1 Die Rolle explorativer Berufswahlhandlungen in Betrieben beim Erwerb eines beruflichen sozialen Status

Der soziale Status eines Berufes ist ein wichtiges Merkmal für den individuellen Statuserwerb (vgl. Hauser et al. 2000). Er ist ein Abbild der geleisteten (Aus‑)Bildungsarbeit und der mit der Erwerbstätigkeit verbundenen Entlohnung einer Person. Der Beruf ist das Bindeglied, welches das erreichte Bildungsniveau einer Person mit einem bestimmten Einkommen verknüpft (vgl. Ganzeboom et al. 1992).

Im individuellen Erwerbsprozess eines beruflichen sozialen Status spielt die erste Berufswahl eine wichtige Rolle. Aus der Forschung ist bekannt, dass der erste Beruf später gewählte Berufe im Hinblick auf den sozialen Status vorbestimmt (vgl. Georg 2009; Wolbers et al. 2011). Der Moment, in welchem Jugendliche das erste Mal konkrete und direkte Erfahrungen in Berufen sammeln, ist daher wegweisend (vgl. Lee und Byun 2019). Bei der ersten Berufswahl stellen explorative Berufswahlhandlungen in Betrieben (nachfolgend: explorative Berufswahlhandlungen) diesen Moment dar. Damit sind Aktivitäten gemeint, die im Prozess der Berufswahl vollzogen werden und zum Ziel haben, Informationen über sich und die Umwelt zu gewinnen, um einen passenden Beruf auszusuchen (vgl. Jordaan 1963). Im deutschsprachigen Raum werden explorative Berufswahlhandlungen in Form von Schnupperlehren und Berufswahlpraktika (nachfolgend mit dem Begriff Praktika zusammengefasst) absolviert. Praktikaberufe sind entsprechend jene Berufe, welche in den Praktika erkundet werden. Diese Praktika werden hauptsächlich im Laufe der Sekundarstufe I absolviert und dauern in der Regel zwischen einem Tag und zwei Wochen. Über das praktische Arbeiten und eigene Erleben können Jugendliche einen bestimmten Beruf oder einen bestimmten Lehrbetrieb näher kennenlernen und einen vertieften Einblick in die Berufswelt erhalten (vgl. SDBB 2018). In der Schweiz wird den Praktika generell ein hoher Stellenwert im Berufswahlprozess zugeschrieben (vgl. SBFI 2018). So sind sie nicht nur auf politischer Ebene breit gestützt (vgl. SBFI 2018), sondern erwiesen sich auch in der Forschung als bedeutsam. Die Jugendlichen gaben in einer Studie von Neuenschwander und Schaffner (2010) an, dass sie ihre absolvierten Praktika als wichtigstes Instrument im Berufswahlprozess betrachten, um zu einer passenden Ausbildungsentscheidung zu gelangen. Entsprechend wird das im ersten Praktikum explorierte Berufsfeld von vielen Jugendlichen später auch in der beruflichen Grundbildung gewählt (vgl. Neuenschwander et al. 2018). Weitere Untersuchungen zeigten, dass Praktika helfen, Unsicherheiten im Berufswahlprozess zu reduzieren und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken (vgl. Beinke 2013). Außerdem suchen die Jugendlichen im Anschluss daran vermehrt die Berufsberatung auf (vgl. Beinke 2013).

Bisherige Studien zum individuellen Erwerbsprozess des sozialen Status von Berufen richteten den Fokus vor allem auf den Status des ersten gewählten Erwerbsberufes nach Abschluss der Ausbildung (vgl. Haller und Portes 2019; Lee und Byun 2019; für den deutschsprachigen Raum: vgl. Becker et al. 2019; Georg 2009; Hupka-Brunner et al. 2015). Literaturrecherchen haben gezeigt, dass es zum sozialen Status von Berufen, die in der beruflichen Grundbildung gelernt oder in explorativen Berufswahlhandlungen ausprobiert werden, kaum Studien gibt (Georg 2009). Mit der Erforschung des sozialen Status der individuell gewählten Praktikaberufe kann eine der frühestmöglichen Zeitpunkte im Erwerbsprozess angegangen werden, in welchen sich die Jugendlichen konkret und in direktem Kontakt mit einem Beruf auseinandersetzen. Dadurch ist es möglich, soziale Reproduktionsprozesse, die sich bei den Erwerbsberufen zeigen (vgl. Hupka-Brunner et al. 2015), bereits in einer frühen Phase aufzudecken. Im Gegensatz zu jenen Berufen, welche die Jugendlichen in der beruflichen Grundbildung ausüben, bietet die Auseinandersetzung mit Praktikaberufen hauptsächlich zwei Vorzüge. Erstens kann die Berufswahl anhand aller Jugendlicher analysiert werden, da sowohl jene mit Übertritt in die berufliche Grundbildung als auch jene mit Übertritt in eine allgemeinbildende Ausbildung Praktika absolvieren. Dadurch lässt sich für sehr viele Jugendliche ein wichtiger berufswahlbezogener Aspekt der Sekundarstufe I erforschen. Zweitens kann davon ausgegangen werden, dass Lehrbetriebe bei der Vergabe von Praktikaplätzen weniger stark vorselektionieren. Für die berufliche Grundbildung zeigten Isenring und Neuenschwander (2018), dass Lehrbetriebe bestimmte Merkmale der Jugendlichen bei der Vergabe von Anstellungen mitberücksichtigen und die Lehrstelle entsprechend vergeben. Für Praktika ist eine solche Vorselektion einerseits aufgrund der kurzen Dauer der Praktika, andererseits aufgrund der relativ geringen finanziellen Kosten, die sich für die Betriebe ergeben, in geringerem Ausmaß anzunehmen. In Praktika erhalten die Jugendlichen somit die Gelegenheit, Erfahrungen in Berufen zu sammeln, welche sie so in der beruflichen Grundbildung womöglich nicht machen könnten.

Mit dem fehlenden Wissen zum sozialen Status individuell gewählter Praktikaberufe gehen verschiedene Desiderata einher. Einerseits stellt sich die Frage, welche Faktoren den sozialen Status der Praktikaberufe vorhersagen. Andererseits ist unklar, wie der soziale Status der absolvierten Praktikaberufe mit dem sozialen Status jenes Berufes zusammenhängt, welcher in der beruflichen Grundbildung gelernt wird (nachfolgend: Ausbildungsberuf). In dieser Studie soll diesen zwei Fragestellungen nachgegangen werden.

Mit dieser Studie soll ein Beitrag zur Erklärung des individuellen Erwerbsprozesses eines beruflichen Status in der ersten Berufswahl geleistet werden. Das als theoretische Grundlage dienende Wisconsin-Modell (vgl. Haller und Portes 1973; Sewell et al. 1969, 1970), ursprünglich für den US-amerikanischen Kontext entwickelt, soll im Hinblick auf dessen Anwendbarkeit auf das Schweizer Bildungssystem mit seiner charakteristisch frühen Berufswahl geprüft werden. Das Modell wurde zur Erklärung des sozialen Status des gewählten Erstberufes konzipiert (early occupational status attainment) und eignet sich daher besonders gut für das geplante Vorhaben. Die originale Konzipierung hat sich in zahlreichen Untersuchungen für die Erforschung der Wahl des beruflichen sozialen Status bewährt (Übersicht in Sewell et al. 2003), weshalb sie für die hier vorliegende Analyse der Praktikaberufe verwendet wird. In dieser Studie sollen außerdem Ansatzmöglichkeiten für die Praxis aufgezeigt werden, damit der individuelle Erwerb eines beruflichen sozialen Status jenem meritokratischen Prinzip gerecht wird, welches in Bildungssystemen angestrebt wird (z. B. Künzli und Maag Merki 2010).

2 Praktika und Schnupperlehren im Schweizer Bildungssystem

Das Bildungssystem in den vier Schweizer Kantonen, in welchen die Studie durchgeführt wurde, charakterisiert sich durch eine nach Leistungsanforderungen des Schulunterrichts unterteilte Sekundarstufe I, welche auf eine Primarstufe ohne Differenzierung nach Schulniveau folgt. Zum Zeitpunkt des Studienbeginns erfolgte der Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe I je nach Kanton nach fünf bzw. sechs Jahren Primarschulzeit. Die Zuteilung in die verschiedenen Schulniveaus der Sekundarstufe I erfolgt in den ausgewählten Kantonen auf Basis der Schulnoten der Jugendlichen und der überfachlichen Kompetenzen, welche durch die Lehrpersonen eingeschätzt werden (vgl. Neuenschwander 2013). Im Kanton Basel-Landschaft sind zudem Leistungstests in Deutsch und Mathematik Teil des Übertrittsverfahrens. In der Sekundarstufe I befinden sich die Jugendlichen im Prozess der ersten Berufswahl. Kantonale Richtlinien sehen vor, dass Jugendliche aller Schulniveaus Praktika absolvieren (vgl. Neuenschwander und Schaffner 2010). Sie müssen sich in der Regel auf ein Praktikum bewerben, wobei die Zahl der angebotenen Praktikaplätze zwischen den Berufen stark variiert. Die Beurteilung der Leistungen im Praktikum wird häufig in die Entscheidung der Ausbildungsplatzvergabe miteinbezogen.

