Einleitung

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird in Deutschland durch die gesetzlichen Vorgaben des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) geregelt und war bis zur Anpassung des ESchG auf die Polkörperdiagnostik (PKD) beschränkt. Erst nach dem Beschluss des Bundestages im Jahre 2011 zur gesetzlichen Regelung der PID in Deutschland und ihrer Umsetzung in der Präimplantationsdiagnostikverordnung im Jahr 2014 wurde eine genetische Testung pluripotenter embryonaler Zellen unter bestimmten Voraussetzungen für Familien mit einem hohen Risiko der Weitergabe einer schweren genetischen Erkrankung möglich und damit gleichzeitig auf Trophektodermzellen eingeschränkt, die üblicherweise am Tag 5 bis 6 nach Befruchtung entnommen werden. International bestanden zum Zeitpunkt der Änderung des ESchG mit der PID nach Trophektodermbiopsie (nachfolgend als TED bezeichnet) kaum Erfahrungen. Bis 2015 wurde die PID weltweit hauptsächlich an Blastomeren, entnommen im 8‑Zell-Stadium am Tag 3, durchgeführt. Erst 2016 wurden durch die im ESHRE PGD Consortium (www.eshre.eu/Data-collection-and-research/Consortia/PGD-Consortium) registrierten PID-Zentren erstmals mehr PID-Zyklen an Trophektoderm als an Blastomeren gemeldet [5]. Belastbare Daten größerer multizentrischer Studien zur TED und deren Outcome wurden bis heute nicht publiziert. Die propagierten Vorteile der PID an Trophektodermzellen im Vergleich zu Blastomeren beziehen sich insbesondere auf ein besseres embryonales Entwicklungspotenzial nach TED, eine angenommene niedrigere Rate an somatischen Mosaiken und eine höhere Schwangerschaftsrate pro Transfer [1, 9, 12, 14].

In diesem Beitrag berichten wir über die kumulativen Ergebnisse unseres PID-Zentrums in Regensburg in den letzten 18 Jahren unter den besonderen Bedingungen des deutschen Embryonenschutzgesetzes vor und nach seiner Änderung zugunsten der limitierten Einführung der Trophektodermdiagnostik (TED).

Methoden

Es fand eine retrospektive Auswertung aller an unserem PID-Zentrum in Regensburg durchgeführten 316 PID-Diagnostikzyklen für monogene Erkrankungen (PGT-M) statt, davon 251 PKD- und 65 TED-Zyklen (2001 bis 15.05.2019).

Die Testetablierung und Durchführung der PKD bzw. TED orientierte sich an den Richtlinien des ESHRE PGD Consortium [6]. Die genetische Analyse für monogene Erkrankungen erfolgte sowohl bei der PKD als auch bei der TED mittels familienspezifischer Testsysteme, basierend auf der Analyse von gekoppelten Mikrosatellitenmarkern (VNTR-Marker) und, wenn methodisch möglich, geeigneter Methoden zum direkten Nachweis der Mutation(en). Angestrebt wurden, entsprechend den Guidelines des ESHRE PGD Consortium [6], mindestens 4 eng gekoppelte, informative, genetische Marker (je 2 auf jeder Seite der Mutation), bei der PKD informativ für die maternalen Allele, bei der TED informativ für die maternalen und paternalen Allele. Voll informative Marker bei der TED (diskriminierend für alle 4 elterlichen Allele) wurden bevorzugt, eine Mischung aus voll- und teilinformativen Markern ist akzeptabel und in der Praxis die Regel. Die Aussagesicherheit der PID steht hierbei im direkten Zusammenhang zum Informationsgehalt der genetischen Marker und deren Amplifikationseffizienz (umgekehrt gemessen als Allel-Dropout-Rate) und kann ggf. bei teilinformativen Markern durch Erweiterung um zusätzliche Marker verbessert werden. Zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Cross-over-Ereignissen zwischen den Markern des Testsystems und der Mutation wurde ein Abstand der Marker zur Mutation von weniger als 300 kb angestrebt. Die Amplifikation der Marker erfolgte als nested- oder seminested-PCR mit Fluoreszenzmarkierung und anschließender Fragmentlängenanalyse auf einem Kapillarelektrophoresesequenzer (Applied Biosystems 3500 xL Dx Series Genetic Analyzer). Als Mutationsnachweis wurden je nach Art und Größe der Mutation folgende Methoden verwendet: Fragmentlängenpolymorphismen, Restriktionsfragmentlängenpolymorphismen, allelspezifische PCR oder direkte Sequenzierung der PCR-Produkte.

