Im 21. Jahrhundert sind Changeprozesse in allen Typen von Organisationen, in Unternehmen, in der öffentlichen Verwaltung und im sozialen Dienstleistungsbereich an der Tagesordnung. Man kann sogar behaupten, Veränderung ist der Normalzustand, denn die gesamte organisatorische Landschaft ist heute laufend in Bewegung. Wir finden viele Start-ups, die im Begriff sind, sich zu konsolidieren, aber auch in bestehenden Systemen begegnen uns Sanierungsfälle, Fusionen und Akquisitionen, bei denen reaktive Changeprozesse in Gang gesetzt werden. Nun sind Organisationen ohnedies keine statischen Gebilde, sondern sie durchlaufen spezifische Lebenszyklen mit charakteristischen Krisen, wie etliche Autoren eingehend beschrieben haben (vgl. Türk 1989). Dadurch werden Veränderungen oft geradezu erzwungen. Deshalb stellen Changeprozesse ein selbstverständliches Geschehen im Leben einer jeden Organisation dar.

Von solchen Phänomenen ist aber ein „geplanter organisatorischer Wandel“ zu unterscheiden, bei dem Organisationen in rational bestimmter Weise von einem Zustand x in einen neuen, „besseren“ Zustand y gebracht werden sollen. Das sind dann proaktive Restrukturierungen, wie sie bisher durch unterschiedliche Formen der Unternehmensberatung in Gang gesetzt wurden. So sollen Organisationen auch ohne besondere Krise in Zeiten der Globalisierung „zukunftsfähig“ werden.

Neben traditionellen Formen der Experten- bzw. Strategieberatung, wie sie McKinsey, Boston Consulting und ähnliche Firmen anbieten, kam seit den 1970er Jahren die „Organisationsentwicklung“ hinzu. Bei dieser sollten auf Basis der angewandten Gruppendynamik Organisationen nicht nur effizienter, sondern auch humaner, also menschengerechter gestaltet werden. Faktisch ging es dabei meistens um Entbürokratisierungsprozesse, also um die Reduktion formaler organisatorischer Muster. Seit den 1980 Jahren gesellte sich zur klassischen Unternehmensberatung und der Organisationsentwicklung die „Systemische Beratung“, bei der auf der Basis systemtheoretischer Positionen jede Organisation ein neues Profil erhalten soll. Wie allerdings Kühl und Moldaschl (2010) kürzlich „verraten“ haben, bleibt die klassische Strategieberatung im Stile McKinsys nicht nur mengenmäßig, sondern auch im Hinblick auf ihr professionelles Image bei potentiellen Auftraggebern dominant.

Bei all diesen Changeprozessen, ob reaktiv oder proaktiv, ob auf der Basis traditioneller Expertenberatung oder auf der Basis von Gruppen- oder Systemberatung, die jeweiligen Führungskräfte haben letztlich dafür Sorge zu tragen, dass die Organisation funktionsfähig bleibt oder wieder funktionsfähig wird. Und dabei setzen sich heute immer häufiger Formen der Unternehmensberatung durch, bei denen auch personenorientierte Beratung, also Supervision und Coaching, eine Rolle spielen. In diesem Heft von OSC haben wir Beiträge von Autorinnen und Autoren versammelt, die sich mit dieser Thematik befassen. Sie zeigen, wie unterschiedliche organisatorische Changeprozesse durch Supervision und Coaching erheblich bereichert werden kann.

Zunächst thematisiert Martin Klaffke, wie Führungskräfte angesichts von Unternehmenskrisen, in denen die Organisation zwingend verändert werden muss, durch Coaching besonders effektiv zu unterstützen sind. Entgegen den üblichen, oft allzu luftig wirkenden Empfehlungen in der gängigen Literatur, zeigt der Autor auf, dass manche Krisenerscheinungen in Organisationen sogar mit dem Fünf-Phasen-Modell des Sterbens von Kübler-Ross zu vergleichen sind. Dann sei es sinnvoll, Veränderungsprozesse sehr stringent zu planen mit einer reflektierten Folge von Workshops, Einzelcoachings und Reviews auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen. Dirk Eichler berichtet von Coaching in einer Firma, die nun ganz und gar nicht krisenhaft ist: von Audi. Hier geht es noch nicht einmal um Reorganisationen, sondern um das Ziel, eine exzellente Organisationskultur mit einer großen organisatorischen Lernfähigkeit zu implementieren. Hier sollen also durch Coaching der Führungskräfte prospektive Entwicklungen im Gesamtsystem in Gang gesetzt werden. Julika Zwack und Jochen Schweitzer beschäftigen sich dagegen mit unerfreulichen Effekten von Changeprozessen. Gerade im sozialen Dienstleistungsmilieu mutierte „Change“ nämlich in den letzten Jahren zu einem „Schreckenswort“. Das schlägt sich heute auch in jeder Teamsupervision als Wut und Enttäuschung nieder. Die Autoren zeigen nun, welche Möglichkeiten Supervisoren haben, bei Teammitgliedern Resilienz, d.h. die Widerstandskraft zu fördern, um mit den „Zumutungen von Change“ angemessen umzugehen. Michael Dick und Franziska Wasian führen uns in das Feld der Zahnmedizin. Auch in diesem Milieu ist heute eine kontinuierliche professionelle Entwicklung von zahnmedizinischen Praxen gefragt. Die beiden Autoren propagieren zu diesem Zweck ein neues Format, die „Methode der kollegialen Visitation“, bei der sich Zahnärzte in ihren Praxen besuchen und dann über ihre jeweilige Arbeit gemeinsam reflektieren. Anhand der von den Autoren untersuchten Sequenzen lässt sich ermitteln, welche Bedingungen voraussichtlich zu einem besonders guten Lernerfolg führen. Anschließend stellt Annelie Eichhorn einen vom DBVC im Jahr 2010 prämierten Ansatz für organisationsinternes Coaching vor. Es handelt sich dabei um Coaching im Universitätsklinikum der Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Sandra Harbert befasst sich mit der aktuellen Praxis von „Change Coaching“ der DAX-30 und vergleichbarer Unternehmen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass viele dieser Systeme im Verlauf der letzten fünf Jahre vermehrt Coaching nutzen.

In einem Diskurs stelle ich, Astrid Schreyögg, die derzeit noch eher „dürftigen Früchte“ der Evaluation von Coaching vor, so wie sie in Reviews von Autoren aus der Schweiz, aus Deutschland und den USA beschrieben werden. Eigentlich bleiben sie immer noch hinter den Möglichkeiten der Evaluation zurück. Schließlich gibt Gabriele Bollhöfer einen ersten Überblick über unterschiedliche Formen von organisationsinternem Coaching. Diese Vielfalt lässt erahnen, welchen Siegeszug Coaching auch im Innenraum von Unternehmen angetreten hat.