3 Der berufliche Statuserwerbsprozess im Wisconsin-Modell

Das Wisconsin-Modell beschreibt den Einfluss der sozio-strukturellen (sozioökonomischer Status der Eltern) und kognitiven Voraussetzungen (kognitive Fähigkeiten, z. B. gemessen über die Intelligenz) einer Person auf den individuellen Erwerb eines schulischen (z. B. erreichtes Bildungsniveau) und beruflichen sozialen Status (z. B. sozialer Status von Praktikaberufen) über verhaltenssteuernde Variablen (vgl. Sewell et al. 1970). Verhaltenssteuernde Variablen sind kognitive und motivationale Orientierungsquellen, die sich entweder unterstützend oder hindernd auf den individuellen Statuserwerbsprozess auswirken (vgl. Haller und Portes 1973; Sewell et al. 1969). Die über Schulnoten vermittelten schulischen Leistungen bzw. Leistungsbewertungen durch die Lehrpersonen (nachfolgend: schulische Leistungen), der Einfluss primärer Bezugspersonen u. a. über ihre Bildungserwartungen und die beruflichen Aspirationen der Jugendlichen repräsentieren die zentralen verhaltenssteuernden Variablen des Wisconsin-Modells. In Abb. 1 ist das konzeptionelle Modell dieser Studie dargestellt. Ausgehend von diesem Modell wurden einerseits die direkten Einflüsse des Bildungsniveaus und der beruflichen Aspirationen auf den sozialen Status individuell gewählter Praktikaberufe geprüft. Andererseits wurden die indirekten Einflüsse der sozio-strukturellen und kognitiven Voraussetzungen der Jugendlichen (sozioökonomischer Status der Eltern, kognitive Fähigkeiten) auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe getestet.

Abb. 1
figure 1

Das adaptierte Wisconsin-Modell zur Vorhersage des sozialen Status der individuell gewählten Praktikaberufe

3.1 Das erreichte Bildungsniveau und der soziale Status von Praktikaberufen

Das erreichte Bildungsniveau – im Kontext der ersten Berufswahl das besuchte Schulniveau auf Sekundarstufe I – ist für die individuelle Wahl des sozialen Status der Praktikaberufe prädiktiv, denn es grenzt die Höhe des sozialen Status in den wählbaren Berufen wesentlich ein (vgl. Haller und Portes 1973). Bei der Wahl der Praktika stellen gewisse Betriebe formale Anforderungen und verlangen ein bestimmtes Bildungsniveau, das die Jugendlichen erreichen müssen, um sich überhaupt auf eine Stelle bewerben zu können (vgl. Isenring und Neuenschwander 2018). Für den sozialen Status individuell gewählter Erwerbsberufe zeigten zahlreiche internationale Studien eine Abhängigkeit vom Bildungsniveau: Je höher das Bildungsniveau war, desto höher fiel der im Beruf erreichte soziale Status einer Person aus (vgl. Brzinsky-Fay und Solga 2016; Haller und Portes 2019; Schoon und Parsons 2002). Während Ganzeboom (2005) für die Schweiz eine hohe Korrelation zwischen dem erreichten Bildungsniveau und dem sozialen Status des gewählten Erwerbsberufes berichtete, zeigten Studien von Becker et al. (2019) und Georg (2009) für Deutschland, dass die Höhe des erreichten Ausbildungsabschlusses positiv mit dem beruflichen Status des ersten Erwerbsberufes zusammenhängt.

In Anlehnung an diese Befunde wurde für den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe eine ähnliche Beziehung zum erreichten Bildungsniveau vermutet. Mit Blick auf das konzeptionelle Modell wurde folgende Hypothese überprüft:

Hypothese 1

Je höher das Schulniveau ist, in welchem sich die Jugendlichen befinden, desto höher ist der soziale Status in den absolvierten Praktikaberufen.

3.2 Berufliche Aspirationen und der soziale Status von Praktikaberufen

Berufliche Aspirationen zeigen sich zum Beispiel im sozialen Status der Wunschberufe einer Person. Sie stellen eine realistische Einschätzung der eigenen beruflichen Möglichkeiten dar und beinhalten die Eingrenzung beruflicher Pläne, um das Erreichen des angestrebten beruflichen Status möglichst wahrscheinlich zu halten (Haller und Portes 1973). Die prädiktive Rolle beruflicher Aspirationen für den individuellen Erwerb eines beruflichen sozialen Status ist in der Forschung gut belegt. In einer Studie mit jungen Erwachsenen zeigten Lee und Byun (2019), dass die beruflichen Aspirationen einen signifikant positiven Einfluss auf den sozialen Status im gewählten Erwerbsberuf haben. Bei Schoon (2001) hing der mit 33 Jahren erreichte berufliche Status einer Person signifikant von den beruflichen Aspirationen ab, die im 16. Lebensalter gehegt wurden. Am Beispiel der Schweiz zeigten Basler und Kriesi (2019) den Einfluss der beruflichen Aspirationen auf den individuellen Erwerb eines beruflichen sozialen Status für den deutschsprachigen Raum auf.

Auf Basis des konzeptionellen Modells und in Anlehnung an die empirischen Befunde zum sozialen Status der gewählten Erwerbsberufe wurde im Hinblick auf den sozialen Status der absolvierten Praktikaberufe folgende Hypothese überprüft:

Hypothese 2

Der in Wunschberufen gehegte soziale Status von Jugendlichen hat einen positiven Einfluss auf den sozialen Status der später absolvierten Praktikaberufe.

3.3 Sozio-strukturelle und kognitive Voraussetzungen des sozialen Status gewählter Praktikaberufe und der mediierende Einfluss verhaltenssteuernder Variablen

3.3.1 Der indirekte Einfluss des sozioökonomischen Status der Eltern auf den sozialen Status von Praktikaberufen

Jugendliche aus Familien mit einem hohen sozioökonomischen Status interagieren mit ihren Eltern oder anderen primären Bezugspersonen, welche von den Jugendlichen Verhaltensweisen erwarten bzw. Verhaltensweisen vorzeigen, die einen hohen sozioökonomischen Status signalisieren (vgl. Sewell et al. 1969, 1970). Diese erwarteten, den sozioökonomischen Status inkorporierenden Verhaltensweisen spiegeln sich im schulischen Kontext in den Bildungserwartungen der Bezugspersonen wider: Die Jugendlichen sollen in der Schule Verhaltensweisen und Einstellungen entwickeln, welche ihrem sozioökonomischen Status entsprechen (vgl. Sewell et al. 1969, 1970). Der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und den Bildungserwartungen primärer Bezugspersonen gegenüber den Jugendlichen ist empirisch gut belegt. Die Bildungserwartungen der Eltern an ihre Kinder fallen umso höher aus, je höher der sozioökonomische Status der Familie ist (vgl. Ashby und Schoon 2010; Haller und Portes 2019; Hemmerechts et al. 2020; Schoon und Parsons 2002).

Neben der Repräsentation des elterlichen sozioökonomischen Status in ihren Verhaltensweisen und Einstellungen wird von den Jugendlichen auch erwartet, dass sie sich ihren kognitiven Fähigkeiten entsprechend verhalten. Eltern und andere primäre Bezugspersonen gründen diese Erwartungen hauptsächlich auf den kommunizierten Schulnoten und weniger auf ihrer Abschätzung der abstrakten kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen (vgl. Sewell et al. 1970). Der Einfluss der Schulnoten auf die Bildungserwartungen von primären Bezugspersonen wurde in vergangenen Studien mehrfach bestätigt. In einer Meta-Analyse zeigten Pinquart und Ebeling (2020), dass schulische Leistungen zu einem früheren Zeitpunkt die elterlichen Bildungserwartungen zu einem späteren Zeitpunkt positiv beeinflussen (k = 61, r = 0,28).