Die Etablierung und Validierung der Testsysteme und die Ermittlung der Haplotypgruppen erfordern die Einbeziehung von genetischem Material der nächsten blutsverwandten Angehörigen, in der Regel der Eltern, Kinder, ggf. Geschwister und weiterer betroffener Familienangehöriger. Für eine ausreichende Sicherheit bei der Identifikation der Haplotypsegregation wurden nach Möglichkeit mindestens 2 unabhängige meiotische Ereignisse von blutsverwandten Angehörigen 1. oder 2. Grades mit nachgewiesener Mutation einbezogen. In Ausnahmefällen (z. B. bei De-novo-Mutationen) wurde in einem ersten PKD-Zyklus die Allelsegregation der Marker und Mutation(en) geklärt. In 18 Jahren konnten wir für eine einzige Familie trotz umfangreicher Versuche der Testetablierung und an sich erfüllten Voraussetzungen (FMR1 angefragt, Befunde und Proben von 5 Angehörigen mit Mutation verfügbar) letztlich keine PKD anbieten, weil in dieser Familie die Allelsegregation trotz Analyse von 8 informativen Markern nur unter Annahme eines doppelten Cross-overs in unmittelbarer Nachbarschaft der Mutation bzw. durch 2 Rekombinationen in aufeinanderfolgenden Generationen ebenfalls in unmittelbarer Nähe zur Mutation plausibel zu erklären war.

Ergebnisse

Patienten

Der gegenwärtige Datensatz unseres PID-Zentrums (Stand 15.05.2019; Tab. 1) enthält Behandlungsergebnisse zu insgesamt 149 Familien: 104 erhielten ausschließlich PKD, 27 ausschließlich TED, 18 sowohl PKD als auch TED.

Tab. 1 Charakterisierung des Patientenkollektivs

Der Wechsel zwischen PKD und TED erfolgte nach Verfügbarkeit der TED an unserem PID-Zentrum und positivem Votum der Bayerischen PID-Ethikkommission ab dem Jahr 2015. Neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen spielten auch persönliche Präferenzen bzw. ethische oder religiöse Aspekte eine Rolle bei der Wahl zwischen PKD und TED. Das Alter der Frauen zum Zeitpunkt der jeweiligen Eizellpunktion war mit 34,3 (PKD) bzw. 33,5 (TED) Jahren nahezu gleich. Nicht unerwartet ist der Anteil bearbeiteter autosomal-dominant vererbter Erkrankungen bei der TED (22,2 %) im Vergleich zur PKD (29,5 %) an unserem Zentrum etwas niedriger. Dies kann jedoch darauf zurückgehen, dass aufgrund der antizipierten geringeren Erfolgschancen eines zustimmenden Votums für autosomal-dominant vererbte Erkrankungen ohne bekannte erhebliche Repeatexpansion bei der Weitergabe oder erheblicher klinischer Variabilität inkl. schwerer kindlicher Manifestationen ein Antrag meistens nicht versucht wurde (Tab. 1).

Behandlungsergebnisse bei der PKD

Von den 251 PKD-Diagnostikzyklen für Familien mit einem hohen Risiko der Weitergabe einer monogenetischen Erkrankung resultierten 63 in klinischen Schwangerschaften und 51 Geburten mit 57 geborenen Kindern. Für 2013 von 2699 reifen Eizellen (74,6 %) konnten wir die 1. und 2. Polkörper erfolgreich biopsieren und für 1589 davon (78,9 %) eine eindeutige Diagnose stellen (Tab. 2).

