1 Einleitung

Über kaum ein anderes Phänomen wurde in den letzten zwei Jahrzehnten so viel diskutiert und publiziert wie über „den“ Populismus. Dabei dreht sich die öffentliche und wissenschaftliche Debatte vor allem um rechten, weniger um linken Populismus. Dies ist vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung (populistischer) rechtsradikaler Parteien, Bewegungen und Akteure weltweit kaum verwunderlich. In der Politikwissenschaft existiert bereits eine nahezu unüberschaubare Vielzahl an internationaler Forschung zu den Merkmalen, Erfolgsfaktoren und dem Einfluss jener Parteienfamilie (einen ersten Überblick erlaubt die Bibliographie von Arzheimer 2021). Trotz der enormen theoretischen, methodischen und empirischen Vielfalt der Studien können diese teilweise nur noch wenig Neues dazu beitragen, wie der wachsenden Bedeutung „des“ Rechtspopulismus begegnet werden kann. Das Ziel des vorliegenden Artikels ist es daher, die bisherigen Erkenntnisse der Forschung zu Populismus und Rechtsradikalismus möglichst umfassend darzustellen, ihre Grenzen aufzuzeigen und zukünftige Forschungsperspektiven zu skizzieren. Da hierbei freilich nicht auf alle Arbeiten gleichermaßen eingegangen werden kann, wird der Fokus auf generellen Forschungstrends und -desideraten liegen.

Die internationale Rechtspopulismusforschung hat seit der Jahrtausendwende einen enormen Aufschwung erfahren. Während anfangs vor allem theoretisch-konzeptionelle Fragen (Was ist Populismus bzw. was zeichnet solche Parteien aus?) und Faktoren der Angebotsseite (z. B. Programmatik, Organisation und Strategien jener Parteien) im Mittelpunkt standen, hat sich das Forschungsfeld in rasanter Geschwindigkeit aufgefächert. Mittlerweile existieren zahlreiche Studien zur Nachfrageseite (Wer wählt populistische rechtsradikale Parteien, und warum?). Daneben entstand relativ bald ein Forschungsstrang, der sich mit dem direkten und indirekten Einfluss jener Parteien und Akteure beschäftigt und versucht, effektive Gegenstrategien zu entwickeln. Der vorliegende Artikel ist daher wie folgt gegliedert: Im nächsten Abschnitt stehen zentrale Merkmale, Erfolgsfaktoren und der Einfluss (populistischer) rechtsradikaler Parteien im Fokus. Dabei wird auch die Normalisierung und das Mainstreaming von Rechtsaußenpolitik in den Blick genommen, da diese die liberalen Demokratien weltweit immer stärker unter Druck setzen. Darauf aufbauend werden bestehende Forschungsdesiderate herausgestellt und neue Arenen sowie methodische Zugänge bei der Erforschung der radikalen Rechten in den Blick genommen. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick auf zukünftige Herausforderungen bei der Erforschung von Rechtsaußenphänomenen gegeben.

2 Konzeptionelle Grundlagen: (Rechts‑)Populismus und Demokratie

Es ist nahezu unmöglich, dieses Kapitel ohne Verweis auf die Arbeiten des niederländischen Politikwissenschaftlers Cas Mudde (2004, 2007) zu beginnen. Mit seinen theoretisch-konzeptionellen Überlegungen legte dieser für den Großteil der Forschungscommunity den Grundstein, was unter Populismus zu verstehen ist und wie sich dieser von Extremismus und (liberaler) Demokratie abgrenzt. Jene Fragen beschäftigten einzelne Autor:innen bereits seit den 1980er-Jahren. Laut Mudde (2004, S. 543) bezeichnet Populismus „eine Ideologie, die davon ausgeht, dass die Gesellschaft in zwei homogene antagonistische Gruppen getrennt ist, das „reine Volk“ und die „korrupte Elite“, und die geltend macht, dass Politik ein Ausdruck des volonté générale oder des allgemeinen Volkswillens sein soll“ (Übersetzung durch die Autorin). Eine solche „dünne“ Ideologie verfügt nur über einen begrenzten ideologischen Kern und kann mit verschiedenen „Hochideologien“ kombiniert werden, etwa Nationalismus, Kommunismus oder Sozialismus. Damit knüpfte Mudde an verschiedene Vorarbeiten an (s. etwa Canovan 1981; Freeden 1998; Decker 2000; Taggart 2000). Zudem betonte er in aller Deutlichkeit, dass Populismus mehr sei als nur ein politischer Stil oder eine (Diskurs‑)Strategie – eine Ansicht, die nicht alle mit ihm teilen (s. etwa Laclau 2005; Hawkins 2009; Weyland 2017; Moffitt 2020).

