 2016). Dabei bietet es sich an, verschiedene naturwissenschaftliche und kulturelle Weltansichten rücksichtsvoll zu thematisieren, miteinander in Beziehung zu setzen und deren Bedeutung für das Leben zu reflektieren (de Carvalho 2016).

In Bezug auf das Ziel doing science (Hodson 2014) stehen in der Literatur vor allem das inklusive Gestalten Forschenden Lernens und naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden sowie des Auswertens und Validierens von Daten im Fokus (Brauns und Abels 2020). Welche Chancen sich für die inklusive Gestaltung naturwissenschaftlichen Unterrichts durch Forschendes Lernen ergeben, haben Hofer et al. (2018) in Gruppendiskussionen mit Lehrkräften herausgearbeitet. Dazu führen sie beispielsweise die anregende Lernumgebung des Forschenden Lernens, das praktische Arbeiten und die Möglichkeit der Gruppenarbeit sowie Möglichkeit zur offenen Gestaltung an. Für die mehr oder weniger offene bzw. strukturierte Gestaltung bieten sich die Level des Forschenden Lernens an (Abels et al. 2020; Blanchard et al. 2010; Puddu 2017). Mehr oder weniger offen werden dabei das Aufstellen von Fragestellungen und Hypothesen, das Planen und Durchführen von Datenerhebungen sowie das Auswerten von Daten, Interpretieren und Diskutieren von Ergebnissen gestaltet. Durch Abbildungen des Forschungszyklus des Forschenden Lernens sowie Wiederholungen dazu kann das methodische Vorgehen für die Schüler*innen strukturiert werden (Puddu 2017). Weitere Zugänge zum Forschenden Lernen können kommunikativ (z. B. durch Gruppenarbeiten, Lernbegleitung), materialgeleitet (z. B. durch Tippkarten, Materialtische) oder über eine konstruktive Lernatmosphäre (z. B. durch Motivation, Flexibilität) gestaltet werden (Abels et al. 2020). Nicht nur das Forschende Lernen selbst kann inklusiv gestaltet werden, sondern auch Experimentierphasen können über den Ansatz des Forschenden Lernens zugänglich gemacht werden (Abels 2016; Brackertz et al. 2018). Experimente in den inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht zu implementieren, bietet vielfältige Differenzierungsmöglichkeiten, um die Schüler*innen in den Lernprozess einzubinden (Baumann et al. 2018). Die Differenzierung des Experimentierens kann beispielsweise durch unterschiedliche Offenheitsgrade (Pötter 2017) oder Anforderungsniveaus (Affeldt et al. 2018; Schmitt-Sody et al. 2015) umgesetzt werden. Dazu bieten sich Experimentiersettings durch ihren kollaborierenden Charakter an, wobei Schüler*innen die Interaktionen mit ihren Peers als unterstützend empfinden (McGrath und Hughes 2018). Zudem kann in Experimentierphasen die Lehrkraft die Schüler*innen gezielt als Lernbegleitung unterstützen (Baumann et al. 2016; Bodzin et al. 2007). Diese kann auch im multiprofessionellen Team umgesetzt werden (Nehring et al. 2017; Rosenblum et al. 2019; Teke und Sozbilir 2019).

Bevor weitere Hinweise zur inklusiven Umsetzung von Experimentiersettings und anderen Elementen des naturwissenschaftlichen Unterrichts gegeben werden, werden die naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden (NU) fachdidaktisch konkretisiert.

Naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden – begriffliche Klärung ohne Inklusionsbezug

NU werden unter verschiedene Synonyme gefasst, wie z. B. unter den Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung, prozedurales Wissen, naturwissenschaftliche (Denk- und) Arbeitsweisen, Prozesse naturwissenschaftlichen Denkens, empirische Erkenntnismethoden usw. (Emden und Baur 2017; Gebhard et al. 2017; Klos et al. 2008; KMK 54,55,56,a, b, c; Nehring et al. 2016; Nerdel 2017; OECD 2019). Mit diesen Begriffen werden ganze Prozesse vom Fragenstellen und Hypothesenbilden über das Untersuchen bis hin zum Auswerten von Daten und Darstellen von Ergebnissen beschrieben. Wie die NU als Prozesse in der Literatur dargestellt werden, haben Emden und Baur (2017) sowie Emden und Sumfleth (2016) jeweils aus unterschiedlichen Quellen systematisch abgeleitet. Im Wesentlichen bestehen dabei die NU aus der hypothesengeleiteten Planung, der Durchführung und der Auswertung. Die schematische Auflistung zeigt aber auch, dass das Experiment an sich teilweise explizit unter der Durchführung aufgeführt wird.

Folglich werden als NU die folgenden Aktionen definiert (kein Anspruch auf Vollständigkeit): Formulieren von Fragestellungen und Hypothesen, Planen von Untersuchungen, Betrachten, Beobachten, Sammeln (von Daten), Ordnen, Vergleichen, präzises Aufnehmen von Daten, Untersuchen, Messen, Analysieren der Messwerte, Aufbauen und Durchführen von Experimenten, Verändern und Kontrollieren von (un)abhängigen Variablen, Verwenden von Instrumenten und Mikroskopieren (KMK 54,55,56,a, b, c; Nerdel 2017; OECD 2019). Durch die Anwendung und Reflexion sollen die NU nicht nur von den Schüler*innen verstanden werden (Gebhard et al. 2017), sondern auch Messunsicherheiten und -fehler minimiert werden (OECD 2019). In den KMK Standards (KMK 54,55,56,a, b, c) werden weitere Elemente aufgeführt (z. B. das Nutzen von Modellen und das Dokumentieren), die im KinU eigene Hauptkategorien bilden (s. Abb. 1).