Gemäß dem Wisconsin-Modell werden die Erwartungen der Eltern und anderer primärer Bezugspersonen interpersonell einerseits über die direkte Kommunikation und andererseits über die Vorbildwirkung den Jugendlichen vermittelt (vgl. Sewell et al. 1969). Die Jugendlichen reflektieren diese Erwartungen und entwickeln zum einen entsprechende berufliche Aspirationen und versuchen zum anderen, den Bildungserwartungen über das Erreichen eines entsprechenden Bildungsniveaus gerecht zu werden. Über ihre Unterstützung beeinflussen die Bezugspersonen diese Umsetzungen durch die Jugendlichen, wobei das Ausmaß an Unterstützung den Bildungserwartungen angepasst ist (vgl. Haller und Portes 1973). Mehrere Studien stützen die Beziehungen zwischen Bildungserwartungen und beruflichen Aspirationen und zwischen Bildungserwartungen und erreichtem Bildungsniveau. So haben die elterlichen Bildungserwartungen einen positiven Einfluss auf die beruflichen Aspirationen: Jugendliche von Eltern mit hohen Bildungserwartungen haben mit größerer Wahrscheinlichkeit berufliche Aspirationen, einen eher prestigeträchtigen white-collar Beruf zu wählen, als Jugendliche von Eltern mit tiefen Bildungserwartungen (vgl. Jodl et al. 2001). Außerdem erreichen Jugendliche von Eltern mit hohen Bildungserwartungen eher ein hohes Bildungsniveau als Jugendliche von Eltern mit tiefen Bildungserwartungen (vgl. Ashby und Schoon 2010; Schoon und Parsons 2002). Die Jugendlichen versuchen, ihre beruflichen Aspirationen in einem Beruf mit entsprechendem sozialen Status umzusetzen. Je nach Bildungsniveau sind sie dabei in der Höhe des wählbaren sozialen Status des Berufes eingeschränkt (vgl. Sewell et al. 1970).

Der indirekte Effekt des über die Eltern bzw. Bezugspersonen vermittelten sozioökonomischen Status auf den in einem Beruf erreichten sozialen Status hat sich in verschiedenen Studien gezeigt (vgl. Lee und Byun 2019; Schoon und Parsons 2002). In der Studie von Lee und Byun (2019) hatte der sozioökonomische Status der Eltern einen indirekten Einfluss auf den erreichten sozialen Status des Erwerbsberufes junger Erwachsener über das Bildungsniveau und die beruflichen Aspirationen.

Ausgehend von den theoretischen Grundlagen und an die empirischen Ergebnisse angelehnt wurden folgende Hypothesen überprüft:

Hypothese 3

Der sozioökonomische Status der Eltern hat einen positiven totalen indirekten EffektFootnote 1 auf den von Jugendlichen erreichten sozialen Status der Praktikaberufe über die schulischen Leistungen (Schulnoten), die elterlichen Bildungserwartungen, die beruflichen Aspirationen und das Bildungsniveau (Hypothese 3a). Der sozioökonomische Status der Eltern hat einen positiven totalen EffektFootnote 2 auf den von Jugendlichen erreichten sozialen Status der Praktikaberufe (Hypothese 3b).

3.3.2 Der indirekte Einfluss kognitiver Fähigkeiten auf den sozialen Status von Praktikaberufen

Gemäß dem Wisconsin-Modell werden kognitive Fähigkeiten in schulischen Leistungen über Schulnoten sichtbar (vgl. Sewell et al. 1970). Zahlreiche Studien belegen diesen Zusammenhang: In einer Meta-Analyse mit 240 Studien zeigte sich eine hohe Korrelation (vgl. Roth et al. 2015). Schulnoten basieren jedoch nicht nur auf kognitiven Fähigkeiten, sondern auch auf dem über die Eltern vermittelten sozioökonomischen Status der Jugendlichen. Das Wisconsin-Modell postuliert, dass Lehrpersonen bei der Einschätzung schulischer Leistungen mittels Schulnoten auch den elterlichen sozioökonomischen Status der Jugendlichen berücksichtigen, um den Erwartungen renommierter Eltern gerecht zu werden (vgl. Sewell et al. 1969). Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2005 ergab eine mittlere bis starke Beziehung zwischen dem sozioökonomischen Status und den schulischen Leistungen (vgl. Sirin 2005). Gemäß dem Wisconsin-Modell enthalten die Schulnoten ein direktes Feedback zu den kognitiven Fähigkeiten, welches die Jugendlichen verwenden, um ihre Bildungschancen und die Höhe des in einem Beruf realisierbaren sozialen Status abzuwägen (vgl. Haller und Portes 1973). Sie nutzen den leistungsrelativierenden Aspekt der Schulnoten, transferieren ihn in den beruflichen Kontext und schätzen ein, inwiefern sie sich auch im nichtschulischen Bereich gegen Gleichaltrige behaupten können (vgl. Sewell et al. 1970). Die Schulnoten und das damit zusammenhängende Selbstbild der eigenen Fähigkeiten bewirken die Entwicklung individueller beruflicher Aspirationen und deren Umsetzung in einem Beruf mit einem entsprechenden sozialen Status (vgl. Sewell et al. 1970). Das Bildungsniveau kann sich dabei einschränkend auf diese Umsetzung auswirken. Verschiedene Studien zeigten: Je höher die schulischen Leistungen sind, desto höher fallen die beruflichen Aspirationen aus (vgl. Basler und Kriesi 2019; Lee und Byun 2019). Auch zwischen den schulischen Leistungen und dem erreichten Bildungsniveau resultierte in bereits durchgeführten Analysen ein positiver Zusammenhang (vgl. Lee und Byun 2019; Mello 2008).

Der indirekte Effekt kognitiver Fähigkeiten auf den in einem Beruf erreichten sozialen Status einer Person verdeutlichte sich in einer Untersuchung von Thienpont und Verleye (2003), in welcher die kognitiven Fähigkeiten hauptsächlich über das erreichte Bildungsniveau einen indirekten Einfluss auf den individuell erworbenen beruflichen Status hatten.

Auf der Grundlage des Wisconsin-Modells und der Ergebnisse früherer Studien wurden zur Vorhersage des sozialen Status der gewählten Praktikaberufe folgende Hypothesen untersucht:

Hypothese 4

Die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen haben einen positiven totalen indirekten Effekt auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe über die schulischen Leistungen (Schulnoten), die elterlichen Bildungserwartungen, die beruflichen Aspirationen und das Bildungsniveau (Hypothese 4a). Die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen haben einen totalen Effekt auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe (Hypothese 4b).

3.4 Der Zusammenhang zwischen dem sozialen Status der Praktikaberufe und dem sozialen Status der Ausbildungsberufe

Das Wisconsin-Modell illustriert die Absicht, den von einer Person erreichten sozialen Status im Erstberuf vorherzusagen, macht jedoch keine Aussagen bezüglich des sozialen Status darauffolgend gewählter Berufe. Hinweise diesbezüglich liefert das Modell von Blau und Duncan (1967), welches die Entwicklung des Wisconsin-Modells mitbeeinflusst hatte. Der Ansatz überprüfte den Zusammenhang zwischen dem sozialen Status des gewählten Erstberufes und dem sozialen Status später ergriffener Berufe. Diese Beziehung erwies sich als positiv und signifikant (Blau und Duncan 1967). In der Studie von Wolbers et al. (2011) hatte der soziale Status des ersten Erwerbsberufes einer Person einen signifikant positiven Einfluss auf den sozialen Status des zehn bzw. zwanzig Jahre später ergriffenen Berufes. Diese Befunde werden damit erklärt, dass der individuelle Erwerb eines beruflichen sozialen Status ein sich selbstverstärkender Prozess darstellt (vgl. Wolbers et al. 2011).

4 Methode

4.1 Stichprobe und Erhebungsmethodik

Um die Hypothesen zu überprüfen, wurden Daten der Längsschnittstudie „Wirkungen der Selektion WiSel“ verwendet (vgl. Neuenschwander et al. 2016). An der Studie nahmen Jugendliche aus vier Deutschschweizer Kantonen teil. Für diese Auswertung wurden die Daten von drei Erhebungswellen, die 2011, 2013 und 2016 stattfanden, verwendet. Die erste dieser drei Wellen war auch die erste Erhebung des WiSel-Projekts. Damals wurden zufällig öffentliche Schulen der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Bern und Luzern zur Teilnahme am Projekt angefragt. Jene Jugendlichen, die teilnahmen, wurden für die weiteren Erhebungen jeweils erneut angeschrieben. Wenn Jugendliche in neue Klassen der Sekundarstufe I wechselten, wurden jeweils alle Jugendlichen dieser neuen Klassen zur Teilnahme an der Studie angefragt.