Tab. 2 Behandlungsergebnisse aller bisherigen Polkörperdiagnostik (PKD)- und Trophektoderm-Diagnostik (TED)-Zyklen für monogene Erkrankungen am Zentrum für Humangenetik Regensburg aus den Jahren 2001–2019 (Stichtag 15.05.2019) und Gegenüberstellung von Repeaterkrankungen (Rx) und Nicht-Repeaterkrankungen (non-Rx)

Die Diagnoserate pro reifer Eizelle liegt mit 58,87 % erwartungsgemäß höher als die publizierten Daten des ESHRE PGD Consortium für 2011 (52,4 %; größtenteils nach Blastomerenbiopsie) für monogene Erkrankungen [4]. Im Durchschnitt wurden bei uns 1,65 Embryonen pro Transfer übertragen (42,3 % der Transfere als „single embryo“, 49,6 % 2 Embryonen, 8,0 % 3 Embryonen). Erwartungsgemäß stieg die Schwangerschaftsrate mit der Zahl der übertragenen Embryonen (1 Embryo: 14,5 %, 2 Embryonen: 28,5 %; 3 Embryonen: 31,8 %), aber auch die Abortrate pro klinische Schwangerschaft (1 Embryo: 5,9 %, 2 Embryonen: 17,9 %, 3 Embryonen: 28,5 %).

Paare mit autosomal-rezessiver Erkrankung wurden darüber informiert, dass methodisch bedingt bei der PKD das paternal vererbte Allel des zukünftigen Embryos nicht untersucht werden kann und somit alle Vorkern (PN)-Stadien mit der mütterlichen Mutation nicht zum Transfer empfohlen werden, unabhängig vom paternalen Genotyp. Aufgrund unserer Erfahrungen aus den ersten 60 PKD-Zyklen hatten wir mindestens 6 reife Eizellen als angestrebtes Limit für die Durchführung eines PKD-Zyklus festgelegt. Unter Berücksichtigung dieser Bedingung konnte für 85,3 % der PKD-Zyklen mindestens ein PN-Stadium für den Transfer aus genetischer Sicht empfohlen werden, durchschnittlich 3,4 PN pro PKD-Zyklus mit Transfer.

Behandlungsergebnisse bei der TED

Aus 65 konsekutiven TED-Zyklen an unserem Zentrum resultierten 27 klinische Schwangerschaften, mit 14 Geburten von insgesamt 15 Kindern und aktuell 12 laufenden Schwangerschaften. Insgesamt entwickelten sich aus 765 reifen Eizellen nach ICSI 281 biopsierbare Blastozysten (Blastozystenrate 36,7 %). Von diesen 281 TE-Proben konnte für 252 eine genetische Diagnose gestellt werden (Diagnoserate 89,7 %; Tab. 2).

Methodisch bedingt erfolgten alle 56 Transfere nach Kryokonservierung in einem nachfolgenden Spontanzyklus, präferenziell als Single-embryo-Transfer (83,9 %). Für mehr als die Hälfte der Paare (55,3 %) wurde hiermit bereits im ersten Zyklus eine klinische Schwangerschaft erzielt (Tab. 3).

Tab. 3 Behandlungsergebnisse Trophektoderm-Diagnostikzyklen: Anzahl der benötigten Transfere, Schwangerschaftsrate sowie kumulative Schwangerschaftsrate pro Transfer

Im Vergleich zur PKD wurden durchschnittlich deutlich weniger Embryonen pro Transfer übertragen (TED: 1,16 Embryonen/Transfer vs. 1,67 bei der PKD). Dennoch konnten wir mit TED im Vergleich zur PKD hiermit signifikant höhere klinische Schwangerschaftsraten pro Transfer erreichen (s. a. Tab. 2).

