Im Jahr 2016 trugen 5,7% aller gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland eine Asthmadiagnose, das sind rund 30 % mehr als noch 2009 — damals waren 4,4 %. Dies geht aus dem Versorgungsatlas-Bericht des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hervor. Für den Bericht haben Forscher um Dr. Mana Akmatov vom Zi in Berlin vertragsärztliche Abrechnungsdaten zu sämtlichen rund 70 Millionen GKV-Versicherten aus Deutschland analysiert. Die Studie liefert damit erstmals bundesweite Prävalenz- und Inzidenzdaten in hoher räumlicher Auflösung über mehrere Jahre hinweg.

Vier Millionen Asthmakranke

Anhand der Abrechnungsdaten hat das Team um Akmatov die administrative Prävalenz ermittelt, also den Anteil derjenigen mit Asthmadiagnose. Dazu musste eine J45-Kodierung mit der Zusatzbezeichnung „G“ für „gesicherte Diagnose“ existieren. Zur Berechnung der Inzidenz berücksichtigten die Forscher nur Neuerkrankungen, die in weiteren Quartalen mindestens noch einmal kodiert wurden. Damit sollten Fehldiagnosen ausgeschlossen werden. Die Einschlusskriterien waren also recht strikt. Unterm Strich waren damit 2016 insgesamt 4,03 Mio. gesetzlich Versicherte asthmakrank, 2009 lag die Zahl bei 3,12 Mio..

Deutlich ist ein kontinuierlicher Anstieg der Prävalenz über die Jahre, dieser lässt sich praktisch ausschließlich mit einer Zunahme der Asthmaerkrankungen bei Erwachsenen erklären. Hier stieg die Prävalenz zwischen 2009 und 2016 von 4,3 auf 5,9 % — eine relative Zunahme um 35 %. Dagegen pendelte sie bei Kindern und Jugendlichen im selben Zeitraum um 5 %. Wurden altersadjustierte Daten verwendet, änderte sich nur wenig.

Interessant sind Unterschiede zwischen den Geschlechtern: In der männlichen Bevölkerung erreichte die Prävalenz 2016 im Alter von 10–13 Jahren mit etwas über 8 % einen Höhepunkt und sank anschließend auf rund 5 %. Ein anderes Bild in der weiblichen Bevölkerung: Bei Mädchen lag die Prävalenz mit 4—5 % deutlich niedriger als bei Jungen, ab einem Alter von 35 Jahren stieg sie aber deutlich über die von Männern und erreichte mit 65—75 Jahren ihren Höhepunkt bei knapp 8 %. Erst im Alter ab 80 Jahren konnten die Forscher für beide Geschlechter einen Rückgang der Asthmaprävalenz beobachten. Sie vermuten hormonelle Gründe für das höhere Erkrankungsrisiko unter erwachsenen Frauen. Auch scheine Adipositas das Asthmarisiko bei Frauen stärker zu steigern als bei Männern.

Weniger Asthma im Süden und Nordosten

Der Anstieg der Asthmaprävalenz wurde in ähnlichem Maße sowohl in Städten als auch in ländlichen Regionen beobachtet, mit der höchsten Prävalenz in Großstädten. Dagegen zeigten Bürger aus Kreisstädten keine erhöhte Asthmarate im Vergleich zu Landbewohnern. Möglicherweise begünstigten eine höhere Luftverschmutzung und vermehrter psychosozialer Stress Asthmaerkrankungen in Großstädten, geben Akmatov und Mitarbeiter zu bedenken. Ähnliches gilt für die Inzidenz: Diese ist in Großstädten rund ein Viertel höher als auf dem Lande.

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Asthma nimmt besonders bei Erwachsenen zu.

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Sowohl bei der Inzidenz als auch der Prävalenz zeigten sich Ost-West-Unterschiede: In den alten Bundesländern tritt ein Asthma bronchiale noch immer seltener auf als im Westen. Streng genommen verläuft die Trennlinie jedoch von Südwest nach Nordost: Bayern und Baden-Württemberg liegen bei der Prävalenz auf einem ähnlichen Niveau wie der Osten, die übrigen Bundesländer und Berlin deutlich höher. Wird nach einzelnen Landkreisen aufgelöst, befinden sich Cluster mit niedriger Prävalenz vor allem im Süden von Baden-Württemberg, im Süden Bayerns sowie im Norden von Mecklenburg-Vorpommern. Cluster mit hoher Prävalenz fanden die Forscher im Süden von Thüringen, im Norden von Schleswig-Holstein sowie im Nordwesten von Niedersachsen. Wie diese Cluster zustande kommen und ob ein unterschiedliches Diagnoseverhalten der Ärzte in den jeweiligen Landkreisen relevant ist, lasse sich aus den Daten nicht ablesen, schreiben die Zi-Forscher.

Die Inzidenzrate bezifferte das Team um Akmatov auf 6,2 Neuerkrankungen pro 1.000 Personenjahre. Sie war bei Kindern und Jugendlichen rund doppelt so hoch wie bei Erwachsenen (10,3 versus 5,5 pro 1.000 Personenjahre). Auch hier fanden die Forscher deutlich höhere Werte unter Jungen als Mädchen, dagegen erkrankten Frauen über 35 Jahren häufiger neu an Asthma als Männer.