In seinen jüngsten Arbeiten verdeutlicht Mudde (2019) mit Nachdruck, warum sich der grundlegende Wandel der Parteiensysteme und die Gefahr für die liberale Demokratie weniger mit dem Konzept des Populismus verstehen lässt, sondern vielmehr mit denen des Nativismus und des Autoritarismus. Die entsprechenden Grundpfeiler hatte er bereits früher gelegt, indem er Nativismus definierte als „eine Ideologie, die besagt, dass Staaten ausschließlich von Mitgliedern der einheimischen Gruppe („der Nation“) bewohnt werden sollten und dass nicht-einheimische Elemente (Personen und Ideen) eine grundlegende Bedrohung für den homogenen Nationalstaat sind“ (Mudde 2007, S. 19; Übersetzung durch die Autorin). Autoritarismus definierte Mudde (2007, S. 23) als „den Glauben an eine streng geordnete Gesellschaft, in der Autoritätsverstöße streng geahndet werden sollen“ (Übersetzung durch die Autorin). Da jene Parteienfamilie vor allem vom Nativismus und nicht vom Populismus geprägt wird, plädiert Mudde (2007, S. 26) für den Terminus (populist) radical right. In seinen neueren Arbeiten nutzt Mudde (2019) zudem verstärkt den Oberbegriff „far right“ für (populist) radical right- und extreme right-Akteure, um deren ideologische Überschneidungen zu verdeutlichen. Während sich jene Bezeichnungen in der englischsprachigen Literatur größtenteils durchsetzen konnten, ist im deutschen Sprachgebrauch nach wie vor meist von Rechtspopulismus die Rede (was sicherlich auch mit den weniger griffigen Übersetzungen „populistischer Rechtsradikalismus“ oder „Rechtsaußenparteien“ zusammenhängt).

Eine weitere vieldiskutierte Frage ist die nach dem Verhältnis von Populismus und (liberaler) Demokratie. Schon früh wurde argumentiert, dass Populismus – anders als Extremismus – nicht prinzipiell antidemokratisch ist, jedoch in einem grundlegenden Konflikt mit der liberalen Demokratie steht (Canovan 1999; Mény und Surel 2002; Mudde 2007). Dies lässt sich auf die populistische Vorstellung zurückführen, es gebe einen homogenen Volkswillen, der ohne Restriktionen umgesetzt werden müsse und die Grundlage sämtlicher Politik darstelle (Mudde 2007, S. 151). Damit ist Populismus nicht mit Pluralismus vereinbar, zu dem das Aushandeln verschiedener gesellschaftlicher Interessen sowie der Schutz von (politischen, sozialen, religiösen, kulturellen, sexuellen etc.) Minderheiten gehört. Jener Konflikt offenbart sich etwa in der häufig von Populist:innen artikulierten Forderung nach „mehr“ direkter Demokratie, durch die sie vorgeben, die Macht von den „korrupten Eliten“ an „das Volk“ zurückzugeben (ebd.: 151f.). Wie die Nutzung direktdemokratischer Instrumente allen voran zur Polarisierung und zur Verletzung von Minderheitenrechten beiträgt, veranschaulichen zahlreiche von der SVP forcierte Volksabstimmungen, etwa jüngst zum „Verhüllungsverbot“.

Schließlich münden jene konzeptionellen Überlegungen in der Frage, wie Populismus zu messen sei – und zwar sowohl im Hinblick auf populistische Einstellungen (s. etwa Akkerman et al. 2014) als auch Kategorisierungen einzelner Parteien. Letzteres geschah in der Vergangenheit teilweise auf der Grundlage qualitativer Analysen (s. etwa Mudde 2007; van Kessel 2015) oder von Experteneinschätzungen, wie bei der PopuList (Rooduijn et al. 2019). Letztere umfasst mittlerweile europäische Parteien in 31 Ländern und stützt sich auf die vorgestellten Konzepte von Populismus, Nativismus und Autoritarismus (Mudde 2004, 2007). Ein fortwährendes Problem ist dabei die Einordnung von „Grenzfällen“. In ihrer Studie schlagen Meijers und Zaslove (2020) daher – aufbauend auf den bisherigen Studien zur Populismusmessung – einen neuen, multidimensionalen Ansatz vor, um den Grad von Populismus präzise zu bestimmen.