Für zwei der untersuchten Blastozysten ergaben sich bei der Markeranalyse Hinweise auf eine Fehlverteilung des im Testsystem für die monogene Erkrankung untersuchten Chromosoms (1 × XXY; 1 × Trisomie 19 – Abb. 1). Für eine dieser beiden Blastozysten stand eine zweite Trophektodermprobe der Blastozyste zur Verfügung. Für diese konnte im Rahmen der internen Qualitätssicherung bei vorliegendem positivem Votum für eine parallele Aneuploidie-Diagnostik mit einer zweiten Methode (Veriseq PGS Kit, Illumina) das Vorliegen einer Trisomie 19 bestätigt werden (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Nachweis einer Trisomie 19 als Nebenbefund einer monogenen Trophektodermdiagnostik (TED) für MD1. a Ergebnis der TED eines Embryos für Marker M‑F (Abstand zur Mutation 29,5 kb, Trinukleotidrepeat, TTA) bei biallelischer Vererbung. b Triallelisches Muster als Hinweis auf eine Trisomie 19 mit Vorliegen von 2 maternalen Chromosomen 19 und c Bestätigung der Trisomie 19 (47,XY + 19) mittels Veriseq PGS an einer 2. Biopsieprobe (Doppelbiopsie) der gleichen Blastozyste.

Behandlungsergebnisse für weibliche Überträgerinnen von Repeaterkrankungen

Nach Auswertung der Daten für die PKD fanden sich an unserem PID-Zentrum die zuvor bereits publizierten Hinweise auf geringere Erfolgschancen der PID für Überträgerinnen von Repeaterkrankungen (nachfolgend als Rx zusammengefasst, Rx gesamt n = 42): insbesondere für weibliche Überträgerinnen für die myotone Dystrophie Typ 1 (n = 15) und Trägerinnen einer FMR1-Prämutation (n = 12), nicht aber für Trägerinnen einer FMR1-Vollmutation (n = 9) oder Überträgerinnen anderer genetischer Erkrankungen ohne Repeatexpansion (non-Rx; Tab. 3).

Vergleicht man den erfolgreichen Abschluss einer PID-Behandlung (PKD und/oder TED) an unserem Zentrum, definiert als bestehende klinische Schwangerschaft bzw. Geburt pro Familie, so sehen wir bei insgesamt noch kleinen Fallzahlen für die Rx-Gruppe insgesamt eine niedrigere Erfolgschance (22,1 %; s. Tab. 2); insbesondere von nur 25 % (FMR1-Prämutation) bzw. 20 % (MD1) im Vergleich zu insgesamt 43 % für Nicht-Repeaterkrankungen oder überraschenderweise 66,7 % für Trägerinnen einer FMR1-Vollmutation. Und hierfür waren gegenüber non-Rx auch noch durchschnittlich mehr Transfere (Rx: 2,5/Familie; non-Rx: 2,2) notwendig bei annähernd gleicher Zahl transferierter Embryonen pro Transfer (PKD-Rx: 1,62; PKD-non-Rx: 1,66; TED-Rx: 1,13; TED-non-Rx 1,17). Ursächlich scheint bei der PKD eine niedrigere klinische Schwangerschaftsrate pro Transfer zu sein (18 % Rx vs. 25,3 % non-Rx). Ebenso ist die Abortrate für diese Patientengruppe erhöht (25 % Rx vs. 17 % non-Rx). Insgesamt resultiert daraus pro PKD-Zyklus ein Unterschied in der Erfolgsrate von 12,4 % (30,6 % Rx; 43,0 % non-Rx).

Für die TED dagegen sehen wir bei in etwa ähnlich reduzierter Erfolgsrate (41,2 % Rx vs. 64,3 % non-Rx) und scheinbar gleicher klinischer Schwangerschaftsrate pro Transfer (46,7 % Rx; 48,8 % non-Rx) eine geringere Zahl biopsierbarer Blastozysten (3,12 pro Zyklus Rx vs. 5,08 pro Zyklus non-Rx) als möglichen Ausdruck einer erhöhten Vulnerabilität während der ersten Tage der embryonalen Entwicklung. Daraus resultiert in Kombination mit einer etwas geringeren Diagnoserate von 83,3 % Rx verglichen mit 92,1 % non-Rx eine deutlich niedrigere Rate diagnostizierter (2,6 Rx; 4,68 non-Rx) und transferierbarer Embryonen (1,44 Rx; 2,76 non-Rx) pro TED-Zyklus. Erwartungsgemäß erhöht dies auch die Rate der TED-Zyklen ohne transferierbare Embryonen, die mit 36 % bei Rx-Paaren deutlich höher ist als bei non-Rx Paaren (22,5 %).