Für NU werden zudem diverse Ausführungsformen beschrieben. NU können demonstriert oder von den Schüler*innen selbst angewendet werden, an Stationen, als Real- oder Gedankenexperimente, mit verschiedenen Substanzmengen, die vom Makro- bis Mikromaßstab reichen, und in unterschiedlichen Sozialformen (in der Gruppe, mit Partner*in, einzeln) arbeitsteilig oder arbeitsgleich durchgeführt werden (Tesch und Duit 2004). Das Untersuchungsdesign kann unterschiedlich festgelegt werden (z. B. qualitativ oder quantitativ, induktiv oder deduktiv, kriteriengeleitet, kontrolliert usw.) (Nerdel 2017; Wellnitz und Mayer 2008). Alltagsgeräte oder naturwissenschaftliche Apparate können verwendet werden. Für den Bereich des Planens und Durchführens von Untersuchungen konnte Baur (2018) zeigen, dass Schüler*innen häufig nur einen Experimentieransatz durchführten, d. h. keine Kontroll- oder Vergleichsansätze anwendeten. Zudem probierten die Schüler*innen eher aus, als dass sie wissenschaftlich vorgingen, gingen bei unerwarteten Ergebnissen von Fehlern in der Durchführung aus und variierten zu viele Variablen, sodass keine Schlussfolgerungen gezogen werden konnten (Baur 2018; Erb und Bolte 2015).

In der fachdidaktischen Theorie werden den NU verschiedene Funktionen zugeschrieben. Dazu gehört beispielsweise einen kognitiven Konflikt auszulösen, Lösungsvorschläge zu überprüfen, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, Spezialfälle aufzuzeigen, technische Verfahren zu simulieren, verschiedene Methoden zu diskutieren, Unterrichtsergebnisse festzuhalten, Phänomene zu zeigen, nachhaltige Eindrücke vor zu vermitteln, Fachwissen zu konkretisieren, naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen zu vertiefen, naturwissenschaftliche Vorstellungen zu entwickeln und zu überprüfen sowie Lernprozesse zu evaluieren (Reiners 2017).

Ein wesentlicher Fokus in der fachdidaktischen Literatur und Forschung liegt auf der experimentellen Kompetenz. Vorholzer et al. (2016) haben bei der Entwicklung eines Testinstruments zur Erfassung des Verständnisses experimenteller Denk- und Arbeitsweisen jeweils Fähigkeiten (z. B. Experimenten passende Fragestellungen/Hypothesen zuordnen, Kontrollvariablen identifizieren usw.) und Konzepte (z. B. „Eine Untersuchung muss so geplant werden, dass die Fragestellung bzw. die dazugehörige Hypothese/Vermutung damit verifiziert oder falsifiziert werden kann“ (Vorholzer et al. 2016, S. 29)) formuliert. Zudem wurden (Niveau‑)Stufen experimenteller Kompetenz sowohl von Nawrath et al. (2011) als auch von Schecker et al. (2016) definiert. Letztere haben mit der empirischen Anwendung der Stufen experimenteller Kompetenz gezeigt, dass nur noch 20 % der Schüler*innen Stufe IV von insgesamt fünf Stufen erreichen. Nehring et al. (2016) haben in einer Videostudie neun Teilkompetenzen des Kompetenzbereichs ‚Erkenntnisgewinnung‘ untersucht. Mit ihrer Studie zeigen sie, dass Lehrkräfte nur für zwei Teilkompetenzen Anwendungsmöglichkeiten bieten, wenngleich mit der Implementierung NU im Unterricht die Anwendung verschiedener Kompetenzen ermöglicht werden könnte. Diese zwei sind das Beobachten/Vergleichen/Ordnen (1) der Planung und Durchführung sowie (2) der Auswertung und Reflexion.

Streller et al. (2019) haben sieben Dimensionen offenen Experimentierens von Priemer (2011) weiterentwickelt, z. B. Aufbau und Durchführung von Experimenten, die im Grad der selbstständigen Durchführung zunehmen. Im Unterricht können die Schüler*innen schrittweise an eine offenere Gestaltung der NU herangeführt werden. Stolz und Erb (2012) haben die Auswirkungen offenen Experimentierens auf den Lernerfolg und die Motivation untersucht und dabei festgestellt, dass es keine signifikanten Unterschiede beim Wissenszuwachs der Schüler*innen zwischen der offenen und der geleiteten Lernumgebung gab. Zudem zeigen ihre Ergebnisse, dass die Schüler*innen in der geleiteten Lernumgebung motivierter waren als die Schüler*innen mit der offenen Lernumgebung. Bei Hartinger (2006) zeigen konträre Ergebnisse, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Öffnung des Unterrichts und des Interesses gibt, aber auch, dass sowohl bei einer geringen als auch bei einer hohen Öffnung des Unterrichts ein hohes Selbstbestimmungsempfinden der Schüler*innen zu einem überdurchschnittlichen Interesse führt.

Methodisches Vorgehen zur Erstellung des KinUs

Um vergleichen zu können, welche Aspekte aus der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur mit und ohne Inklusionsbezug sich überschneiden und voneinander abgrenzen lassen, wird die Hauptkategorie des KinUs Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden inklusiv gestalten herangezogen. Wie eingangs beschrieben, wurde das methodische Vorgehen wegen dessen Umfänglichkeit in Brauns und Abels (2020) als Working Paper komplett abgebildet. Zur Nachvollziehbarkeit der zuvor unveröffentlichten inhaltlichen Diskussion in diesem Beitrag wird das methodische Vorgehen im Folgenden zusammengefasst und mit Beispielen aus der Hauptkategorie dargestellt.

Zur Beantwortung der Forschungsfrage, welche inklusiv naturwissenschaftlichen Charakteristika sich in der Literatur identifizieren lassen, wurde ein systematisches Literaturreview (SLR) nach Fink (2009) zur Datenerhebung durchgeführt. Die Datenauswertung fand mittels Qualitativer Inhaltsanalyse via fokussierter Zusammenfassung nach Kuckartz (2018) statt.