In der ersten der drei Wellen (t1) waren die Jugendlichen im fünften Schuljahr (vor Übertritt in Sekundarstufe I), in der zweiten (t2) im siebten Schuljahr (nach Übertritt in Sekundarstufe I) und in der dritten (t3) im neunten Schuljahr (letztes Schuljahr vor Übertritt in Sekundarstufe II). In der ersten Welle wurden 1802 Jugendliche zur Teilnahme an der Studie angefragt; 1735 Jugendliche füllten den Fragebogen aus (Rücklaufquote: 96 %). Von dieser Gruppe füllten 602 Jugendliche auch an der zweiten Erhebung den Fragebogen aus (Rücklaufquote: 35 %). Insgesamt nahmen 1515 Jugendliche an der zweiten Erhebung teil, wovon 698 auch den Fragebogen der dritten Welle ausfüllten (Rücklaufquote: 46 %; total Welle 3: 2376 Jugendliche). 287 Jugendliche partizipierten an allen drei Erhebungen, wovon 232 einen gültigen Wert im sozialen Status der gewählten Praktikaberufe hatten. Diese 232 Jugendlichen bilden die Stichprobe dieser Studie (MAlter t1 = 11,1 Jahre, SDAlter t1 = 0,5; Anteil weiblich: 52 %).

Die verwendeten Variablen stammen aus standardisierten Fragebogen, welche die Jugendlichen sowie deren Bezugs- und Lehrpersonen ausgefüllt hatten und aus einem standardisierten Intelligenztest, der auf drei Untertests des Culture-Fair-Test-20 in revidierter Fassung (CFT-20 R) basiert und von den Jugendlichen absolviert wurde. Allfällige Selektionseffekte bei der Stichprobenwahl wurden für alle verwendeten Variablen mittels t-Tests in SPSS 25.0 (vgl. IBM 2017) überprüft. Im Vergleich zwischen dem verwendeten Sample und den Jugendlichen, die nur an einer oder zwei Erhebungen teilnahmen oder in der Variable sozialer Status der Praktikaberufe einen ungültigen Wert hatten, zeigten sich keine Selektionseffekte oder nur geringe oder mittlere Effektstärken. Signifikante Unterschiede ergaben sich für folgende Variablen: Intelligenz, t(332,60) = −4,09, p < 0,001, |d| = 0,45, Gesamtnote 4. Schuljahr, t(359,11) = −2,49, p = 0,013, |d| = 0,26, sozialer Status der Wunschberufe t(1187) = 3,16, p < 0,01, |d| = 0,18 und Schulniveau tief, χ2(1,1492) = 14,07, p < 0,001, V = 0,10, p < 0,001. Aufgrund der gemessenen Effektstärken sind die Selektionseffekte vernachlässigbar.

4.2 Variablen

Die in dieser Studie verwendeten Variablen werden im Folgenden beschrieben. Jene Berufe, bei welchen der soziale Status des Berufes verwendet wurde, wurden zuerst in Berufsgattungen gemäß der International Standard Classification of Occupations zusammengefasst (ISCO-08; vgl. ILO 2012) und anschließend entsprechend dem International Socio-economic Index of Occupational Status (ISEI) umkodiert (ISEI-08; vgl. Ganzeboom und Treiman 2010).

4.2.1 HISEI Elternberufe

Der über die Eltern vermittelte sozioökonomische Status der Jugendlichen wurde über den höchsten sozialen Status der Elternberufe in der Variable HISEI Elternberufe t1 abgebildet. Als die Jugendlichen im fünften Schuljahr waren, wurden die beiden den Jugendlichen nächsten erwachsenen Bezugspersonen (in den meisten Fällen die Eltern der Jugendlichen) gebeten, ihre Berufe in einem standardisierten Fragebogen anzugeben. Im Falle einer momentanen Erwerbslosigkeit war der zuletzt ausgeübte Beruf zu nennen. Pro Bezugsperson wurden maximal zwei Berufe berücksichtigt. Die vier möglichen Berufe wurden ISEI-08 kodiert. Der höchste Wert (Highest International Socio-economic Index of Occupational Status; HISEI) in den genannten Berufen wurde für die Auswertung verwendet. Falls entsprechende Angaben der Bezugspersonen ungültig waren oder fehlten, wurde die Variable mit den Informationen aus dem standardisierten Fragebogen der Jugendlichen ergänzt. Die Frage darin lautete: „Welchen Beruf üben deine Eltern im Moment aus?“. Pro Elternteil konnten die Jugendlichen maximal zwei Berufe nennen (N = 231, fehlende Werte <1 %, M = 56,9, SD = 20,7, Min = 14,6, Max = 88,7).

4.2.2 Intelligenz

Die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen wurden über die Variable Intelligenz t1 erfasst. Die Jugendlichen absolvierten im fünften Schuljahr die standardisierte Intelligenztest Skala 2, die auf drei Untertests des Culture-Fair-Test 20 in der revidierten Fassung (CFT 20-R) basiert (vgl. Weiss 2006). Für diese Studie wurde der Gesamtscore aus den einzelnen Tests verwendet (N = 232, fehlende Werte = 0 %, M = 103,4, SD = 13,2, Min = 68,1, Max = 133,8).

4.2.3 Gesamtnote 4. Schuljahr

Die schulischen Leistungen der Jugendlichen wurden über die Variable Gesamtnote 4. Schuljahr t1 erhoben. Die Jugendlichen wurden im fünften Schuljahr gebeten, die Zeugnisnoten der im 4. Schuljahr besuchten Fächer anzugeben. Gefragt wurde nach den Noten in den Sprachen (Deutsch, Französisch, Englisch), in Mathematik und im Sachunterricht (Realien, Natur-Mensch-Mitwelt, Mensch und Umwelt, Geschichte, Geografie/Naturlehre). Die Antwortmöglichkeiten reichten von 1 (tiefer als Note 3) bis 8 (Note 6) mit Abstufungen in Halbnotenschritten und „keine Note“ als mögliche Option. Im Schweizer Bildungssystem erstreckt sich das Notenspektrum von der Note 1 (schlechteste Note) bis zur Note 6 (beste Note). Noten unter 4 stehen für ungenügende Leistungen. Für diese Auswertung wurde aus den Fächern zum Sachunterricht eine Durchschnittsnote berechnet. Diese Durchschnittsnote wurde mit den Schulnoten in Deutsch und Mathematik zu einem Mittelwert zusammengerechnet, welcher die Gesamtnote für das 4. Schuljahr repräsentiert (N = 229, fehlende Werte = 1 %, M = 5,1, SD = 0,4, Min = 3,8, Max = 6,0).

4.2.4 Bildungserwartungen Eltern

Der Einfluss primärer Bezugspersonen auf den Erwerb eines beruflichen sozialen Status der Jugendlichen wurde über die Variable Bildungserwartungen Eltern t1 gemessen. Als die Jugendlichen im fünften Schuljahr waren, beantworteten die Eltern und andere primäre Bezugspersonen der Jugendlichen folgende Frage: „Welchen höchsten Ausbildungsabschluss wird Ihr Kind erreichen? Was erwarten Sie?“. Als Antwortoption standen die verschiedenen möglichen Ausbildungsabschlüsse im Schweizer Bildungssystem zur Auswahl, welche von einem Abschluss der obligatorischen Schule bis zu einem Abschluss auf Tertiärstufe reichten. Um die Variable in die Pfadmodelle mitaufnehmen zu können, wurden die Antworten zu einer dichotomen Variablen mit den Ausprägungen 0 = Abschluss auf Sekundarstufe I/II (Anteil in der Stichprobe: 66 %) und 1 = Abschluss auf Tertiärniveau (34 %) zusammengefasst. Die Variable wurde von 220 Eltern oder anderen primären Bezugspersonen ausgefüllt (fehlende Werte = 5 %).

4.2.5 ISEI Wunschberufe

Die beruflichen Aspirationen der Jugendlichen wurden über den sozialen Status der gehegten Wunschberufe erhoben und in der Variable ISEI Wunschberufe t2 abgebildet. Im siebten Schuljahr konnten die Jugendlichen zur Frage „In welchem Beruf möchtest du später arbeiten?“ maximal zwei Berufe angeben. Die genannten Berufe wurden nach ISEI-08 kodiert und zu einem Medianwert zusammengefasst (N = 186, fehlende Werte = 20 %, M = 52,6, SD = 20,7, Min = 16,5, Max = 88,7).