3 Angebotsseite: Programmatik, Organisation, Strategien

Populistische rechtsradikale Parteien und Akteure sind mittlerweile in fast allen Demokratien weltweit vertreten. Während einige Parteien schon sehr früh gegründet wurden (etwa die FPÖ 1955 oder der Front National 1972), galten andere Länder lange Zeit als „Ausnahmen“, etwa Deutschland, Spanien oder Portugal (Heinze 2020; Mendes und Dennison 2021; zur Erklärung dessen siehe etwa de Jonge 2021). Laut Mudde (2019) befindet sich Rechtsaußenpolitik heute in der vierten Welle der Nachkriegszeit, die vor allem von der Normalisierung und dem Mainstreaming geprägt ist (s. Abschnitt 5). Während der klassische „Neofaschismus“ zwischen 1945 bis 1980 noch stärker im Vordergrund stand, wandelten sich jene Parteien bis in die frühen 2000er-Jahre. Im Folgenden werden die zentralen inhaltlichen, strategischen und organisatorischen Entwicklungen der (populistischen) radikalen Rechten zusammengefasst.

Inhaltlich-strategisch haben sich Rechtsaußenparteien im Laufe der Zeit immer stärker aufgefächert und versucht, ein „moderates“ Image aufzubauen. Selbst in den Fällen, in denen sie anfangs einen starken Fokus auf einzelne Themen hatten, können sie längst nicht mehr als Einthemenparteien bezeichnet werden. So wurden etwa die dänischen und norwegischen Fortschrittsparteien Anfang der 1970er-Jahre als steuerkritische Protestparteien gegründet und griffen erst seit den 1980er-Jahren verstärkt Immigrations- und Integrationsfragen auf (Heinze 2018). Auch die AfD hat sich von einer euroskeptischen, neoliberalen zu einer rechtsradikalen Partei entwickelt (siehe etwa Berbuir et al. 2015; Arzheimer 2019). Seit der Verabschiedung ihres Renten- und Sozialkonzepts lassen sich die inhaltlichen Positionen der Partei zu allen großen politischen Sachfragen bestimmen. Das Forschungsinteresse an der inhaltlich-programmatischen Entwicklung jener Parteien erfährt nach wie vor hohes Interesse und spiegelt sich in einer Vielzahl an (v. a. quantitativen, aber auch qualitativen) Inhaltsanalysen von Wahl- und Parteiprogrammen wider. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch jüngere Arbeiten, die die wachsende Bedeutung relativ neuer Themen für jene Parteienfamilie unter die Lupe nehmen, etwa Gender (Köttig et al. 2017), Klima und Umwelt (Forchtner 2019) oder Gesundheit (Falkenbach und Greer 2021).

Auch organisatorisch haben sich Rechtsaußenparteien mit der Zeit deutlich gewandelt, wenngleich jener Forschungsstrang bislang deutlich weniger Aufmerksamkeit erfährt als der um programmatisch-inhaltliche Positionen. Das kann auf die dahinterliegenden theoretisch-konzeptionellen sowie methodischen Herausforderungen zurückgeführt werden, etwa den schwierigen Zugang zum Feld (ausführlich dazu Art 2018). Dennoch liegen bereits einige Studien vor, die Einblick in den organisatorischen Wandel von Rechtsaußenparteien bieten. So waren die frühen Vertreter der Parteienfamilie vor allem von einem „charismatischen“ Führer (z. B. Jean-Marie Le Pen oder Jörg Haider) und einer starken Machtzentralisierung geprägt (Betz 1998). Jenes „Standardmodell“ traf mit der Zeit immer seltener zu und kann die Organisationswirklichkeit der meisten Rechtsaußenparteien heute nicht mehr zutreffend beschreiben. So hatte etwa die AfD nie einen „charismatischen“ Führer und war stattdessen von einem hohen Grad innerparteilicher Demokratie geprägt (Heinze und Weisskircher 2021; Höhne 2021). Zudem treten Teile der Partei stark „bewegungsorientiert“ auf (Schroeder et al. 2017) und scheuen nicht die offene Kooperation mit Rechtsaußenprotesten und -bewegungen wie PEGIDA oder „Querdenken“ (Weisskircher und Berntzen 2019; Heinze und Weisskircher 2022). Neben solchen Einzelfallanalysen existieren mittlerweile einige vergleichende Studien zur Entwicklung und Organisationsvielfalt europäischer Rechtsaußenparteien (Heinisch und Mazzoleni 2016; Castelli Gattinara und Pirro 2019; Albertazzi und van Kessel 2021).