Datenerhebung

Zur bestmöglichen Nachvollziehbarkeit des SLR sollte das methodische Vorgehen offengelegt und systematisch gestaltet werden. Alle Schritte des SLRs gehen von der Forschungsfrage aus und werden auch im laufenden Prozess immer wieder auf diese Frage bezogen (Abb. 2; Details, die hier nicht dargestellt werden können, finden sich in Brauns und Abels 2020).

Abb. 2
figure 2

Zusammengefasstes Suchvorgehen beim SLR

Unsere Literatursuche wurde in der deutschen Datenbank FIS Bildung sowie in den internationalen Datenbanken ERIC und scopus durchgeführt, da diese Datenbanken jeweils einschlägig für bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Publikationen sind. Für die Recherche wurden jeweils an die Datenbanken angepasste Suchstränge genutzt, die jeweils aus einer inklusiven, naturwissenschaftlichen und bildungsbezogenen Komponente bestehen (Beispiele für Suchstränge: ″Inklus* natur* Unterricht″, ″Heterogen* Sachunterricht″, ″(inclusion OR inclusive OR heterogenity OR heterogeneous OR integration OR integrative OR exclusion OR exclusive) AND (science OR chemistry OR biology OR physics) AND education)″.

Die Screening Kriterien wurden im Vorfeld festgelegt und waren an die Forschungsfrage angepasst, um die umfangreiche Datenmenge gezielt eingrenzen zu können. Es wurden lediglich deutsch- und englischsprachige Beiträge einbezogen, die sich explizit auf inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht beziehen. Dieses Kriterium schließt ein, dass der inklusiv naturwissenschaftliche Unterricht sich z. B. auf die Unterrichtspraxis, auf Unterrichtskonzeptionen oder auch die Lehrkräfteaus- und -fortbildung beziehen kann. Bei unserem Fokus von Inklusion geht es um Schüler*innen, die durch ein spezielles Lehrkräftehandeln am naturwissenschaftlichen Unterricht partizipieren können. Ausgeschlossen wurden Beiträge, bei denen es bspw. um die Inklusion von Studierenden an der Universität ging oder wenn explizit andere Schulformen als die der Primar- und Sekundarstufe I (z. B. gymnasiale Oberstufe) thematisiert wurden, da der Fokus im Nawi-In Projekt auf der Beforschung von angehenden Lehrpersonen für die Primar- und Sekundarstufe I liegt. Es wurden alle Beiträge, die bis einschließlich 2019 veröffentlicht wurden, berücksichtigt. Bezüglich der Ausrichtung der Publikationen (theoretisch, praxisbezogen, empirisch) gab es keine Einschränkungen. Der Grund hierfür liegt in der Literatur zum inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht, die noch zu 53,9 % der gesamten Stichprobe (n = 297) theoretisch-konzeptionell aufgebaut ist (Brauns und Abels 2020).

Nach der Anwendung der Screening Kriterien wurden aus der Stichprobe vorhandene Duplikate entfernt und die Stichprobe in einem Reviewverfahren noch einmal überprüft (Brauns und Abels 2020). Zu diesem Verfahren haben Expert*innen aus dem Netzwerk inklusiver naturwissenschaftlicher Unterricht (NinU) sowie Mitarbeitende aus dem Nawi-In Projekt und andere Kolleg*innen mit Spezialisierung auf Naturwissenschaftsdidaktik und Inklusion beigetragen. Schließlich wurde eine finale Stichprobe mit n = 297 Beiträgen mit dem SLR erzeugt (Brauns und Abels 2020).

Datenauswertung

Mithilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse via fokussierter Zusammenfassung (Kuckartz 2018) wurden aus der Literatur der finalen Stichprobe die Charakteristika inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts in Form von Kategorien induktiv abgeleitet (vgl. Brauns und Abels 2020). Um den Codierprozess nachvollziehbar zu gestalten, wurden die zu analysierenden Einheiten festgelegt (Kuckartz 2018). Es wurde die komplette Stichprobe in alphabetischer Reihenfolge nach den Jahren, beginnend mit 2019, codiert. Die einzelnen Arbeiten der Stichprobe wurden jeweils komplett ohne Methodenteile codiert. Codiert wurden Sinneinheiten, die mindestens einen Halbsatz und höchstens einen vollständigen Absatz bildeten. Wenn wie hier mit QDA-Software gearbeitet wird, ist darauf zu achten, dass Segmente auch separat des Textes noch verständlich und interpretierbar sind (Kuckartz 2018). Wurden in einem Satz oder bei einer Aufzählung mehrere Inhalte thematisiert und der Sinn dieser Inhalte war nur im Zusammenhang des kompletten Satzes oder Absatzes verständlich, waren Mehrfachcodierungen einzelner Segmente möglich. Auf diese Weise wurde der Sinn bzw. der Inhalt nicht verfälscht. Die markierten Textstellen wurden entsprechend der verwendeten MAXQDA Software (Version 20.0.7) Codings genannt.

Von den Codings wurden im weiteren Vorgehen Paraphrasen abgeleitet. Kuckartz (2018) empfiehlt, zunächst mit inhaltlichen Zusammenfassungen zu arbeiten, um den Prozess der Paraphrasierung nachvollziehbar zu gestalten und die Kategorien möglichst eng von den verwendeten Terminologien und Begriffen in den Texten ableiten zu können. Bei uns hat sich dieses Vorgehen als besonders vorteilhaft gezeigt, da auf diese Weise die jeweiligen Abstraktionsebenen des Originaltextes nicht verfälscht wurden. Je nachdem wie konkret eine Textstelle in der Literatur formuliert war, wurde auch die aus dem Coding abgeleitete Paraphrase auf der gleichen Abstraktionsebene formuliert (Tab. 1; Brauns und Abels 2020).