4.2.6 Schulniveau tief und Schulniveau hoch

Das erreichte Bildungsniveau der Jugendlichen wurde über das im siebten Schuljahr besuchte Schulniveau operationalisiert. In der Schweiz ist die Sekundarstufe I gemäß den Leistungsanforderungen des Unterrichts in unterschiedliche Schulniveaus gegliedert. Zur Frage „In welchem Schulniveau bist du jetzt?“ hatten die Jugendlichen die in ihrem Kanton möglichen Schulniveaus auf Sekundarstufe I als Antwortmöglichkeit. Um das erreichte Bildungsniveau der Jugendlichen in die Pfadmodelle aufzunehmen, wurden zwei Dummy-Variablen gebildet mit dem mittleren Schulniveau als Referenzkategorie: Schulniveau tief t2 mit den Ausprägungen 0 = mittleres/hohes Niveau (Anteil in Stichprobe: 90 %) und 1 = tiefes Niveau (10 %) sowie Schulniveau hoch t2 mit den Ausprägungen 0 = tiefes/mittleres Niveau (67 %) und 1 = hohes Niveau (33 %). Insgesamt hatten 230 Jugendliche eine Angabe zum besuchten Schulniveau gemacht (fehlende Werte = 1 %).

4.2.7 ISEI Praktikaberufe

Der erreichte berufliche soziale Status der Jugendlichen wurde über den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe als Variable ISEI Praktikaberufe t3 operationalisiert. Im neunten Schuljahr gaben die Jugendlichen jene Berufe an, welche sie in Schnupperlehren und Praktika ausprobiert hatten und für ihre Berufswahl als am relevantesten einschätzten. Es wurden maximal acht Schnupper- bzw. Praktikaberufe berücksichtigt. Die Berufe wurden ISEI-08 kodiert und zu einem Medianwert zusammengefasst (N = 232, fehlende Werte = 0 %, M = 41,6, SD = 15,7, Min = 16,5, Max = 81,9).

4.2.8 ISEI Ausbildungsberuf

Der erreichte berufliche soziale Status der Jugendlichen wurde zusätzlich zu den Praktikaberufen auch über die Ausbildungsberufe operationalisiert und als Variable ISEI Ausbildungsberuf t3 abgebildet. Die Wahl des Ausbildungsberufes erfolgte nach dem Absolvieren der Praktika. Der Ausbildungsberuf ist den Praktikaberufen daher zeitlich nachgestellt. Als die Jugendlichen im neunten Schuljahr waren, gaben ihre Klassenlehrpersonen jenen Beruf an, welchen die Jugendlichen nach der obligatorischen Schulzeit in der beruflichen Grundbildung erlernten. Fehlte diese Information, wurde die Angabe der Jugendlichen verwendet. Der Ausbildungsberuf wurde ISEI-08 kodiert (N = 136, fehlende Werte = 4 % aller Jugendlichen der Stichprobe, welche eine berufliche Grundbildung absolvierten, M = 40,1, SD = 15,4, Min = 17,8, Max = 81,1).

4.3 Auswertungsmethodik

Zur Überprüfung der Hypothesen wurden zwei Pfadmodelle (Modell Schulniveau Tief und Modell Schulniveau Hoch) in Mplus 8.2 berechnet (vgl. Muthén und Muthén 1998–2017). Die Schätzung von zwei Pfadmodellen ist methodisch begründet und erfolgte aufgrund der Operationalisierung des Bildungsniveaus über zwei Variablen mit derselben Referenzkategorie (mittleres Schulniveau). Dieses Vorgehen reduziert die Auftretenswahrscheinlichkeit von Multikollinearitätsproblemen, die sich bei der Operationalisierung von Konstrukten über mehrere Variablen mit derselben Referenzkategorie ergeben können. Vor der Schätzung der Pfadmodelle wurden die bivariaten Korrelationen in SPSS 25.0 berechnet. Außerdem wurde überprüft, ob die Voraussetzungen für die Schätzung von Pfadmodellen erfüllt waren. Die Daten wurden getestet auf univariate Normalität, Abhängigkeit fehlender Werte, Linearität zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen, Heteroskedastizität, Multikollinearität und multivariate Ausreißer (über den Mahalanobis-Distanz-Test). In den Pfadmodellen wurden die Pfade gemäß den formulierten Hypothesen definiert. Zwischen dem über die Eltern vermittelten sozioökonomischen Status der Jugendlichen und ihrer Intelligenz wurde eine Korrelation zugelassen. Der Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau (Schulniveau tief bzw. hoch) und dem sozialen Status der gehegten Wunschberufe der Jugendlichen wurde aufgrund der Operationalisierung des Bildungsniveaus (zwei Variablen mit derselben Referenzkategorie) und des unklaren Forschungsstands bezüglich dieses spezifischen Zusammenhangs auf Basis der empirischen Befunde aus den bivariaten Korrelationsanalysen spezifiziert: Falls die bivariate Korrelation signifikant war, wurde die Korrelation im Pfadmodell zugelassen; andernfalls wurde sie auf null fixiert. Um die Stichprobe nicht auf jene Jugendlichen einzuschränken, die nach der obligatorischen Schulzeit eine berufliche Grundbildung wählten, wurde die Variable zum sozialen Status der Ausbildungsberufe nicht in die Pfadmodelle mitaufgenommen. Alle metrischen Variablen wurden aufgrund der großen Unterschiede in den Wertebereichen zwischen den Variablen z‑standardisiert in die Pfadmodelle miteinbezogen. In den Pfadmodellen wurde der weighted least square mean and variance adjusted-Schätzer (WLSMV-Schätzer) verwendet. Zur Kontrolle der Bezugsgruppeneffekte in den schulischen Leistungen (Gesamtnote 4. Schuljahr) wurden die Modelle nach Schulklassen geclustert berechnet (Einbezug der Klassenstruktur im fünften Schuljahr). Dazu wurde die Theta Parameterization in Mplus verwendet. Für den Umgang mit den fehlenden Werten wurde die bei Verwendung des WLSMV-Schätzers standardmäßig zum Einsatz kommende pairwise present-Methode in Mplus genutzt. Für die Bewertung der Modell-Angemessenheit kamen folgende Anpassungsmasse zum Zug: χ2-Statistik, comparative fit index (CFI), root mean square error of approximation (RMSEA) und standardized root mean square residual (SRMR). Die Beurteilung einer akzeptablen Modellpassung basierte auf folgenden Kriterien: CFI ≥ 0,95, RMSEA < 0,08 und SRMR ≤ 0,08 (vgl. Schreiber et al. 2006). In den Pfadmodellen wurden allfällige Modifikationen in den Parameterspezifikationen schrittweise bis zur Erreichung einer akzeptablen Modellpassung vorgenommen. Die Ergebnisse der Pfadmodelle wurden aufgrund der gerichteten Hypothesen auf Basis eines einseitigen Signifikanzniveaus ausgegeben.

5 Ergebnisse

5.1 Zusammenhang zwischen dem sozialen Status der Praktikaberufe und dem sozialen Status des Ausbildungsberufes

Tab. 1 zeigt die bivariaten Korrelationen zwischen den Variablen dieser Studie. Mit Ausnahme der Variable Schulniveau hoch (r = 0,13) korreliert der soziale Status der gewählten Praktikaberufe signifikant mit allen Variablen aus den Pfadmodellen (−0,24 < r < 0,40). Der soziale Status des von den Jugendlichen gewählten Ausbildungsberufes hängt signifikant positiv mit dem sozialen Status der gewählten Praktikaberufe zusammen, r(134) = 0,83, p < 0,001. Der soziale Status der Praktikaberufe hat gemäß Cohen (1988) einen starken Effekt auf den sozialen Status des Ausbildungsberufes.

Tab. 1 Bivariate Korrelationsmatrix

5.2 Voraussetzungsprüfung für die Schätzung der Pfadmodelle

Im Hinblick auf die univariate Normalität haben alle Variablen Schiefe- bzw. Wölbungswerte unter 3 bzw. 7 und sind damit univariat normalverteilt (vgl. Kline 2011). Bei den beiden Variablen mit mehr als fünf Prozent Missings (Bildungserwartungen Eltern t1 und ISEI Wunschberufe t2) wurde überprüft, ob die fehlenden Werte von den anderen Variablen der Pfadmodelle abhängen. Die fehlenden Werte in der Variable Bildungserwartungen Eltern t1 sind von der Variable Schulniveau hoch t2 abhängig, χ2(1, 230) = 6,13, p = 0,013, V = 0,16, p = 0,013 (alle fehlenden Angaben in der Variable stammen von Jugendlichen in einem tiefen oder mittleren Niveau). Die fehlenden Werte in der Variable ISEI Wunschberufe t2 sind von den Variablen HISEI Eltern t1 und Bildungserwartungen Eltern t1 abhängig, t(229) = −2,49, p = 0,013, |d| = 0,33 bzw. χ2(1,220) = 9,32, p < 0,01, V = 0,21, p < 0,01 (Jugendliche mit hohem elterlichem sozioökonomischem Status und von Eltern mit hohen Bildungserwartungen haben signifikant häufiger keine Angabe bei der Variable). Aufgrund der geringen Effektstärken sind die Abhängigkeiten der fehlenden Werte vernachlässigbar. Die Linearitätstests in den durchgeführten ANOVAS (vgl. Baltes-Götz 2019) zeigten für die metrischen Variablen keine Abweichung von der Linearität. Auf einem strengen Signifikanzniveau von p < 0,001 ergaben die modifizierten Breusch-Pagan-Tests keine Verletzung der Homoskedastizitätsannahme für die metrischen Variablen (vgl. Tabachnick und Fidell 2013). In den linearen Regressionsanalysen mit jeweils einer endogenen Variable der Pfadmodelle als abhängige Variable zeigten sich keine Multikollinearitätsprobleme zwischen den entsprechend einbezogenen exogenen Variablen (VIF < 5; vgl. Urban und Mayerl 2008). Es wurden keine multivariaten Ausreißer identifiziert (vgl. Baltes-Götz 2015).