Die Ursachen für diese schlechteren Behandlungsergebnisse für weibliche Trägerinnen einer Repeaterkrankung sind bisher nicht verstanden. Für die myotone Dystrophie Typ 1 wird derzeit eine generell erhöhte Störanfälligkeit des Splicing mit erhöhtem Anteil aberranter RNA und resultierender RNA-Toxizität als Pathomechanismus diskutiert. Dies könnte auch die schlechteren Behandlungsergebnisse nach PKD für Eizellen ohne Mutation zumindest zum Teil erklären, da diese wie auch die frühen Embryonen bis zur Genomaktivierung ca. am Tag 3–5 unabhängig vom eigenen Genotyp noch die RNA beider maternaler Allele enthalten.

Praktisches Vorgehen

Für insgesamt 76 Familien wurde über unser PID-Zentrum ein Antrag an die Bayerische PID-Ethikkommission gestellt. Weitere 41 Familien hatten sich bei uns zur Beratung vor PID vorgestellt, dann aber gegen die Beantragung eines PID-Votums entschieden. Unter Berücksichtigung der individuellen familiären Umstände und Belastung erhielten 7 Familien ein ablehnendes Votum, 63 Anträge auf Durchführung einer monogenen Diagnostik erhielten ein positives Votum, 6 Entscheidungen stehen derzeit aus. Der medizinische Teil der Antragstellung kann für die Paare vollständig vorbereitet werden, in einem Freitext können sie in eigenen Worten ihre persönlichen Beweggründe darlegen.

Da für praktisch alle Fragestellungen auch eine PKD möglich wäre und von uns für schwere Erkrankungen alternativ angeboten wird, entschieden sich diese Paare meistens für eine parallele Testetablierung während das Ethikvotum noch nicht vorlag. Vom Zeitpunkt der Beauftragung bis zur Fertigstellung der Testsysteme benötigten wir im Durchschnitt 78 Tage (min. 11, max. 205 Tage).

Für die Paare entspricht die eigentliche Kinderwunschbehandlung einer üblichen intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), wie sie auch für Paare mit Kinderwunsch ohne PID durchgeführt wird. Nach erfolgter Trophektodermbiopsie werden alle Embryonen vitrifiziert. Die genetische Diagnostik und Befundung kann zeitnah in Ruhe während der normalen Regelarbeitszeit erfolgen, nach der persönlichen Befundbesprechung plant das Paar den ersten Transfer frühestens im nächsten Spontanzyklus. Nachdem schon im ersten Transfer für 55,3 % der Paare eine klinische Schwangerschaft erzielt werden kann, sind derzeit an unserem PID-Zentrum noch mehr als die Hälfte der zum Transfer empfohlenen Embryonen für weitere Transfere kryokonserviert.

Diskussion

Bis zum Jahre 2015 konnte eine Präimplantationsdiagnostik für monogene Erkrankungen in Deutschland ausschließlich als Polkörperdiagnostik (PKD) mittels sequenzieller Biopsie und genetischer Analyse des 1. und 2. Polkörpers durchgeführt werden. Diese ist somit in ihrer Anwendung auf weibliche Überträgerinnen von X‑chromosomalen, autosomal-rezessiv und autosomal-dominant vererbte Erkrankungen beschränkt, was jedoch praktisch eine PID für die meisten angefragten monogenen Indikationen ermöglicht. Neben einer hohen diagnostischen Zuverlässigkeit und einer geringen Anzahl von PKD-Diagnostikzyklen ohne transferierbare Embryonen (bei uns 14,7 %) konnten hiermit akzeptable klinische Schwangerschaftsraten erzielt werden.