Daneben geben zahlreiche Studien Einblicke in die Kommunikation und Aktivitäten rechtsradikaler Parteien und Akteure, die von einer immer größeren transnationalen Vernetzung geprägt sind. Entsprechend der teilweise vorherrschenden Vorstellung von Populismus als politischen Stil verwundert es kaum, dass die Reden einzelner populistischer Führer:innen bereits vielfach analysiert wurden und teilweise zu überraschenden Ergebnissen führten: So nutzten jene Akteure nicht zwangsläufig eine „einfache“ Sprache, um sich als Vertreter:innen des Volkes darzustellen und sich von den korrupten Eliten zu distanzieren, sondern teilweise komplexere Redewendungen als ihre politischen Konkurrent:innen (McDonnell und Ondelli 2020). Auch die Erforschung der Online-Kommunikation jener Akteure nimmt einen immer größeren Stellenwert ein, etwa ihre Aktivitäten in den klassischen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter (u. a. Engesser et al. 2017; Froio und Ganesh 2019; Klein und Muis 2019) sowie auf alternativen Plattformen wie Gab (Jasser et al. 2021). Eine zunehmende Rolle spielt dabei auch die visuelle Kommunikation (Doerr 2017; Klein 2020), Kleidung, Gaming, Chat Rooms etc. (Miller-Idriss 2018, 2020) sowie das Verbreiten von Desinformationen (Bennett und Livingston 2018; Hatakka 2020).

4 Nachfrageseite: Ursachen rechtsradikaler Wahlerfolge

Schon früh entstand zudem ein großer, stetig anwachsender Forschungsstrang um die möglichen Ursachen rechtsradikaler Wahlerfolge. Zahlreiche Einzelfallstudien und Vergleiche verdeutlichen, dass sich die Unterstützung rechtsradikaler Parteien nicht monokausal erklären lässt. Stattdessen lohnt es sich, wie Arzheimer (2018) verschiedene Faktoren auf der Mikro‑, Meso- und Makroebene zu unterscheiden.

Auf der Mikroebene sind dies vor allem Parteiidentifikation, Kandidierende und Einstellungen (ebd.: 145–152). Dabei wird die Parteiidentifikation in der Forschung zum Wahlverhalten rechtsradikaler Parteien meist ignoriert – wohl auch, da diese Prozesse meist Jahre bis Jahrzehnte dauern, einige rechtsradikale Parteien aber noch gar nicht so lange existieren. Der Fokus liegt daher meist auf der abnehmenden Identifikation mit anderen Parteien, insbesondere im Mitte-Rechts-Spektrum (s. etwa Arzheimer und Carter 2009; Siegers und Jedinger 2021). Zudem wurde einzelnen Kandidierenden und „charismatischen Führern“ lange große Bedeutung zugeschrieben, doch ist dieser Trend rückläufig. Stattdessen haben sich viele rechtsradikale Parteien mittlerweile etabliert und profitieren – wie andere Parteien – von der Aufstellung ansprechender Kandidierender (Arzheimer 2018, S. 146). Diese werden jedoch selten genauer untersucht – anders als die politischen Einstellungen und Werteorientierungen der Wähler:innen. Hierbei ist der Erklärungsansatz der reinen „Protestwahl“ nach wie vor sehr prominent, wenn auch empirisch schwer greifbar (ebd.: 146f.). Zudem wird immer häufiger eingeräumt, dass rechtsradikale Wähler:innen die Politikangebote jener Parteien durchaus präferieren. Dies wird auch auf ihre persönlichen Einstellungen und Eigenschaften zurückgeführt, etwa „Anti-Immigrations-Gefühle“, Autoritarismus oder das Gefühl der „relativen Deprivation“ (für einen genaueren Überblick s. Arzheimer 2018, S. 146–152; zu einer ähnlich gerichteten Erklärung ostdeutscher AfD-Wahlerfolge s. Weisskircher 2020).

Faktoren der Mesoebene sind vor allem Parteistärke, Parteiideologie und das Parteiensystem (Arzheimer 2018, S. 152–155). So spielt die Parteiorganisation und -führung eine zentrale Rolle für den Erfolg rechtsradikaler Parteien (Art 2011), wird jedoch nur selten in den Blick genommen (v. a. auf der subnationalen und lokalen Ebene; jedoch Erlingsson et al. 2012). Anders verhält es sich mit der ideologischen Ausrichtung jener Parteien. Während hier lange Zeit die Kombination aus Marktliberalismus und autoritärem Sozialkonservatismus als „Gewinnformel“ galt (Kitschelt 1995), trifft insbesondere ersteres heute zumindest in Westeuropa nicht (mehr) zu. Stattdessen ist jene Parteienfamilie (Mudde 1996; Jungar und Jupskås 2014) von einer hohen ideologischen Heterogenität geprägt, was sich auch an ihrer mangelhaften Zusammenarbeit auf europäischer Ebene erkennen lässt (McDonnell und Werner 2019). Wie erfolgreich rechtsradikale Parteien sind, hängt auch vom Verhalten der anderen Parteien ab, etwa, inwiefern diese bestimmte Themen (z. B. Immigration) aufgreifen, welche Art von Koalitionsregierungen sie eingehen (zur negativen Wirkung von Großen Koalitionen s. Arzheimer und Carter 2006) oder wie stark sie die rechtsradikale Partei selbst ausgrenzen (mehr dazu im nächsten Abschnitt).