5.3 Determinanten des sozialen Status gewählter Praktikaberufe

In Abb. 2 (Modell Schulniveau Tief) und Abb. 3 (Modell Schulniveau Hoch) sind die beiden gerechneten Pfadmodelle dargestellt. Beide Pfadmodellen weisen einen guten Modellfit auf: Modell Schulniveau Tief, χ2(5, N = 231) = 4,88, p = 0,430, CFI = 1,00, RMSEA = 0,00 [0,00; 0,09], SRMR = 0,03, Modell Schulniveau Hoch, χ2(6, N = 231) = 10,76, p = 0,096, CFI = 0,96, RMSEA = 0,06 [0,00; 0,11], SRMR = 0,04.

Abb. 2
figure 2

Das finale Pfadmodell Schulniveau Tief zur Vorhersage des sozialen Status der gewählten Praktikaberufe. (Bildungserwartungen Eltern = 0: Abschluss auf Sekundarstufe I/II, 1: Abschluss auf Tertiärstufe. Schulniveau tief = 0: mittleres/hohes Niveau, 1: tiefes Niveau. Standardisierte Koeffizienten; einseitige Pfeile stehen für gerichtete Pfade, zweiseitige Pfeile für Korrelationen; χ2(5, N = 231) = 4,88, p = 0,430, CFI = 1,00, RMSEA = 0,00 [0,00; 0,09], SRMR = 0,03. (H)ISEI (Highest) International Socio-economic Index of Occupational Status, t1 5. Schuljahr, t2 7. Schuljahr, t3 9. Schuljahr, R2 erklärte Varianz. *p < 0,05 (einseitig), **p < 0,01 (einseitig), ***p < 0,001 (einseitig), ns nicht signifikant)

Abb. 3
figure 3

Das finale Pfadmodell Schulniveau Hoch zur Vorhersage des sozialen Status der gewählten Praktikaberufe. (Bildungserwartungen Eltern = 0: Abschluss auf Sekundarstufe I/II, 1: Abschluss auf Tertiärstufe. Schulniveau hoch = 0: tiefes/mittleres Niveau, 1: hohes Niveau. Standardisierte Koeffizienten; einseitige Pfeile stehen für gerichtete Pfade, zweiseitige Pfeile für Korrelationen; χ2(6, N = 231) = 10,76, p = 0,096, CFI = 0,96, RMSEA = 0,06 [0,00; 0,11], SRMR = 0,04. (H)ISEI (Highest) International Socio-economic Index of Occupational Status, t1 5. Schuljahr, t2 7. Schuljahr, t3 9. Schuljahr, R2 erklärte Varianz. *p < 0,05 (einseitig), **p < 0,01 (einseitig), ***p < 0,001 (einseitig), ns nicht signifikant)

Wie Abb. 2 zu entnehmen ist, haben Jugendliche in einem tiefen Schulniveau einen signifikant tieferen sozialen Status in den absolvierten Praktikaberufen (ISEI Praktikaberufe t3) als Jugendliche in einem mittleren oder hohen Schulniveau (β = −0,56, p = 0,021). In Abb. 3 zeigt sich, dass sich Jugendliche in einem hohen Schulniveau nicht signifikant im sozialen Status der absolvierten Praktikaberufe von Jugendlichen in einem tiefen oder mittleren Schulniveau unterscheiden (β = 0,04, p = 0,330; Hypothese 1 teilweise angenommen).

Im Modell Schulniveau Tief hat der soziale Status der gehegten Wunschberufe (ISEI Wunschberufe t2) keinen signifikanten Einfluss auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe der Jugendlichen (β = 0,21, p = 0,076). Im Modell Schulniveau Hoch hat der soziale Status der Wunschberufe einen signifikant positiven Einfluss auf den sozialen Status der Praktikaberufe der Jugendlichen (β = 0,36, p< 0,001; Hypothese 2 teilweise angenommen). Je höher der soziale Status der gehegten Wunschberufe der Jugendlichen im siebten Schuljahr ist, desto höher ist der soziale Status jener Berufe, welche sie in ihren Praktika ausprobieren.

Gemäß Tab. 2 gibt es sowohl im Modell Schulniveau Tief als auch im Modell Schulniveau Hoch einen signifikant positiven totalen indirekten Effekt vom elterlichen sozioökonomischen Status der Jugendlichen (HISEI Elternberufe t1) auf den sozialen Status der von den Jugendlichen gewählten Praktikaberufe, vermittelt über die schulischen Leistungen (Gesamtnote 4. Schuljahr t1), elterlichen Bildungserwartungen (Bildungserwartungen Eltern t1), die beruflichen Aspirationen (ISEI Wunschberufe t2) und das Bildungsniveau (Schulniveau tief/hoch t2; Hypothese 3a bestätigt). Jugendliche, deren Eltern Berufen nachgehen, welche einen hohen sozialen Status aufweisen, absolvieren demnach im Laufe der Sekundarstufe I Praktika mit einem ebenfalls hohen beruflichen sozialen Status. Erklären lässt sich dies über den Einfluss des elterlich vermittelten sozioökonomischen Status der Jugendlichen auf die schulischen Leistungen und elterlichen Bildungserwartungen, deren Beziehung zueinander und Einfluss auf die beruflichen Aspirationen und das erreichte Bildungsniveau, welche wiederum einen Einfluss auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe haben. Da in beiden Modellen der über die Eltern vermittelte sozioökonomische Status der Jugendlichen keinen signifikanten direkten Einfluss auf den sozialen Status der von ihnen gewählten Praktikaberufe hat (Modell Schulniveau Tief: β = 0,11, p = 0,100, Modell Schulniveau Hoch: β = 0,11, p = 0,089), wird der Effekt vom sozioökonomischen Status der Eltern auf den sozialen Status der Praktikaberufe vollständig mediiert. Entsprechend sind die zwischen den beiden Konstrukten liegenden Faktoren und Faktorenbeziehungen vollständig für die positive Beziehung zwischen dem elterlichen sozioökonomischen Status und dem von den Jugendlichen erreichten sozialen Status der Praktikaberufe verantwortlich. Sowohl im Modell Schulniveau Tief als auch im Modell Schulniveau Hoch hat der über die Eltern vermittelte sozioökonomische Status der Jugendlichen einen signifikant positiven totalen Effekt auf den von ihnen in den Praktikaberufen erreichten beruflichen sozialen Status (vgl. Tab. 2; Hypothese 3b bestätigt). Trotz des nichtsignifikanten direkten Einflusses des über die Eltern vermittelten sozioökonomischen Status der Jugendlichen auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe hat der sozioökonomische Status der Eltern eine statistisch relevante Vorhersagekraft hinsichtlich des von den Jugendlichen in den Praktikaberufen erreichten sozialen Status.