Tab. 1 Ableitung der Paraphrase eines Codings

Das Codingbeispiel in Tab. 1 zeigt, wie aus einem codierten Satz verschiedene Paraphrasen gebildet werden können. In diesem Beispiel geht es im Originaltext um die Beforschung einer Unterrichtseinheit zu Verbrennungen, die für den inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht konzipiert wurde (Baumann et al. 2018). Dabei wurde die Lernumgebung nach den Richtlinien des Universal Designs for Learning (UDL) gestaltet, was bedeutet, dass den Schüler*innen verschiedene Zugänge zu den NU geboten wurden (z. B. „Biete Wahlmöglichkeiten bei der sprachlichen und symbolischen Darstellung von Informationen“, „Ermögliche unterschiedliche motorische Handlungen“, „Biete variable Angebote zum Wecken von Lerninteresse“) (Baumann et al. 2018, S. 162). Das Beispiel in Tab. 1 zeigt ebenfalls, dass die Paraphrasen eng am Wortlaut des Textes gebildet wurden und mindestens aus einem Objekt und einem Infinitiv bestehen. Diese Paraphrasen wurden im weiteren Vorgehen im KinU auf der Subcode-Ebene – der niedrigsten Abstraktionsebene – eingefügt, da sie konkret formuliert sind. Sie geben genaue Handlungshinweise und lassen die Frage der Umsetzung nicht offen.

Im nächsten Schritt wurden die Paraphrasen geclustert (Tab. 2; Brauns und Abels 2020). Dabei wurden sie je nach ihrem Abstraktionsgrad einer der vier Abstraktionsebenen des KinUs zugeordnet von konkret auf der Subcode-Ebene, über die Code-Ebene, Subkategorien-Ebene bis hin zur sehr allgemeinen Ebene der Hauptkategorien (Brauns und Abels 2020). Jedes Cluster wurde in einer Überschrift zusammengefasst und jede Überschrift bildete am Ende eine eigene Kategorie des KinUs.

Tab. 2 Clustern der Paraphrasen und Erstellung einer Kategorie

In der Tab. 2 wurden insgesamt drei Paraphrasen geclustert, die sich alle auf die Lehrkraft als Lernbegleitung beziehen. Die Tätigkeiten der Lehrkraft werden mit assistieren, coachen, begleiten, leiten und beraten beschrieben, was in der Überschrift des Clusters als Lernbegleitung zusammengefasst wurde. In Bezug auf das Experimentieren, welches in den Paraphrasen angeführt wird, findet eine Verallgemeinerung statt, indem in der Überschrift des Clusters auf die Anwendung NU abstrahiert wird. Insgesamt erhalten diese drei Paraphrasen (Tab. 2) die Überschrift „Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden als Lernbegleitung ermöglichen“. In dem KinU wird nur noch die Überschrift aufgeführt und bildet dann eine eigenständige Kategorie. Zu der Kategorie werden weiterhin die Quellen zur Nachvollziehbarkeit des Ursprungs aufgeführt. In diesem Fall lässt die Kategorie auf diesem Abstraktionsniveau die Frage offen, auf welche Weise Lehrkräfte die Anwendung NU als Lernbegleitung ermöglichen können. Aus diesem Grund befindet sich diese Kategorie in dem KinU auf der Code-Ebene und nicht auf der Subcode-Ebene. Der Vergleich der Paraphrasen aus Tab. 1 und 2 zeigt, wie auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus die Informationen in der Literatur formuliert sein können. Je nach originalem Abstraktionsniveau wurden die Paraphrasen dann den vier Abstraktionsebenen im KinU zugeordnet.

Nachdem die Kategorien mit den Überschriften der Paraphrasen gebildet wurden, wurden die Paraphrasen aus dem finalen KinU entfernt (Tab. 3). In der Regel konnten die Kategorien so sortiert werden, dass weniger abstrakte Kategorien der nächst höheren Kategorie, die ebenfalls induktiv über Paraphrasen gebildet wurde, zugeordnet werden konnten. In wenigen Fällen wurde anhand der weniger abstrakten Kategorien eine neue von der Literatur unabhängige abstraktere Kategorie formuliert, um in jeder Hauptkategorie alle Subkategorien zu systematisieren.

Tab. 3 Darstellung der Abstraktionsebenen aus dem KinU (Auszug aus Brauns und Abels 2020, S. 98 f.)

In dem Auszug aus dem KinU (Tab. 3) zeigt sich ebenfalls eine Besonderheit der Subcode-Ebene. Auf dieser Ebene wurden die Kategorien mit drei Punkten und einem Modaladverbial formuliert. Diese gekürzte Form der Subcodes trägt zur besseren Übersicht und Lesbarkeit bei. Beim Ausformulieren wird der Code den Subcodes jeweils vorangestellt.

Schon während des Prozesses der Erstellung des KinUs wurden die Teilschritte mit einer zweiten forschenden Person überprüft. Von dem klassischen Vorgehen zur Überprüfung der Güte bei der Qualitativen Inhaltsanalyse rät Kuckartz (2018, S. 72 f.) an dieser Stelle ab, da das Ableiten von Kategorien aus der Literatur als „aktiver Konstruktionsprozess“ beschrieben wird. Vielmehr bietet sich ein argumentativer Ansatz an, wobei alle Formulierungen und Zusammenfassungen durch Feedbackschleifen von Expert*innen und Gruppendiskussionen in Forschungswerkstätten mehrfach überarbeitet wurden (Brauns und Abels 2020; Döring und Bortz 2016). Es war darauf zu achten, dass der Wortlaut auf den konkreten Ebenen, wie vorher beschrieben, so nah wie möglich am Originaltext bleiben sollte. Zudem war auf eine einheitliche Konstruktion der (Sub‑)Codes mit Objekt und Infinitiv zu achten. Vor allem wurden Clusterungen, d. h. die Zusammenfassungen der Codes zu Kategorien und im nächsten Schritt zu Hauptkategorien diskutiert, ggf. verworfen und überarbeitet. Um die Vollständigkeit der Hauptkategorien zu überprüfen, wurden die naturwissenschaftlichen Aspekte mit den Zielen der OECD (2019) (s. Einleitung) verglichen. Dieser Vergleich hat eine Übereinstimmung der naturwissenschaftlichen Themen aus dem analysierten Teil der Stichprobe und der Vergleichsliteratur gezeigt.