Schließlich finden sich auf der Makroebene institutionelle Faktoren, Immigration und Arbeitslosigkeit, Kriminalität sowie Medien (Arzheimer 2018, S. 155–158). Die empirische Evidenz für deren Effekte ist dabei jedoch vergleichsweise rar und uneindeutig. So ist der Einfluss institutioneller Faktoren (z. B. Wahlsystem, Dezentralisierung, Wohlfahrtsstaat) schwer greifbar, da sich diese nur langsam bis gar nicht verändern. Auch der Effekt von Immigration ist nur geringfügig klarer als der von Arbeitslosigkeit, doch können sich die beiden Faktoren auch wechselseitig beeinflussen. Im Hinblick auf Kriminalität finden einige Autor:innen einen Zusammenhang zwischen hohen Kriminalitätsraten und rechtsradikalem Wahlverhalten (u. a. Smith 2010), andere jedoch nur bei solchen Bürger:innen, die bereits entsprechende Einstellungen besitzen (Dinas und van Spanje 2011). Auch hinsichtlich der Rolle der Medien fällt die empirische Evidenz begrenzt aus. Zwar gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen der Salienz von Immigration in den Medien und der Wahl rechtsradikaler Parteien (u. a. Boomgaarden und Vliegenthart 2007), doch basieren solche Studien meist auf aggregierten Daten, sodass der Einfluss des individuellen Medienkonsums unklar bleibt (anders in Experimentalstudien wie von Sheets et al. 2016).

5 Einfluss, Reaktionen und zunehmendes Mainstreaming

Nachdem viel über die Charakteristika und Erfolgsbedingungen populistischer rechtsradikaler Parteien publiziert wurde und sich jene Akteure in immer mehr Ländern etablierten, setzte sich ein weiterer Forschungsstrang zum (in-)direkten Einfluss jener Parteien sowie möglichen „Gegenstrategien“ in Bewegung. Zentrale Bedeutung erlangten dabei die Arbeiten David Arts (2007, 2011), in denen er argumentiert, dass das Verhalten der anderen politischen Parteien, Medienakteure und der Zivilgesellschaft beeinflusst, wie legitim rechtsradikale Parteien wahrgenommen werden und wie leicht sich diese etablieren können. Sein Ansatz wurde häufig aufgegriffen und weiterentwickelt. Während die meisten Arbeiten dabei nach wie vor einen starken Parteienfokus einnehmen, blicken immer mehr Studien auch auf die Rolle von Medienakteuren (u. a. Ellinas 2010; de Jonge 2021) und der Zivilgesellschaft (Pedahzur 2003; Lundberg 2021).

Welche Handlungsoptionen etablierten Parteien im Umgang mit populistischen rechtsradikalen Parteien zur Verfügung stehen und wie effektiv diese sind, wurde in den letzten Jahren immer stärker theoretisch-konzeptionell sowie empirisch herausgearbeitet. Einen Meilenstein stellte dabei die Studie von William Downs (2001) dar, der zwischen verschiedenen engage- und disengage-Strategien unterschied. Zwar legte er damit nicht die erste solche Typologie vor (s. etwa Decker 2000; Minkenberg 2001), jedoch die bis dahin differenzierteste. Kurze Zeit später entstanden immer mehr Arbeiten, die die Effektivität einzelner Handlungsoptionen untersuchten, etwa die des cordon sanitaire (van Spanje und van der Brug 2007; Rummens und Abts 2010; Pauwels und Teun 2011) oder der direkten Regierungsbeteiligung (Heinisch 2003; Akkerman und de Lange 2012). Zudem beschäftigte sich ein wachsender Anteil an Forschenden mit der Frage, inwiefern sich die etablierten (rechten wie linken) Parteien inhaltlich an Rechtsaußenparteien annähern (s. etwa Bale et al. 2010; van Spanje 2010; Han 2015; Krause und Giebler 2020; Salo und Rydgren 2021). Dabei griffen sie häufig den theoretisch-konzeptionellen Rahmen von Bonnie Meguid (2005) auf, die zwischen dismissive, accommodative und adversarial-Strategien unterscheidet. Inwiefern etablierte Parteien durch die Übernahme rechtsradikaler Positionen Wähler:innen zurückgewinnen (können), stellt bis heute jedoch eine empirisch umstrittene Frage dar (s. etwa Downes und Loveless 2018; Abou-Chadi et al. 2021).