Tab. 2 Standardisierte totale indirekte Effekte und totale Effekte auf ISEI Praktikaberufe t3

Die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen (Intelligenz t1) haben sowohl im Modell Schulniveau Tief als auch im Modell Schulniveau Hoch einen signifikant positiven indirekten Effekt auf den sozialen Status der von den Jugendlichen gewählten Praktikaberufe, vermittelt über die schulischen Leistungen (Schulnoten), elterlichen Bildungserwartungen, die beruflichen Aspirationen und das Bildungsniveau (vgl. Tab. 2; Hypothese 4a bestätigt). Je höher der im fünften Schuljahr ermittelte Intelligenzwert der Jugendlichen ist, desto höher ist der soziale Status jener Berufe, welche sie im Zuge der ersten Berufswahl in den Praktika ausprobieren. Erklären lässt sich der positive Zusammenhang wiederum über das Verhältnis von den kognitiven Fähigkeiten und dem sozialen Status der gewählten Praktikaberufe zu den zwischen den beiden Konstrukten liegenden Faktoren und deren Beziehungen zueinander. Im Modell Schulniveau Tief haben die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen einen signifikant positiven direkten Effekt auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe (β = 0,11, p = 0,041). Im Modell Schulniveau Hoch haben die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen keinen signifikanten direkten Effekt auf den sozialen Status der absolvierten Praktikaberufe (β = 0,11, p = 0,055). Der Effekt von den kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen auf den sozialen Status der gewählten Praktikaberufe wird somit im Modell Schulniveau Tief partiell und im Modell Schulniveau Hoch vollständig mediiert. Die zwischen den beiden Konstrukten liegenden Faktoren und Faktorenbeziehungen sind teilweise (Modell Schulniveau Tief) bzw. vollständig (Modell Schulniveau Hoch) für die positive Beziehung zwischen den kognitiven Fähigkeiten und dem sozialen Status der von den Jugendlichen absolvierten Praktikaberufe verantwortlich. Sowohl im Modell Schulniveau Tief als auch im Modell Schulniveau Hoch haben die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen einen signifikant positiven totalen Effekt auf den sozialen Status, den die Jugendlichen in ihren Praktikaberufen erreichen (vgl. Tab. 2; Hypothese 4b bestätigt). Das heißt unabhängig davon, ob zwischen den kognitiven Fähigkeiten und dem sozialen Status der Praktikaberufe der Jugendlichen ein signifikanter direkter Effekt besteht, haben die kognitiven Fähigkeiten der Jugendlichen einen Einfluss auf den sozialen Status jener Berufe, welche sie in ihren Praktika wählen.

Die Varianzaufklärung in der Variable zum sozialen Status der Praktikaberufe liegt im Modell Schulniveau Tief bei 35 % und im Modell Schulniveau Hoch bei 20 %.

6 Diskussion

6.1 Interpretation und Implikationen

In dieser Studie wurden erstmalig und unter Verwendung von Daten aus mehreren Erhebungswellen die Determinanten des sozialen Status jener Berufe untersucht, welche die Jugendlichen während ihrer Berufswahl in Praktika ausprobierten. Damit wurde der individuelle Erwerb eines beruflichen sozialen Status in einer noch frühen Phase der beruflichen Karriere beleuchtet. Die berechneten Modelle zeigten, dass das Bildungsniveau und die beruflichen Aspirationen in Abhängigkeit der Kodierung des Bildungsniveaus einen Einfluss auf den sozialen Status der von den Jugendlichen in explorativen Berufswahlhandlungen ausprobierten Berufe haben. Vor allem bei Jugendlichen in einem mittleren oder hohen Schulniveau haben die beruflichen Aspirationen einen großen Einfluss auf die Wahl der Praktikaberufe und des damit verbundenen beruflichen Status. Bei ihnen ist die Höhe des wählbaren sozialen Status der Praktikaberufe nicht vorentscheidend durch das besuchte Schulniveau eingeschränkt und der soziale Status der in explorativen Berufswahlhandlungen absolvierten Berufe scheint in erster Linie einer Weiterverfolgung (des sozialen Status) des gehegten Wunschberufes zu entsprechen. Ob sich die Jugendlichen in einem mittleren oder hohen Schulniveau befinden, scheint für die Höhe des erreichbaren sozialen Status in den Praktikaberufen nicht relevant zu sein: Den Jugendlichen steht scheinbar in beiden Schulniveaus dieselbe Palette wählbarer Praktikaberufe zur Verfügung. Dieses Ergebnis unterstreicht einerseits den Forschungsstand zum Einfluss beruflicher Aspirationen auf den Erwerb eines sozialen Status in der Berufswahl (vgl. Lee und Byun 2019). Andererseits zeigt sich anhand der Wahl der Praktikaberufe, wie die Zuteilung der Jugendlichen in ein nach Leistungsanforderungen gegliedertes Schulsystem den individuellen Erwerb eines beruflichen Status vorbestimmt: Jugendliche in einem Schultyp mit tiefen Anforderungen sind aufgrund ihres Bildungsniveaus in der individuellen Wahl des sozialen Status der Praktikaberufe derart stark eingeschränkt, dass die eigenen beruflichen Aspirationen diesbezüglich bedeutungslos sind. Dieses Ergebnis reiht sich ein in frühere Befunde zu gesellschaftlicher Kanalisierung (societal canalisation; vgl. Basler und Kriesi 2019; Heckhausen und Buchmann 2018). Es ist deshalb wichtig, dass der schulische Selektionsprozess in nach Meritokratie strebenden Ländern wie der Schweiz (vgl. Künzli und Maag Merki 2010) ausschließlich auf der Grundlage leistungsbezogener Kriterien erfolgt. In diesem Prozess involvierte Akteure (Lehrpersonen, Eltern) sind angeleitet, sich entsprechend dem meritokratischen Prinzip zu verhalten (vgl. Neuenschwander 2013). Für Lehrpersonen bedeutet dies, dass sie ihre Selektionsempfehlung ausschließlich auf Basis des schulischen Potenzials der Jugendlichen treffen. Sie sind in den Übertrittsgesprächen mit den Eltern der Jugendlichen angehalten, ihre Empfehlung nicht nur mitzuteilen, sondern die Eltern davon zu überzeugen. Die Eltern stehen in der Pflicht, die schulischen Leistungen ihres Kindes möglichst objektiv zu betrachten und die Selektionsempfehlung der Lehrperson entsprechend zu behandeln (vgl. Neuenschwander 2013).

Die durchgeführten Analysen verdeutlichten, dass der über die Eltern vermittelte sozioökonomische Status der Jugendlichen und die kognitiven Fähigkeiten in Übereinstimmung mit der gegenwärtigen Befundlage (vgl. Becker et al. 2019; Lee und Byun 2019; Schoon und Parsons 2002; Thienpont und Verleye 2003) einen Einfluss auf den individuellen beruflichen Statuserwerbsprozess in explorativen Berufswahlhandlungen haben, wobei der Effekt hauptsächlich indirekter Art ist. Das bedeutet, dass die sozio-strukturellen und kognitiven Voraussetzungen einer Person den Erwerb eines sozialen Status in der Berufswahl maßgeblich mitbeeinflussen. Die in früheren Studien vorgefundene soziale Reproduktion im Erwachsenenalter (vgl. Hupka-Brunner et al. 2015) konnte somit bereits für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren vorgefunden werden. Während beim sozioökonomischen Status der Eltern mit dem Fehlen eines direkten Effekts auf den sozialen Status der von den Jugendlichen absolvierten Praktikaberufe die vollständige Mediation über die schulischen Leistungen (Schulnoten), den Einfluss primärer Bezugspersonen (elterliche Bildungserwartungen) und die beruflichen Aspirationen der Jugendlichen als erwartungsgemäß gilt, ergibt sich beim teils vorgefundenen direkten Effekt der kognitiven Fähigkeiten auf den individuellen Statuserwerbsprozess während der ersten Berufswahl ein Erklärungsbedarf. Ein Grund dafür könnte in der Kodierung des Bildungsniveaus durch die Zusammenfassung des mittleren und hohen Schulniveaus zu einer Kategorie liegen: Der direkte Einfluss der kognitiven Fähigkeiten verweist auf eine notwendige Distinktion zwischen den beiden Schulniveau-Gruppen beim beruflichen Statuserwerb von Jugendlichen. Jugendliche in einem hohen Schulniveau erreichen tendenziell eher einen höheren sozialen Status in ihren Praktikaberufen als Jugendliche in einem mittleren Schulniveau. Dieser höhere soziale Status in den Praktikaberufen erklärt sich über die erhöhte Intelligenz, jedoch nicht über die besseren Schulnoten oder das höhere Schulniveau. In früheren Studien gab es keinen direkten Einfluss der kognitiven Fähigkeiten auf den sozialen Status der gewählten Erwerbsberufe (vgl. Becker et al. 2019; Georg 2009).

Insgesamt hatte der über die Eltern vermittelte sozioökonomische Status der Jugendlichen einen größeren Einfluss auf den sozialen Status der von den Jugendlichen gewählten Praktikaberufe als deren kognitive Fähigkeiten. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass der individuelle Erwerb eines beruflichen Status im Prozess der ersten Berufswahl vor allem einer sozialen Reproduktion des beruflichen Status entspricht und kognitive Fähigkeiten eher zweitrangig sind. In einer deutschen Studie von Becker et al. (2019) zeigte sich ein anderes Bild: Die Intelligenz der Jugendlichen hatte im Vergleich zum elterlichen sozioökonomischen Status einen stärkeren Einfluss auf den Erwerb eines beruflichen Status über die Wahl der Erwerbsberufe. Möglicherweise sind die Unterschiede auf die länderspezifischen Berufs- und Bildungssysteme zurückzuführen. Die Generalisierbarkeit der Studienergebnisse auf andere Länder mit ähnlichem Berufswahlsystem und explorativen Berufswahlhandlungen ist in zukünftigen Studien zu prüfen.