Ergebnisse

Zum Vergleich der Erkenntnisse aus der Theorie und Empirie ohne Inklusionsbezug und den Ergebnissen aus dem SLR, die im KinU dargestellt sind, werden diese in den folgenden Tabellen jeweils gegenübergestellt und anschließend diskutiert.

Aktionen

Tab. 4 Gegenüberstellung von Aktionen mit und ohne Inklusionsbezug

In der inklusiv naturwissenschaftlichen Literatur werden die NU selbst meist nicht spezifisch adressiert (Tab. 4). Der Fokus wird daraufgelegt, wie die NU gestaltet werden können, um auf unterschiedliche Weise den Schüler*innen die Anwendung von NU zu ermöglichen. Dahingegen werden in der theoretischen Literatur ohne Inklusionsbezug die Methoden der NU detailliert unterschieden und in der Empirie der Schwerpunkt auf das Experimentieren gelegt. Während dort aufgeführt wird, dass Geräte und Instrumente eingesetzt werden, werden Vorschläge in der inklusiv naturwissenschaftlichen Literatur gegeben, wie die Geräte modifiziert werden können, damit Schüler*innen diese verwenden können. Dabei werden die Geräte durch verschiedene (Zusatz‑)Funktionen differenziert.

Ausführungsformen

Tab. 5 Gegenüberstellung von Ausführungsformen mit und ohne Inklusionsbezug

In der allgemein naturwissenschaftsdidaktischen Literatur wird das Design NU detailliert beschrieben und z. B. auch, dass verschiedene Mengenmaßstäbe eingesetzt werden können (Tab. 5). Dahingegen wird mit Bezug auf Inklusion vorgeschlagen, die NU zu segmentieren, in Teilen oder mit zusätzlichen Angeboten zu gestalten und Substanzmengen vorzugeben.

Überschneidungen finden sich in dem Angebot verschiedener Sozialformen, dem Einsatz von Alltagsgeräten und der Gestaltung mit Lebensweltbezug wieder. Darüber hinaus werden in der Literatur mit Inklusionsbezug kollaborative Systeme zur Unterstützung aufgeführt, auch die Arbeit in multiprofessionellen Teams, um den Schüler*innen die Anwendung NU zu ermöglichen und hierbei zu unterstützen. Zudem werden verschiedene Kommunikationsmöglichkeiten als Unterstützung, aber auch als Zugang zu den NU aufgeführt. Ergeben sich beispielsweise motorische Barrieren für die Schüler*innen bei den eher handlungsbasierten NU, können beispielsweise auch mündliche Zugänge als kommunikative Unterstützung gegeben werden. Herausgestellt wird außerdem die Rolle der Lehrkraft, die die Anwendung NU begleitet und auf diese Weise unterstützt. Anstatt wie in der allgemein naturwissenschaftsdidaktischen Literatur Problempunkte durch Forschung zu identifizieren, werden in den Publikationen mit Inklusionsbezug Lösungen für den Umgang mit Herausforderungen bei dem Einsatz von NU im Unterricht aufgezeigt. Ein wesentlicher Aspekt ist auch, dass in der Literatur mit Inklusionsbezug legitimiert wird, dass verschiedene Schüler*innen unterschiedliche Ausführungs- bzw. Vorgehensweisen auswählen dürfen.

Funktionen

Tab. 6 Gegenüberstellung von Funktionen mit und ohne Inklusionsbezug

In der fachdidaktischen Literatur ohne Bezug zu Inklusion werden verschiedene Funktionen von NU detailliert beschrieben (Tab. 6). Dabei wird die Frage beantwortet, was die NU bei Schüler*innen auslösen können und zu welchem Zweck sie eingesetzt werden können. Darauf wird in der inklusiv naturwissenschaftlichen Literatur nicht im Detail eingegangen, sondern betont, dass Schüler*innen bei der Anwendung NU unterschiedliche Ziele verfolgen können. Anstatt NU als Mittel z. B. zur Motivation zu beschreiben, wird in der inklusionsbezogenen Literatur der Frage nachgegangen, wie die NU selbst motivierend gestaltet bzw. Aspekte davon vorvermittelt werden können, um Zugänge zu den NU zu schaffen.

Experimentelle Kompetenz

Tab. 7 Gegenüberstellung experimenteller Kompetenz mit und ohne Inklusionsbezug

Sowohl in der Literatur mit als auch ohne Bezug zu Inklusion werden verschiedene Anforderungs- bzw. Kompetenzniveaus für NU beschrieben (Tab. 7). Deutliche Unterschiede ergeben sich in der Darstellung des Umgangs mit den unterschiedlichen Niveaus. Während in der rein naturwissenschaftsdidaktischen Literatur Anforderungen an die Schüler*innen gestellt werden und die Niveaustufen zum Beobachten verwendet werden, ob Schüler*innen eine bestimmte Niveaustufe erreichen, wird in der Literatur mit Inklusionsbezug beschrieben, wie unterschiedliche Niveaus angeboten werden, um den Schüler*innen die Anwendung NU zu ermöglichen. Dazu gehört auch, dass Schüler*innen unabhängig des Anforderungsniveaus Hilfen zur Anwendung NU zur Verfügung stehen. Zudem werden in der inklusionsbezogenen Literatur keine Anforderungen gesetzt, sondern dargestellt, welche Unterstützungsmaßnahmen auf den unterschiedlichen Niveaus angeboten werden können. Anstatt die gezeigten Kompetenzen der Schüler*innen in Niveaustufen einzuordnen, wird in der Literatur mit Inklusionsbezug betont, dass Schüler*innen oder Lehrkräfte die jeweiligen Schwierigkeitsgrade auswählen können, um den Schüler*innen die Anwendung NU zu ermöglichen.

