Zusammenfassung
Elizabeth T. Spira hat mit ihrem ganz eigenen Blick interessante Betrachtungsweisen zur österreichischen Gesellschaft und Alltagskultur geliefert. Anlässlich ihres Todes wird deshalb an ihre Leistungen als Sozialreporterin erinnert, auf soziologisch relevante Aspekte verwiesen und ihre Arbeit kritisch gewürdigt. Darüber hinaus werden zu diesem Anlass die Verbindungen und Abgrenzungen zwischen Sozialreportage und (Teilen der) Soziologie thematisiert. Anhand der Liebesg’schichten und Heiratssachen, vor allem aber der Alltagsgeschichten wird geprüft, inwiefern für die Soziologie und die Frage nach dem Zugang zur sozialen Wirklichkeit von den Arbeiten Spiras Impulse und Denkanstöße ausgehen können.
Abstract
With her unique view Elizabeth T. Spira provided an interesting look at the Austrian Society and Culture. Due to her death it seems appropriate to remind of her lifework as Social Reporter, to show some sociological relevant aspects and to honor her in a critical way. Beyond that a reason is given to point to the connections and disparities between Sociology and Social Reportage. On the basis of Liebesg’schichten und Heiratssachen and especially Alltagsgeschichten it will be questioned, if there are thought-provoking impulses for sociological questions about the access to social reality.
Notes
Im Wesentlichen umfasst dies die 60 Folgen der Alltagsgeschichte sowie die 23 Staffeln der Liebesg’schichten und Heiratssachen, von denen die letzte im Juli 2019 posthum erschien.
Insbesondere das Format „Liebes’gschichten und Heiratssachen“ verzeichnet seit 2013 hohe Einschaltquoten. Laut AGTT/GfK Teletest lag der höchste Wert 2018 bei 1.096.000 Zuseherinnen und Zusehern, was in Österreich zu diesem Zeitpunkt einem Marktanteil von 34 % entsprach.
Beitrag auf der persönlichen Facebook-Seite von Gernot Blümel vom 09.03.2019.
Dabei handelt es sich sowohl an der Druckauflage als auch der Reichweite gemessen um die „Kronen Zeitung“, „Heute“, die „Kleine Zeitung“, den „Kurier“, „Österreich“, den „Standard“, die „Oberösterreichischen Nachrichten“, „Die Presse“, die „Tiroler Tageszeitung“ und die „Salzburger Nachrichten“.
An dieser Stelle danke ich dem ORF und Kurt Schmutzer insbesondere für den Zugang zu den älteren Folgen der Alltagsgeschichten.
Für eine genauere soziologische Analyse zum Schnitt als Stilmittel siehe Raab und Soeffner (2004).
Bei Lindner (1990, S. 115) findet sich eine anschauliche Gegenüberstellung von gesellschaftlich relevanten Themen, die sowohl im Rahmen von Sozialreportagen als auch Sozialforschungen der Chicagoer School behandelt wurden.
Für eine ausführlichere Darstellung der Geschichte der Qualitativen Sozialforschung siehe Ploder (2017).
Die als Wissenssoziologie bestehende Sektion innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wurde als Sektion für Sprachsoziologie gegründet.
Auf methodischer Seite haben die Arbeiten Girtlers einen starken Bezug zur Ausrichtung der Chicagoer School, thematisch finden sich bei ihm aber ähnliche Interessen wie in der an Schütz anschließenden Wissenssoziologie, etwa mit ihrem Interesse für die Ränder der Gesellschaft oder besonderen Praktiken. Thematisch der Chicagoer School näher stehen ansonsten solche soziologischen Arbeiten, die einen starken Fokus auf soziale Ungleichheit, Arbeit und benachteiligte Gruppen haben. Exemplarisch dafür wären etwa Forschungen zu prekären Arbeitsverhältnissen, der Mitbestimmung in der Arbeit über Betriebsräte und Gewerkschaften oder der Frage von Arbeitsbedingungen von Pflegefachkräften wie etwa bei Artus (2008) und Artus et al. (2017).
Es gibt einige soziologische Studien, die sich genau dadurch auszeichnen, im Unscheinbaren relevante Ordnungen zu entdecken. Beispiele dafür wären Simmels Arbeiten zum Schmuck (1908) oder zu Kunstausstellungen (2004 [1890]), Goffmans zahlreiche Analysen zu Rahmungen und Modulationen (1977) oder aus der jüngeren Geschichte der Soziologie Hirschauers Analyse von Fahrstuhlfahrten (1999).
Siehe hierzu insbesondere „Grenzbummel“ (1998), wo über die Vernachlässigung der kleinen Leute geklagt wird, die den Einkauf im nahegelegenen Ausland (vor dem Beitritt Österreichs zur EU) in erster Linie als Ausweichstrategie beschreiben.
Zu berücksichtigen ist hier insbesondere auch die Waldheim-Affäre, die in einigen Fällen der Erzählanlass ist. In der Relativierung der eigenen Rolle wird auch jene des damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim kleingeredet. Diese Episode wurde trotz vehementen Drängens Spiras nicht veröffentlicht. Erst im Jahr 2016 wurde sie im ORF ausgestrahlt.
In Grenzfällen setzt Spira das Vervollständigen der Sätze als Mittel dafür ein. Die Suggestionsgefahr ist dabei hoch, was bei wissenschaftlichen Interviews problematisch wäre, wenn es aber darum geht, Partnerschaften entstehen zu lassen, ein probates Mittel.
Sehr gute Beschreibungen zu diesen Aspekten des Gesprächs finden sich bei Misoch (2015).
Das Einhaken wird in der Qualitativen Sozialforschung aber kontrovers diskutiert. Bei narrativen Interviews besteht die Empfehlung, in der Erzählphase nicht zu unterbrechen und einzugreifen (Küsters 2014, S. 578).
Es handelt sich um die Vorstellung von Joachim und das Interview mit ihm in der Sendung Liebesg’schichten und Heiratssachen vom 10. Oktober 2015.
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Danksagung
Ich danke den Gutachter*innen der ÖZS für die intensive Auseinandersetzung mit dem Manuskript und die hilfreichen Kommentare.
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Schmidl, A. „Alltagsgeschichte“ als Exploration kleiner Lebenswelten. Österreich Z Soziol 44, 407–426 (2019). https://doi.org/10.1007/s11614-019-00384-x
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