Die Einnahme von Antidepressiva geht laut taiwanesischen Forschern möglicherweise mit einem erhöhten Hörsturzrisiko einher. Dabei stieg das Risiko mit der Zahl der eingenommenen Substanzklassen.

Die Ätiologie und Pathogenese des Hörsturzes sind nach wie vor weitgehend unklar. Als mögliche Auslöser werden unter anderem Medikamente diskutiert. Seit in Tierstudien nachgewiesen wurde, dass Hörschäden mit der Modulation serotonerger Signalwege zusammenhängen, stehen insbesondere Antidepressiva, welche auf den Serotoninstoffwechsel Einfluss nehmen, unter Verdacht.

Forscher vom National Defense Medical Center in Taipeh haben diesen Zusammenhang in einer Longitudinalstudie mit rund 1,3 Millionen erwachsenen Teilnehmern untersucht. Von diesen hatten 218.466 zwischen Januar 2001 und Dezember 2010 Antidepressiva verschrieben bekommen. Die restlichen 1.116.518 dienten als Kontrollen. Beobachtet wurden die Teilnehmer jeweils über fünf Jahre.

Risiko für alle Substanzklassen erhöht

Wie Pei-Xun Zhong und seine Kollegen zeigen konnten, war die Wahrscheinlichkeit für einen Hörsturz im Studienzeitraum bei Einsatz von Antidepressiva insgesamt um 36% größer als in der Vergleichsgruppe, und zwar nach Berücksichtigung von Begleiterkrankungen. Der Zusammenhang galt für alle untersuchten Substanzklassen und war für Männer und Frauen in etwa gleich.

Je mehr verschiedene Substanzen eingenommen wurden, desto größer war die Gefahr, einen Hörsturz zu erleiden. Bei vier verschiedenen Substanzklassen war das Risiko doppelt so hoch wie ohne jegliches Antidepressivum, bei drei Substanzen war es um 80% höher, bei zwei um 37%.

Ein Kausalzusammenhang lässt sich durch die vorliegenden Daten nicht belegen. Die Autoren bleiben auch die zugrundeliegenden Pathomechanismen schuldig. Nach Zhong et al. wäre es z.B. möglich, dass die Serotoninmodulation die Weiterleitung akustischer Signale hemmt.

https://doi.org/10.1093/ije/dyab023