Offenheit

Tab. 8 Gegenüberstellung von Offenheit mit und ohne Inklusionsbezug

Die Offenheitsgrade werden in der Literatur mit und ohne Inklusionsbezug ähnlich beschrieben (Tab. 8). Aspekte, wie z. B. eine schrittweise offenere Gestaltung der NU, werden im KinU in der Hauptkategorie zum Forschenden Lernen detaillierter beschrieben. Bei dieser Kategorie wird auch die Gestaltung der Übergänge von einem zum anderen Offenheitsgrad in den Blick genommen, um den Schüler*innen offenere Formen zu ermöglichen. In der allgemein naturwissenschaftsdidaktischen Literatur wurden zwar ähnlich wie beim Forschenden Lernen ganze Zyklen beschrieben, aber hier die Dimensionen, die sich direkt auf die NU bezogen haben (z. B. Planung, Durchführung), losgelöst vom Zyklus betrachtet. Beim Forschenden Lernen im inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht wird in der Literatur die Gestaltung der einzelnen Offenheitsgrade umfassender dargestellt. Anstatt z. B. Handlungsschritte lediglich mehr oder weniger vorzugeben, wird ein wesentlicher Fokus auf die Lernbegleitung durch die Lehrkraft gelegt. Für die NU werden in der inklusionsbezogenen naturwissenschaftsdidaktischen Literatur Tippkarten nicht nur zum selbstständigen Anwenden der NU, sondern zur Verfügung gestellt, um die Schüler*innen auf allen Offenheitsgraden zu unterstützen.

Digitalisierung

Ein weiterer Aspekt, der im KinU aufgeführt ist und auch ohne Inklusionsbezug thematisiert wird, ist die Digitalisierung. Im KinU wird beschrieben, dass Lehrkräfte z. B. die Anwendung NU durch digitale Einrichtungen für Geräte (13.1.18), LCD Projektor (13.4.1) oder PCs, Smartphones, Tablets etc. (13.4.2), simulierte online Experimente (13.4.3) und durch sensorische Geräte (13.1.16) ermöglichen. Ähnliche Aspekte werden auch in der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur ohne Inklusionsbezug aufgeführt (Schreiber et al. 2014; vgl. Tesch und Duit 2004; Thyssen 2017). Der Inklusionsbezug hat in der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur vor allem in den letzten zehn Jahren zugenommen (Brauns und Abels 2020). Der Digitalisierungsbegriff ist in einem ähnlichen Zeitraum populär geworden, wodurch sich Überschneidungen ergeben können, bei denen der Anspruch, allen Lernenden gerecht zu werden, verfolgt wird.

Zusätzliche Aspekte, die in der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur ohne Inklusionsbezug nicht berücksichtigt werden, ergeben sich aus Zugängen, die sich nicht direkt aus den Merkmalen und Funktionen NU ableiten lassen. Darunter fallen die Kategorien des KinUs, die darstellen, wie Lehrkräfte die Anwendung NU ermöglichen, z. B. materialgeleitet olfaktorisch (z. B. durch den Geruch als Indikator) (13.1.1), spürbar (z. B. durch Ertasten von Objektpositionen beim Schwimmen und Sinken) (13.1.2), visuell (z. B. durch Wellenausbreitungen, durch Symbole usw.) (13.1.3), modellbasiert (13.1.4), mit graphic organisers (z. B. durch Concept Maps) (13.1.5), mit Forscher*innenheften (13.1.7), durch Strukturierung (z. B. durch Protokolle oder Gliederungen) (13.1.8), mit Wortspeichern (z. B. Glossare oder Wortlisten) (13.1.10), mit Tauschtheken (z. B. durch Tauschen von Bildern und Gegenständen) (13.1.12). Zudem ermöglichen die Lehrkräfte die Anwendung NU sprachlich durch z. B. Gebärdensprache (z. B. durch Hilfekarten mit Gebärden) (13.3.1) und unterstützen die Schüler*innen in einer konstruktiven Lernatmosphäre durch zeitliche Strukturierung (z. B. durch längere Pausen und kürzere Arbeitsphasen oder durch unterschiedlich schnell verlaufende NU) (13.11.).

Um die Anwendung NU inklusiv zu ermöglichen und zu unterstützen, werden schließlich verschiedene Sinne adressiert, unterschiedliche Veranschaulichungen und verschiedene Möglichkeiten zur Strukturierung aufgeführt. Zudem ist die Kommunikation vor allem bei der Anwendung der NU, die häufig in Gruppen durchgeführt werden, ein wesentlicher Aspekt, durch den verschiedene Zugänge gefördert werden, damit Schüler*innen sich auf unterschiedliche Art und Weise äußern können und dies auch in unterschiedlichen Sprachen tun können.