Generell scheint es lohnenswert, nicht nur zwischen den Reaktionen einzelner Akteure zu unterscheiden, sondern auch zwischen verschiedenen Arenen der politischen Auseinandersetzung, etwa Parlament, medialer Öffentlichkeit und Parteienwettbewerb (Heinze und Lewandowsky 2021). Zum einen beeinflussen diese Arenen maßgeblich die zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen, etwa kann eine jede im Parlament vertretene Partei nicht (mehr) völlig ignoriert werden (Heinze 2020). Zum anderen helfen sie auch zu verstehen, in welchen Bereichen Rechtsaußenparteien Einfluss nehmen können. Prinzipiell kann dies auf direkte oder indirekte Weise geschehen (Schain 2006). Zum Beispiel können rechtsradikale Parteien die Immigrationspolitik eines Landes direkt beeinflussen, wenn sie sich selbst in Regierungsverantwortung befinden, oder indirekt, wenn die anderen Parteien ihre Positionen übernehmen oder ihnen Zugeständnisse für die Tolerierung ihrer Minderheitsregierung machen (s. Dänemark 2001–2011; Heinze 2018). Ähnliches gilt für die parlamentarische Arbeit und Debattenkultur (für die AfD s. etwa Atzpodien 2020; Schwanholz et al. 2020; Weiß et al. 2021) und öffentlichen Diskurse (Schwörer und Fernández-García 2021). In vielen osteuropäischen Ländern war zudem in den letzten Jahren beobachtbar, wie rechtsradikale Parteien in Regierungsverantwortung die liberale Demokratie schrittweise unterminieren, etwa durch den Abbau von Minderheitenrechten, der Medienfreiheit und der richterlichen Freiheit (Pirro 2015; Pytlas 2016; Minkenberg 2017; Bustikova 2019).

Zwei Prozesse, die hier eine wichtige Rolle spielen und in der Forschung zunehmend aufgegriffen werden, sind die Normalisierung und das Mainstreaming von Rechtsaußenakteuren und -ideen (Mudde 2019; Mondon und Winter 2020; Wodak 2021). Laut Mudde (2019) prägen diese maßgeblich die „vierte Welle“ von Rechtsaußenpolitik. Während jene Parteien in den frühen Phasen noch stark isoliert waren, wurde diese Ausgrenzung in der „dritten Welle“ immer brüchiger. Mittlerweile waren bereits viele Rechtsaußenparteien in Regierungsverantwortung, sodass exekutive Ausgrenzungen wie die gegenüber der AfD immer größere Ausnahmen darstellen. Zugleich verschwimmen die Grenzen zwischen den Positionen von Mainstream- und Rechtsaußenparteien immer stärker, was sich beispielsweise an nativistischen Kampagnen gegen Migration und Minderheiten beobachten lässt. Entscheidend hierfür sind zwei miteinander in Verbindung stehende Prozesse: Zum einen radikalisieren Rechtsaußenparteien die Positionen der etablierten Parteien, zum anderen übernehmen letztere Rechtsaußenpositionen, wodurch diese zum „Mainstream“ werden (Mudde 2019; Mondon und Winter 2020). Infolgedessen ist bei einigen „konservativen“ Parteien mittlerweile unklar, ob sie nicht vielmehr der rechtsradikalen Parteienfamilie zugeordnet werden müssten (für einen Vergleich europäischer Mitte-Rechts-Parteien siehe Bale und Rovira Kaltwasser 2021). Jene Entwicklungen und graduellen Unterschiede werden bislang kaum empirisch untersucht (anders z. B. Minkenberg 2013; Stocker 2017; Herman und Muldoon 2018). Neben der Vielzahl an Arbeiten zur „Krise“ der liberalen (Parteien‑)Demokratie (s. etwa Levitsky und Ziblatt 2018) mangelt es zudem an Visionen und konkreten Maßnahmen zur Stärkung der liberalen Demokratie (anders z. B. Koß 2021).

6 Forschungsperspektiven: Neue Arenen, methodische Zugänge und Stärkung der liberalen Demokratie

Wie gezeigt, sind viele Aspekte rund um „den“ Populismus und die radikale Rechte bereits gut erforscht. Wenngleich die empirische Evidenz nicht immer eindeutig ausfällt und freilich immer neue Phänomene entstehen und erforscht werden möchten, sind Rechtsaußenakteure und -politik vor allem eins: „here to stay“ (Mudde 2019). Von hier aus lassen sich vier weitere zentrale Forschungsperspektiven erkennen:

Erstens stützen sich die meisten, auch vergleichenden Studien zu Rechtsaußenphänomenen auf die nationale Ebene, anstatt Prozesse auf der subnationalen Ebene in den Blick zu nehmen (s. etwa Analysen von nationalen Partei- und Wahlprogrammen oder der Repräsentation der Partei im nationalen Parlament). Dies hängt zum einen mit der Relevanz jener Ebene zusammen und zum anderen mit der Verfügbarkeit der Daten. Dennoch drohen dadurch Erkenntnisse verloren zu gehen, da sich Rechtsaußenparteien in föderalen Systemen häufig zuerst auf der subnationalen und kommunalen Ebene etablieren und Einfluss gewinnen (für die Schwedendemokraten etwa Backlund 2020). Die anderen politischen Akteure müssen sich dabei die Frage stellen, wie sie mit jenen Herausforderern – teilweise auch in vermeintlich „unpolitischen“ Sachfragen – umgehen (z. B. Infrastrukturprojekten). Eine Zusammenarbeit auf der lokalen Ebene kann maßgeblich zur „Entdämonisierung“ und zum Mainstreaming einer Rechtsaußenpartei beitragen, selbst wenn diese auf höheren Ebenen ausgegrenzt wird. Zum Beispiel nahmen viele Bürger:innen nach der Regierungsübernahme des Rassemblement National auf der lokalen Ebene ihre Stadt sauberer, schöner und mit „mehr Blumen“ wahr (Paxton und Peace 2021, S. 551). Wenn der cordon sanitaire auf den unteren föderalen Ebenen bröckelt, kann er im nächsten Schritt leicht „nach oben“ übertragen werden – ein Prozess, der nur schwer umkehrbar ist (Heinze 2018).

Zweitens gestaltet sich die Mobilisierung von Rechtsaußenakteuren heute inhaltlich, strategisch und organisatorisch sehr komplex. Wie bereits erwähnt, mobilisieren jene Akteure längst nicht mehr nur um ihre „klassischen“ Kernthemen wie Immigration, werden aber nach wie vor häufig an diesen gemessen. Zugleich sind Rechtsaußenakteure nicht mehr „nur“ in der elektoralen Arena aktiv, sondern zunehmend auch „auf der Straße“ und im Netz. Dabei treten sie teilweise auch unterschiedlich radikal auf – in den Parlamenten etwa häufig moderater als in der außerparlamentarischen Arena (Heinze 2020). Dennoch fokussieren sich relativ wenige Studien auf die ideologischen, personellen und strategischen Verbindungen von Rechtsaußenakteuren – jenseits von politischen Parteien – und den (transnationalen) Aktivitäten und Vernetzungen von sozialen Bewegungen, Protesten etc. Castelli Gattinara (2020, S. 2) benennt dieses Defizit als „Elektoralismus“, das heißt eine zu starke Spezialisierung der Forschung auf Parteipolitik. Damit einhergehend kritisiert er auch den „Eurozentrismus“ bisheriger Studien: Diese konzentrieren sich häufig zu stark auf europäische Phänomene und begreifen die zunehmende transnationale Mobilisierung und Vernetzung von Rechtsaußenakteuren zu wenig als ein globales Phänomen (anders z. B. Leidig 2020). Auch im deutschsprachigen Raum fällt auf, dass die Organisation und (internationalen) Aktivitäten von rechtsradikalen Gruppen, Stiftungen, Verlagen, Chat Rooms etc. kaum systematisch erforscht werden.

Drittens blicken die meisten Studien in einer Außenperspektive auf Rechtsaußenorganisationen und -akteure, ohne die tatsächlichen internen Prozesse begreifen zu können. Um diesem „Externalismus“ zu begegnen, müssen Forscher:innen laut Castelli Gattinara (2020, S. 2) viel stärker neue Möglichkeiten nutzen, etwa digitale Daten, Insider-Beobachtungen oder direkte Interaktionen mit Individuen, die Rechtsaußenideen unterstützen und sich mit ihnen identifizieren. Zwar existieren bereits einige Einzelfallstudien, die die Binnenorganisation, Rekrutierung und Aktivitäten jener Parteien, Bewegungen und Gruppen auf der Grundlage von Beobachtungen oder Interviews analysieren (z. B. Fangen 1999; Blee 2003; Busher 2015; Pirro und Róna 2019), doch bleiben internationale Vergleiche bislang aus. Auch in Deutschland nähern sich Studien der radikalen Rechten bislang nur selten aus der Binnenperspektive. Ausnahmen bilden hier zum Beispiel vereinzelte Interviews, Umfragen und teilnehmende Beobachtungen zum Selbstverständnis und zur Arbeitsweise von AfD-Abgeordneten (Schroeder et al. 2017), zur innerparteilichen Demokratie der AfD (Höhne 2021; Kamenova 2021), zu Unterstützer:innen von AfD und PEGIDA (Göpffarth 2021) und zu Aktivist:innen der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (Knopp 2017).