Der hohe Zusammenhang zwischen dem sozialen Status der absolvierten Praktikaberufe und dem sozialen Status des später gewählten Ausbildungsberufes der Jugendlichen verdeutlicht die große Bedeutung der Praktikaberufe für die Wahl jenes Berufes, der in der beruflichen Grundbildung ausgeübt wird. Die ersten direkten Erfahrungen Jugendlicher mit den unterschiedlichen Höhen des sozialen Status der im Berufswahlprozess absolvierten Praktikaberufe stellen die Weichen für den unmittelbaren weiteren beruflichen Verlauf. Dieses Ergebnis reiht sich ein in die bereits bestehenden Forschungsbefunde, wonach der soziale Status des gewählten Erstberufes den sozialen Status später ergriffener Berufe wesentlich vorhersagt (vgl. Wolbers et al. 2011).

6.2 Limitationen und Ausblick

Einige Limitationen dieser Studie sollen an dieser Stelle genannt und im Hinblick auf zukünftige Forschungsmöglichkeiten diskutiert werden. Eine erste Limitation bezieht sich auf die Variablenkodierungen. Die Kodierung des sozialen Status von Berufen erfolgte über den ISEI-Code. Dieser basiert auf der ISCO-08 Klassifikation (vgl. ILO 2012) und gibt bei der detailliertesten ISCO-Ausprägung nicht den sozialen Status von Berufen, sondern von Berufsgattungen an. Eine genauere Kodierung würde zu valideren Ergebnissen führen, was aufgrund der vorhandenen Datenbasis jedoch nicht möglich war. Weiter wurden bei den elterlichen Bildungserwartungen die Abschlüsse auf Sekundarstufe I und Sekundarstufe II zu einer Kategorie zusammengefasst, was zu ungenauen Ergebnissen führen kann. Da der Anteil der Eltern, welche von ihrem Kind einen Abschluss auf Sekundarstufe I erwarteten, im einstelligen Prozentbereich lag, kann die Zusammenführung der Abschlusserwartungen als unproblematisch betrachtet werden. In zukünftigen Studien sollte überlegt werden, den Einfluss primärer Bezugspersonen aufgrund der geringen Vorhersagekraft der elterlichen Bildungserwartungen für den sozialen Status der von den Jugendlichen gewählten Praktikaberufe mit alternativen Variablen zu berücksichtigen. Als vielversprechend können die Statuserwartungen primärer Bezugspersonen bezüglich des zu erreichenden Aus- bzw. Erwerbsberufes der Jugendlichen gesehen werden. Neben den Eltern sollten außerdem auch weitere Bezugspersonen der Jugendlichen wie deren Freunde, Verwandte, Geschwister und Lehrpersonen in die Analysen miteinbezogen werden (vgl. Sewell et al. 1969). Aus Gründen der Modellsparsamkeit wurde in dieser Studie nur der elterliche Einfluss berücksichtigt, da die Eltern von Kindern im Primarschulalter in dieser Lebensphase den größten Einfluss ausüben (vgl. Jodl et al. 2001). Im Gegensatz zu den ursprünglichen Untersuchungen (vgl. Sewell et al. 1969, 1970), welche die Entwicklung des Wisconsin-Modells evozierten, stammten die elterlichen Bildungserwartungen nicht von den Jugendlichen, sondern wurden über einen standardisierten Fragebogen aus Sicht der Eltern und anderer primärer Bezugspersonen abgefragt. Dadurch kann eine hohe Validität in den Angaben zum Einfluss primärer Bezugspersonen angenommen werden.

Ein weiterer Punkt bezieht sich auf die geringe Varianzstreuung im sozialen Status der gewählten Ausbildungsberufe. Fast alle Berufe der beruflichen Grundbildung liegen in derselben Berufshauptgruppe gemäß ISCO-Klassifikation und weisen dadurch eine geringe Varianzbreite im sozialen Status auf. Da Praktikaberufe im Berufswahlprozess den Ausbildungsberufen häufig sehr ähnlich sind (vgl. Neuenschwander et al. 2018), könnte die Problematik der zu geringen Varianzstreuung auch für die Praktikaberufe angenommen werden. Wie die in dieser Studie durchgeführten deskriptiven Statistiken jedoch aufzeigten, ist die Varianz im sozialen Status in den von den Jugendlichen absolvieren Praktikaberufen grundsätzlich höher als in den von ihnen gewählten Ausbildungsberufen. Gewisse Jugendliche hatten ihre Praktika in Anwaltskanzleien oder Arztpraxen absolviert und Praktikaberufe mit einem entsprechend hohen sozialen Status angegeben. Die Varianzbreite in der zu erklärenden Variable dieser Studie (sozialer Status der Praktikaberufe) ist daher unproblematisch. Der relativ große Unterschied in der erklärten Varianz dieser Variable zwischen den beiden gerechneten Modellen war unerwartet, kann jedoch auf die Operationalisierung des Schulniveaus zurückgeführt werden. Da Jugendliche in einem Schulniveau mit tiefen Anforderungen in der Höhe des wählbaren sozialen Status der Praktikaberufe derart eingeschränkt sind, dass die Wahl (des sozialen Status) der Praktikaberufe weitgehend vorbestimmt ist, liegt die erklärte Varianz im Modell Schulniveau Tief höher als im Modell Schulniveau Hoch. Mit dem Einbezug weiterer Variablen könnte die erklärte Varianz möglicherweise noch verbessert werden. Sewell et al. (1970) nennen unter anderem das individuelle Bedürfnis nach Leistung, Macht und Anerkennung sowie individuelle soziale Fertigkeiten wie Geselligkeit und Einfühlungsvermögen. Auch der Einbezug weiterer motivationaler (z. B. Selbstwirksamkeitserwartung) und Persönlichkeitsfaktoren (z. B. Big Five) ist in zukünftigen Studien zu prüfen (vgl. Haller und Portes 1973). Insgesamt haben sich jedoch die vom Wisconsin-Modell vorgegebenen Konstrukte bewährt. Obwohl das Modell vor über 50 Jahren für den US-amerikanischen Bildungskontext entwickelt wurde, bietet es sich auch heute noch für die Erforschung des individuellen Statuserwerbs an und kann auf den Berufswahlprozess von Jugendlichen in der Schweiz adaptiert werden.

Auch wenn im Hinblick auf Selektionseffekte in gewissen Variablen eine Verzerrung mit geringer bis mittlerer Effektstärke vorlag und bei der Ergebnisinterpretation deshalb Vorsicht geboten ist, lassen sich aus dieser Studie Hinweise für die zukünftige Forschung ableiten. Vor dem Ergebnis, dass sich der soziale Status der in explorativen Berufswahlhandlungen absolvierten Berufe für den unmittelbaren weiteren beruflichen Verlauf als äußerst bedeutsam erwies, ist die Bedeutung des in Praktikaberufen erreichten sozialen Status auch für den längerfristigen beruflichen Verlauf zu prüfen. Unter anderem stellt sich die Frage, welche Rolle der soziale Status der in explorativen Berufswahlhandlungen ausprobierten Berufe für die Wahl des sozialen Status jener Berufe hat, welche nach der beruflichen Grundbildung gewählt werden. Sollte sich herausstellen, dass der in Praktikaberufen erreichte berufliche soziale Status langfristige Vorhersagen zulässt, könnten bei Vorliegen problematischer Statuserwerbsprozesse (z. B. wenn der erworbene Status nicht der investierten (Aus‑)Bildungsarbeit entspricht) frühzeitige Gegenmaßnahmen eruiert und ergriffen werden. Dass die individuelle Wahl eines Ausbildungsberufes und des damit verbundenen beruflichen sozialen Status sehr stark mit dem sozialen Status der in Praktika ausprobierten Berufen zusammenhängt, brachte diese Studie als eine der zentralen Erkenntnisse hervor. Daneben zeigte sich vor allem auch, dass der Selektionsprozess beim Übergang in ein nach Leistungsanforderungen unterteiltes Schulsystem nicht nur (aus‑)bildungsbezogene Folgen hat, sondern sich auch erheblich auf den individuellen beruflichen Statuserwerbsprozess in der ersten Berufswahl auswirkt.