Diskussion

Die Gegenüberstellung der Ergebnisse aus der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur mit und ohne Inklusionsbezug zeigt Überschneidungen und Unterschiedlichkeiten auf. Es wird deutlich, dass es gelungen ist, das KinU gezielt auf Themen der Naturwissenschaftsdidaktik zu beziehen. Besonders interessant ist, dass Überschneidungen sich meist dann ergeben, wenn naturwissenschaftsbezogene Aspekte als inklusive Zugänge zu den NU aufgeführt wurden (z. B. beim Verwenden von verschiedenen Geräten und Instrumenten, Durchführen unterschiedlicher Untersuchungsmethoden, Adressieren verschiedener experimenteller Kompetenzen, Ermöglichen verschiedener Offenheitsgrade) (Affeldt et al. 2018; Nerdel 2017; Pötter 2017; Schecker et al. 2016; Streller et al. 2019). Diese Verbindung lässt darauf schließen, dass diejenigen Kategorien des KinUs, die naturwissenschaftsbezogene Zugänge zu einem naturwissenschaftlichen Aspekt eröffnen, insbesondere erlauben, die fachliche mit der inklusiven Perspektive zu verknüpfen. Dies lässt sich auch an anderen Stellen im KinU wiederfinden, z. B. die Entwicklung naturwissenschaftlicher Konzepte durch Experimente (Baumann et al. 2018) oder 3D-Darstellungen von Molekülen zu ermöglichen (Teke und Sozbilir 2019), Entwicklung von Fachsprache durch Forschendes Lernen zu ermöglichen (McGrath und Hughes 2018), naturwissenschaftliche Phänomene fachsprachlich zu vermitteln (Puddu 2017) usw. Des Weiteren gibt es Überschneidungen zwischen der naturwissenschaftlichen Literatur mit und ohne Inklusionsbezug, die eher allgemeinpädagogisch formuliert sind. Dies zeigt sich z. B. beim Demonstrieren und Durchführen von NU in unterschiedlichen Sozialformen (Nehring et al. 2017; Schmitt-Sody 2014; Tesch und Duit 2004). Während Demoexperimente naturwissenschaftsbezogen ausgerichtet sind (Tesch und Duit 2004), sind unterschiedliche Sozialformen in der Allgemeinpädagogik zu verorten (Jank und Meyer 2018) und werden auch in der Inklusionspädagogik thematisiert (Frohn et al. 2019). Weitere Zugänge, die ebenfalls allgemeinpädagogisch zu verorten sind, sind z. B. das motivierende Ermöglichen und Vermitteln in Eins-zu-Eins-Betreuung. Als systematische Übersicht konkreter inklusiver Zugänge, die aus der Allgemeinen Didaktik stammen und in der fachdidaktischen Literatur auf die naturwissenschaftlichen Aspekte bezogen wurden, bietet das KinU vermutlich auch anderen Fachdidaktiken eine Handreichung zur Gestaltung inklusiven Unterrichts.

Fraglich ist auch, wie konkret ein Zugang formuliert sein muss, damit dieser als naturwissenschaftsbezogen gesehen wird. Zum Beispiel kann der Code ‚zieldifferente Zugänge‘ (Brauns und Abels 2020) auf andere Unterrichtsfächer übertragen werden, d. h. es wird vorgeschlagen differenzierte Unterrichtsziele zu formulieren (Hinz 1996; Riegert 2016). Im KinU wird diese Zieldifferenz auf der Subcode-Ebene durch die Durchführung von Erkundungs- und Entscheidungsexperimenten konkretisiert, wodurch ein naturwissenschaftlicher Bezug hergestellt wird. Die abstraktere Formulierung der Zieldifferenz lässt also die handlungsleitende Konkretisierung vermissen, die Lehrkräfte als Unterstützung bei der Gestaltung inklusiven Fachunterrichts benötigen (Brauns und Abels 2020; Stinken-Rösner et al. 2020). Dies bestätigt die Bedeutsamkeit der Subcode-Ebene des KinUs.

Die Herangehensweise, die Aspekte der Naturwissenschaftsdidaktik mit der inklusiven Pädagogik zu verknüpfen, kann als Vorbild für andere Fachdidaktiken dienen. Dabei ist zu analysieren, was die zentralen Aspekte des jeweiligen Faches sind und wie diese ebenfalls als Zugänge zum inklusiven Fachlernen fungieren können. Mithilfe einer solchen Konkretisierung können die Implikationen zur inklusiven Unterrichtsgestaltung aus der allgemeinen und inklusiven Pädagogik erweitert werden.

Insgesamt wird mit den Ergebnissen des KinUs der Status Quo der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur mit Inklusionsbezug aufgeführt. Das bedeutet, dass im KinU diejenigen inklusiven Zugänge zu den naturwissenschaftlichen Aspekten aufgeführt werden, die aus der Literatur des systematischen Reviews abgeleitet werden konnten (Brauns und Abels 2020). Das KinU ist als dynamisch und erweiterbar zu verstehen. Der Vergleich zur allgemeinen Naturwissenschaftsdidaktik zeigt, dass sich z. B. durch verschiedene Ausführungsformen und Funktionen der NU noch weitere Aspekte (z. B. Real- und Gedankenexperimente, Verwendung von Substanzmengen im Makro- oder Mikromaßstab) ergeben, für die verschiedenen Zugänge formuliert werden können oder die selbst als unterschiedliche Zugänge zu den NU fungieren können. Diese Implikationen zeigen, wie das KinU zu erweitern und auszuschärfen ist. Eine weitere Entwicklung des KinUs und dessen Kategorien findet im Nawi-In Projekt durch die Anwendung auf Unterrichtsvideos und -reflexionen statt (Brauns und Abels 2021).

Zur Struktur des KinUs ist festzustellen, dass bei der Gegenüberstellung nach Bereichen (Aktionen, Funktionen, Ausführungsformen usw.) die Subkategorien des KinUs auseinandergerissen wurden. Das heißt, dass Codes, die im KinU unter der gleichen Subkategorie aufgeführt werden, in dieser Darstellung in unterschiedlichen Tabellen aufgeführt werden. Zum Beispiel lassen sich die Codes der Subkategorie zum materialgeleiteten Ermöglichen der Anwendung naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden (13.1) hauptsächlich in Tab. 4 zu den Aktionen wiederfinden, sind aber auch in Tab. 5 zu den Ausführungsformen und Tab. 8 zur Offenheit aufgeführt. Die unterschiedliche Struktur ergibt sich dadurch, dass das KinU zwar auf der Hauptkategorienebene nach naturwissenschaftlichen Aspekten unterschieden wird, ab der Subkategorienebene aber nach den inklusiven Zugängen (Brauns und Abels 2020). Dadurch, dass sich die inklusiven Zugänge auf der Subcodeebene über die Hauptkategorien hinweg wiederholen, bietet sich diese Strukturierung an.