Schließlich ist es höchste Zeit, nach dem überproportionalen Wachstum des Literaturkorpus zu Rechtsaußenphänomenen den Fokus auf die Frage zu lenken, wie die anderen Akteure die liberale Demokratie stärken können. Wie bereits erwähnt, existieren bereits einige Arbeiten, die sich auf die Gatekeeper-Funktion von Parteien (Levitsky und Ziblatt 2018; Koß 2021) und die zentrale Rolle von Medienakteuren (de Jonge 2021) konzentrieren. Daran anschließend sollten zukünftige Studien theoretisch sowie empirisch der Frage nachgehen, wie demokratische Institutionen und Prozesse geschützt werden können und welche normativen Implikationen einzelne Maßnahmen mit sich bringen. Die ist zum Beispiel in den Parlamenten höchst relevant: So haben die deutschen Parteien seit Einzug der AfD erlebt, wie diese teilweise gezielt parlamentarische Instrumente ausnutzt und parlamentarische Prozesse behindert bis blockiert werden (Heinze 2020). Auch für den Schutz der Wissenschaftsfreiheit, die nur sehr selten Aufmerksamkeit erfährt, sind derlei Maßnahmen dringend nötig: Beispielsweise werden Angehörige akademischer Institutionen und Bildungseinrichtungen zunehmend von Rechtsaußenakteuren angegriffen (z. B. durch persönliche Bedrohungen und Einschüchterungspraktiken) und teilweise ganze Studienrichtungen infrage gestellt (z. B. Gender Studies; de Jonge et al. 2021). Diese Beispiele verdeutlichen, dass zahlreiche (ungeschriebene) demokratische Prinzipien keineswegs selbstverständlich sind, sondern dringender denn je geschützt werden müssen.

7 Fazit und Ausblick

Im vorliegenden Artikel wurde der – enorm umfangreiche – Forschungsstand zu den inhaltlichen, organisatorischen und strategischen Wesensmerkmalen des „Rechtspopulismus“, seinem Verhältnis zu Demokratie und seinen Erfolgsfaktoren skizziert. Es wurde gezeigt, warum Populismus am ehestem als „dünne Ideologie“ (Mudde 2004) zu verstehen ist, die in einer Kombination mit Nativismus und Autoritarismus eher als (populistischer) Rechtsradikalismus zu bezeichnen ist. Sinnvoll erscheint auch der Oberbegriff „Rechtsaußenparteien“ für rechtsradikale und rechtsextreme Parteien, wobei nur letztere der (liberalen) Demokratie per se ablehnend gegenüberstehen. Inhaltlich, organisatorisch und strategisch haben sich jene Akteure mit der Zeit immer stärker aufgefächert und zeichnen sich heute durch eine große Heterogenität aus. Beispielsweise sind sie längst keine Einthemenparteien mehr und nicht zwangsläufig von einem „charismatischen“ Führer und einer „einfachen“ Sprache geprägt. Auch die Ursachen rechtsradikaler Erfolge sind komplex und lassen sich auf unterschiedliche Faktoren auf der Mikro‑, Meso- und Makroebene zurückführen (Arzheimer 2018). Entscheidend für den Einfluss rechtsradikaler Akteure sind das Verhalten der anderen Parteien, Medienakteure und der Zivilgesellschaft (Art 2007).

Darauf aufbauend wurden vier zentrale Forschungsdesiderate herausgearbeitet, an denen zukünftige Studien anknüpfen können. Erstens sollten mehr Arbeiten die Prozesse auf der subnationalen Ebene untersuchen, etwa die Normalisierung und das Mainstreaming rechtsradikaler Akteure und Positionen auf dieser. Zweitens erscheint es lohnenswert, den Fokus von der Parteipolitik auf Phänomene der nicht-elektoralen Ebene zu weiten (z. B. soziale Bewegungen, Protest) und auch deren transnationale Mobilisierung und Vernetzung stärker in den Blick zu nehmen. Drittens müssen rechtsradikale Phänomene und ihre Funktionsweisen stärker aus der Binnenperspektive untersucht und verstanden werden, etwa durch Interviews, Umfragen oder Beobachtungen. Viertens ist es Zeit, den Fokus auf effektive Strategien zur Stärkung der liberalen Demokratie zu richten.

Eine wachsende Herausforderung im Umgang mit rechtsradikalen Akteuren und Positionen sowie deren Erforschung stellt deren zunehmende Normalisierung und das Mainstreaming dar. Zum einen sind jene Parteien in immer mehr Ländern parlamentarisch vertreten und wurden bereits zahlreich in Regierungsbeteiligung eingeladen – sie sind daher nicht nur immer stärker normalisiert, sondern oftmals auch selbst Teil des „Mainstreams“. Zum anderen vertreten auch (klassische rechte wie linke) Mainstream-Parteien immer häufiger rechtsradikale Positionen, wodurch die Grenzen zwischen ihnen verschwimmen. Wie gezeigt, ist es jedoch dringender denn je, den Fokus auf die Stärkung der liberalen Demokratie zu richten – und zwar in der Forschung wie auch der Praxis.