Bei der Auswertung der PKD-Daten unseres Zentrums beobachteten wir wie zuvor andere Gruppen [13] selektiv eine geringere Schwangerschaftsrate von nur 16,1 % pro Transfer für die Subgruppe der weiblichen Überträgerinnen für DMPK und die FMR1-Prämutation, während wir für die non-Rx mit 25,3 % Behandlungsergebnisse nahe des Durchschnitts im Deutschen DIR-Register erreichten [3]. Aufgrund unserer besseren vorläufigen Behandlungsergebnisse mit der TED kann u. E. für diese weiblichen Überträgerinnen der myotonen Dystrophie Typ 1 oder einer FMR1-Prämutation eine PKD nicht mehr empfohlen werden, sie sollten bei dem Wunsch nach einer PID auf die TED verwiesen werden. Im Vergleich zu anderen Indikationen (non-Rx) werden sie auch hierfür durchschnittlich etwas mehr Eizellstimulationen und Transfere brauchen, pro Transfer werden jedoch etwa vergleichbare klinische Schwangerschaftsraten erreicht.

Aus labortechnischer Sicht bietet die PKD zusätzlich die Möglichkeit, bei maternaler De-novo-Mutation mit oder ohne bekanntes postzygotisches somatisches Mosaik mit der Analyse der haploiden 2. Polkörper die Allelsegregation von Mutation und gekoppelten Markern zu bestimmen und wird auch in den ESHRE Guidelines hierfür empfohlen [6].

Aus unserer Sicht liegen die Nachteile der PKD ansonsten vor allem im unvermeidlichen Verlust von Eizellen ohne klare Diagnose für den 1. Polkörper und im erheblichen logistischen sowie Zeit‑, Personal- und Materialaufwand mit der in Deutschland entsprechend ESchG notwendigen Diagnosestellung innerhalb von 24 h nach ICSI vor Verschmelzung der Vorkerne. Vor allem aber sprechen unsere vorläufigen Daten wie auch die anderer Gruppen für eine höhere Schwangerschaftsrate nach TED im Vergleich zur PKD.

Nach den Daten des ESHRE PGD Consortium [5] wurden auch international im Jahr 2016 erstmals mehr Trophektodermbiopsien (Tag 5 und 6) als Blastomerbiopsien (Tag 3) durchgeführt, während die PKD praktisch keine Bedeutung hat [1]. Auffällig ist die in 2016 für diese ESHRE-PID-Gesamtkohorte berichtete niedrigere Schwangerschaftsrate pro Transfer für alle Indikationen (PGT‑M, PGT-SR, PGT-A) von insgesamt nur 26 % im Vergleich zu 32 % bei höherem Anteil an Blastomerendiagnostik in 2014 und 2015 [5]. Denkbar erscheint, dass dies bei großer Heterogenität der 58 Zentren zum Teil auf die noch unzureichenden Erfahrungen mit dieser neuen Biopsiemethode zurückgeht inkl. optimalem Biopsiezeitpunkt und Anzahl der entnommenen Zellen, Zeitpunkt und technischen Details der Kryokonservierung sowie des Auftauprozesses und Transfers. Auch wenn Langzeitstudien bisher fehlen, so sprechen doch erste Daten auch gegen einen signifikanten negativen Effekt der TE-Biopsie auf die Entwicklung der geborenen Kinder. So konnten He et al. [7] für 1721 geborene Kinder nach TED keine signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe beobachten.