Wenngleich das KinU fortlaufend weiterentwickelt wird, bleibt die Frage, welche inklusiven Zugänge zum naturwissenschaftlichen Unterricht jeweils umgesetzt werden müssen, damit alle Schüler*innen eine naturwissenschaftliche Grundbildung erwerben können (Menthe et al. 2016, 2017; Villanueva und Hand 2011). Mit dem KinU können Aspekte der Inklusion, wie die Anerkennung und Wertschätzung von Diversität (Black-Hawkins 2010) oder die tatsächliche Partizipation von Schüler*innen an Lernprozessen (Florian und Spratt 2013), nicht überprüft werden. Es müssen derzeit normative Annahmen getroffen werden, wann ein naturwissenschaftlicher Unterricht als inklusiv eingestuft wird. Diese Annahmen können z. B. an die Richtlinien des UDLs angelehnt sein (CAST 2018). In Bezug auf die Gestaltung inklusiver naturwissenschaftlicher Lernumgebungen, genauer zum Experimentieren, hat sich das UDL beispielsweise in dem Projekt Do-ProfiL bereits bewährt (Baumann et al. 2018).

Zusammenfassend zeigt die Gegenüberstellung der Ergebnisse aus dem KinU mit der naturwissenschaftsdidaktischen Literatur ohne Inklusionsbezug, dass sich Überschneidungen besonders in Bezug auf naturwissenschaftliche Zugänge ergeben. Zudem lassen sich diese Zugänge von allgemeinpädagogischen Zugängen, die ebenfalls auf andere Fächer übertragbar wären, abgrenzen. Je konkreter die Zugänge zu den naturwissenschaftlichen Aspekten formuliert sind, desto handlungsleitender sind sie für den Fachunterricht.

Fazit und Implikationn für die Lehrkräftebildung

Insgesamt zeigt sich, dass in der naturwissenschaftsdidaktischen Theorie und Empirie ohne Inklusionsbezug von dem naturwissenschaftlichen Gegenstand ausgegangen wird und detailliert beschrieben wird, welche Funktionen dieser Gegenstand mit sich trägt und welche Ziele die Schüler*innen bei der Anwendung dieses Gegenstands erfüllen sollen. In der Darstellung inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts ist es weiterhin zu empfehlen, stringent die inklusiven Zugänge mit den naturwissenschaftlichen Aspekten zu verknüpfen. Ein beträchtlicher Mehrwert zu der allgemein naturwissenschaftsdidaktischen Literatur ergibt sich daraus, dass in den Publikationen mit Inklusionsbezug beschrieben wird, wie der naturwissenschaftliche Gegenstand modifiziert werden kann und welche zusätzlichen Angebote gemacht werden können, damit alle Schüler*innen einen Zugang zu diesem Gegenstand erhalten und die NU im Unterricht anwenden können. Der Vergleich, den das KinU ermöglicht, zeigt zusammenfassend, wie es gelingen kann, die Partizipation der Schüler*innen am naturwissenschaftlichen Unterricht zu fördern, um eine naturwissenschaftliche Grundbildung zu erreichen.

Damit Inklusion im naturwissenschaftlichen Unterricht gelingen kann, liegt es an den Lehrkräften die notwendigen Zugänge für die Schüler*innen zu schaffen. Lehrkräfte fühlen sich nach wie vor nicht ausreichend professionalisiert für inklusiven Unterricht im Allgemeinen (Florian und Camedda 2020; van Mieghem et al. 2020) sowie für inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht (Hofer et al. 2018). Durch die systematische Darstellung bietet sich das KinU nicht nur zur Beforschung, sondern auch für (angehende) Lehrkräfte zur Gestaltung und Reflexion inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts an. Im Nawi-In Projekt zeigen wir, wie das KinU in der Lehrkräftebildung implementiert wird (Brauns et al. 2020). Dabei reflektieren die Lehramtsstudierenden zunächst Videoausschnitte aus dem Unterricht erfahrener Lehrkräfte und verwenden dabei das KinU. Um die Studierenden an das KinU heranzuführen, wird der Fokus erst auf einzelne Hauptkategorien mit den entsprechenden unterliegenden Kategorien gelegt, bevor das KinU ganzheitlich zur Reflexion herangezogen wird. Außerdem werden die Studierenden während der Praxisphase in der Schule begleitet. Besonders durch einen Praxisbezug können angehende Lehrkräfte ihre inklusiv naturwissenschaftlichen Kompetenzen weiterentwickeln (McCracken et al. 2020; van Mieghem et al. 2020). Während der Praxisphase planen die Studierenden mit dem KinU inklusiven naturwissenschaftlichen Unterricht, videografieren diesen Unterricht und reflektieren ihn entlang der Kategorien des KinUs. Den Kreislauf von Durchführung und Reflexion durchlaufen die Studierenden im Sinne der Aktionsforschung insgesamt zweimal (Emembolu et al. 2020; Laudonia et al. 2018). Wenngleich (angehende) Lehrkräfte im Kontext inklusiven naturwissenschaftlichen Unterrichts häufig allgemeinpädagogische Aspekte in den Blick nehmen und fachdidaktische Aspekte aus dem Blick geraten (Abels 2019b; Sellin et al. 2020), zeigen erste Erprobungen des KinUs, dass die Studierenden mithilfe des KinUs inklusive Aspekte naturwissenschaftsbezogen betrachten und diskutieren können.