Überraschend war jedoch für unsere Kohorte die mit TED insgesamt nahezu verdoppelte Schwangerschaftsrate im Vergleich zur PKD bei nur moderat erhöhtem Anteil an TED-Zyklen ohne Transfer (27,7 % TED vs. 14,7 % bei PKD). Einerseits sehen wir aufgrund der Probengröße (3–10 diploide Zellen im Vergleich zu 2 oder nur 1 Chromatide im Polkörper) eine robustere PCR-Amplifikation und einen reduzierten Anteil an Embryonen mit unklarem genetischen Befund. Andererseits erreichen zwar weniger Vorkernstadien das Blastozystenstadium, diese haben dann aber ein besseres Entwicklungspotenzial verglichen mit den am Tag 1 verfügbaren PN-Stadien [1] Zudem erfordert die notwendige Kryokonservierung aller Embryonen nach Biopsie obligat den Transfer in einem darauffolgenden Spontanzyklus. Ohne vorangegangene Hormonstimulation kann dabei mit gutem Timing eine bessere Rezeptivität der Gebärmutterschleimhaut erreicht werden mit höheren Schwangerschaftsraten pro Transfer im Vergleich zu einem Frischtransfer von Blastozysten [2, 10]. Schließlich kann aufgrund dieser guten Ergebnisse der auch international angestrebte Single-embryo-Transfer konsequent umgesetzt werden mit einer Reduktion von Mehrlingen und der hiermit verbundenen Komplikationen für Mutter und Kinder. Stehen nach einem TED-Zyklus mehrere Blastozysten zum Transfer zur Verfügung, können diese nacheinander jeweils einzeln im Spontanzyklus übertragen werden und erhöhen damit die kumulative Schwangerschaftsrate pro TED-Zyklus. An unserem PID-Zentrum hatten bisher nur 14 der 45 TED-Familien (31,1 %) mehr als einen TED-Zyklus.

Bei insgesamt immer noch eher geringer Größe des Datensatzes und aufgrund des kumulativen Charakters der Daten über insgesamt 18 Jahre bei kontinuierlicher Anpassung von Behandlungs‑, Hormonstimulations- und Diagnostikprotokollen zeigen die Ergebnisse eine Tendenz auf, sind aber mit Ausnahme des Anstiegs der Schwangerschaftsrate pro Transfer beim Übergang von PKD zu TED nicht signifikant.

Das Ziel der PID, klinische Schwangerschaften ohne erneutes Auftreten der familiär bekannten genetischen Erkrankung, scheint somit nach unseren vorläufigen Daten durch eine TED insgesamt etwas schonender erreichbar, mit weniger Eizellentnahmezyklen inkl. hormoneller Stimulation, damit auch geringeren Kosten und mehr Einlingsschwangerschaften nach Single-embryo-Transfer im Vergleich zur PKD.

Inzwischen zeichnet sich auch für die PID ein methodischer Wechsel hin zu Verfahren der Hochdurchsatzsequenzierung ab [8, 11]. Dieser wird zukünftig die Segregationsanalyse zur Phasenbestimmung für die Etablierung der familienspezifischen Testsysteme nach genomweiter Anreicherung und gleichzeitig die parallele bioinformatische Auswertung bzgl. Aneuploidien ermöglichen. Die dabei erhobenen Daten und methodischen Herausforderungen sollten ebenfalls im neu gegründeten Arbeitskreis der deutschen PID-Zentren (AK-PID der GfH) systematisch erfasst und ausgetauscht werden, um gemeinsam möglichst zügig eine gute Validierung und hohe Sicherheit der genetischen Diagnostik von Embryonen auch mittels NGS zu erreichen.

Fazit: Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die PID als Trophektodermdiagnostik (TED) aufgrund der signifikant besseren Behandlungsergebnisse gegenüber der PKD die Methode der Wahl ist, sofern ein positives Votum der PID-Ethikkommission eingeholt werden kann.

Wenn Paare aus ethischen oder religiösen Bedenken gegenüber der TED trotzdem eine PKD wünschen, kann diese aber weiter als robuste PID-Alternative erwogen werden, ggf. sind die Nachteile der PKD mit den Ratsuchenden vorab in einem Beratungsgespräch umfassend zu klären. Im Einzelfall kann die PKD im ersten Behandlungszyklus bei Neumutationen sinnvoll sein, um die Haplotypsegregation zu bestimmen. An unserem Zentrum empfehlen wir ansonsten als Reaktion auf die ersten Ergebnisse zur Effizienz der TED seit Sommer 2017 primär eine TED.